1. Einleitung In der nun folgenden Facharbeit wird das Thema \"Generalstände 1789. Anknüpfung an vorabsolutistische Rechtverhältnisse\" behandelt. Was waren die Generalstände? Welche politische Bedeutung und wie viel politischen Einfluss hatten sie? Wann wurden sie wo und aus welchen Gründen einberufen? Diese Fragen gilt es zu lösen. Dabei möchte ich jedoch nicht nur auf die Einberufung der Generalstände \"am Vorabend\" der Französischen Revolution eingehen, sondern zunächst den Zeitraum von 1302 bis 1614 beleuchten und Beispiele zur Einberufung der Generalstände, ihrer Aufgaben und Ziele auch aus dem Ausland, zum Beispiel aus Deutschland, aus eben dieser Zeit zwischen Mittelalter und Neuzeit näher erläutern. Im zweiten Teil der Facharbeit wird dann die Ständeversammlung von 1789 aufgegriffen, ausführlich beschrieben und erläutert und ihre Parallelen zu den vorabsolutistischen Generalständen herausgefiltert.
Hierbei werden unter anderem die Fragen geklärt, warum die Generalstände 1614 zum letzten Mal für 175 Jahre einberufen wurden und was König Ludwig XVI und seine Berater gerade am 05.05.1789 dazu bewegte, sie erneut einzuberufen. Im letzten Teil dieser Facharbeit wird der Wandel der Umstände der Einberufung, der Ziele und der politischen Bedeutung von den vorabsolutistischen Generalständen bis zu denen der Neuzeit beschrieben. 2. Hauptteil 2.
1. Vorabsolutistische Rechtsverhältnisse 2.1.1 Die Einberufung der Generalstände im Mittelalter Die Generalstände orientierten sich in ihrem Aufbau und ihrer politischen Bedeutung an den Landständen des Heiligen Römischen Reiches, welche die ständisch gegliederte Vertretung der Territorien, meist Ritter (adlige Grundherren), Prälaten (Inhaber geistlicher Herrschaften) und Städte, verkörperten. Die Mitglieder der Generalstände waren in drei Stände unterteilt: Klerus, Adel und Dritter Stand, der die große Mehrheit der Bevölkerung ausmachte. Erstmals wurden die Generalstände 1302 in Frankreich unter König Philipp IV (Philipp der Schöne), Sohn von Philipp III (Philipp der Kühne) und Enkel Ludwigs IX (Ludwig der Heilige), einberufen.
Die Ausgangssituation für die Einberufung der Generalstände ergab sich, da König Philipp, der bereits 1285 im Alter von 17 Jahren zum König von Frankreich gekrönt wurde und bereits 1284, ein Jahr zuvor, durch Heirat mit Johanna von Navarra die Grafschaft Navarra und die Champagne erworben hatte, als einziger Herrscher seiner Zeit als Demonstration seiner Macht ein stehendes Heer unterhielt, durch dessen Kostspieligkeit er früh in Geldnöte geriet. Um diese Defizite wieder auszugleichen, versuchte er zunächst das durch Handel und Seefahrt reich gewordene Flandern (Landschaft im niederbelgisch-nordfranzösischen Tiefland) zu erobern. Des weiteren versuchte er seine kriegerischen Maßnahmen durch eine drastische Erhöhung der Steuern zu finanzieren, ließ jüdische und langobardische Geldverleiher (Unternehmer, die anderen gegen Zinsen Geld liehen) in seinem gesamten Reich verfolgen, wodurch er zu einigen Geldmitteln kam, und senkte den Edelmetallgehalt der französischen Münzen aus Gold oder Silber durch Beimengung minderwertiger Metalle unter Beibehaltung oder Erhöhung ihres Nennwertes (Münzverschlechterung). Als er schließlich nicht einmal vor der Besteuerung der Kirchengüter (z.B. der Kirche gehörender Besitz an Land) in seinem Herrschaftsgebiet und somit der Inanspruchnahme des Klerus zurückschreckte, bedrohte Papst Bonifatius VIII am 25.
