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In den letzten zwei Jahrhunderten vor unserer Zeit verschlechterte sich die Lage der Sklaven in Griechenland, in den hellenistischen Staaten und in Rom ganz erheblich. Sklaven galten nicht als Menschen, sondern als "sprechende Werkzeuge". Man nannte sie auch "menschenfüßige Lebewesen", so wie man Vieh zu den \"vierfüßigen Lebewesen\" rechnete. Altersschwache Sklaven wurden verkauft, ehe ihre Gebrechen bekannt wurden.
Aber auch die freien kleinen Handwerker und Händler, die Kleinbauern, also die städtischen und ländlichen Plebs, hatten schwer unter dem Druck der wirtschaftlich Mächtigen zu leiden. Der Großgrundbesitz erweiterte sich und verdrängte die noch freien Bauern. Lange Kriege erlaubten ihnen nicht, ihre Äcker regelmäßig zu bestellen, so daß sie verwahrlost und billig von Großgrundbesitzern aufgekauft werden konnten.
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Seit dem 2. Jahrhundert vor unserer Zeit.hatte sich die Sklaverei in Italien durchgesetzt. Diese wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen förderten unter Sklaven wie armen Plebejern die Aufnahmefähigkeit sozialutopischer Anschauungen griechischer Herkunft. Die Vorstellungen vom Goldenen Zeitalter und von den "Inseln der Seligen" hatten sich in der Phantasie der Griechen vereinigt.
Hesiod verlegte das Land des Goldenen Zeitalters nach dem Westen. Unteritalien, Sizilien und die der Westküste Süditaliens vorgelagerten Inseln waren ein bevorzugtes Land griechischer Kolonisten im westlichen Mittelmeer. Suchten sie dort die "Heiligen Inseln", die "Inseln der Seligen?" Dort herrschte ja Kronos beziehungsweise Saturnus, wie er sich im italienischen Gewande vorstellte, oder nach anderer Version die erwähnten Enkel des Sonnengottes.
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Die Vorstellung von einem Goldenen Zeitalter wurde im Römischen Reich bewahrt. Schwer drückte die körperliche Arbeit die ärmeren Bürger, die Tagelöhner und die Sklaven. Ein Epigramm des Antipater von Sidon, der im 1. Jahrhundert v. u. Z. lebte, gibt Stimmungen der Menschen wieder, die die mühselige Arbeit in den Mühlen zu verrichten hatten. Sie sahen im Goldenen Zeitalter vor allem jene vergangene Epoche, in der die Menschen noch frei von schwerer körperlicher Arbeit lebten. Das Epigramm begrüßt die Erfindung der Wassermühle, die auch den Mühlenarbeiterinnen mehr Ruhe geben sollte. Es sieht die Wiederkehr des Goldenen Zeitalters, der "guten alten Zeit", in der Befreiung der Menschen von der Mühsal der Arbeit durch die Nutzung der Wasserkraft.
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Aber die Anschauung vom vergangenen, weit zurückliegenden Goldenen Zeitalter, dessen Wiederkehr die Menschen in der von Kriegen und Bürgerkriegen heimgesuchten und sozial erschütterten römischen Welt ersehnten, begann für die Herrschenden eine Gefahr zu werden. Sie suchten ihr zu begegnen, indem sie den Repräsentanten der eigenen herrschenden Klasse als "Befreier" und "Erlöser" oder "Erretter" und die Wiederherstellung der ins Wanken geratenen sozialen Ordnung unter dem Kaiser Augustus als das neue Goldene Zeitalter den Volksmassen nahebrachte. Der Sonnengott avancierte zum Schutzgott des Kaiserhauses. Die soziale Utopie wurde von den Repräsentanten der herrschenden Klasse "entschärft". Das neue Goldene Zeitalter? - man brauchte nicht mehr darauf zu warten, es war bereits da! Es war das neue Rom unter der Herrschaft der Kaiser.
