Weltkrieg, Erster, militärischer Konflikt von 1914 bis 1918, der sich aufgrund einer Mischung aus gegenseitigen Bündnisverpflichtungen, übersteigertem Nationalismus, machtpolitischen und strategischen Erwägungen, wirtschaftlicher Rivalität und militärischem Wettrüsten der fünf europäischen Großmächte (Großbritannien, Frankreich, Deutsches Reich, Österreich-Ungarn und Rußland) von einer ursprünglich lokal begrenzten Konfrontation zwischen dem Vielvölkerstaat Österreich-Ungarn und dem Königreich Serbien zunächst zu einem europäisch und schließlich zu einem global geführten Krieg mit 32 beteiligten Nationen ausweitete.
Der 1. Weltkrieg stellt in vielerlei Hinsicht einen historischen Einschnitt von epochaler Bedeutung dar: Das bis dahin unvorstellbare Ausmaß an Zerstörung und Leid durch moderne Waffentechniken (massiertes Artilleriefeuer, Giftgasangriffe, Maschinengewehre, Aufklärungs- und Kampfflugzeuge), neue Methoden strategischer Kriegsführung, die erstmals auch die Zivilbevölkerung zu unmittelbaren Kriegsopfern werden ließ (Aushungerung durch Blockade der Lebensmittel- und Rohstoffzufuhr, uneingeschränkter U-Boot-Krieg), sowie eine ganz auf militärische Ziele und Erfordernisse ausgerichtete Umstrukturierung von Staat, Wirtschaft und Gesellschaft in den meisten der kriegführenden Länder machten den 1. Weltkrieg zum ersten totalen Krieg in der Geschichte der Menschheit, den der Diplomat und Politikwissenschaftler George Frost Kennan als "die große Urkatastrophe unseres Jahrhunderts\" bezeichnet hat.
Die Beteiligung außereuropäischer Mächte, insbesondere das Eingreifen der USA in den Krieg, bedeutete die endgültige Verdrängung des europazentrischen Staatensystems durch ein Weltstaatensystem.
Das territoriale Gesicht Europas veränderte sich grundlegend, alte Reiche brachen auseinander, zahlreiche neue Staaten entstanden.
Die politischen und sozialen Ordnungen der Kaiserreiche Rußland und Deutschland sowie der K. u. K. Monarchie lösten sich auf und wurden durch Revolutionen in neue Staatsformen umgewandelt: das Zarenreich in eine sozialistische Räterepublik, das deutschsprachige Rest-Österreich und das Deutsche Reich in parlamentarische Demokratien.
Etwa zehn Millionen Kriegstote, mehr als 20 Millionen Verwundete und ungefähr acht Millionen Kriegsgefangene und Vermißte, ein von hoher Staatsverschuldung und kriegsbedingter Inflation zerrüttetes europäisches Finanzsystem, die harten Friedensbedingungen für die Mittelmächte im Versailler Vertrag und den Pariser Vorortverträgen führten über Jahre hinweg zu teilweise bürgerkriegsartigen Richtungskämpfen um die künftige innenpolitische Ordnung zwischen demokratischen, kommunistischen und extrem konservativen Kräften. Diese wirtschaftliche Instabilität und politische Radikalisierung belastete auch die Weimarer Republik von Anfang an stark.