02.1296 alle Fürsten, die ohne Einwilligung der katholischen Kirche die Geistlichkeit besteuerten, mit einem Bann. Als König Philipp IV nicht auf die Drohungen des Papstes reagierte, sondern weiterhin die Steuern erhöhte, wandte sich der Papst in mehreren wohlwollenden Briefen an den König und die französischen Bischöfe und vollzog am 11.08.1297 sogar die Heiligsprechung Ludwigs IX, um eine friedliche Einigung des Königs mit dem Klerus zu veranlassen. Als jedoch Bernhard de Saisset, Bischoff von Pamiers und päpstlicher Gesandter, Philipp IV 1301 heftige Vorwürfe wegen Verletzung kirchlicher Rechte machte, fand dieser sein Auftreten so anmaßend, dass er den Bischof wegen Hochverrat und Majestätsbeleidigung anklagen und schuldig sprechen ließ.
Papst Bonifatius VIII berief daraufhin am 01.11.1301 eine geistliche Versammlung in Rom ein. Auf dieser Versammlung wurde am 05.12.1301 die Bulle \"Ausculta Fili\" (\"Höre, mein Sohn!\") verabschiedet, eine Verordnung, in der der Papst König Philipp IV am 01.
11.1302 nach Rom lud, um ihn zur Rechenschaft zu ziehen. Nach Erhalt dieser Bulle am 11.02.1302 ließ der König den Bischof von Pamiers frei und gebot ihm und Papst Bonifatius VIII, innerhalb weniger Tage Frankreich zu verlassen. Das Original der Bulle \"Ausculta Fili\" wurde im königlichen Auftrag vernichtet und eine Fälschung mit dem Namen \"Deum Time\" (\"Fürchte Gott!\") angefertigt, welche ihr Original an Schroffheit im Ausdruck bei weitem übertraf.
Diese Fälschung legte der König am 10.04.1302 den nach Paris berufenen Reichsständen, der größtenteils aus Fürsten, Herzögen und Grafen bestehenden Reichsvertretung, vor, welche ihm mehrheitlich ihre Hilfe im Kampf gegen den Papst zusprachen. Dies beantwortete Papst Bonifatius VIII, der trotz Verbotes am 30.10.1302 eine römische Synode mit beachtlicher Teilnehmerzahl einberufen hatte, am 18.
11.1302 mit der Bulle \"Unam Sanctam\" (\"Eine heilige Kirche\"), die in einer Ausarbeitung geistlicher Weltherrschaftsgedanken die Überordnung des Papstes vor allen weltlichen Gewalten darstellte. Ein Auszug aus der Bulle \"Unam Sanctam\" besagt: \"Durch die Aussagen der Evangelien werden wir belehrt, dass in dieser ihrer Gewalt zwei Schwerter sind, nämlich das geistliche und das zeitliche. [Angeführt werden Lk 22,38 und Mt 26,52]. [..
.] Beide also sind in der Gewalt der Kirche, nämlich das geistliche Schwert und das materielle. Jedoch ist dieses für die Kirche, jenes aber von der Kirche zu handhaben. Jenes in der Hand des Priesters, dieses in der Hand der Könige und Soldaten, aber auf die Zustimmung und Duldung des Priesters hin. [..
.] Wenn also die irdische Gewalt abirrt, dann wird sie von der geistlichen Gewalt gerichtet werden; wenn aber eine niedrigere geistliche abirrt, dann von ihrer höheren; wenn aber die höchste, d"ann wird sie allein von Gott, nicht vom Menschen gerichtet werden können, wie der Apostel bezeugt: »Der geistliche Mensch richtet alles, selbst aber wird er von niemandem gerichtet« [1 Kor 2,15].\" König Philipp IV fühlte sich durch dieses Schriftstück in seiner Macht und Autorität angegriffen und musste eine Lösung zur Sicherung seiner Regentschaft finden. Daraufhin berief er Ende des Jahres 1302 erstmals in der Geschichte nicht nur die Vertreter des Adels und des Klerus zur Krisensitzung nach Paris, sondern auch die Vertreter des dritten Standes, um sich dessen Unterstützung zu sichern. Hauptaufgabe dieser sogenannten Generalstände war die Bewilligung königlicher Steuererhöhungen. Das genaue Datum der Sitzung der Generalstände von 1302, aus wie vielen Vertretern der jeweiligen Stände sie bestanden oder zu welchen Ergebnissen diese führten ist nicht bekannt.
