Auszug aus dem Buch "Als mein Kind geboren wurde, war ich sehr traurig" von Peter Jaeggi (Lenos-Verlag). Das Buch dokumentiert die aktuelle Lage in Bezug auf die Gifte im Vietnamkrieg. Zu Wort kommen Wissenschaftler/innen aus Vietnam. Es zeigt die Geschichte von Agent Orange und wie sich die Verantwortlichen bis heute aus der Affäre ziehen.
Die Wissenschaftlerin Phan Thi Phi Phi ist stellvertretende Leiterin der Immunologischen Abteilung an der \"Hanoi Medical School\". Wir sitzen an einem kleinen, wackeligen Tischchen im Labor ihres Institutes. Der Deckenventilator übertönt ihre leise Stimme beinahe. Während des Krieges leitete die Ärztin als Angehörige der Volksarmee ein Lazarett. Sie berichtet davon, wie sie und ihre Patienten oft Hunger gelitten haben, dass man nach allem nur Erdenklichen Ausschau gehalten habe, sogar Baumwurzeln kamen auf den Teller. Agent Orange hin oder her, man musste essen. \"Sofort nachdem sie jeweils unsere Felder besprüht hatten, ernteten wir den Maniok. Das Herbizid hätte ihn sonst sehr schnell zerstört.\"
In der ersten Zeit, als die Sprayflugzeuge auftauchten, habe man das Gesicht mit einem nassen Tuch geschützt; später jedoch nicht mehr. \"Es stank und trieb uns die Tränen in die Augen. Als Ärztin wusste ich, dass diese Chemikalien giftig sind. Aber wie giftig, wussten wir nicht.\" Die Folgen waren schrecklich. \"Viele meiner Freunde wurden steril oder sie starben an Leberkrebs. Viele meiner Studenten bekamen missgebildete Kinder. Erst vorige Woche starb einer meiner Ärztekollegen von damals an Pankreas-Krebs. ¬ Was mich betrifft, so ist es wohl nichts Aussergewöhnliches. Nach jeweils anderthalb oder zweieinhalb Monaten Schwangerschaft verlor ich mein Kind ¬ vier Mal habe ich meinen Fötus verloren.\"
Phan Thi Phi Phi hat in ihren Studien aufgezeigt, dass das Immunsystem vietnamesischer Kriegsveteranen, die sich damals in besprühten Regionen aufhielten, stark geschwächt ist. Die Folgen können eine grössere Anfälligkeit für Infektionen sein und eine höhere Krebsrate, wie etwa Leberkrebs, Lungenkrebs und Krebs im Nasenrachenraum, sagt sie. \"Wir fanden heraus, dass die Kriegsveteranen, die Herbiziden ausgesetzt waren, anderthalb Mal öfter an Leberkrebs leiden als jene Veteranen, die nie mit Herbiziden in Berührung kamen. Zwar fehlt uns das Geld für exaktere wissenschaftliche Untersuchungen. Aber ich sehe es doch mit meinen eigenen Augen: Menschen, die in belasteten Gebieten lebten, haben mehr Krebs, ihre Kinder haben mehr Geburtsschäden, die Frauen haben mehr Gebärmutterkrebs.\"
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