Ursachen und Ausbruch des Krieges
Der äußere Anlaß: Die Julikrise 1914
Unmittelbarer Auslöser des 1. Weltkrieges war die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Gemahlin am 28. Juni 1914 in Sarajewo durch den Studenten Gavrilo Princip. Die politischen Motive des Attentats hingen mit dem ungelösten Nationalitätenproblem des österreich-ungarischen Vielvölkerstaates zusammen: Dort lebte neben den privilegierten und staatstragenden österreichischen und ungarischen Bevölkerungsschichten eine Vielzahl von Slawen, die ihre nationale Befreiung und Autonomie anstrebten. Vor allem die im Süden der Monarchie lebenden Serben, Kroaten und Slowenen forderten seit Anfang des Jahrhunderts, frei und unabhängig über ihre Existenz entscheiden zu können. Durch die zunehmend slawenfeindliche Politik vor allem Ungarns, das um seine Vorrangstellung in der Doppelmonarchie fürchtete, wurden die Slawen in ihren separatistischen Bestrebungen zusätzlich bestärkt, zumal sie sich der Unterstützung des Königreiches Serbien gewiß sein konnten. Dieses nämlich stand an der Spitze einer großserbischen Bewegung, die sich die Vereinigung aller Südslawen zu einem serbischen Großreich zum Ziel gesetzt hatte und sich dabei auf die Rückendeckung Rußlands verlassen konnte, welches seinerseits als Schutzmacht des Panslawismus seine Einflußsphären auf dem Balkan vergrößern wollte, nicht zuletzt um endlich einen ungehinderten Zugang zum Mittelmeer zu erhalten. Diese zentrifugalen Kräfte stellten eine existentielle Bedrohung für die Habsburgermonarchie dar. Um ihr entgegenzuwirken, entwickelte Erzherzog Franz Ferdinand einen Plan, der den bisherigen Dualismus Österreich-Ungarn im Habsburgerreich zu einem Trialismus Österreich-Ungarn-Südslawien erweitern sollte und den einzelnen slawischen Bevölkerungsgruppen Gleichberechtigung und weitgehende innere Autonomie einräumte. Nur so, glaubte er, konnten sie überhaupt noch im Reichsverband gehalten und der Fortbestand des Vielvölkerstaats gesichert werden. Eine Umsetzung dieser Idee des Ausgleichs aber hätte die Ziele des Panslawismus gefährdet und die Hoffnungen auf ein großserbisches Reich zerstört. Um dem "Trias-Plan\" seine Integrationsfigur zu entziehen, beschloß die von Serbien aus operierende, radikal-nationalistische Geheimorganisation Schwarze Hand, den Thronfolger zu ermorden.
Die europäische Öffentlichkeit war von diesem Verbrechen schockiert. Praktisch alle Kabinette waren der Auffassung, daß Serbien der K. u. K. Monarchie Genugtuung schuldig sei, denn eine zumindest indirekte Verantwortung der serbischen Regierung für das Attentat schien durch deren Duldung eines ganzen Netzes großserbischer Geheimorganisationen außer Frage zu stehen.
Dieses für sie so günstige Klima wollte die Donaumonarchie nutzen, um mit einer harten militärischen Strafaktion Serbien (der russische "Brückenkopf\" auf dem Balkan) "als politischen Machtfaktor auszuschalten\", wie Kaiser Franz Joseph in einem Brief an Wilhelm II. vom 5. Juli 1914 schrieb. Ein möglichst lokal begrenzter Konflikt in Südosteuropa, in dem Serbien zu einem abhängigen Staat herabgedrückt und so das Nationalitätenproblem ein für alle Mal gelöst werden sollte, war das machtpolitische Ziel der österreichischen Regierung, die damit auch das Risiko eines europäischen Krieges einkalkulierte. Denn Serbien konnte sich der Unterstützung Rußlands sicher sein, und hinter Rußland standen seit Gründung der Tripelentente (1907) Großbritannien und Frankreich.
Das Deutsche Reich stand bedingungslos hinter einer österreichischen Militäraktion gegen Serbien und ließ Franz Joseph über den deutschen Botschafter in Wien zusichern, daß der deutsche Kaiser "im Einklang mit seinen Bündnisverpflichtungen und seiner alten Freundschaft treu an der Seite Österreich-Ungarns stehen\" werde. Bei der Erteilung dieser vorbehaltlosen Rückendeckung spielte auch eine Rolle, daß das sich von den übrigen europäischen Mächten "eingekreist\" fühlende Deutsche Reich nicht auch noch seinen letzten Bundesgenossen verlieren wollte. Mit dieser "Blankovollmacht\" im Rücken richtete die österreichische Regierung schließlich am 23. Juli 1914 ein äußerst hartes, auf 48 Stunden befristetes Ultimatum an Serbien, in dem sie u. a. die Unterdrückung jeglicher Aktionen und Propaganda gegen die territoriale Integrität der österreich-ungarischen Monarchie verlangte und eine gerichtliche Untersuchung des Attentats unter Mitwirkung österreich-ungarischer Beamter forderte.
