Daß sich Richard Wagner für den Begründer des von Stöcker vertretenen Antisemitismus hielt Von Adolf Stöcker ist es nicht weit zu Richard Wagner:
"Ich lese eine sehr gute Rede des Pfarrers Stöcker über das Judentum. R(ichard) ist für völlige Ausweisung. Wir lachen darüber, daß wirklich, wie es scheint, sein Aufsatz über die Juden den Anfang deises Kampfes gemacht hat."
So lautet eine Eintragung in Cosima Wagners (der Gattin Richard Wagners) minutiös geführtem Tagebuch unterm 11. Oktober 1879.
Daß aus Wagners Feder tatsächlich einer der "Klassiker" der antisemitischen Literatur stammt
Daß die einzige Lösung der "Judenfrage", die Wagner sich denken konnte, der Untergang der Juden war Tatsächlich stammt einer der "Klassiker des Antisemitismus" aus der Feder Richard Wagners, der 1850 unter dem Pseudonym K. Freigedank mit seinem Traktat Das Judentum in der Musik an die Öffentlichkeit getreten war. Im Jahre 1869, dem Jahr der Gleichstellung der Juden im Norddeutschen Bund, erschien das Werk in einer erweiterten Version unter Wagners Namen.
Wagner stellte sich darin auf den Standpunkt, daß Juden keine Kunst, sondern nur "Kunststückchen" schaffen könnten. Denn das entwurzelte jüdische Volk sei vom Quell aller Kultur, dem "Volksgeist", abgeschnitten.
Die Taufe allein könne einen Juden nicht von seinem Judesein befreien. Die einzige Lösung der "Judenfrage", die Wagner zu sehen in der Lage war, schmeckt nach "End¬lösung":
" ... bedenkt, daß nur eines eure Erlösung von dem auf euch lastenden Fluche sein kann; die Erlösung Ahasvers, der Untergang."
Wagner war zunächst nicht judenfeindlich eingestellt gewesen. Vor 1850 hatte er freundschaftliche Kontakte zu jüdischen Künstlern unterhalten. Er hatte Meyerbeer gebeten, ihn bei seinem Bemühen zu unterstützen, seine Werke in Berlin und Dresden zur Aufführung zu bringen. "Diese Bitten sind von Ausdrücken der Lobhudelei und Selbsterniedrigung begleitet, die man selbst nach Berücksichtigung von Wagners Lage nur mit einer gewissen Verlegenheit lesen kann: 'Mein angebeteter Gönner', 'Mein Kopf und mein Herz gehören aber schon nicht mehr mir das ist ihr Eigen mein Meister'; 'Ich muß ihr Sclave mit Kopf und Leib werden ... denn ich gestehe offen, daß ich SclavenNatur in mir habe' dies und ähnliches in einem einzigen Brief."
Dem arrivierten Wagner muß die Erinnerung an solche Akte der Selbstentwürdigung peinlich gewesen sein. Als Rober Schumann später feststellte, daß Wagners "Fliegender Holländer" oft nach Meyerbeer schmecke "reagierte Wagner mit einer Leidenschaft, die den wunden Punktder hier berührt wurde, offenbart. Seine 'äußeren Lebensverhältnisse' allein hätten ihn mit 'dem Menschen Meyerbeer in Beziehung gebracht'. Von einer Beeinflussung seiner 'Productions-Kraft' durch Meyerbeer könne schon deswegen keine Rede sein, weil 'außer vielleicht raffiniertes Streben nach seichter Popularität' nichts als spezifisch 'Meyerbeerisch' angesprochen werden kann. Meyerbeers Produktionen seien seinen Vorgängern Rossini, Bellini usw. entlehnt."
Nicht nur die aus der deutschen Mythenwelt stammenden Themen Wagnerscher Werke boten also eine Anknüpfungsmöglichkeit für die Nazis, sondern auch Wagners solider Judenhaß.
Dem Gelegenheitsarbeiter Adolf H. wiederum bot der "seltene, vom Munde abgesparte Besuch der Oper" Ablenkung von der Trostlosigkeit seines Daseins im Vorkriegs-Wien, und auch sein Erwählungserlebnis soll er während einer Aufführung der Wagner-Oper Rienzi gehabt haben.
Daß Wagner mit Gobineau, dem Autor eines vielbeachteten "Essays über die Ungleichheit der Menschenrassen", bekannt war
Daß Wagner der Schwiegervater H. St. Chamberlains war, der die "Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts", ein Standardwerk des Rassismus und Pangermanismus verfaßt hat Von Richard Wagner ist es auch nicht weit zu dem französischen Diplomaten Joseph Arthur von Gobineau, mit dem er seit 1876 bekannt war.
Gobineau hatte 1853 einen "Essai sur l'inégalité des races humaines" (Essay über die Ungleichheit der Menschenrassen") veröffentlicht. Mit Hilfe gewagter Konstruktionen und unter etlichen geistigen Verrenkungen gelang es ihm, alle Kulturleistungen auf die "Rasse" der "Arier" zurückzuführen. Als verirrte "Arier" entpuppen sich bei ihm auch die Propheten und die anderen großen Gestalten der biblischen Geschichte.
Wagner machte Gebrauch von Gobineaus Rassebegriff. Aber schon früher (1873) war ein Streit Wagners mit dem Dekan der Bayreuther Kirche entstanden, der die Auffassung vertreten hatte, "gemischte Ehen seien die Lösung des Problems. R(ichard) behauptet: Dann würde es keine Deutschen mehr geben, das deutsche blonde Blut sei nicht kräftig genug, um dieser "Lauge" zu widerstehen, wir sehen ja, wie die Normannen und Franken zu Franzosen geworden seien, und das jüdische Blut sei noch viel korrosiver als das romanische."
Von Richard Wagner ist es auch nicht weit bis zu seinem Schwiegersohn Houston Stewart Chamberlain, der 1898 mit den "Grundlagen des neunzehnten Jahrhunderts", an die Öffentlichkeit trat, dem Hauptwerk des Rassenantisemitismus und Pangermanismus im "Zweiten Reich". Geschichte wird darin im wesentlichen als Kampf zwischen einer schöpferischen arischen und einer destruktiven semitischen "Rasse" gesehen. Das Werk wurde bis 1922 vierzehnmal aufgelegt. Wilhelm II. las es seinen Kindern vor und empfahl es den Kadettenschulen als Lektüre.
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