Wien befürchtete in erster Linie; dass mit der Vergrößerung Serbiens Russland auf dem Balkan eine stärkere Position einnehmen könnte. Die Lö¬sung, die deshalb das Habsburger Reich bevorzugt hätte, war die komplette Rückkehr zu den Vorkriegsverhältnissen. Da dies nicht erreichbar war, wollte Wien unter allen Umständen verhindern, dass Serbien einen Korridor zum Mittelmeer und infolgedessen einen Hafen an der Adriaküste bekommt. Dabei war es Österreich - Ungarn gleichgültig, welche Gebietsforderungen Serbien dann als territorialen Ausgleich für den nicht erhaltenen Adriahafen in Make¬donien gewinnen sollte. Falls Serbien diesen Hafen bekommen hätte, wäre es noch unabhängiger von Österreich - Ungarn gewesen. Der Hafen hätte sogar von Russland als Basis benutzt werden können, um die Adria für österreichi¬sche Schiffe unbefahrbar zu machen. Auf der Suche nach Möglichkeiten, um Serbien von der Adria abzuschotten, schien es am effektivsten und sichersten, einen möglichst großen, unabhängigen albanischen Staat zu schaffen .
Italien war der Krieg willkommen, da die Türkei nun gezwungen war, Li¬byen aufzugeben. Des weiteren stimmte Rom mit Österreich - Ungarn überein, dass Serbien keinen Adriakorridor erhalten solle. Rom spekulierte dort nämlich auf Albanien als zusätzliches Kolonialgebiet .
Deutschlands Südosteuropapolitik sah während des Balkankriegs kein ak¬tives Eingreifen in die Kämpfe vor, ansonsten strebte man die Beibehaltung des damaligen Zustandes an: Schon allein wegen der wirtschaftlichen Interes¬sen des Reichs sollte Österreich - Ungarns Vormachtstellung auf dem Balkan sowie der Bestand der asiatischen Türkei nicht gefährdet werden .
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