Es ist jedoch anzunehmen, dass die Verfahrensweise der der Einberufung der Generalstände von 1614 sehr ähnelt oder sogar identische Züge aufweist. Bekannt ist lediglich, dass die Abstimmung nach Ständen erfolgte und wenig später, am 13.06.1303, eine Notabelnversammlung von König Philipp IV nach Paris berufen wurde, auf welcher die heftigsten Anschuldigungen gegen den Papst ausgesprochen wurden und welche den Beschluss fasste, Papst Bonifatius VIII vor ein allgemeines Konzil zu stellen, vor dem er sich verantworten müsse. Nachdem Guillaume de Nogaret, Vizekanzler Philipps IV, durch die Verbündung mit Kardinal Sciarra Colonna, einem Mitglied einer von Papst Bonifatius VIII geächteten Adelsfamilie, den Adel der Champagne für eine Verschwörung gegen den Papst gewonnen hatte, drang er am Morgen des 07.09.
1303 in die Residenz des Papstes in Anagni ein und nahm diesen gefangen. Einen Tag später wollte Bonifatius VIII ursprünglich in der Kirche von Anagni den bereits am 25.02.1296 angedrohten Fluch verkünden. Da der Papst jedoch jede der auf der Notabelnversammlung hervorgebrachten Anschuldigungen entschieden zurückwies, wurde er in seinem Palast weiterhin gefangengehalten, bis ein Bürgeraufstand Vizekanzler de Nogaret nach fünf Tagen zur Freilassung Bonifatius' zwang. Dieser verstarb jedoch nach einigen Tagen an den Folgen des \"Attentats von Anagni\", welches das Papsttum in eine lange, schwere Krise stürzte, welche sie selbst als \"Babylonische Gefangenschaft der Kirche (1309-1377)\" betitelte.
2.1.2 Die Einberufung der Generalstände in der Neuzeit am Beispiel des Tübinger Vertrags Ein weiteres Beispiel für die Präsenz und Einberufung der Generalstände in vorabsolutistischen Zeiten liefert das Herzogtum Württemberg. Die Gesellschaft war in vier Stände geteilt: Es gab den Klerus, der sich aus Geistlichen, Pfarrern und Mönchen zusammensetzte, den Adel und als dritten Stand die Bürgerlichen, also Handwerker und Stadtleute. Den vierten Stand bildeten die Bauern. Die Regierung des von 1450 bis 1496 von Eberhard I, der ein Jahr zuvor von Kaiser Maximilian I zum Herzog ernannt wurde, regierten Herzogtums übernahm 1496, nach dem überraschenden Tode Eberhards I, zunächst Eberhard II.
Dieser wurde 1498, nach nicht einmal zwei Jahren Amtszeit, durch die von Kaiser Maximilian I zusammenberufenen Landstände für geisteskrank erklärt und abgesetzt. Daraufhin fiel die Regierung Württembergs an Herzog Ulrich VI, der 1503 von Kaiser Maximilian I als volljährig erklärt wurde und das Angebot bekam, sich 1504, nach der Hochzeit mit Herzogin Sabina von Bayern, im Bayrischen Erbfolgekrieg als Heerführer auszuzeichnen und territorialen Gewinn für Deutschland zu erwerben. Durch diese und andere kriegerische Unternehmungen und seine dekadente Lebensführung und Hofhaltung geriet Herzog Ulrich VI in finanzielle Not, welche er mit einer Steuererhebung auszugleichen versuchte. Daraufhin gründeten im Jahre 1514 Bauern aus dem Remstal einen Geheimbund, den sie \"Armer Konrad\" nannten, weil sie vom Adel auf offener Straße oft so verspottet wurden (armer Konrad = armer Kerl), um gegen die immer höher steigende Besteuerung und die von Ulrich vollzogene Erhöhung des Brotpreises vorzugehen. Dieser Geheimbund orientierte sich unter anderem an dem bereits 1501 von Joß Fritz, einem jungen Landknecht aus Bruchsal, gegründeten Geheimbund \"Bundtschu\", der seinen Namen von einer Fußbekleidung, einem Stück Leder, welches durch einen Riemen am Knöchel befestigt wurde, bekam. Der Geheimbund \"Bundtschu\" war eine Vereinigung von Bauern, der das Ende der bäuerlichen Leibeigenschaft erzwingen und den Reichtum des Klerus der Gemeinschaft überschreiben wollte.
