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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Konzeptionelle mängel und kritik an den konvergenzkriterien



Konzeptionelle Mängel / "Das theoretische Fundament der Maastrichter Konvergenzkriterien ist eher bescheiden. Weder die stark auf monetäre und fiskalische Sachverhalte ausgerichtete Auswahl der Kriterien, noch die Präzisierung der Grenzwerte und Bandbreiten lassen sich ökonomisch stichhaltig begründen." Nach der Ansicht der Autoren Christian Schmidt und Thomas Straubhaar läßt der o.g. Sachverhalt darauf zurückführen, daß der EG-Vertrag in weiten Teilen einen Kompromiß darstellt. Auch das Europäische Währungsinstitut (EWI) beschreibt statistische Probleme bei der Feststellung und welcher inhaltlicher Präzisierungsbedarf bei der Beurteilung der Kriterien noch vorhanden ist. So bemängelt das EWI, daß unter einem "hohen Grad" der Preisstabilität eine Inflationsrate zu verstehen sei, "die nicht mehr als 1,5% über der Inflationsrate jener - höchsten drei - Mitgliedsstaaten liegt, die auf dem Gebiet der Preisstabilität das beste Ergebnis erzielt haben". Unklar bleibt aber, ob höchsten drei auch die besten zwei oder den besten alleine meinen kann. Weiter bemängelt das EWI, daß bezogen auf das Kriterium öffentliche Finanzen einzelne Interessengruppen einen gewaltigen Intepretationsspielraum finden, weil bei den Ausnahmebestimmungen nicht gesagt wird, wie groß der Trend zu Einhaltung des Defizit sein muß. Auch wird nichts über die zulässige Häufigkeit von ausnahmsweiser und vorübergehender Überschreiten des Referenzwerts gesagt.









Kritik an den Konvergenzkriterien

Die im Maastrichter Vertrag festgelegten harten Konvergenzkriterien führen zu einer Vielzahl von Entwicklungen, die der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung und der sozialen Lage in der Europäischen Gemeinschaft Schaden zufügen können. So haben die Konvergenzkriterien eine verschärfende Wirkung auf die momentane Stagnation. In den letzten Jahren haben die durchschnittlichen europäischen Wachstumsraten der Bruttoinlandsprodukte nur zwischen einem und zwei Prozent betragen. Besonders dramatisch schlägt sich die Wachstumsschwäche auf den Arbeitsmarkt nieder. Wurde zwischen 1986 und 1990 noch ein hoher Zuwachs der Beschäftigung erreicht, verringerte sich die Zahl der Erwerbstätigen 1992 um 0,7% und 1993 um 0,75%. Die Ursachen für die augenblickliche Krise ist zum einem in der Wachstumsverlangsammung in den Industrieländern seit 1990 und zum anderen in der durch die Konvergenzkriterien bedingten restriktiven Wirtschaftspolitik zu sehen.

"Ein wichtiger Grund für die fortgesetzte Konjunkturschwäche in Europa ist, daß in fast allen Ländern die Geldpolitik verengt worden ist. Bedeutsam hierfür waren die in dem Vertrag von Maastricht festgelegten Bedingungen für die Teilnahme an der europäischen Währungsunion. (...) Diese Kriterien können von vielen Ländern nur erreicht werden, wenn sie sich nachhaltige Änderung ihrer Wirtschaftspolitik bemühen" schreibt das Institut für Weltwirtschaft in seiner Konjunkturprognose von Dezember 1992. Restriktiv ist aber nicht nur die Geldpolitik. Von der Finanzpolitik gehen auch keine expansiven Impulse aus. Grund dafür ist oft die starke Orientierung der Mitgliedsländer an der Einhaltung der Konvergenzkriterien, die so eine flexible, den jeweiligen wirtschaftlichen Verhältnissen angepaßte Politik verhindert. Es besteht also Gefahr, daß die weitere ökonomische Entwicklung in der EU durch die Konvergenzkriterien stark belastet wird.





Die Strategien der einzelnen Mitgliedsländer sind im wesentlichen von folgenden Momenten geprägt:

. Erhöhung der (indirekten) Steuern und der Beiträge für die Sozialversicherungssysteme bei gleichzeitigem
. Abbau staatlicher, insbesondere sozialer Leistungen,
. Stagnation oder Abbau der Realeinkommen der abhängig Beschäftigten,
. Reduktion der realen Lohnstückkosten, d.h. Umverteilung des Einkommens zugunsten der Kapitaleigentümer und
. steigende Arbeitslosenquoten.

Die Konvergenzpolitik bringt folglich in den vor uns liegenden Jahren ein Verschlechterung der sozialen Lage der abhängig Beschäftigten mit sich.

Der Maastrichter Vertrag hat vor allem bei den Staatsfinanzen Kriterien geschaffen, die trotz aller Sanierungsgesinnung für viele Staaten unerreichbar bleiben: Wer an der Währungsunion teilnehmen will, dessen jährliche Neuverschuldung darf maximal drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Und die gesamten, über die Jahre angehäuften Staatsschulden dürfen 60 Prozent desselben nicht überschreiten. Norbert Walter, Chefökonom der Deutschen Bank, hält vor allem das zweite Kriterium für unrealistisch: "Wer glaubt, daß ein Staat mit einem Verschuldensgrad von 137 Prozent wie Belgien innerhalb von zwei oder auch fünf Jahren auf 60 Prozent kommt, macht sich etwas vor. Das ist Quatsch erster Ordnung."







Weil aber auch eine Währungsunion ohne Belgien (und damit ohne die EU-Hauptstadt Brüssel) oder ohne Frankreich keine Chancen auf Realisierung hat, tobt über die Sinnhaftigkeit der Verschuldungsobergrenzen zwischen Ökonomen und Politikern ein heftiger Streit. Roland Döhrn, Europaexperte des deutschen Wirtschaftsinstitutes RWI in Essen: "Da hat in Maastricht irgend jemand in den Himmel geschaut, und dabei sind ihm die Zahlen 3 und 60 eingefallen." Eine direkte ökonomische Begründung für die Maastrichter Definition der "gesunden Staatsfinanzen" gebe es nicht. Die Äußerung eines hochrangigen Delegationsmitglieds am Rande der Madrider Konferenz bestätigt diese Behauptung indirekt: "Irgendwo mußten wir in Maastricht ja die Grenzen ziehen."

 
 

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