Die wirtschaft Europas, vor allem in Deutschland erlebte zwischen 1850 und 1895 eine radikale Veränderung. Das Pferd wurde zuerst von der Eisenbahn, dann vom Automobil, später vom Flugzeug abgelöst. Dahinter aber erkennen wir, dass das Wirtschaftssystem eine Wandlung von der Agrarwirtschaft zur Industrie erfuhr. Es erfolgte die Landflucht vieler auf dem Lande Beschäftigter und die deutlichere Herausbildung und das Wachstum der kapitalistischen Stadt. Das Geld spielte eine immer größere Rolle. Neue Erfindungen, wie z.
B. künstliche Farbstoffe und die Glühbirne brachten eine technische Revolution mit sich. All diese Dinge wirkten sich im deutschen Kaiserreich auch auf die gesellschaftlichen Strukturen aus. Die Arbeiterklasse entstand. 1880 gab es schon 5 Mio Fabrikarbeiter, 1900 war diese Zahl auf 8 Mio angewachsen. Diese Arbeiterschaft war noch keine einheitliche Gesellschaftsschicht.
Es gab Unterschiede zwischen Mann und Frau. Es herrschte in den Familien und auch in der Gesellschaft das patriarchische Prinzip. Der Mann bestimmte und entschied z.B. über das Geld zu Hause oder in der Politik, nur er hatte das Wahlrecht. So wurde die Frauenarbeit auch ausgenutzt.
Die Frauen erhielten nur 60% des Männerlohnes bei gleicher Arbeit und Arbeitszeit. Erst ab 1900 änderte sich die Stellung der Frauen etwas zum Besseren, aber an eine Emanzipation war auch in den nächsten Jahrzehnten nicht zu denken. Die Arbeiter insgesamt waren durch die Arbeitsintensität (Wochenarbeitszeit weit über 50 Stunden) noch nicht in der Lage, ihre neue Situation zu begreifen und Gewerkschaften oder Parteien, die ihre Interessen vertraten zu bilden. Schließlich wurde das auch noch staatlicherseits eingeschränkt durch sogenannte "Sozialistengesetze" (Verbot der SPD, der Partei und parteiähnlicher Gruppierungen). Zunächst gab es auch noch keine Sozialgesetzgebung, die einen Schutz der Arbeiter bei Unfall, Krankheit und Alter gegeben hätten. Erst 1883/84 und 1889 wurde das geändert.
Im Kaiserreich war den Menschen damals ein Obrigkeitsstaat vorgegeben, den sie aber ablehnten. Das aber führte wiederum dazu, dass der innere Zusammenhalt der Arbeiter gestärkt wurde. In den verschiedenen Vereinen, die sie gründeten, konnten sie menschlich zusammenwachsen, sich artikulieren und somit den Grund legen für eine spätere Parteienlandschaft in Deutschland. Die Frauen fanden sich in ihren Vereinen (z.B. Chöre) wieder ein, auch hier waren die ersten Ansätze einer später organisierten Frauenbewegung zu erkennen.
Neben der Arbeiterschaft wurde das deutsche Bürgertum im Kaiserreich ein weiterer bestimmender Faktor. Einmal das Großbürgertum (etwa 10000 Großkaufleute, Fabrikarbeiter und Bankiers), zum anderen die bürgerliche Mittelschicht (Kleinunternehmer, Ärzte, Anwälte und Kaufleute) wurden zum Motor der wirtschaftlichen Revolution in Deutschland. Sie fühlten sich als etwas Besseres als die Arbeiterschaft (ihre "Untergebenen"), lehnten aber auch die feudale Gesellschaft ab, obwohl sie ihren Lebensstil nachahmten. Sie bauten Schlösser. Auch die heute sogenannten Bürgerhäuser, die schon von gewissen Wohlstand sprechen werden zum Statussymbol; auch etwas gehobenere Posten bei der Armee waren ihnen als Vorzeigesymbol für die Umwelt wichtig. Politisch aber hatte das deutsche Bürgertum in dieser Zeit keinen Einfluss.
Es war politisch eine passive Größe die sich erst später mit der Bildung von Konzernen ändern sollte. Ein Problem der Industriegesellschaft des Kaiserreiches: der Antisemitismus. Dieser hatte sich über das Mittelalter bis zu dieser Zeit erhalten, zumal die jüdischen Mitbürger von jeher gut mit Geld umgehen konnten und die Macht des Geldes zu dieser Zeit neue Höhepunkte erlebte in dem Aufkommen mächtiger Banken uns Bankies. Da vielleicht die Deutschen damit nicht so erfolgreich umgehen könnten und konnten, suchte man wieder einmal einen Schuldigen. So brodelten immer wieder antisemitische Parolen, die dass später im 3.Reich unverhalten propagiert und umgesetzt wurden - mit katastrophalen Ergebnis, wie wir heute wissen.
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