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Die Durchsetzung der auf Sklaverei beruhenden Produktionsweise im römischen Imperium verschärfte die Widersprüche zwischen Sklaven und Sklavenbesitzern und ließ zunehmend die Bauern verarmen. Seit den Aktionen der Gracchenbrüder von 133 bis 121 v. u. Z. war die römische Gesellschaft in Bürgerkriegen gespalten. Viele Bauern hatten in diesen Wirren ihre Grundstücke eingebüßt. Was übrig blieb, riß noch die in den Proskriptionen Sullas (82 v. u. Z.) und des zweiten Triumvirates (Octavian -.Antonius - Lepidus, 43 - 42 v. u. Z.) reich gewordene neue Aristokratie an sich. In den Städten verarmte die Plebs. Große Sklavenaufstände von den dreißiger Jahren des 2. Jahrhunderts bis zu den siebziger Jahren des 1. Jahrhunderts hatten den Herrschenden eindringlich vor Augen geführt, daß vor allem die in der Landwirtschaft tätigen Sklaven nicht mehr nach alter herkömmlicher Weise leben wollten. Die Herrschenden mußten ihren Staat von Grund auf restaurieren und Maßnahmen zur Sicherung der bestehenden sozialen Ordnung treffen. In dieser Zeit war die Stimmung breiter Volksschichten einschließlich der Sklaven durch die langandauernden Kriege und Bedrückungen solchen Auffassungen sehr zugänglich, die das Ende der Welt erwarteten und das Kommen eines Befreiers der Armen, Hilflosen und Schwachen prophezeiten.
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Der Dichter Ovid, der uns in seinen "Metamorphosen" gewissermaßen eine römische Art der Hesiodischen "Theogonie" überliefert hat, beschreibt von den römischen Dichtern der späten Republik und der augusteischen Zeit am ausführlichsten die Sage vom Goldenen Zeitalter.
Aber diese Lehre von einem schlaraffenlandähnlichen Goldenen Zeitalter in früher Vergangenheit war nicht unbestritten. Der Dichter Lukrez hatte in seinem Werk "Von der Natur der Dinge" ("De rerum natura") Zweifel an der Wahrheit der alten Erzählung angemeldet. Die materialistische Weltauffassung der Lehre Epikurs, zu deren Anhängern sich Lukrez zählte, suchte eine wissenschaftlich begründbare Vorstellung von der Urzeit menschlicher Verhältnisse zu verbreiten. Dementsprechend war die Frühzeit der Menschheit eine Zeit der Mühe und Arbeit. Noch gab es kein Privateigentum und keine Kriege; aber Krankheiten und Hungersnöte dezimierten die Menschen.
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Die Nöte der Bürgerkriege und die Sorgen vor Vermögenskonfiskationen trugen dazu bei, daß viele Schilderungen des Goldenen Zeitalters in jener Zeit von römischen Dichtern auf ein Lob des Friedens und der Gerechtigkeit gerichtet waren. Catull besang eine Zeit, als Tugend und Gerechtigkeit noch auf der Erde wohnten.
Der Dichter Vergil schilderte in seinem "Lied vom Landbau" ("Georgica") jene glückliche Zeit unter den Menschen, als es noch Unrecht war, dem Feld den Namen eines einzigen Eigentümers zu geben und die Fluren zu trennen:
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Inseln der Seligen. In der griechischen Sage sind die "Inseln der Seligen" dem Elysion als Aufenthaltsort der Seligen gleichgesetzt. Man vermutete sie im Atlantischen Ozean. Ein zentrales Anliegen des sozialen Wunschdenkens in der Antike bestand darin, auf den Inseln der Seligen das vergangene Goldene Zeitalter wiederzufinden.
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Bevor Saturnus Herr des Goldenen Zeitalters in Latium wurde, sproßten die Menschen noch aus Baumstümpfen und knorrigen Eichen, verstanden nicht, die Stiere anzuschirren und nährten sich mühsam von gesammelten Früchten und von der Jagd.
