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geschichte artikel (Interpretation und charakterisierung)

Akzeptanz



In der Spiegelaffäre hatte sich noch 1962 eine liberale Öffentlichkeit gegen
Übergriffe des Staates formiert. Eine empörte öffentliche Meinung zwang den verantwortlichen Verteidigungsminister Franz-Josef Strauß schließlich zum Rücktritt und machte somit die Grenzen staatlicher Machtausübung deutlich. Auch in der Gründerphase der RAF stimmte ein beachtlicher Teil der Deutschen den Aktionen der Terroristen zu. Doch ist es eines, ein Grundrecht gegen den Machtanspruch des Staates zu verteidigen, ein anderes aber mutwillige Anschläge auf Kaufhäuser zu billigen. Bei den Sympathisanten der RAF handelt es sich nicht mehr um liberal gesonnene Bürger, denn die RAF konnte sich auf kein verfassungsgemäßes Grundrecht berufen. Dazu hätte sie ja gerade ein Bekenntnis auf die Demokratie und ihre Grundrechte ablegen müssen, das aber konträr zu ihren politischen Zielen stand. Erste Aufschlüsse über die neuen Motive der Sympathisanten liefert eine am 16. Mai 1971 veröffentlichte Repräsentativumfrage des Allensbacher Meinungsforschungsinstituts zum Thema ,,Baader-Meinhof: Verbrecher oder Helden?\"
Bei 1000 Befragten
- fanden 18%, die RAF handele ,,auch heute noch aus politischer Überzeugung\"
- äußerten 31% keine Meinung

- kannten 82% die RAF
- Jeder vierte Bürger unter 30 gestand ,,gewisse Sympathien\" für die RAF ein.
- Jeder zehnte Norddeutsche erklärte sich bereit, gesuchte Untergrundkämpfer für eine Nacht zu beherbergen. Im Bundesdurchschnitt war es jeder zwanzigste.
Obwohl es der RAF zu keinem Zeitpunkt ihrer Entwicklung gelang eine breitere Schar von Anhängern in der Bevölkerung zu sammeln, so war doch die Sympathie zu ihr am Anfang besonders unter den Jugendlichen und jungen Erwachsenen recht groß und kulminierte zu Beginn ihrer Haftzeit. Verantwortlich hierfür waren die bekannten Philosophen Adorno und Marcuse, auf deren Gedanken sich die Extremsten beriefen sowie die Komitees gegen die Isolationsfolter und deren Öffentlickeitsarbeit mittels Flugblättern und Demonstrationen. Gründer dieser Komitees waren die Köpfe
der RAF selbst. Durch ihre Verteidiger und den noch nicht inhaftierten Mitgliedern der Gruppe sollte eine Organisation entstehen, die der Öffentlichkeit die " grausamen " Haftbedingungen der Häftlinge deutlich machen sollte. Tatsächlich erlebten diese Komitees einen Mitgliederboom und die Öffentlichkeit schenkte den Thesen von der Folter der politischen Gefangenen auf breiter Basis Glauben. 1975 entstand in Paris sogar das Internationale Komitee zur Verteidigung politischer Gefangener in Europa. Ein weiterer positiver Faktor der Komitees war, daß sich aus ihnen neue Mitglieder der RAF
Rekrutierten, die in der zweiten und dritten Generation den Terror der RAF fortführen sollten. Mit der zunehmenden Gewaltbereitschaft der Gruppe vor allem seit der Aufnahme von gezielten Mordanschlägen nahm ihre Beliebtheit jedoch rapide ab.
Die gewonnene Sympathie für die Gruppe in der Öffentlichkeit verlor sich allmählich und schwand mit dem Deutschen Herbst auf Null. Trotzdem blieb eine der hauptsächlichen Ideologien für die zweite und dritte Generation der terroristischen Vereinigung die gewaltsame Freipressung der vom faschistischen Staat gefolterten Inhaftierten beziehungsweise die Verbesserung der Haftbedingungen, während die ideologischen Aspekte zunehmend in den Hintergrund traten.
Aber nicht nur der " deutsche Herbst " tat dem Erscheinungsbild der RAF in der Öffentlichkeit Abbruch. Selbst als die Gruppe die höchsten Sympathiewellen entgegenschlugen waren unter ihren Befürwortern hauptsächlich junge Erwachsene, die der Protest gegen die älteren Generationen einte. Ihr Unverständnis über die duldende Haltung ihrer Eltern gegenüber dem Nationalsozialismus drückte sich auch in der Namengebung der Gruppe aus.
RAF ist auch die Abkürzung für Royal Airforce (britische königliche Luftwaffe), die im 2.Weltkrieg zahlreiche Bomben über Deutschland abwarf.
Auch die Bezeichnung ,,Rote Armee\" weckte bei den älteren Generationen nicht gerade freundliche Assoziationen. Mit dieser Werbung ließ sich unter der älteren Bevölkerung keine Mehrheit gewinnen, was auch wie die Namengebung nahelegt nicht im Interesse der Terroristen gelegen sein kann. Auch sie drückt eher das Protestverhalten der 68er aus, dem die Älteren mit Befremdung und Unverständnis gegenüberstanden. Die RAF beging noch bis weit in die Neunziger Anschläge, obwohl sie auf keine nennenswerte Zahl von Befürwortern mehr verweisen konnte. Da sie sich selbst als Avantgarde begriff, war sie auch nicht auf eine mehrheitliche Unterstützung angewiesen und leitete ihre Aktionen aus ihrer Ideologie, nicht aber von einem volonte generale ab. Damit war das Thema der Gruppe sie selbst und mit wachsender Ablehnung verstärkte die öffentliche Ausgrenzung diese Tendenz. Trotzdem brachte diese Selbsterfahrung kaum greifbare politische wie gesellschaftliche Vorstellungen eines "anderen" Deutschland hervor.

 
 

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