CD: 18. Lied: Rastlose Jahre
/
Nach der Heirat ihrer Lieblingstochter Marie Valerie war für Elisabeth der Zeitpunkt gekommen, auf den sie sich schon so lange vorbereitet hatte. Ihr einziger Sohn war tot. Ihr einziger Freund Andrassy war tot. Der Kaiser war zufrieden in der Freundschaft zu Katharina Schratt, die Tochter Valerie glücklich in ihrem Heim, in dem sich nach und nach neun Kinder einstellten. Die Kaiserin war nun eine Frau in den Fünfzigern. Ihre Schönheit war dahin. Sie wollte sich von der Welt zurückziehen, niemand sollte ihr Gesicht mehr erblicken. Niemals mehr ließ sie sich porträtieren. Niemals mehr ging sie ohne Fächer oder Schirm aus, hinter denen sie ihr faltiges, wettergegerbtes, mageres Gesicht versteckte. In ihrem \"Mövenflug\", wie sie es nannte, bereiste sie unermüdlich und immer zielloser die ganze Welt, verließ Österreich, so oft und solange sie konnte. Auf ihren Reisen benahm sich die Kaiserin immer seltsamer. Sie hatte zB die Angewohnheit, einfach in fremde Häuser und Königshöfe zu gehen, noch dazu, ohne ein einziges Wort zu sagen oder zu erklären, was sie eigentlich wollte. Der Wiener Hof rechnete nicht mehr mit ihr, sie ließ keinen Zweifel daran, daß sie höfische Pflichten verabscheute. Elisabeths Irrfahrten im eigenen Salonwagen der Eisenbahn oder mit den kaiserlichen Jachten, dem \"Greif\" oder der \"Miramar\", führten quer durch Europa. Bei ihren stundenlangen Wanderungen nahm die Kaiserin auch nicht die geringste Rücksicht auf das Wetter. Sie liebte die Naturgewalten und verstand die Empfindlichkeit ihrer Begleiter überhaupt nicht. Elisabeths Leben wurde zu einer Flucht vor dem eigenen Ich, vor der ständigen Unruhe ihrer Seele. Kaum war das Achilleion auf Korfu fertig, strebte sie schon wieder fort, da sie das Gebäude nicht mehr interessierte. 1890 machte sie etwa folgende Reisen: nach Ischl, Feldafing, Paris, Lissabon, Algier, Florenz und Korfu. 1895/96 war sie im ungarischen Kurort Bartfeld, in Ischl, Aix-les-Bains und Territet, in Gödöllö, in Cap Martin, in Cannes, Neapel, Sorrent und Korfu. In den anderen Jahren sah es nicht anders aus. Schon drei Monate nach Rudolfs Tod ging die Nachricht durch die europäische Presse, bei der österreichischen Kaiserin sei der Wahnsinn ausgebrochen. Sissis Hauptinteresse in diesen letzten Jahren bestand in ihrer schwindenden Gesundheit. Immer noch beklagte sie jede kleine Gewichtszunahme. (43,5 kg bei einer Größe von 172 cm)
Die Hauptreiseziele der Kaiserin waren die griechischen Inseln und Süditalien. Den ganzen Sommer 1898 zog es Sissi unwiderstehlich in die Schweiz an den Genfer See. Die Anarchistengefahr dort vermochte sie nicht zu erschrecken, sie sehnte den Tod herbei.
|