Dieser Auszug aus einem schriftlichen Bericht, der in einer Grab - Urne gefunden wurde schildert die seelischen Qualen und Impressionen, die eine Person während und nach dem Bombenangriff in Pirna durch leben musste:
" Wir (Christa, ich und Michi) versuchten, dem Feuer zu entkommen, weil der Qualm das Leben des Kindes gefährdete. Der zweite Angriff trieb uns in den Keller eines brennenden Hauses. Als wir am 14.2. gegen 9.30 Uhr unseren Unterschlupf verlassen konnten - bis dahin waren wir durch Feuer eingeschlossen gewesen - bot sich uns der furchtbare Anblick der Großen Plauenschen Straße. Das Vorderhaus unserer lieben Eltern war durch Volltreffer zerstört. Alle Bewohner des Hauses waren rettungslos verloren, durch Verschüttung eingemauert und dann verbrannt. Der Anblick war erschütternd und ist kaum zu beschreiben. Der ganz Stadtteil nur Schutt und Asche, man konnte über hunderte von Metern sehen - kein Haus, das den Blick auffing. Ein Bild totaler, wahnsinniger Zerstörung, ein Werk des Teufels. Kein Mensch außer wenigen Überlebenden, die aus ihren Kellern krochen, keine Luftschutzpolizei, einfach nichts, was helfen konnte.
Wir mußten mit dem Kind auf dem Arm aus diesem Qualm, aus dieser Hölle heraus. Ich trug den Jungen über Steinberge, zwischen brennenden und einstürzenden Häusern hindurch, vorbei an Toten und Sterbenden.
Am anderen Tag war unser Bataillon zu Bergungsarbeitern eingesetzt. Ich bat einen Zugführer, unseren Luftschutzkeller freizulegen. Am Abend brachte er mir die fast erwartete Antwort, daß hier nur eine Großaktion angesetzt werden könne.
Sechs Tage später ging ich selbst zur Schadenstelle. Die Schuttmassen waren noch so heiß, daß man nicht stehen konnte, ohne sich die Schuhsohlen zu verbrennen . . . Nun hörte ich, daß man geborgene Tote am Altmarkt sammelte und sie mit Flammenwerfern zu Asche verbrannte. Diese Schicksal wollte ich unseren Lieben ersparen.
Ich bekam von meiner Einheit eine Oberfeldwebel und sechs Kriegsgefangene zugeteilt. Die Leute begannen nach meinen Anweisungen zu graben. Der Einstieg war an der genau richtigen Stelle erfolgt und legte den Eingang zum Keller frei. Eine furchtbare Hitze kam uns aus dem Keller entgegen und erlaubte nur einen Aufenthalt von wenigen Minuten. Trotz der schlechten Lampe bot sich mir der schmerzlichste Anblick meine Lebens: Am Eingang kauerten mehrere Menschen, die anderen an der Kellertreppe und weiter hinten im Luftschutzkeller waren die vielen anderen. Die Leichen waren in der Form als Menschen erkennbar. Sie zeigten noch genau den Körperbau, die Schädelform, waren aber ohne Bekleidung, Augen und Haare, - also verkohlt und nicht zusammen geschrumpft. Bei Berührung vielen sie zu Asche zusammen und zwar restlos ohne Skelett oder irgendwelche einzelne Knochen.
Eine männliche Leiche erkannte ich als meinen Schwiegervater. Sein Arm war von zwei Steinen eingeklemmt. Dort waren Reste seines graumelierten Anzugs erhalten geblieben. Nicht weit daneben saß unzweideutig die liebe Mutter. Die schlanke schmächtige Form und ihre Kopfform ließen kein Täuschung zu.
Ich fand eine Blechschachtel und barg Asche der lieben Toten darin. Noch nie war ich so traurig, verzweifelt und allein. Mit meinem kostbaren Schatz nahm ich mit feuchten Augen Abschied von dieser Stätte des Grauens. Ich zitterte am ganzen Körper, mein Herz pochte zum Zerreißen. Meine Helfer standen still und ergriffen von der Wucht des Eindrucks dieser Stunde . . .
Was soll ich noch schreiben?
Diese Schilderung hat drei Durchschläge, einen lege ich in die Urne . . .
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