Kaiser Augustus,
der Retter des Menschengeschlechts
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Eng war die politische Ideologie der römischen Sklavenbesitzer mit der kulturellen Entwicklung verbunden. Dies zeigt in den letzten Jahren der untergehenden römischen Republik besonders eindrucksvoll der Kampf zwischen Octavian, dem kommenden Kaiser Augustus, und seinem Rivalen im Streit um die Macht, Antonius, um die wirksamste Einbeziehung der Ideen der sozialen Utopie der verarmten Freien und Sklaven in ihre jeweilige kulturpolitische Propaganda. Zehntausende römischer Bürger waren auf den Schlachtfeldern geblieben. Die verarmten und in ihrem Eigentum verunsicherten Volksmassen hofften auf ein Ende der Bürgerkriege, auf Ruhe und Frieden. Octavian und Antonius stellten diese Sehnsucht breiter Bevölkerungskreise in ihrer Politik in Rechnung und nutzten in ihrem gegenseitigem Kampf die soziale Utopie politisch-propagandistisch aus. Antonius bevorzugte hierbei die traditionellen Kulte griechischorientalischer Gottheiten, besonders des Dionysos und der Isis. Er nährte im Osten des Römischen Reiches unter den Volksmassen verbreitete Anschauungen, mit ihm sei ein "neuer Dionysos" und mit seiner Gattin, der Königin Kleopatra VII. von Ägypten, sei die "neue Isis" erschienen. Beide sollten die Menschen in ein neues glückliches Zeitalter führen. Der Dionysoskult war in der östlichen Mittelmeerwelt mit uralten Vorstellungen verbunden, die den Gott in den Zusammenhang mit dem Vegetationsrhythmus der Natur stellten. Im Spätherbst starb der Gott, erstand im Frühjahr wieder neu und belebte erneut die Natur. Diese Anschauung war schon von hellenistischen Königen politisiert worden, nicht nur die Natur, auch die menschliche Gesellschaft sollte sich unter einem erscheinenden "neuen Dionysos" regenerieren und in eine glückliche Zukunft hinüberwechseln. Ebenso galt die Isis des hellenistischen Ägyptens als Weltenmutter und Erneuerin des Menschengeschlechts. So nannten sie ihre Kinder nach dem Sonnengott Helios und nach der Mondgöttin Selene. Damit wurde auch formell die Verbindung zum Gott der Gerechtigkeit und des neuen Goldenen Zeitalters hergestellt.
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Anders Octavian: Er wählte keinen orientalischen, sondern einen römischen Gott, den Sonnengott Apollon, später der Apollon des Palatin, der Schutzgott des römischen Kaiserhauses. Nach italienischer Prophetie galt Apollon als der Gott des neuen Goldenen Zeitalters. Neu aber war, daß der römische Sonnengott Apollon den Herrscher selbst als seinen Vertreter, als Gott des neuen Zeitalters auswählte. Damit wurde die soziale Utopie der Armen und der Sklaven in den neuen Herrscherkult einbezogen. Der Gott des erwarteten neuen Zeitalters, der Erlöser, der Messias, der Friedensbringer, der die Gerechtigkeit auf Erden verkörperte - all das war in Zukunft der Kaiser in einer Person. Apollon selbst half Octavian, in der Schlacht bei Actium (31 v. u. Z.) die Flotte des Antonius und der Kleopatra zu besiegen und in die Flucht zu schlagen. Als Octavian mit seinem Heer darauf Alexandria belagerte, wohin sich seine beiden Gegner zurückgezogen hatten, ließ er vor dem Sturm auf die Stadt das Gerücht verbreiten, Dionysos, der Gott, habe in der Nacht das Heerlager der Gegner verlassen und sei auf seine, Octavians, Seite hinübergewechselt.
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Im Jahre 17 v. u. Z hielten Augustus und sein Freundeskreis die Zeit für gekommen, mit einem großen Fest offiziell das neue Goldene Zeitalter einzuleiten. Als Schutzgott des Kaisers wurde wieder Apollon ausersehen. Der Dichter Horaz erhielt den Auftrag, das Festlied (carmen saeculare) zu dichten. Bei diesem Fest zur Eröffnung und Begründung eines neuen Zeitalters, eines neuen Saeculum, standen nicht mehr wie früher, als man solche Saecularfeiern beging, die alten erdverbundenen Sühnegottheiten im Vordergrund, sondern der römische Lichtgott Apollon, der das neue Zeitalter des Augustus unter seinen persönlichen Schutz nahm. Damit hatte die Gestalt des Gottes die Formen angenommen, die den politisch-ideologischen Erfordernissen der herrschenden Klasse Roms entsprachen. Der allgemeine Weltfrieden, den die Volksmassen erträumten, war dem römischen Frieden (Pax Romana) gewichen. Der Gott der allgemeinen Gerechtigkeit hatte dem Gott der römischen Ewigkeit (Aeternitas) Platz machen müssen. Der Gott, der die Menschheit in eine glückliche Zukunft führen sollte, war von Augustus und dem palatinischen Apollon verdrängt worden, die die Menschheit des bewohnten Erdkreises in eine römische Zukunft führen wollten. Der Gott der sozialen Utopie der armen Freien und Sklaven hatte sich zu einem Gott der herrschenden Klasse Roms gewandelt. Im Festlied des Horaz ist Rom unter der Herrschaft des Apollon-Augustus zum "Retter" geworden, der die Welt in den römischen Frieden zwingen wird.