Serbien akzeptierte das Ultimatum in fast allen Punkten und wies nur die Mitwirkung österreichischer Beamter bei den innerstaatlichen Untersuchungen zurück, da dies einen Eingriff in seine staatliche Souveränität bedeutet hätte. Die überraschend entgegenkommende serbische Antwortnote hatte einen Stimmungswandel in den Hauptstädten Europas zur Folge. Sogar Wilhelm II. betonte, daß damit "jeder Grund zum Krieg\" entfalle. Noch einmal kam es zu diplomatischen Vermittlungsversuchen; ein Frieden schien nach wie vor möglich. Doch Österreich-Ungarn sah sein Vorhaben der inneren Stabilisierung durch Niederwerfung Serbiens aufgrund der internationalen Verständigungsinitiativen gefährdet und erklärte Serbien am 28. Juli 1914 den Krieg.
Damit wurde ein Räderwerk wechselseitiger Bündnisverpflichtungen und Mobilmachungen in Gang gesetzt: Am 30. Juli 1914 ordnete Zar Nikolaus II. die Gesamtmobilmachung in Rußland an, worauf das Deutsche Reich einen Tag später mit einem auf zwölf Stunden befristeten Ultimatum reagierte, in welchem es die unverzügliche Einstellung der Mobilmachung gegen Deutschland und Österreich-Ungarn forderte. Da das Ultimatum unbeantwortet blieb, erklärte das Deutsche Reich am 1. August 1914 Rußland den Krieg.
Nun kam es durch den Primat strategisch-militärischer Belange über jegliche politische Vernunft zur Eskalation: Da der deutsche Generalstab keinen Aufmarsch- und Kriegsplan für einen Einfrontenkampf gegen Rußland ausgearbeitet hatte, war Deutschland gezwungen, im Konfliktfall nach dem einzigen existierenden Feldzugsplan (Schlieffenplan) vorzugehen. Dieser noch vom einstigen Generalstabschef Alfred Graf von Schlieffen entworfene Plan, seit 1905 nur mehr geringfügig überarbeitet, war lediglich für einen drohenden Zweifrontenkrieg gegen Frankreich und Rußland konzipiert und sollte den Krieg in zwei Phasen zerlegen.
Zunächst wollte der Generalstab Frankreich im Zuge einer "Niederwerfungsstrategie\" innerhalb von etwa sechs Wochen besiegen, um anschließend - noch vor der endgültig abgeschlossenen Mobilmachung Rußlands - alle Truppen an die Ostfront zu werfen und den Krieg mit einem Sieg über Rußland zu beenden. Dieser Plan sollte sich verhängnisvoll für das Deutsche Reich auswirken. Dennoch erklärte Deutschland am 3. August Frankreich den Krieg. Um einen schnellen Sieg über Frankreich zu ermöglichen, sah der Schlieffenplan vor, die praktisch unüberwindbaren Befestigungen an der französischen Ostgrenze (Maginot-Linie) mit einem Einmarsch in das neutrale Belgien zu umgehen, dem französischen Heer von Nordwesten her in den Rücken zu fallen und es in einer Schwenkbewegung gegen die Moselfestungen, das Jura-Gebirge und die Schweizer Grenze zu drücken, um es dort in einer Umfassungsschlacht zu vernichten.
Der völkerrechtswidrige Einmarsch in Belgien mußte unweigerlich Großbritannien in den Krieg ziehen, das nicht nur das europäische Gleichgewicht und damit seine eigenen Sicherheitsinteressen bedroht sah, sondern auch als Garantiemacht der belgischen Neutralität seit dem Londoner Protokoll von 1831 zum Eingreifen verpflichtet war. Am 4. August erging ein britisches Ultimatum an das Deutsche Reich, in dem der sofortige Rückzug aus Belgien verlangt wurde; um Mitternacht folgte die britische Kriegserklärung an das Deutsche Reich.
