Ludwig XVI. beruft erneut Necker zum Regierungschef, der aus seinem Privatvermögen dem Staat einen Vorschuß gibt. Im ganzen Land werden Forderungskataloge aufgestellt. Eine Revolution bahnte sich an, daran zweifelte niemand mehr. Die Forderungskataloge, so verschieden und vielseitig sie waren, brachten allesamt die Forderung nach Freiheit zum Ausdruck. Die Forderungen der Bourgeoisie gipfelten alle in einer neuen Verfassung um ihre Rechte dauerhaft zu sichern. Die cahiers de doleance der Landbevölkerung spiegelten den unversöhnlichen Haß der Bauern auf den Adel und zeigten der Bourgeoisie, daß sie hier einen starken Verbündeten hatte. Die cahiers de doleance zeigen aber auch, daß die alte Ständeeinteilung nicht mit der Wirklichkeit übereinstimmte: einfache Landpfarrer waren keineswegs gegen die Beschlagnahme der großen Kirchengüter und die Einstellung des Adels hing von seinem Reichtum ab, ob er seine Einkünfte aus der Ausbeutung großer Ländereien zog oder verarmt war, und mancher reicher Bürger, der vom Sklavenhandel oder dem Handel mit den Kolonien lebte, wäre durch das Ende der Sklaverei ruiniert worden. Diese unterschiedlichen Interessen sind die Ursache für die zahlreichen Strömungen, die das Bild der kommenden Revolution prägen.
Man diskutierte den ganzen Winter über. Es war der kälteste seit 1709, die Seine war von Paris bis Le Havre gefroren. Als im Februar die Einberufung der Generalstände verschickt wurde, zogen wieder Gruppen von Bettlern über das Land. Im Frühjahr wurden in den Städten die Lebensmittel rationiert und es bildeten sich wieder Schlangen vor den Bäckerläden, in denen es nur sehr teures und schlechtes Brot gab. Überall wurden Getreidelieferungen geplündert, Steuern wurden fast gar nicht mehr bezahlt, die Not war zu groß. Die Wahlen begannen in einer Stimmung des Aufruhrs. Überall wurden Arbeiter entlassen, die Frauen zuerst. In den ersten sechs Monaten des Jahres 1789 hat man über 300 Aufstände gezählt, unter der Losung \"Brot und Freiheit\".
Im April wird in Paris der Garten neben dem Palais Royal für die Öffentlichkeit geöffnet und ist sofort Treffpunkt aller Revolutionäre, die hier die Tagesereignisse kommentieren: Aufruhr am Pont-au-Change, Aufruhr am Pont Marie, Streik bei Reveillon. Der Mann, der jetzt die Sympathien der Pariser hat, ist Phillip Orleans, der bei der ersten Versammlung der Adligen für die Bürger Partei ergriffen hat. Phillip ist ein geschworener Feind der Königin Marie-Antoinette und läßt keine Gelegenheit aus, um gegen den Hof zu intrigieren. Sein Geld hat zahllose Hände geschmiert, auch während der Revolution. Drei Jahre später wird er für den Tod seines Bruders stimmen und sich Phillip-Egalite (Gleichheits-Phillip) nennen lassen. Nützt ihm aber nichts. Dennoch, im folgenden Jahrhundert wird sein Sohn den Thron besteigen.
Am 5. Mai 1789 versammeln sich die Abgeordneten in Versailles. Schon bei der Kontrolle der Mandate stellt sich die wesentliche Frage: wird pro Kopf oder pro Gruppe abgestimmt ? Der Adel brachte seinen Haß offen zum Ausdruck und lehnte jede Form der Zusammenarbeit ab, der dritte Stand war isoliert. Nach einem Monat ergebnisloser Verhandlungen konstituiert er sich am 17. Juni zur Nationalversammlung und erhebt den Anspruch, Steuern zu erlassen. Die Vertreter der Landpfarrer und des verarmten Adels folgten Phillip Orleans und gingen zum dritten Stand über. Als sie drei Tage später ihren Versammlungsort, ein ehemaliges Ballhaus, verschlossen fanden, schworen die 600 Abgeordneten nicht mehr auseinanderzugehen bis eine neue Verfassung beschlossen ist.
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