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Der Kaiserkult, an dessen Entstehen die soziale Utopie mit beteiligt war, bildete fortan neben der Staatsmacht die wichtigste politische Ideologie im Überbau der römischen Gesellschaft. In dieser Idee war die Einheit des Imperiums einbegriffen und verkörpert. Sie sollte durch die Einzigkeit des Herrschers die fehlende soziale und ökonomische Einheit des Reiches ersetzen. Das kennzeichnet ihre große Bedeutung für den gesamten politisch-ideologischen Kampf in der folgenden Geschichte des römischen Kaiserreiches.
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Nebenher ging eine Idealisierung der römischen Vergangenheit. Frühere, zum Teil längst vergessene Ideen und Kulte wurden zu Vor- und Leitbildern für das Kaiserreich. Bewahrung des Alten, besonders der altrepublikanischen Ideale von den Römertugenden, von den Sitten der Vorfahren (mos malorum), von der Eintracht der Stände, verband sich mit einem Sendungsbewußtsein Roms, das von Augustus und den folgenden Kaisern genährt und von der augusteischen Literatur und der monumentalen Kunst verbreitet wurde.
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Diese Propaganda trug bald ihre Früchte. Im Jahre 3 v. u. Z. leisteten die Bewohner Paphlagoniens in Kleinasien auf Augustus folgenden Treueid: Buch S 102
Auch als Erlöser, als Retter des Menschengeschlechtes wurde Augustus gefeiert, wie es aus einer Inschrift etwa der gleichen Zeit aus Halikarnassos in Kleinasien hervorgeht.
Augustus wurde schon zu seinen Lebzeiten nicht nur im Osten des Reiches religiös verehrt, wo der Herrscherkult seit langem heimisch war. Inschriftlich ist uns der Kult des Augustus in Narbo in Gallien vom Jahre 11 u. Z. überliefert.
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Die Plebs der Narbonensier ließ den Altar in Narbo auf dem Forum aufstellen, damit auf ihn alljährlich am 9. Tag vor den Kalenden des Oktober - 23. September -, an dem Tag, an dem das Glück dieser Zeit ihn dem Erdkreis als Lenker gebar, drei römische Ritter aus der Plebs und drei Freigelassene je ein Opfertier darbringen und den Kolonisten und Einwohnern für Bittgebete an seine göttliche Macht Weihrauch und Wein aus eigenen Mitteln an diesem Tage geben sollen.
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Solche religiös-politischen Willenserklärungen hatten Dichter der augusteischen Zeit geschickt und gezielt vorbereitet. Selten tritt in einer Dichtung, die zugleich den dichterischen Höhepunkt einer ganzen Epoche darstellt, die politische Propädeutik so offen zutage, wie in der römischen Dichtung der augusteischen Zeit. Vor allem Vergil, Horaz, Ovid, Properz und Tibull bereiteten in ihren Dichtungen die göttliche Verehrung des Kaisers vor. Die Dichtung wurde - ähnlich wie das Theater im klassischen Athen - zum wichtigsten Kommunikationsmittel jener Zeit, um politische Ideale und Ideen des Repräsentanten der herrschenden Klasse breiten Bevölkerungsschichten zugänglich zu machen und einprägsam zu vermitteln.
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Die dichterische Erhöhung Octavians begann bald nach der Schlacht bei Philippi im Jahre 42 v. u. Z., die zum Untergang der gegen Caesar Verschworenen führte. In der 1.Ekloge Vergils fand sie zuerst ihren Niederschlag, erfolgte eine "Heiligsprechung" Octavians. Nach der Schlacht hatten Veteranen der Triumvirn Tausende von italienischen Bauern von ihren Höfen vertrieben. Auch Vergil verlor sein Grundstück auf dem Gebiet von Mantua. Nach Rom geflohen, erhielt er durch Vermittlung des Asinius Pollio, des römischen Konsuls des Jahres 40 v. U. Z., von Octavian einen Bescheid, nach dem er sein Eigentum zurückerhalten sollte. Die 1.Ekloge schildert die Wirren der Bürgerkriege und nennt Octavian einen "gegenwärtigen" Gott.