Des weiteren setzte sich \"Bundtschu\" für die Regierung des Kaisers in Zusammenarbeit mit den Generalständen, bestehend aus allen vier Ständen, ein. Der Geheimbund \"Armer Konrad\" übernahm Vorgehensweisen und Aufbau des \"Bundtschu\", nutze jedoch den 1450 von Johann Gutenberg erfundenen Buchdruck zur Verbreitung seiner Meinung im Volk. Schnell brach im ganzen Land ein blutiger Aufstand aus, den Ulrich versuchte mit Hilfe der Ehrbarkeit, der Oberschicht des Landes, zu kontrollieren. Als er schließlich am 08.07.1514 die Generalstände mit Vertretern aus drei der vier Stände einberief (Klerus, Adel und Bürgertum), verlangten diese dem Herzog als Gegenleistung für die Unterstützung bei der Niederschlagung des Aufstandes des \"Armen Konrads\" einen Vertrag ab, in dem erstmals in Europa Grund- und Menschenrechte verzeichnet waren.
So entstand ein Herrschaftsvertrag zwischen Herzog und Ständen, der noch ca. 200 Jahre lang Grundlage des württembergischen Verfassungslebens blieb und als \"Magna Charta Württembergs\" bezeichnet wird: Der Tübinger Vertrag. In diesem gestand Herzog Ulrich den Ständen ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht in Form einer Einberufung der sogenannten Landstände bei jeder zu treffenden politischen Entscheidung zu, schränkte die Macht der Landesherren ein und sicherte ihnen wichtige Privilegien. Des weiteren erfolgte eine Regelung, laut der die Landstände die Schulden des Herzogtums übernahmen. In einem Auszug des Tübinger Vertrags heißt es: \"Nemlich und zum ersten söllent die landschaft für sich obgemeltem herzog Ulrichen fünf jar lange die nesten ains jeden jars geben und raichen 22000 guldin, darzu sollent im die prelaten stift clöster, ouch die ämpter Mümpelgart Nürtingen Plamont und Rychenwykler ouch geben und raychen, als vil by denselben allen erraicht werden mag. Und sölichs alles, so die angezögten fünf jar lang allenthalp, wie obstet, gefellt, söllent zu herzog Ulrichts wachender schuld und zu stattlicher bezalung der gilten bewendt werden.
\" Alle nachfolgenden Herzöge des Herzogtums Württemberg mussten die Vereinbarung zwischen Herzog und Ständen durch einen Schwur auf den Tübinger Vertrag erneuern, welcher noch im 19. Jahrhundert als das \"gute, alte Recht\" galt. 2.1.3 Die vorläufig letzte Einberufung der Generalstände im Jahre 1614 Währenddessen hatten in Frankreich seit der Regentschaft Philipps IV sechzehn Könige geherrscht. Unter Karl VII (1422 bis 1461) begann die Monarchie eigene Einnahmequellen zu erschließen und stützte sich immer weniger auf die Generalstände.
Nachdem der letzte dieser sechzehn Könige, Heinrich IV, am 14.05.1610 von François Ravaillac, einem katholischen Fanatiker, ermordet wurde, erbte dessen Sohn aus zweiter Ehe, Ludwig XIII, im Alter von neun Jahren den Thron. Die ersten sieben Jahre, von 1610 bis 1617, übernahm seine Mutter, Maria von Medici, mit der Unterstützung eines Kabinetts dessen Regentschaft. Maria von Medici, jüngste Tochter des Großherzogs der Toskana, die bereits am 05.10.
1600 mit dem fast zwanzig Jahre älteren Heinrich IV von Frankreich verheiratet wurde, war bereits am 13.05.1610, also einen Tag vor der Ermordung ihres Gatten, zur Königin Frankreichs gekrönt worden, um im Falle des Todes Heinrichs IV die Regierung ihres noch unmündigen Sohns Ludwig übernehmen zu können. Sie wurde von Zeitgenossen als sehr schnell und leicht zu beeinflussen beschrieben, welches ihr Günstling und Mitglied ihres Kabinetts, Marquis de Concini, für eine absolutistische Beeinflussung der französischen Politik ausnutzte. Concini überzeugte Maria von Medici 1614 von der Notwendigkeit einer Einberufung der Generalstände Frankreichs, auf der unter anderem die Privilegien des Adels und die Trennung der Stände verdeutlicht und festgelegt werden sollten. Diese versammelten sich am 02.
