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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Zentrum



Zentrum, die kath. Partei im Kaiserreich 1871-1918 u. der Weimarer Republik 1919-1933. Anfänge kath. Gruppenbildung reichen in die Frühzeit der Landtage in Süd-Dtschld. zurück (Hessen, Bayern u. Baden). In der Frankfurter Nationalversammlung in der Paulskirche 1848/49 konstituierte sich bei Grundrechtsberatungen ein Kath. Klub (Vors.: J. M. von Radowitz; außerdem A. Reichensperger, I. von Döllinger u. W. E. Frhr. von Ketteler ). 1852 bildete sich eine kath. Fraktion im preuß. Landtag; sie nannte sich 1859 Fraktion des Zentrums (nach der Sitzordnung in der Paulskirche). Sie wurde in den Verfassungskämpfen allmählich zerrieben u. verschwand bei den Wahlen von 1866 völlig.
Aufgrund eines Aufrufs von P. Reichensperger wurde die Zentrumspartei am 13. 12. 1870 in Berlin vor den Wahlen zum preuß. Abgeordnetenhaus neu gegr. Bei den Wahlen zum ersten Reichstag wurde sie zweitstärkste Fraktion. Sie legte Wert auf den Zusatz »Verfassungspartei«. Unter der Führung L. Windthorsts wandte sich die Zentrumspartei scharf gegen den Kulturkampf, unterstützte aber seit 1878 gemeinsam mit den Konservativen Bismarcks Wirtschafts- u. Sozialpolitik. Die Zentrumspartei war 1881-1912 u. 1916 bis 1918 stärkste Fraktion im Reichstag.
Nach dem Tod Windthorsts wurde E. Lieber, ein großdeutscher Demokrat, Nachfolger im Parteivorsitz. Einfluß auf die Politik der Zentrumspartei nahmen der »Volksverein für das kath. Deutschland« (gegr. 1890) u. später die interkonfessionellen Christl. Gewerkschaften (1899). Nach 1900 gab es starke Bestrebungen innerhalb der Zentrumspartei, aus dem »kath. Turm« auszubrechen. 1909 wurde der interkonfessionelle Charakter der Zentrumspartei in der sog. »Berliner Erklärung« offiziell festgelegt. Sie blieb jedoch ohne Resonanz bei der ev. Bevölkerung. Die Zentrumspartei war unter den Kanzlern Hohenlohe u. Bülow bis 1906 praktisch Regierungspartei. Sie stellte den Reichstagspräsidenten seit 1895 u. wirkte u. a. bei der Abfassung des BGB mit. In Preußen bestand in kulturpolit. Fragen eine enge Verbindung zwischen der Zentrumspartei u. den Konservativen. Während des 1. Weltkriegs war die Haltung der Zentrumspartei zu Annexionsplänen sehr schwankend. 1917 stimmte sie unter Führung M. Erzbergers mit der SPD u. Fortschrittspartei für die Friedensresolution, die einen Frieden ohne Annexionen u. Kontributionen (Reparationen) forderte.
1918/19 stellte sich die Zentrumspartei auf den Boden der Weimarer Republik. Sie war bis 1932 an allen Reichsregierungen beteiligt. Die ihr angehörenden Kanzler waren K. Fehrenbach, W. Marx, J. Wirth u. H. Brüning. Bei den Reichstagswahlen hatte sie bis zuletzt einen Stimmenanteil von durchschnittlich 13-15%. 1920-1932 bildete die Zentrumspartei mit geringfügiger Unterbrechung in Preußen eine Koalition mit SPD u. DDP. Die Zentrumspartei besaß in der Weimarer Zeit einen konservativen (W. Marx, H. Brüning u. der letzte Vors., Prälat L. Kaas), einen linksdemokrat. (J. Wirth, M. Erzberger) u. einen gewerkschaftl. Flügel (A. Stegerwald, J. Joos ). 1933 wurde die Partei zur Selbstauflösung gezwungen.
Nach dem 2. Weltkrieg bildete sich neben der CDU als zweite christl. Partei in Nordrhein-Westfalen u. Niedersachsen die Deutsche Zentrumspartei. Sie hatte im 1. Bundestag zehn u. im 2. Bundestag drei Sitze; bis 1958 war sie im nordrhein-westfäl. Landtag vertreten u. an der Landesregierung beteiligt. Heute ist diese Zentrumspartei eine unbedeutende Splitterpartei.

 
 

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