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Kein anderer als Octavian sollte dieser "Gott" sein, der in Rom über die Landverteilungen entscheiden konnte. Vergil war der erste, der zur Legendenbildung über Octavian beitrug. Zurückhaltung und politische Vorsicht erforderten es noch, ihn nicht mit Namen zu nennen. jedoch bestand über die Person dieses Gottes kein Zweifel.
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Im 1. Buch der "Georgica", nach dem Jahr 36 v. u. Z. geschrieben, äußerte sich Vergil wieder im Sinne der 1.Ekloge zu Octavian. Erneut wird der Bürgerkrieg mit scharfen Worten gegeißelt. Der Dichter fleht Romulus und Vesta an, dem Jüngling nicht zu wehren, der die schrecklichen Zeiten ändern will.
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Diesen Gedanken von Augustus, dem Retter des Menschengeschlechts, führte Horaz konsequent weiter. In der 12.Ode des 1.Buches (etwa im Jahr 25 v. u. Z. verfaßt) bezeichnet er Jupiter als Vater des Menschengeschlechts, der den Erdball beherrscht und strafende Blitze gegen Frevler und Unruhestifter schleudert. Er ist der Sohn Saturns, des Herrschers des ersten Goldenen Zeitalters, und unter seiner Regierung wird das neue Goldene Zeitalter erstehen.
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Die Weissagung des Anchises über ein glückliches, ewiges Rom, das mit der Herrschaft des Augustus beginnen werde, ist eine Antwort auf die orientalische Apokalypse und Sibyllen-Prophetie. In den Ansichten, die im 3.Buch der judäischen Sibylle, in der Hystaspes-Apokalypse und in anderen Prophezeiungen östlicher Herkunft ihren Niederschlag gefunden haben, ist das Reich des Messias stets auf ein östliches Land bezogen. Vor allem Ägypten sollte das auserwählte Land sein, und diese Vorstellungen hatten Antonius und Kleopatra auch in ihrem Kampf gegen Octavian genutzt.
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Waren es also östliche Länder, die bisher Anspruch darauf erhoben, das Land des Messias zu sein, der Rom vernichten würde, so begründete die augusteische Dichtung die Meinung immer gewichtiger, daß Rom und Italien das Land des neuen Goldenen Zeitalters, das Land Saturns und Apollons sei. Ebenfalls in der Anchises Prophezeiung wird diese Ansicht mit dem Mythos gefestigt, Anchises und seine Gefährten lebten im Reiche der Seligen.
Die "Aeneis", und besonders darin die Prophezeiung des Anchises, ist geradezu die Offenbarung einer römischen Sibylle. Eduard Norden nannte die Weissagung des Anchises einen Panegyricus auf Augustus.
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Nach dem Triumph des Augustus über Antonius und Kleopatra schien in der Tat eine neue Zeit angebrochen zu sein: Der lange Bürgerkrieg war beendet worden, der Janustempel in Rom wurde zum Zeichen der Bewahrung des Friedens geschlossen. Das Goldene Zeitalter schien in die alte Heimat des Saturns zurückzukehren.
Von diesem Gesichtspunkt aus gesehen, waren die Dichtungen vor allem Vergils und Horaz nicht nur bedeutende Kunstwerke der Weltliteratur, sondern auch eindrucksvolle Denkmäler einer außerordentlich geschickten und erfolgreichen politischen Propaganda.
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Der "Retter der Welt", der "Erlöser des Menschengeschlechts", "Bringer des neuen Goldenen Zeitalters" -es war kein Wunder, daß Menschen der frühen Kaiserzeit dann die Gestalt des Weltenheilands Augustus mit der Person des christlichen Relgionsstifters Jesus verbanden. Der Bischof Mellito von Sardes hat im 2.Jahrhundert u. Z. Augustus und Jesus als zwei Heilande bezeichnet, die zur gleichen Zeit erschienen wären.