10.1614 mit jeweils 300 Vertretern aller drei Stände und legten unter anderem eine Bestimmung über die Gesetzesgebung fest: \"Alle die durch die Könige, Unsere Vorgänger und durch Uns seit Unserer Thronbesteigung erlassenen Ordonnanzen, die sich auf die Stände Unseres Königreiches, deren Regeln und Ordnung sowie auf die Amtsführung und die Rechte Unserer Beamten beziehen [...] sollen, soweit Wir oder Unsere Vorgänger sie angenommen und gebilligt haben, durch alle Unsere Parlamente, Unser Conseil, Unsere Rechnungshöfe [..
.], Obersteueramt [...] und sonstige Gerichtshöfe, Richter, Magistrate, Beamten und Untertanen eingehalten und befolgt werden [..
.]. Wir erlauben jedoch den Mitgliedern Unserer Parlamente und sonstigen obersten Gerichtshöfe [...] Uns innerhalb sechs Monaten nach Publikation dieser gegenwärtigen Ordonnanz über diejenigen Artikel, die ihrer Meinung nach gegen das Beste [.
..] verstoßen [...], nach ihrem Ermessen Gegenvorstellungen zu machen [.
..].\" Des weiteren wurde über ein Gesetz abgestimmt, welches die Gründung, Anwerbung und Versammlung von Geheimbünden, Verschwörungsorganisationen oder militanten Gruppen (\"Verbotene Bündnisse und Konspirationen\") illegalisierte. Dem Adel wurden diverse Privilegien, wie das Anrecht auf den Bezug feudaler Abgaben Seitens der Bauern, zugesprochen und allen, die einen nicht durch Geburt vererbten adligen Titel trugen, wurde dieser Titel aberkannt. Somit wurde auch der Kauf von Ämtern und Titeln illegal.
Dem dritten Stand war es von nun an untersagt, selbst zu jagen oder jegliche Art von Waffen zu besitzen, die für eine Jagd verwendet werden könnten. Die insgesamt mehr als 200 Verbote, Zusprüche und Richtlinien, über die nach Ständen abgestimmt wurde (das heißt, jeder Stand besaß eine Stimme, wobei Klerus und Adel den Dritten Stand gemeinsam jederzeit 2:1 überstimmen konnten), wurden später, in den Notabelnversammlungen von 1617 und 1626, gefestigt und verabschiedet. Armand Jean du Plessis (besser bekannt als Kardinal Richelieu), welcher seit dem 25.11.1616 Staatssekretär im höfischen Dienst tätig war, veröffentlichte diese in einer Ordonnanz (einer Art Ergebnisprotokoll) 1629 als die Anfänge eines politischen Umschwungs in Richtung Absolutismus. Richelieu, der 1616 an den Hof des Königs gelangt war und rasch dessen Interesse aufgrund seiner diplomatischen Fähigkeiten geweckt hatte, wurde 1624 zum leitenden Minister und damit zu dessen Vormund erklärt und hatte somit die Leitung der Politik Frankreichs fast uneingeschränkt übernommen, nachdem der Berater der Königin, Marquis de Concini, am 24.
04.1617 ermordet worden war. Die im Jahre 1614 einberufene Ständeversammlung war die letzte dieser Art für 175 Jahre, da durch den Einfluss Richelieus auf die Regentschaft Ludwigs XIII eine politische vollkommen umorientierte Zeit folgte, die rein von der Überzeugung einer gottgewollten gesellschaftlichen Ordnung geprägt war. 2.2 Die Generalstände von 1789: Anknüpfung an vorabsolutistische Rechtsverhältnisse Nachdem Ludwig XIII am 14.05.
