An der Frage, inwieweit die Mafia sich als Teil der sozialen Banditenbewegung Süditaliens beschreiben lässt, entzündete sich in der Vergangenheit eine interessante Kontroverse. E. J. Hobsbawm schilderte 1959 (\"Primitive Rebels\") das Entstehen der Mafia als Folge des Brigantenwesens, das in Süditalien im 19. Jahrhundert weit verbreitet war. Die bäuerlichen und arbeitenden Unterschichten, so Hobsbawm, suchten nach Mitteln, \"ihr Elend auch außerhalb der periodischen Bauernaufstände zu lindern\" (57). Deswegen hätten sie sich unter den Schutz der aufsteigenden gabellutti begeben.
Es gibt aber kaum Hinweise darauf, dass mafiusi und ländliche Bevölkerung aufeinander zugingen. Beide sozialen Gruppen standen sich mehr als reserviert gegenüber. Der bedrohte Bauer wurde eher zum Briganten, als dass er sich einem mafiuso angeschlossen hätte. H. Hess bewies zudem, dass die mafiusi, entgegen der sozialdichotomischen Auffassung Hobsbawms (gabelluti als reiche, Bauern als arme Bewohnerschaft Italiens), erst allmählich finanziell zum Adel aufschlossen. Dies gilt auch für deren soziales Ansehen. Viele mafiusi blieben zunächst relativ arm, ihre Macht speiste sich aus der rigorosen Übernahme staatlicher Macht und brutalem Auftreten. Mafiusi wurden nicht \"angehimmelt\", sondern gefürchtet.
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