Um die Mitte des 11. Jahrhundert begann in weiten Teilen Europas eine Blütezeit der Landwirtschaft. Der eiserne Pflug mit Rädern und Streichbrett (am Pflug befestigtes Brett, das die von der Pflugschar abgehobene Scholle wendet) setzte sich durch. Er ermöglichte auch die Bearbeitung schwerer Böden. Die Verwendung von Pferd und Kummet erhöhte die Zugleistung der Gespanne, die Dreifelderwirtschaft brachte regelmäßigere und größere Erträge. Die Bevölkerungszahl stieg an.
Es wurden Wälder gerodet, Sümpfe und Marschen (vor Küsten angeschwemmter fruchtbarer Boden) urbar gemacht und neue Dörfer angelegt. Die Grundherrn, die ein Interesse an dieser inneren Kolonisation hatten, gewährten den Bauern ein \"besseres Recht\" (\"Roden macht frei\").
Allmählich wurde es für die Herrn wirtschaftlicher, die Fronhöfe als Meierhöfe zu verpachten, das Salland in Hufen aufzuteilen und an Bauern auszugeben. Die früheren Leistungen in Form von Naturalabgaben und Diensten konnten nun immer öfter durch Geldzahlungen abgelöst werden. Den Bauern war es nunmehr möglich, freier und selbstständiger zu wirtschaften.
Nicht nur die innere Kolonisation bot neue Möglichkeiten. Im Hochmittelalter wanderten auch zehntausende Bauern nach Osten, in die deutschen Ostgebiete und nach Böhmen, Schlesien und Ungarn. Dort waren sie als \"Gäste\" hochwillkommen, weil sie zur Urbarmachung ganzer Landstriche und zur Verbreitung neuer landwirtschaftlicher Techniken beitrugen. Sie bekamen dafür \"Freiheiten\", wie etwa geringere Abgaben und Steuern oder die freie Wahl ihrer Bürgermeister (Schulzen = Gemeindevorsteher, Dorfrichter) zugesichert.
Auf dem Boden ehemaliger Gutswirtschaften und auf Rode- und Kolonisationsland entstand die neue, zukunftsweisende Form des Zusammenlebens: Die bäuerliche Dorfgemeinschaft. Durch die Dreifelderwirtschaft kam es zum genossenschaftlichen Zusammenschluss der Bauer. Der Flurzwang, also die einheitliche Bestellung eines der drei \"Felder\" mit Sommer- oder Winterfrucht, erforderte eine Zusammenarbeit, ebenso die Nutzung des Brachfeldes als Weide. Gemeinsam musste man Zäune errichten, um die Felder vor dem Weidevieh zu schützen. Auch die Allmende (Wald und Weide) war im Gemeinschaftsbesitz und konnte nur gemeinsam genutzt werden. Die Dorfgemeinschaften waren auch für die Ablieferung der Abgaben und für die niedere Gerichtsbarkeit zuständig.
Modell eines mittelalterlichen Dorfes mit Dreifelderwirtschaft. Hinter den Gehöften der Bauern lagen Obstgärten und Gemüsegärten. Das Ackerland war in 3 Teile geteilt, die im jährlichen Wechsel mit Winter- und Sommergetreide bebaut wurden. Das Brachfeld diente als Viehweide. Die Allmende (Wald, Weide, Almen) wurde gemeinsam genutzt und erforderte die Zusammenarbeit der Dorfgemeinschaft.
Zum bäuerlichen Haus gehörten neben Frau und Kindern auch das Gesinde. Für sie alle war der \"Hausherr\" voll verantwortlich: Er hatte sie zu schützen, musste aber auch für sie haften. Das Gesinde wurde wie Kinder behandelt, der Hausherr hatte das Züchtigungsrecht. Nur der Inhaber einer Hofstelle war in der Gemeinde mitspracheberechtigt.
Die sozialen Unterschiede innerhalb einer Dorfgemeinde waren meist nicht allzu groß, da auch die Hofstellen (Lehen) in ihrer Größe sich nicht unterschieden. Später wurden die Lehen aber oft geteilt und zu den Bauern kamen im Spätmittelalter Kleinhäusler, die keine Hofstelle und nur geringen Ackerbesitz hatten. Sie mussten nebenbei auch noch als Handwerker oder Taglöhner arbeiten.
Aus den angesehenen und wohlhabenden Bauern wurden \"Richter\" (Bürgermeister) und Geschworene gewählt oder vom Grundherrn eingesetzt. Sie hatten für Ordnung im Dorf, für die Ablieferung der Abgaben und die Leistung der Fronarbeit zu sorgen. Der Grundherr hatte über die Hofstelle und den Grundbesitz ein Obereigentum, er konnte den Bauern \"abstiften\" und den Hof an einen anderen vergeben.
Das Zusammenleben in der Dorfgemeinschaft wurde durch Weistümer geregelt. Dies waren von der Grundherrschaft erlassene, im Spätmittelalter und in der frühen Neuzeit auch aufgezeichnete und zumeist einmal jährlich öffentlich verlesene Vorschriften, Verbote und Gebote.
Aus einem Weistum:
\"Wenn es sich begäbe bei Tag oder bei Nacht, dass man ruft: Es brennt, so soll jedermann zulaufen, Weib und Mann, alle, die retten können, und sollen mit sich bringen alles, das sie bedürfen zu Rettung...Wird aber etwas zerbrochen, so sei dem der Schaden, wo die Brunst ist. Bleibt es aber ganz, so soll es niemand zurückhalten...\"
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