1643 verstorben war, wurde sein Sohn Ludwig XIV im Alter von fünf Jahren zum König von Frankreich gekrönt, übernahm jedoch erst im Alter von dreiundzwanzig die Regentschaft, die seine Mutter, Königin Anna von Österreich, zuvor für ihn geführt hatte. Während der Zeit seiner Regentschaft vollendete er die absolutistische Monarchie, die bereits von Kardinal Richelieu ausgebaut worden war, und baute Frankreich zum zentral regierten absolutistischen Machtstaat aus. Die oftmals von Ludwig XIV zitierte Phrase \"L'Etat, c'est moi!\" (\"Der Staat bin ich\") drückte genau dessen Stellung innerhalb des Staates aus: Ludwig XIV, der die Mentalität, dass die gesamte gesellschaftliche Ordnung auf dem Willen Gottes basierte, der durch nichts und niemanden angefochten oder ersetzt werden konnte, für seine Zwecke ausnutzte, indem er sich selbst als \"Sonnenkönig\" bzw. \"König von Gottes Gnaden\" bezeichnete, ernannte sich selbst zum leitenden Minister und hatte somit als Alleinherrscher die absolute Macht über die Politik Frankreichs. Von 1661 bis 1689 ließ er in Versailles, einem Ort unweit von Paris, ein prunkvolles und nahezu unbezahlbar teueres Barockschloss errichten, in dem er bis zu seinem Tod am 01.09.
1715 ein dekadentes Leben inmitten von Dienern und Adligen führte, wodurch er Frankreich, genau wie sein Urenkel und Nachfolger Ludwig XV, an den Rand des finanziellen Ruins trieb. Nachdem die Regierung Ludwigs XV, der den höfischen Prunk trotz der hohen Schuldenlast weiter fortgeführt hatte, am 10.05.1774 beendet war, erbte dessen Enkel, Ludwig XVI, den französischen Thron. Ludwig XVI, der bereits seit 1710 mit Marie Antoinette, der Tochter der römisch-deutschen Kaiserin Maria Theresia, verheiratet war, schaffte es trotz intensiver Reformarbeit nicht, die Finanzkrise der französischen Monarchie mit den Mitteln seiner absolutistischen Staatsführung zu lösen. Da er einen Ausweg aus der Staatsverschuldung finden musste, machte der König diverse Vorschläge, wie zum Beispiel die Besteuerung des Adels oder die Kostensenkung der königlichen Hofhaltung, welche allesamt am Widerstand der Königin Marie Antoinette scheiterten.
Durch die Missernten der Jahre 1787 und 1788, durch die ganz Frankreich Hunger litt, verschlimmerte sich die wirtschaftliche Lage Frankreichs weiter, was Ludwig XVI durch eine Verteuerung der Lebensmittel und eine erneute Steuererhöhung versuchte auf das Bürgertum abzuwälzen, da Klerus und Adel von sämtlichen Steuerzahlungen befreit waren. Da die Verschuldung des Königreichs inzwischen in schwindelerregende Höhen gestiegen war, musste 1788 bereits über die Hälfte des Staatshaushaltes allein für die Zinsentilgung verwendet werden. Des weiteren nahm die Kritik des Bürgertums an der politischen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Situation Frankreichs immer mehr zu. Diese Kritik äußerte sich auch in den vielen politischen Schriften aus den Jahren 1788 und 1789, unter anderem einer Broschüre von Emmanuel Joseph Sieyès mit dem Titel \"Qu'est-ce que le Tiers Etat\" (\"Was ist der Dritte Stand?\"), welche im Dezember 1788 verfasst und im Januar 1789 veröffentlicht wurde. In dieser Broschüre hieß es unter anderem: \"1. Was ist der Dritte Stand? - ALLES.
2. Was ist er bis jetzt in der öffentlichen Ordnung gewesen? - NICHTS. 3. Was verlangt er? - ETWAS ZU SEIN.\" Die Kritik dieser politischen Schriften richtete sich vom Bürgertum vor allem an den König, aber auch an den ersten und zweiten Stand, und bezog sich größtenteils auf die unwürdige Behandlung, Besteuerung und Unterdrückung des Dritten Standes und das Fehlen politischer Mitspracherechte. Als König Ludwig XVI, der sich nicht nur in einer finanziellen Notlage befand, sondern auch vom Bürgertum und sich dem Dritten Stand zugehörig fühlenden Mitgliedern der ersten beiden Stände bedrängt wurde, am 05.
07.1788 einer Einberufung der Generalstände Frankreichs zustimmte und im Januar des darauffolgenden Jahres den Termin für den 05.05.1789 festlegte, begannen Klerus, Adel und Bürgertum mit der Wahl ihrer Abgeordneten. Die ersten beiden Stände durften jeweils 300 Personen stellen, die Anzahl der Vertreter des Dritten Standes, der immerhin 98 Prozent der Bevölkerung ausmachte, war zuvor, am 27.12.
