IV.I Die Situation der Polizeibr /
Zuständig für die Bekämpfung und Verfolgung von Verbrechen sind die Apparate von Polizei und Justiz. Ihre Ausrüstung und Organisation sind von politischen Vorgaben abhängig.
-6-
-
Es wäre nun zu erwarten, daß diese so ausgerüstet würden, daß sie möglichst effektiv arbeiten und es mit den optimal ausgerüsteten, flexiblen und spezialisierten Gruppen der OK aufnehmen könnten.
Wie sieht es damit aus? Als Beispiel sei nur eine Stellungnahme genannt, die die Situation in unserer Hauptstadt Berlin wiedergibt. Es \"zieht sich durch Berlin die Bandenkriminalität wie ein roter Faden...Schon 1994 wurden dort 550 843 Straftaten begangen und 245 Morde verzeichnet......193 000 Schupos und Kripobeamte teilen sich 400 Computer und 1500 kugelsi- chere Westen. 450 Ladas und Barkas aus DDR-Beständen sind noch immer im Einsatz. Zahlreiche Fahrzeuge haben einen Kilometerstand von mehr als 200 000 km. Irgendwann gehen wir zu Fuß\", beschreibt Eberhard Schönberg von der GdP die Situation (Focus 19/96, S.60 f)in dem \"Alptraum Mafia-City\" betitelten Bericht.
Doch nicht nur die allerorten von der Polizei beklagte mangelhafte Ausrüstung führt dazu, daß sich hier ungleiche Gegner gegenüber stehen. Auch die bürokratische Organisation unseres Landes bildet ein entscheidendes Hindernis. Diese führt zu einer Schwerfälligkeit des Polizei-apparates. Während Verbrecher in Zeiten allgemeiner Kommunikation und Mobilität flexibel agieren, muß die Polizei auf dem Dienstweg um Genehmigung von Aktionen ersuchen, statt rasch reagieren zu können. \"Die Mafiabosse fliegen um die Welt-bis der Dienstreiseantrag der
Fahnder genehmigt ist, sind sie längst zurück.\"(Roth, J. in Focus 19/96, S.64)
Auch steht den staatsübergreifend tätigen verbrecherischen Organisationen eine äußerst unzulänglich organisierte internationale polizeiliche Zusammenarbeit gegenüber.
Um eine wirksame Bekämpfung zu erreichen, müßte
-die Ausrüstung der Polizei verbessert
-die Organisationsform und die internationale Zusammenarbeit flexibilisiert
- die personelle Ausstattung dem Anstieg der begangenen Straftaten angepaßt werden.
Vertreter der Polizei plädieren dafür schon seit langem. Es ist Sache der Politiker, durch ihre Entscheidungen, durch die Bereitstellung von finanziellen Mitteln und die Verabschiedung von Gesetzen die Rahmenbedingungen für die Bekämpfung der OK zu verbessern.
IV.II Maßnahmen von politischer Seite
Die oben aufgezeigten Defizite lassen darauf schließen, daß das Problem seitens der zuständige Politiker bislang eher vernachlässigt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden materiellen und immateriellen Schäden durch OK scheint es mir ein gravierender Fehler, daß die Warnungen von Fachleuten offenbar so wenig beachtet werden.
Es fehlt nicht nur an der Bereitstellung finanzieller Mittel. Es fehlt ebenso auf der Ebene der Legislative eine klare Dokumentation des Willens, sich mit der OK auseinanderzusetzen. Wohl haben sich die deutschen Innenminister 1990 auf ihrer Konferenz auf eine Definition geeinigt:
\"Organisierte Kriminalität ist die von Gewinn- und Machtstreben bestimmte planmäßige Begehung von Straftaten, die einzeln oder in ihrer Gesamtheit von erheblicher Bedeutung sind,
wenn mehr als zwei Beteiligte auf längere Zeit oder unbestimmte Dauer arbeitsteilig a) unter
-7-
Verwendung gewerblicher oder geschäftsmäßiger Strukturen, b) unter Anwendung von Gewalt
oder anderer zur Einschüchterung geeigneter Mittel, c) unter Einflußnahme auf Politik, Medien,öffentliche Verwaltung, Justiz oder Wirtschaft zusammenwirken.\"(Raith, W.:Organisierte Kriminalität, Reinbek 1995, S.27).
