Zwei deutsche Chemiker, OTTO HAHN und sein Schüler FRITZ STRAßMANN, setzten im Jahre 1938 Versuche fort, die schon der Italiener ENRICO FERMI und das Ehepaar JOLIOT mit Uran Atomen gemacht hatten: Sie beschossen Uran-Atome mit Neutronen und erwarteten sich dabei die Bildung von Uran-Isotopen.
FERMI, der ja diesen Versuch auch schon gemacht hatte, behauptete fälschlicherweise, daß bei diesem Experiment Trans-Uranen entstehen, die eine höhere Ordnungszahl als das Uran haben und somit nicht natürlich vorkommen. Der neunundfünfzigjährige HAHN und sein Schüler STRAßMANN wiesen aber nach der Neutronenbestrahlung von Uran das Metall Barium, das die Kernladungszahl 56 besitzt, nach.
Es war eine österreichische Physikerin und langjährige Mitarbeiterin HAHNS, die gemeinsm mit ihrem Neffen, OTTO FRISCH, die unerwarteten Versuchsergebnisse richtig deutete. Leider konnte die Jüdin LISE MEITNER an den Untersuchungen Hahns nicht teilnehmen, da sie trotz aller Bemühungen HAHNS und anderer bekannter Wissenschaftler aus Österreich, das ja im Jahre 1938 zu existieren aufgehört hatte, fliehen mußte.
LISE MEITNER erkannte richtig, daß die in den Urankern eindringenden Neutronen, diesen in zwei ungefähr gleich große Teile spalten.
0n + 92U 56Ba + 36Kr
Es war den zwei deutschen Physikern gelungen, dem Kern nicht nur Protonen und Neutronen zu entreißen, sie hatten den Atomkern wirkungsvoll zertrümmert. Doch wie funktioniert nun dieser Vorgang? Versuchen wir den Prozeß am Scheinbild vom GAMOWSCHEN Kerntröpfchen zu erklären: Ein Neutron dringt zunächst in die \"Kernflüssigkeit\" des Uran-238 Isotops ein, und es entsteht das Isotop Uran-239, das nun in einem angeregten Kernzustand ist.
Wenn diese Anregungsenergie groß genug ist, dann kann sich ein Kern in zwei Teile spalten: Zunächst beginnt das fast kugelförmige Tröpfchen zu schwingen. Das Tröpfchen, dessen Kugelgestalt sich mehr oder weniger verändert, wird schlußendlich zu einem abgeplatteten Ellipsoid. Es kommt zu einer Abschnürung, und der Kern spaltet sich. Dieses Tröpfchen - Modell schildert den Vorgang der Spaltung nur ganz grob, dennoch können wir uns nun ein anschaulicheres Bild der Kernspaltung machen.
Natürlich wiederholten die Physiker in der ganzen Welt die Versuche von HAHN und STRAßMANN, doch sie stießen auf Probleme, weil die Kernspaltung beim Uran 238 Isotop nur selten eintritt. Um ein Uran 238 Isotop zu spalten, müssen die Neutronen außergewöhnlich energierreich sein. Beschießt man ein Uran 238 Isotop mit normalen Neutronen, wird die Anregungsenergie ausgeglichen, indem ein anderes Neutron aus dem Kern geschleudert wird. Erfolgreicher verliefen die Versuche mit dem Uran 235 Isotop, das eine Lawine von Kernspaltungen auslösen kann. Bei diesem Vorgang werden gewaltige Mengen an Energie frei, und es eröffneten sich gigantische Perspektiven für die Energiewirtschaft, wenn die Reaktion unter Kontrolle und auf einen stationären Zustand gebracht werden kann. Es steht aber auch ein anderer Weg offen, der zur Atombombe. Der Prozeß der Kernreaktion wird voll wirksam, wenn dafür gesorgt ist, daß keine anderen Substanzen die freiwerdenden Neutronen verschlucken. Die Masse des 235-Uran-Isotops sollte so groß sein, daß die Neutronen nicht entweichen können, ohne auf einen Kern zu treffen. Diese Masse wird auch kritische Masse genannt, und beträgt bein Uran 235 rund 10 Kilogramm. Wenn die Zahl der zündenden Neutronen den Wert 1 übersteigt, dann kommt es zu einer gewaltigen Detonation und in einem Sekundenbruchteil wird eine ungeheure Energiemenge freigesetzt. Man spricht von einer \"explosiven Kettenreaktion\":
Hiroshima, 6. August 1945
Abb. 9: Kettereaktion: Ein Neutron spaltet einen Atomkern. Die dabei freiwerdenden Neutronen spalten wiederum andere Kerne usw.
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