1788, nach heftigen Protesten auf 600 erhöht worden. Ludwig XVI erhoffte sich von der Sitzung der Generalstände, welche am 05.05.1789 in Versailles eröffnet wurde und streng nach Ständen getrennt verlief, eine 2:1-Mehrheit für die Verwirklichung einer neuen Finanzpolitik und eine erneute Steuererhebung. Zuerst sollte jedoch in getrennten Sitzungen über die Art der Abstimmung beraten werden. Während Klerus und Adel mit jeweils 133 zu 114 bzw.
141 zu 47 Stimmen (bei 53 bzw. 112 Enthaltungen) für eine Abstimmung nach Ständen stimmten, da sie sich gemeinsame 2:1-Mehrheiten ausrechneten, erklärten sich die Vertreter des Dritten Standes, da diese die Stimmergebnisse von Klerus und Adel bereits vorhersahen, am 17.06.1789 auf den Antrag von Emmanuel Joseph Sieyès, des Verfassers der Schrift \"Qu'est-ce que le Tiers Etat\", hin mit 490 zu 90 Stimmen (bei 20 Enthaltungen) zur Assemblée nationale, also zur Nationalversammlung und damit zur legitimen Vertretung aller Franzosen, und legte somit den Grundstein für die Französische Revolution. Am 19.06.
1789 stimmte der Klerus in einer separaten Sitzung mit einer knappen Mehrheit von 149 zu 137 Stimmen (bei nur 14 Enthaltungen) für eine Vereinigung mit der Nationalversammlung, während der Adel heftigst protestierte und am darauffolgenden Tag, am 20.06.1789, als Zeichen ihres Missfallens die Tür des Versammlungssaals der Nationalversammlung versperrte. Diese wich kurzerhand auf das nahegelegene Jeu de Paume, einen Ballsaal (eine Art Sporthalle), aus und leitstete unter der Führung von Jean Sylvain Bailly, einem französischen Astronom und Politiker, den feierlichen Schwur, sich nicht zu trennen und überall dort zusammenzufinden, wo die Umstände es erforderten, bis eine Verfassung ausgearbeitet sei, die die Rechte des Königs, der Volksvertretung und des Volkes verbindlich festlegte. Durch die sogenannte Permanenzerklärung15) setzte sich die Nationalversammlung über die Anordnung Ludwigs XVI hinweg, die Versammlung so schnell wie möglich wieder aufzulösen und erklärte sich stattdessen am 09.07.
1789 zur verfassungsgebenden Gewalt, indem sie gleichzeitig vollständig die legislative Gewalt übernahm. Durch die Unruhen, die mittlerweile in ganz Paris, angeführt von aufständischen Bürgern und Bauern, herrschten, vergrößerte sich der Druck auf die Nationalversammlung, eine Verfassung zu verabschieden. Nachdem Ludwig XVI Ende Juli die Konsequenzen aus der politischen Entwicklung gezogen und der Adelsversammlung befohlen hatte, der Nationalversammlung beizutreten, wurden dem Adel in der Nacht vom 04. auf den 05.08.1789 die Feudalrechte aberkannt.
Daraufhin wurden am 05.08.1789 als Vorläufer der neuen Verfassung die sogenannten \"Augustbeschlüsse\" erlassen, welche die Sklaverei und Leibeigenschaft der Bauern ein für allemal beendeten und als Überwindung der Ständegesellschaft alle Einwohner Frankreichs rechtlich gleichsetzten. Bauern durften das bisher nur genutzte Ackerland von nun an als ihr Eigentum bezeichnen. Am 26.08.
