3.1. Reiseberichte der frühen Neuzeit /
Mit dem Niedergang des Römischen Reiches schwand das Interesse des Abendlandes an Afrika, aber das Erzählte sickerte durch die Zeit und liess, zu Beginn der Aufklärung, für den Grossteil der europäischen Bevölkerung, die keine Bücher lasen und in weiter Entfernung zu den Hafenstädten lebten, den Begriff "Afrika" zum Synonym des Unbekannten schlechthin werden: hier bezeichnete das Wort eher ein entlegenes Fabelreich, das man sich mit grosser Phantasie mal bedrohlich, mal verführerisch vorstellte, denn eine Realität.
Mit den Entdeckungsfahrten der Portugiesen entlang der afrikanischen Westküste, die primär der Erschliessung des Handels mit Indien dienten, kamen auch Beschreibungen der Westküste und Südafrikas auf. Die Entdecker beschrieben vor allem die Fauna und Flora, insbesondere die essbaren Früchte, Kräuter und Tiere. Am Eigenleben ihrer afrikanischen Handelspartner und Sklaven waren sie lange Zeit nicht sonderlich interessiert. Sie wurden eher nebenbei in einem Exkurs erwähnt; so wie in diesem deutschen Reisebericht von 1509:
"Wir sahen in diesem Königreich und Inseln wunderbar onschamhafft menschen beyderlei geschlecht undereinander als die wilden Thyr: etlich allein die Scham bedecken / die andern nackend / all schwartz als die wir bei uns Moren nennen umblaufen. ... Ire wonungen und hüser geleichen sich den Hütten als die armen dorfleut in unseren landen über die backöffen machen: welche hüser die inwoner noch irem willen tragen wo hyn sie zü wonen lust haben".
Bei der Beschreibung der "Hottentotten", die als besonders hässliches und "barbarisches" Volk - überdies noch als "viehisch", "bestialisch", "säuisch", sowie ausgesprochen "faul und träg" beschrieben - in den Reiseberichten auftauchen, werden unter den Deutschen Besuchern Zweifel wach, ob deren Sprache überhaupt menschlich sei, da sie "weder geschrieben noch gelesen werden [kann], weil sie mit der Zunge so offt knallen" Eine Religion wird ihnen glatt abgesprochen denn:
"Sie haben kein Buch, wissen nichts von lesen und schreiben, nichts von Gott und seinem heiligen Wort: Hier ist keine Kirch, keine Tauff noch Nachtmahl, kein Priester noch Absolution, kein Gesetz noch Evangelium, sind also die elendesten Leute unter der Sonnen, sie können auch keine Sprache lernen, ausser diese, welche sie von ihren Müttern gehört, so ist auch niemand der sie verstehen kan".
An diesem Beispiel sieht man gut, wie sehr der Autor die andere Kultur an der Eigenen misst und aufgrund des Fehlens von - seiner Ansicht nach - wichtigen Einrichtungen und Gebräuchen die ihm fremde Kultur diskriminiert.
Verallgemeinernde, pejorative Begriffe zur Bezeichnung von fremden Menschen wurden mit Vorliebe dann verwendet, wenn die Kulturbegegnung von seiten des Europäers intellektuell nicht zu bewältigen war. Solche Stereotype fanden in zweifacher Art Verwendung: Zur Aushöhlung juristischer und kommerzieller Absprachen oder um im nachhinein das eigene unrechtmässige Verhalten vor sich selbst zu rechtfertigen.
Ein etwas späterer Reisender, der ehemalige "Geheimschreiber in Staats und Justizsachen" der Kompanie auf Ceylon, Johann Christoph Wolf, der von den "Hottentotten" wie von Haustieren spricht, weist auf die (spätere) "Verwendung" der Afrikaner als "Nutztiere" in den Kolonien hin:
"Was der Hottentotte durch seine unreine Lebensart hässlich macht, das macht er durch seine aufrichtige Treue und Liebe zu den Europäern, hundertfach wieder gut. Aus dieser Ursache wird er auch nicht unter Dienstbarkeit, vielweniger in Sklaverey, sondern frey gehalten".
3.2. Kategorisierung des Afrikaners zur Zeit der Aufklärung
In der Aufklärungszeit wurde in Gelehrtenkreisen viel über die Abstammung der verschiedenen Rassen und deren Abstufung diskutiert. Die Monogenisten, die eine Mehrheit bildeten, vertraten die Ansicht, die gesamte Menschheit stamme von einem einzigen Elternpaar ab. Die Polygenisten hingegen, die sich vorwiegend aus Kreisen rekrutierten, die an der Sklaverei in irgendeiner Weise interessiert waren und sich vornehmlich in England, Westindien und in den amerikanischen Südstaaten befanden, versuchten, das Gegenteil zu beweisen. Sie stützten sich auf ein Werk aus dem Jahre 1655, das behauptete, dass es vor Adam und Eva sogenannte Präadamiten, die zusammen mit den Tieren am fünften Schöpfungstag geschaffen worden waren, gegeben habe, von denen die "farbigen" Völker abstammen. David Hume brachte überdies Rasse und Kultur in einen Kausalzusammenhang, indem er sich in seinem Essay "Of National Character" äusserte:
"Nie hat es eine zivilisierte Nation oder ein durch Taten und Forschergeist ausgezeichnetes Individuum gegeben, deren Merkmal nicht die weisse Hautfarbe gewesen wäre... Hätte die Natur nicht eine ursprüngliche Unterscheidung der Menschenarten geschaffen, wäre eine so eindeutige und andauernde Verschiedenheit zwischen Weissen und Farbigen nicht erklärlich".