Diese Definition führte jedoch kaum zu geeigneten Maßnahmen. Das nachfolgend abgefaßte Gesetz zur \"Bekämpfung des illegalen Rauschgifthandels und anderer Erscheinungsformen der
Organisierten Kriminalität (OrgkG)\" zählt zwar eine Reihe von Delikten auf.
Es definiert aber die Mitgliedschaft in einer Gruppe der OK nicht als Straftatbestand und wi-derspricht damit völlig den Erfahrungen in anderen Ländern, etwa den USA und Italien, die mit OK zu kämpfen haben. (Raith, a.a.O., S.26 ff)
Die fehlende klare Erfassung des Problems auf Gesetzesebene verunsichert die Strafverfolger.
Ferner erschweren Gesetze, die die Freiheit des einzelnen schützen, wie z.B. das Datenschutz-gesetz, ebenso die strafrechtliche Verfolgung.
Ob fehlende Unterstützung der Polizei durch finanzielle Mittel oder der Justiz durch klare Ge-setze - unsere Politiker negieren das Thema, anstatt von anderen Ländern wie USA und Italien, die ebenfalls lange untätig waren, zu lernen.
Die Ankündigung des nordrhein-westfälischen Innenministers Kniola, gegen die Korruption sowohl in den Reihen der Polizei als auch auf breiter Front - Prostitution, Glücksspiel, OK- entschieden vorgehen zu wollen, fällt als Ausnahme auf.(Focus 46/1996, S.62)
Es ist zu fragen, ob die Politiker aus Unkenntnis, aus Bequemlichkeit, aus Furcht vor dem Verlust von Wählerstimmen - aufgrund der Stärkung der Polizei, der Verschärfung von Gesetzen, des Eingeständnisses des Problems - es unterlassen, klare Maßnahmen zu beschließen.
Diese sind dringend notwendig. da durch die Öffnung des Ostblocks die Bedrohung noch zunimmt. Kapitalkräftig sind dort vor allem die Gruppen der OK. Die Russische Mafia ist, wenn auch die einflußreichste, so doch nicht die einzige Gruppierung, die in der vergleichsweise noch wohlhabenden BRD agiert.
Ich erwähnte eingangs die Forderung von Zachert, dem ehemaligen BKA-Leiter, über die gesellschaftlichen Kräfte, nicht zuletzt die Medien, den Willen zur Bekämpfung der OK in der Bevölkerung konsensfähig zu machen. Doch der wache Bürger hat nur begrenzte Möglichkeiten der Einflußnahme. Unmutsäußerungen, ob in Leserbriefen, in Talk-.Shows, in Wähler- oder Bürgerversammlungen sind mögliche, doch schwache Mittel.
Die Politiker müssen erkennen, daß sie eine Verantwortung haben, nicht nur die Bürger vor politisch geprägten Terroranschlägen zu schützen, die in der Vergangenheit nur Nadelstiche, nicht aber eine ernste Gefahr für unsere Demokratie darstellten. Im Gegensatz zum Tun politisch radikaler Gruppen, die eine Systemveränderung wünschten, steht bei der OK aus-schließlich das Geld im Vordergrund.
Die OK versucht, mit allen illegalen Mitteln auf allen illegalen Weisen rücksichtslos Geld zu
machen, dieses Geld zu waschen und mit der so entstandenen Kapitalkraft Macht zu erlangen.
Verdrängen die Politiker dies weiterhin, setzen sie nicht endlich alle Kräfte ein, um die Aus-
-8-
einandersetzung mit der OK aufzunehmen, so werden deren kriminelle Strukturen sich in jedem Bereich unseres Alltags festsetzen und diese Bereiche manipulieren.
Nach meiner Meinung stand unser demokratisches System noch niemals einer Bedrohung gegenüber, die der durch das OK vergleichbar war.
Ich kann nur hoffen, daß es noch nicht zu spät ist. Und daß die Politiker handeln, bevor es zu spät ist.
|