Der ÄrzteprozeßIm Ärzteprozeß ging es vor allem um die strafrechtliche Verantwortlichkeit für die Ausführung von grausamen und häufig mörderischen medizinischen Experimenten, die ohne Zustimmung der betreffenden Opfer an Konzentrationslagerinsassen, Kriegsgefangenen und anderen Personen (einschließlich Juden und sog. Asozialen) vorgenommen worden waren. Die am 25. Oktober 1946 eingereichte Anklageschrift enthielt die Namen von 23 Angeklagten. Karl Brandt war eine Zeitlang einer von Hitlers privaten Ärzten gewesen und war im Alter von vierzig Jahren zur höchsten militärischen Stellung im Deutschen Reich als Reichskommissar für das Sanitär- und Gesundheitswesen aufgestiegen, wobei er direkt Hitler unterstellt war; er war gleichzeitig Generalleutnant der Waffen-SS. Seine Behörde hatte die Aufsicht über alle militärischen und zivilen medizinischen Einrichtungen.
Nach der Anklage wurden diese Experimente in Dachau im Interesse der Luftwaffe ausgeführt, um die Grenzen menschlicher Ausdauer und Lebensfähigkeit in großen Höhenlagen zu erforschen und um die wirksamste Behandlung für Piloten mit schweren Erfrierungserscheinungen festzustellen. In Dachau, Buchenwald und anderswo wurden Konzentrationslagerhäftlinge mit Malaria, epidemischer Gelbsucht, Typhus oder anderen Krankheiten infiziert, um Impfstoffe und Medikamente zu prüfen. Unter den verschiedenen Versuchen, bei denen die Insassen der Lager als Versuchskaninchem mißbraucht wurden, waren Methoden für Sterilisierung und Techniken, um Seewasser trinkbar zu machen. Karl Brandt und drei weitere Angeklagte wurden außer der Teilnahme an diesen \"Experimenten\" auch der Täterschaft am sogenannten \"Sterbehilfe\"-Programm angeklagt, das die systematische und geheime Ermordung von Alten, Geisteskranken, unheilbar Kranken, von Kindern mit Mißbildungen und anderen Personen durch Vergasung, tödliche Einspritzungen und auf anderem Wege in Altersheimen, Hospitälern und Anstalten vorsah. Diese Personen wurden als \"nutzlose Esser\", und als Belastung für die deutsche Kriegsmaschinerie betrachtet. Den Verwandten dieser Opfer wurde mitgeteilt, daß sie auf natürliche Weise, zum Beispiel an Herzschlag, gestorben seien.
(56)Eine Tabelle mit den Urteilen finden sie auf Seite 43 ff.Der JuristenprozeßDer Hauptpunkt der Anklage im Juristenprozeß gegen Richter, Staatsanwälte und hohe Ministerialbeamte war die Anschuldigung des \"Justizmordes und anderer Greueltaten, die sie dadurch begingen, daß sie Recht und Gerechtigkeit in Deutschland zerstörten und dann die leeren Hüllen von Rechtsformen zur Verfolgung, Versklavung und Ausrottung von Menschen in einem Riesenausmaß benützten.\" (57) \"Die Beschuldigung, kurz gesagt, ist die der bewußten Teilnahme an einem über das ganze Land verbreiteten und von der Regierung organisierten System der Grausamkeit und Ungerechtigkeit unter Verletzung der Kriegsgesetze und der Gesetze der Menschlichkeit, begangen im Namen des Rechts unter der Autorität des Justizministeriums und mit Hilfe der Gerichte. Der Dolch des Mörders war unter der Robe des Juristen verborgen.\" (58)SS (Schutzstaffel der NSDAP) und Polizei 1943 wurde die Zentrale der SS unter der Führung von Heinrich Himmler in ungefähr ein Dutzend \"Hauptämter\" eingeteilt. Jeder der drei Nürnberger \"SS-Prozesse\" befaßte sich mit einem oder mehreren dieser Hauptämter.
Der Prozeß gegen die Leiter des SS-Wirtschafts- und Verwaltungshauptamtes (WVHA)Das WVHA unter der Leitung von Oswald Pohl war in 5 Amtsgruppen eingeteilt, von denen drei finanzielle und rechtliche Fragen der SS bearbeiteten, die SS mit Uniformen, Quartieren und anderen Ausrüstungen versorgten und mit der Errichtung und Pflege der SS-Gebäude, Baracken, Befestigungen und Lager einschließlich der Konzentrationslager betraut waren. Eine vierte Amtsgruppe hatte die direkte Verantwortung für die Verwaltung der Konzentrationslager, und die fünfte leitete die Wirtschaftsbetriebe, wie Bergwerke, Steinbrüche, Ziegeleien, die die SS in der Nähe der Konzentrationslager besaß. Das hervorstechendste Merkmal des Urteils hier war nach Telford Taylor die uneingeschränkte Verurteilung der Zwangsarbeit durch das Gericht.Der RUSHA-FallDer zweite \"SS-Fall\" ist als der RUSHA-(Rassen-und Siedlungshauptamt)-FALL bekannt. Die Angeklagten waren 14 hohe Beamte von verschiedenen SS-Organisationen, deren gemeinsames Ziel es nach der Anklageschrift war, die angebliche Überlegenheit der \"nordischen Rasse\" zu fördern und zu beschützen und all diejenigen Kräfte zu unterdrücken und auszurotten, die sie \"verwässern\" oder \"vergiften\" könnten.(59)Der EinsatzgruppenprozeßDie insgesamt vier Einsatzgruppen (A,B,C,D) waren besondere Einheiten der SS, die die deutsche Armee während des Überfalls und der Besetzung der Sowjetunion mit dem allgemeinen Auftrag begleiteten, die \"politische Sicherheit\" in den besetzten Gebieten zu gewährleisten.
Die SS verstand unter der Ausführung dieses Auftrages die sofortige und völlige Abschlachtung aller Juden in den besetzten Gebieten und ebenso anderer Gruppen, wie kommunistischer Parteifunktionäre und Zigeuner. Es ist bewiesen worden, daß ungefähr eine Million Juden und andere Personen in der Sowjetunion von den Einsatzgruppen \"liquidiert\" wurden. Die 24 Angeklagten waren Befehlshaber oder Offiziere dieser Einheiten, und die Verhandlung gegen sie wurde nicht zu Unrecht in der Presse als der größte Mordprozeß der Geschichte bezeichnet. (60) \"Die Angeklagten waren keine unzivilisierten Wilden, die nicht die Feinheiten des Lebens zu schätzen wußten. Jeder dieser vor Gericht stehenden Männer hat den Vorzug einer guten Erziehung gehabt. Acht waren Juristen, einer ein Universitätsprofessor, ein anderer ein Zahnarzt und wieder ein anderer Kunstsachverständiger.
Einer der Angeklagten gab als Opernsänger Konzerte in ganz Deutschland, bevor er seine Tour mit den Einsatzgruppen in Rußland begann. Unter diesen gebildeten Männern von guter Herkunft befand sich sogar ein früherer Geistlicher, der sich selbst seiner geistlichen Würde entkleidet hatte\". (61)SS-Generäle im Prozeß gegen die WilhelmstraßeZwei weitere prominente SS-Führer wurden im Prozeß gegen die Wilhelmstraße (siehe auch S. 41 ) verurteilt. Zwar wurden sie von der Anklage der Verbrechen gegen den Frieden freigesprochen, jedoch wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit verurteilt.
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