Obwohl die Antisklavereibewegung, durch viele Gelehrte unterstützt, Auftrieb erhielt und im selben Grad die Vertreter polygenetischer Deutungen zurückging, blieb der "Wilde" für viele tierähnlich, oder galt als Abkömmling des Affen. Selbst Monogenisten führten nachträglich eine Unterscheidung zwischen Körper und Geist ein, die es ihnen gestattete, den Eingeborenen physisch als Mensch, intellektuell aber als Tier einzustufen.
Carl von Linné klassifizierte in seinem "Systema Naturae" den homo sapiens in die Untergruppen des wilden Mannes (Ferus), des Indianers (Americanus), des Europäers (Europäus), des Mongolen (Asiaticus), und des Afrikaners (Afer). In die Untergruppe "Ferus" gehörten noch allerlei Monster, wie die Patagonier, die "Hottentotten", die kanadischen Indianer und die Chinesen.
Vorstellungen, wonach die schwarze Hautfarbe schlicht Zeichen einer diabolischen Abkunft sei und die Schwarzen dementsprechend handeln, waren in weniger gebildeten Kreisen häufig. Noch verbreiteter dürften Vorstellungen gewesen sein, wonach die schwarze Bevölkerung ihre Hautfarbe von den von Gott verfluchten Stammvätern Cham (oder Kain) erhalten hätte. Diese Abstammungstheorie diente v.a. den Buren als Rechtfertigung ihrer Vorherrschaft, was heute noch weiterwirkt.
Die anthropologische Forschung verliess sich nicht nur auf die Hautfarbe, sondern versuchten anhand von Kopfform, Gesichtswinkel, Nasenform, Proportionen der Gliedmassen, Körpergrösse, Grad der Körperbehaarung, usw. eine Einteilung der Afrikanischen Völker. Aufgrund solcher Messungen schlossen die Anthropologen immer wieder auf eine vermeintliche geistige Unterlegenheit der Afrikaner.
3.3. Der Einfluss des Sklavenhandels
Mit den vorwiegend portugiesischen Entdeckungsfahrten im 15. Jh. an der afrik.Westküste setzte auch der Sklavenhandel ein, der das Bild, das der Europäer vom Schwarzen hatte, stark prägte.
Im Jahre 1452 erteilte der Papst Nikolaus V. Portugal die Vollmacht über die "heidnische" Welt und legitimierte die Sklaverei mit den Worten:
"Wir erteilen Dir kraft unseres apostolischen Amtes die freie und unbeschränkte Vollmacht, die Sarazenen und Heiden und andere Ungläubige und Feinde Christi (...) in ewige Sklaverei zu versetzen."
So wurde, durch das riesige Ausmass des Sklavenhandels, der ganze Landstriche entvölkerte, der Schwarze fast Synonym zum Sklaven. Heute noch hört man in der Umgangssprache den Ausdruck "Ich bin nöd din Neger", der zu verstehen geben soll, man sei kein Sklave, der bediene.
Schon zu Beginn der Handelstätigkeiten an der afrikanischen Westküste war der Sklave als Handelsware begehrt, im Jahre 1500 ist ein "Umsatz" von etwa tausend Sklaven verbürgt. Eine weitgehende Übereinstimmung der feudalwirtschaftlichen Verhältnisse und die gemeinsame Tradition des Sklavenhandels - beide kannten das Haussklaventum - begünstigten die Entwicklung der ersten europäisch-afrikanischen Kulturkontakte.
Anfangs des 18. Jahrhunderts benötigten die amerikanischen Kolonien auf den grossen Plantagen viele Arbeitskräfte, die mit Importen von Sklaven aus Afrika gedeckt wurden.
Als die wirtschaftliche Notwendigkeit für den Sklavenhandel zurückging, konnten sich auch moralische und ethische Argumentationen durchsetzen, die sich gegen den Sklavenhandel wandten und schliesslich zu dessen Verbot führten.
Für die Zeit vor dem 17. Jh. schreibt Amin:
"In dieser Epoche erscheint Schwarzafrika nicht als zurückgeblieben, nicht als schwächer als der Rest der Alten Welt. Ungleichen Entwicklungsniveaus innerhalb Afrikas entsprechen ungleiche Entwicklungsniveaus im Norden der Sahara, südlich und nördlich des Mittelmeers."
Selbst später noch hat es ein "Gleichgewicht der Kräfte" gegeben, welches erst mit der intensiven Kolonialisierung gestört wurde.
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