Damit war aus der Julikrise auf dem Balkan ein europäischer Großkonflikt und schließlich ein Weltkrieg geworden, in dessen Verlauf den vier Mittelmächten (Deutsches Reich, Österreich-Ungarn, Türkei und Bulgarien) 28 alliierte bzw. assoziierte Mächte (darunter Großbritannien, Frankreich, Rußland, Italien, Japan und die USA) auf beinahe allen Kontinenten und großen Meeren gegenüberstanden.
Die inneren Ursachen: Imperialismus, Nationalismus, Militarismus
Die Julikrise war jedoch nur der letzte Funke gewesen, der den seit längerer Zeit schwelenden Konflikt in Europa zur Explosion gebracht hatte. Die eigentlichen Ursachen des Krieges liegen tiefer und reichen zurück ins ausgehende 19. Jahrhundert mit seinen imperialistischen Spannungen zwischen den europäischen Mächten, mit den sich damals allmählich formierenden starren Bündnissystemen, mit dem forcierten Wettrüsten (insbesondere zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich), mit der Dominanz von Chauvinismus und Militarismus und mit dem schonungslosen Konkurrenzkampf der Industrienationen um Marktanteile und Einflußsphären auf der ganzen Welt. So gab es im Vorfeld des 1. Weltkrieges immer wieder Krisen und Interessengegensätze zwischen den Großmächten, die nicht selten an den Rand eines Krieges führten und eine spannungsgeladene Atmosphäre über Europa schufen.
Das Deutsche Reich, die "verspätete Nation\", wurde erst 1871 als letzter der europäischen Nationalstaaten gegründet. Es entwickelte sich schnell zum zweitgrößten Industriestaat der Erde. Aufgrund des Vorsprungs der übrigen Mächte in der Kolonialpolitik strebte es ab etwa 1890 ebenfalls intensiv nach einem "Platz an der Sonne\" (also nach Kolonien in Übersee) und dem Status einer Weltmacht. Das oft kriegerische und anmaßende Auftreten Kaiser Wilhelms II. verstimmte vor allem Frankreich und Rußland so nachhaltig, daß diese bereits 1894 ein Defensivbündnis gegen Deutschland schlossen. Damit war jene Zangenkonstellation eingetreten, die Bismarck - dem die Gefahr der ungünstigen geographischen Mittellage Deutschlands stets bewußt war - immer hatte verhindern wollen. Als sich das Deutsche Reich mit seinem Ausbau der Kriegsflotte zusätzlich noch die Feindschaft der traditionellen Seemacht England zuzog, war es endgültig isoliert. Deutschland fühlte sich "eingekreist\", dabei hatte es sich durch aggressive und ungeschickte Machtpolitik selbst "ausgekreist\".
In Frankreich beherrschte seit der Niederlage im Deutsch-Französischen Krieg von 1870/71 ein nie überwundenes Revanchedenken die Politik, die sich weigerte, den Status quo in Europa hinzunehmen (besonders in der Elsaß-Lothringen-Frage), und stets auf eine Schwächung des deutschen Rivalen hinzielte.
Im Verhältnis zwischen Österreich-Ungarn und Rußland prallte das Interesse eines Vielvölkerstaates mit der Idee des Panslawismus zusammen: Beides machtpolitische Konzepte, um den jeweiligen Einfluß auf dem Balkan zu vergrößern.
Großbritannien wiederum war daran interessiert, den deutschen Anspruch auf Weltgeltung einzudämmen; ein Sieg über das Deutsche Reich in einem Krieg war geeignet, endgültig die Gefahr einer mit England rivalisierenden Kriegsflotte zu bannen.
Gemeinsam war allen Regierungen ein Hang zu nationaler Prestigepolitik, was die Bemühungen um Frieden und Verständigung zunehmend erschwerte, da diese als Schwäche ausgelegt werden konnten. Hinzu kam ein innenpol |