(1) Der Kampf um die Nationalversammlung
Die MSPD sah in der Revolution, anders als die USPD eher ein Unglück als eine Chance zum Neubeginn. Sie waren von der Umsturzbewegung überrascht worden und wollten nun so schnell wie möglich zu einer geregelten politischen Ordnung zurückfinden - d.h. die parlamentarische Demokratie in Deutschland errichten: Sie forderten eine frühestmögliche Einberufung einer Natio-nalversammlung, die eine Verfassung für die neue Republik ausarbeiten sollte. Auch die USPD war von der Heftigkeit des Umsturzes überrascht worden, identifizierte sich aber dann zunehmend mit der Revolution. In der Frage der Nationalversammlung nahmen sie eine aus-weichende Haltung ein - Sie sprachen sich zwar für deren Einberufung aus, allerdings forderten sie einen späteren Zeitpunkt, zu dem die politische Ordnung bereits wieder hergestellt sei. Diese unterschiedlichen Standpunkte führten zu erbitterten Auseinandersetzungen im Rat der Volksbeauftragten. Dem Rätekongress, der am 16. Dezember 1918 in Berlin zusammentrat und dessen Mehrheit gemäßigt war (MSPD), wurde die Entscheidung nach dem Termin überlassen. - Und der setzte ihn auf den 19. Januar 1919 fest. Als Reaktion auf ihre \"Niederlage\" (Erkenntnis in der Minderheit zu sein, und die entscheidende Abstimmung verloren zu haben) zogen sich die Linken zurück. Für sie wurde die Fortsetzung der Koalition mit der MSPD unmöglich, sie zogen sich in die Opposition zurück.
(2) Die erste Krise der Republik - Januarkämpfe in Berlin
Schon kurz nach Ende des Rätekongresses kam es am 20. Dezember in Berlin zu den ersten Kon-frontationen zwischen Regierung und Radikalen. Im Schloss hatte sich die \"Volksmarinedivision\" eingerichtet, und weigerten sie sich, aufgrund von Unstimmigkeiten in Entlohnungsfragen, das Schloss zu räumen. Am Tag vor Weihnachten kam es zu einer Meuterei. Die Matrosen nahmen den sozialdemokratischen Volksbeauftragten unter Arrest. Groener, den Ebert über eine geheime Telephonleitung um Hilfe gebeten hatte, rückte am Tag dar-auf mit Fronttruppen an - Es kam jedoch nicht zu einer blutigen Schlacht, weil die Soldaten nicht mit ganzem Herzen bei der Sache waren, die Auseinandersetzung endete mit einem Kompromiss. Das war zwar ein Erfolg für die Demokratie, wirkte sich jedoch Unvorteilhaft auf die Volksbeauf-tragten aus - Sie waren der Willkür von Meuterern ausgesetzt gewesen und hatten zum 2. Mal mit der gegenrevolutionären Generalität an der Niederschlagung einer revolutionären Truppe mitge-wirkt. Die USPD - Mitglieder traten als Reaktion aus der Regierung der \"Matrosenmörder\" aus (zur glei-chen Zeit wurde die KPD gegründet) - Sie wurden durch zwei Mehrheitssozialisten ersetzt, unter ihnen Gustav Noske, \"dessen Name zum Symbol der weiteren Entfremdung der Sozialdemokratie von der revolutionären Bewegung wurde.\" Die zweite Konfrontation wurde durch die Absetzung des der USPD angehörenden Berliner Poli-zeipräsidenten heraufbeschworen: Am 5.Januar 1919 besetzten radikale Arbeiter unter Führung des Spartakusbund bürgerliche Zeitungsverlage und den sozialdemokratischen \"Vorwärts\". Der von der USPD und KPD gebildete Revolutionsausschuss erklärte am folgenden Tag die Regierung für abgesetzt, was diese endgültig dazu veranlasste den Aufstand niederzuschlagen. Die \"Freikorps\" setzten unter der Führung des neuen Oberbefehlshaber Noske dem Aufstand mühelos ein Ende. Zumal der Aufstand nicht besonders gut organisiert war. Man demonstrierte nur zwei Tage lang und besetzte nicht einmal die Regierungsgebäude. Den Höhepunkt dieser von brutalen Vergeltungsmaßnahmen gekennzeichneten Bürgerkriegsaktio-nen stellte die Ermordung von Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht am 15. Januar 1919 dar.
