Ein weiterer, wichtiger Aspekt im Rahmen des Umstrukturierungsprozesses und der Konversionsbemühungen in Rußland ist die Frage, ob die politische Verantwortung für dessen Regulierung vorrangig zentral (Moskauer Regierung) oder dezentral (Regionen) organisiert ist bzw. sein sollte.
Generell wurde in dieser Arbeit bereits darauf hingewiesen, daß die Zentralregierung aufgrund des politischen Machtkampfes weitgehend blockiert ist, was staatliche Interventionen in den Rüstungssektors sowie dessen Umwandlung und Anpassung angeht, und somit erhebliche (zentral-)staatliche Handlungsdefizite bestehen. Daher hat eine Verlagerung (Dezentralisierung) von Kompetenzen und Verantwortlichkeiten auf die Regionen stattgefunden, mit sehr unterschiedlichen, regionsspezifischen Ergebnissen.
Der Begriff der \'Regionalen Konversion\' geht dabei über den nur auf ein Unternehmen bezogenen Konversionsbegriff hinaus; er bezieht auch die Ressourcenumwidmung auf außerindustrielle Bereiche innerhalb einer Region mit ein .
Auch hierzu gibt es keine expliziten gesetzlichen Grundlagen, die regionale Wirtschafts- und Industriepolitik wird jedoch von zahlreichen Gesetzen, Erlässen und Vorlagen beeinflußt.
Es gibt keine genaue Aufgabenteilung zwischen Zentrum und den Regionen; dies wird in bilateralen Verhandlungen vereinbart und hängt somit von der jeweiligen Verhandlungsposition ab, wodurch regionale Differenzierungen entstehen .
Die Regionen haben mittlerweile zunehmend wirtschaftliche und soziale Kompetenzen übernommen, auch für die Regelung der Privatisierungen. Darüber hinaus sieht das Konversionsgesetz die Möglichkeit regionaler Konversionsprogramme vor, bietet aber keine Finanzierungsmöglichkeiten .
Die Regionen besitzen z.T. enorme Konversionspotentiale, es bieten sich gute Chancen für den Aufbau neuer Strukturen, die Ausrichtung der Ressourcennutzung auf regionale Bedürfnisse und die Steigerung der Effektivität vorhandener Industriestrukturen. Bislang
wurde die Umsetzung dieser Möglichkeiten jedoch behindert durch den mangelnden politischen Willen der verantwortlichen Akteure, nicht getroffene Grundsatzentscheidungen, das Fehlen eines funktionierenden Arbeitsmarktes, das Bestehen überregionaler technologischer Abhängigkeiten bei gleichzeitiger hochgradiger Monopolisierung und der Pflicht zur Erhaltung von Mobilisierungspotentialen . Zudem gerät auch die Regionalisierung verstärkt ins Spannungsfeld des Konfliktes zwischen Desintegration und Reintegration, auf den an anderer Stelle bereits eingegangen wurde.
Neben den schon geschilderten Bestrebungen des alten MIK bleiben dem Zentralstaat noch folgende Einfluß- und Interventionsmöglichkeiten im Umstrukturierungsprozeß der Rüstungsindustrie:
1.) Die Verabschiedung einer neuen Militärdoktrin (im November 1993 erfolgt),
2.) die Schaffung neuer industriepolitischer Lenkungsstrukturen und
3.) die Förderung betrieblicher Konversionsprogramme mit zinsgünstigen Krediten.
Letzteres führte allerdings zu Problemen bei der Umsetzung; die Kreditvergabe erfolgte vielfach entsprechend des politischen Einflusses und des sozialen Drohpotentials, also der Zahl der betroffenen Beschäftigten. Objektive Kriterien wurden bisher nicht festgelegt.
Fehlende Finanzmittel, der politische Machtkampf und das Kompetenzwirrwarr zwischen den verschiedenen föderalen Entscheidungsinstanzen blockieren zusätzlich eine effektive staatliche industriepolitische Lenkung .
Es bleibt abschließend festzuhalten, daß trotz zunehmender Dezentralisierung die vorhandenen regionalen Entwicklungschancen bislang nur in sehr geringem Maße realisiert wurden.
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