Der Schlußabschnitt des Urteils befaßte sich mit der Schuld oder Unschuld der einzelnen Angeklagten. Zuerst wurden die Schuldsprüche mit der Begründung verlesen. Jeder der Angeklagten erfuhr, nach welchen Punkten der Anklageschrift er schuldig oder nicht schuldig befunden wurde. Danach, am Nachmittag des 1. Oktober 1946 wurden die Verurteilten noch einmal, und diesmal jeder für sich allein, in den Saal geführt, um die Bekanntgabe des Strafmaßes zu hören. Die meisten Angeklagten nahmen die Schuldsprüche mit äußerer Unbeweglichkeit entgegen.
Fritzsche, Papen und Schacht, die Freigesprochenen und schon Freigelassenen zeigten die beste Laune, lachten und rauchten genießerisch. Von allen Seiten prasselten die Fragen der Journalisten der ganzen Welt auf sie nieder. Zwölf Angeklagte wurden zum Tode durch den Strang verurteilt: Göring, Ribbentrop, Keitel, Kaltenbrunner, Rosenberg, Frick, Frank, Streicher, Sauckel, Jodl, Seyss-Inquart, und Martin Bormann in Abwesenheit. Heß, Funk und Raeder wurden zu lebenslänglichem Gefängnis, Schirach und Speer zu zwanzig Jahren, Neurath zu fünfzehn und Dönitz zu zehn Jahren Gefängnis verurteilt. Nach Dr. Gilbert, dem Gerichtspsychologen konnte sich Sauckel am schlechtesten mit dem Todesurteil abfinden.
Er bestürmte Friseur, Gefängnisarzt und Psychologen mit dem Hinweis, daß alles zweifellos nur einem Übersetzungsfehler zuzuschreiben sei. Er war fest überzeugt, daß man den Irrtum noch entdecken und das Urteil revidieren würde.Das sowjetische Mitglied des Gerichtshofes, General Nikitschenko, war mit dem Freispruch von Schacht, Papen und Fritzsche und mit der Entscheidung, das Reichskabinett und den Generalstab als nicht verbrecherische Organisationen zu erklären, nicht einverstanden. Außerdem war Nikitschenko der Meinung, daß Heß zum Tode hätte verurteilt werden müssen. Die \"Abweichende Meinung des Sowjetischen Mitglieds des Internationalen Militätgerichtshofes\" wurde im Prozeßprotokoll anschließend an das Urteil abgedruckt. (Tabelle der Urteilssprüche siehe umseitig (47)).
Es können aus Platzgründen nicht alle Schuldsprüche und Urteilsbegründungen für die 21 Angeklagten zitiert werden. Exemplarisch wurden Keitel (48), Streicher(49), Funk (50) und Schacht(51) ausgewählt (siehe Dokument D im Anhang).
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