(3) Wahlen zur Nationalversammlung
Die am 19. Januar 1919 durchgeführten Wahlen stellten für die Entwicklung des deutschen Parla-mentarismus einen wichtigen Einschnitt dar. - Die Parteien kämpften nun zum ersten Mal in einem parlamentarischen System um die Wählergunst. Auch das Wahlrecht, das der \"Rat der Volksbeauf-tragten\" am 21. November 1918 in Abgrenzung gegenüber dem Kaiserreich beschlossen hatte, war neu. Ein reines Verhältniswahlrecht - als \"demokratischstes Wahlrecht der Welt\" gefeiert - schuf eine neue Situation. Keine Stimme sollte verloren gehen, keine Barriere (5% Hürde) den Weg ins Parlament versperren. Das aktive und passive Stimmrecht für Frauen und der gesetzliche Schutz vor Zensur und Beschränkung der Versammlungsfreiheit führte zu einem aktiven Wahlkampf und zu einer hohen Wahlbeteiligung (83%).Die Parteien selbst hatten sich al-lerdings wenig verändert: Es traten die alten Parteien des Kaiserreichs wieder ins politische Leben (Zentrum behielt sogar den Namen) und waren auch weiterhin Interessenparteien und keine Volks-parteien. Dem Spektrum der Linken gehörte jetzt neben der MSPD und USPD die KPD an, die jedoch nicht an den Wahlen teilnahm. Auf der Rechten schlossen sich verschiedene konservative und völkische Parteien zu der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) zusammen. Die Liberalen blieben weiterhin in eine nationalliberale und eine linksliberale Richtung gespalten. Die MSPD war in einer heiklen Situation : Da sie als Regierungspartei der Revolutionszeit galt (Gewicht im Rat der Volksbeauf-tragten) hatten die bürgerlichen Parteien das Argument eine sozialistische Mehrheit müsste unter allen Umständen verhindert werden.
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Die Forderungen der einzelnen Parteien spaltete die Wähler:
DNVP, DVP : Rückkehr zur Monarchie
KPD : Sowjetrepublik
MSPD, DDP : parlamentarische Republik
Zentrum, DVP: konservative Grundordnung der Republik
Die MSPD erzielte mit 37,9% der Stimmen das beste Ergebnis, das sie in der Weimarer Republik je erzielen konnten. - Sie waren die stärkste Partie, aber auch zusammen mit den 7,6% der USPD gab das nicht die Mehrheit - zumal eine Koalition der beiden Parteien aufgrund der inhaltlichen Diffe-renzen sowieso nicht möglich gewesen wäre. Die konservativen Parteien DNVP und DVP schlossen mit 8,6% und 4,4% äußerst schlecht ab. Die MSPD fand ihren Koalitionspartner in der DDP und im Zentrum.
(4) Die Anfänge in Weimar - Aufgaben der NV
Am 6. Februar trat die NV zum ersten Mal zusammen - allerdings nicht in Berlin, wo noch immer Unruhen tobten und wo die Sicherheit der NV nicht garantiert werden konnte, sondern in Weimar, von einem Ring Regierungstruppen umgeben, fern von Störungen durch Radikale. Mir dem \"Ge-setz über die vorläufige Reichsgewalt\" ermächtigte sich die NV, Friedrich Ebert zum Reichspräsi-denten zu wählen. Am 13. Februar stand dann die erste Regierung unter dem Sozialdemokraten Philipp Scheidemann. In der Regierung waren MSPD, DDP und das Zentrum vertreten. Die 3 Hauptaufgaben, die sie zu erfüllen hatten waren :
Verfassung ausarbeiten
Legitimes Organ für den Friedensvertrag mit den Alliierten sein
Als provisorisches Parlament die Gesetzgebungsarbeit und die parlamentarische Kontrolle einer Übergangsregierung gewährleisten.
Die Regierung Scheidemann stand vor einer doppelten Schwierigkeit: Außenpolitisch musste sie versuchen, die Verhandlungen der Siegermächte über die Friedensbedingungen für Deutschland zu beeinflussen. Innenpolitisch waren die ungeheuren wirtschaftliche und sozia-len Probleme zu lösen. [1; S.256]
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