Im Zusammenhang mit dem Roma-Apollon-Augustus-Hymnus der augusteischen Literatur verbreitete sich mit Beginn des römischen Kaiserreiches die Auffassung von der Pax Romana, vom römischen Frieden. Frieden sollte von der Herrschaft des Augustus ausgehen, die Menschen des Reiches vereinen und mit dem römischen Imperium fest verbunden sein. Die Pax Romana, durch den Kaiser geschaffen und geschätzt, wurde ein politisches Programm in der frühen römischen Kaiserzeit; Ausdruck dessen war die Tatsache, daß im Jahre 9 v. u. Z. in Rom auf dem Marsfeld ein besonderer Friedensaltar (Ara pacis Augustae) geweiht wurde.
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Das wiederkehrende Goldene Zeitalter bezog sich natürlich nur auf die Römer, auf die römischen Bürger, nicht auf die Unterworfenen in den Provinzen. So läßt der römische Geschichtsschreiber Tacitus den Anführer eines britannischen Aufstandes, Calgacus, im Jahre 83 unseres Zeitalters vor den Seinigen eine Rede halten, die, so wie sie überliefert ist, sicher nicht gehalten wurde, aber dennoch Stimmung der Aufständischen wiedergibt. Calgacus klagt die Römer an: "Diese Räuber der Welt durchwühlen, nachdem sich ihren Verwüstungen kein Land bietet, selbst das Meer, wenn der Feind reich ist, sind sie habgierig, wenn er arm ist, sind sie ruhmsüchtig; nicht Orient, nicht der Okzident hat sie gesättigt; als einzige von allen begehren sie Reichtum und Armut in gleicher Gier. Plündern, Morden, Rauben nennen sie in seinem Namen Herrschaft, und wo sie eine Öde schaffen heißen sie es Frieden."
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So sah zumindest ein Teil der von römischer Unterworfenen die Pax Romana. In zahlreichen ständen wehrten sich Unterworfene in den Provincen gegen die römische Herrschaft oder führten viele Stämme meist aussichtslose, aber heldenmütige Kriege das übermächtige Rom, um nicht unter dem "römischen Frieden" leben zu müssen.
Das neue Goldene Zeitalter -
im Jenseits
Soziales Wunschdenken der Armen und Rechtlosen gelangte seit der Kaiserzeit mehr und mehr durch den Filter herrschender Politik in eine literarische Form. Claudius Claudianus meinte in seinem Hymnus auf Stilicho, daß Apollon so lange das Erscheinen des Goldenen Zeitalters aufgeschoben habe, bis dieser nun - im Jahre 400 - Konsul geworden sei.
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Sozialutopische Hoffnungen der Volksmassen fanden schließlich auch im Christentum Eingang. Es vertrat als wesentlichen Aspekt ein Gottesreich für alle Menschen ohne Rücksicht auf soziale und ethnische Herkunft, in dem viele Arme und Rechtlose ihre sozialutopischen Hoffnungen und Wünsche verwirklicht sahen.
Namentlich aber das Kernstück der christlichen Lehre, die Nächstenliebe und die Aufforderung zur Barmherzigkeit mit der Verheißung eines glücklichen Lebens im Jenseits, fand besonders unter Sklaven und armen Freien eine willkommene Aufnahme.
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Anklagen gegen die Reichen, die von der Arbeit anderer lebten, gipfelten in der Aufforderung, so jemand nicht arbeiten will, der soll auch nicht essen, man solle arbeiten und sein eigen Brot essen, mit eigenen Händen arbeiten, mit den Händen etwas Gutes schaffen, um den Armen davon abgeben zu können. Diese Meinung widersprach zwar der Vorstellung vom neuen Goldenen Zeitalter, in dem die Erde alle Lebensmittel von selbst hervorbringen würde, aber die gütergemeinschaftlichen Ideen, die das frühe Christentum mit diesem sozialen Protest verband, verknüpften ihn mit älteren sozialutopischen Auffassungen seit Hesiod, ja - waren selbst soziale Utopie!
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Das alles ist alttestamentliche und zugleich sozialutopische Tradition, die um Jahrhunderte zurückverfolgt werden kann. Es liegt uns fern, diese Ideen und Lehren sämtlich auf die soziale Utopie zurückführen zu wollen, das wäre nicht nur eine unzulässige Vereinfachung, sondern auch falsch. Aber die soziale Utopie war eine der geistigen Wurzeln der christlichen Religion, und nicht zuletzt deshalb fanden die Armen und Entrechteten in ihr soviel Verwandtes und Anziehendes.
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