1789 folgte die allgemeine Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte, die alle Menschen von Geburt an für frei und gleich an Rechten erklärte und ihnen die Teilnahme am politischen Leben bestätigte, und am 03.09.1791 die Bekanntmachung der neuen französischen Verfassung, welche auf dem Prinzip der Gewaltenteilung basierte und eine konstitutionelle Monarchie einrichtete. Die Ständegesellschaft war abgeschafft und die bisherige absolute Macht des Königs auf die exekutive, das heißt auf die ausführende Macht beschränkt worden: Dies war die Geburtsstunde einer modernen Staatsform, wie sie heutzutage in überarbeiteter Form fast überall zu finden ist und somit die letzte Einberufung der Generalstände in der Geschichte Frankreichs. 2.3 Vergleich: Bedeutung, Aufgaben und Ziele der Generalstände Wenn man nun die Umstände der jeweiligen Einberufung der Generalstände näher betrachtet fällt sofort auf, dass der Hauptgrund dieser Versammlungen in fast allen Fällen finanzielle Notlagen waren.
Im Beispiel der Generalstände von 1302 resultierte die Einberufung der Ständevertreter aus einem Konflikt mit der katholischen Kirche, da diese aufgrund hoher Staatsschulden besteuert werden sollte, 1514 sollten die Generalstände die Schulden des Herzogtums Württemberg übernehmen und 1789 erhoffte sich Ludwig XVI von der Einberufung die Zustimmung zu seinen königlichen Steuererhebungen. Im Jahre 1614 wurde die Ständeversammlung zwar hauptsächlich einberufen, um das neue politische Programm des Absolutismus zu verkünden, es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die damalige Regierung auch unter finanziellen Problemen litt. Auch die äußere Form der Generalstände wurde so gut wie immer beibehalten, auch wenn dies von der ersten Einberufung nicht näher bekannt ist: 300 Vertreter jedes Standes, die Abstimmung erfolgte nach Ständen, wobei dieses Modell 1789 scheiterte. Den einzigen grobe Unterschied zwischen den Generalständen der Jahrhunderte lässt sich an deren Ergebnissen erkennen: Während im Jahre 1302 lediglich der Zuspruch des Dritten Standes für ein Vorgehen gegen das Papsttum erzielt wurde, gewannen die württembergischen Ständevertreter ihrem König 1514 einen für die nachfolgenden Generationen vorbildlichen Herrschaftsvertrag ab und 1789 wurde sogar das ganze zuvor absolutistische Rechtssystem vollkommen reformiert. Was sich jedoch mit Bestimmtheit sagen lässt ist die Tatsache, dass die Einberufung der Generalstände, egal ob im Mittelalter oder in der Neuzeit, immer dann erfolgte, wenn ein Herrscher oder Monarch für die Politik und das gesellschaftliche Leben wichtige Entscheidungen zu treffen hatte oder durch seine Regierungsführung in eine scheinbar ausweglose Situation geraten war. 3.
Fazit Im Rückblick auf die vorliegende Facharbeit komme ich zu dem Ergebnis, dass die in der Einleitung aufgekommenen Fragen ausführlich und sachlich erklärt und beantwortet wurden. Aufgrund des begrenzten Umfangs der Arbeit musste ich die Darstellung der Generalstände jedoch auf einige der entscheidendsten und für die weitere Entwicklung der Politik wichtigsten Versammlungen beschränken. Ich denke, dass mir die Darstellung der Zusammenhänge zwischen den Ständeversammlungen der verschiedenen Epochen im Großen und Ganzen gut gelungen ist, obwohl es die Möglichkeit gäbe, das Thema weiter zu vertiefen. Auch wenn ich bei der Beschreibung der Situation im Frankreich des Jahres 1789 aufgrund der Komplexität gezwungen war, nur die für das Thema \"Generalstände 1789. Anknüpfung an vorabsolutistische Rechtsverhältnisse\" wichtigsten Daten und Ereignisse herauszustellen, ist es mir meiner Meinung nach gelungen, die Parallelen zu den Einberufungen der Generalstände in vorabsolutistischen Zeiten darzustellen. Ich denke, dass die chronologische Gliederung zur systematischen Einführung in das Thema Generalstände geeignet ist und sich auch die Bezüge zur heutigen Zeit, obwohl die Ständegesellschaft abgeschafft wurde, deutlich herausstellen, da die Generalstände ein Vorgänger der heutigen Parlamente waren.
Allgemein hat mir die Erarbeitung dieser Facharbeit die Möglichkeit gegeben, mich mit diesem speziellen Thema näher auseinander zu setzten und zu recherchieren, was teilweise sehr interessant und aufschlussreich war und mein Interesse an dem Ablauf und der Orientierung der Französischen Revolution geweckt hat.
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