Die Nutzung der Windenergie hat eine lange Tradition. So wurden \"Windmühlen\" schon vor mehr als 4.500 Jahren - in der Blütezeit der babylonischen Kultur - zum Wasserschöpfen eingesetzt. Auf der Insel Kreta entstanden ab dem 13. Jahrhundert zahlreiche Windmühlen, wobei die Flügel der Windräder mit Segeln bespannt wurden. Mehr als 10.000 waren im Einsatz. Im nördlichen Europa wurden die ersten Windmühlen im 8. Jahrhundert gebaut und im 19. Jahrhundert waren mehr als 30.000 Windenergieanlagen mit einer geschätzten Gesamtleistung von 300 bis 600 MW in Betrieb. Die Windmühlen wurden vorrangig zum Wasserpumpen eingesetzt. In den Jahren 1930 bis 1945 wurden in den USA und Europa mehrere größere Windkraftanlagen gebaut, mit Leistungen bis zu 1 MW.
Mit der Marktdurchdringung von Erdöl und Erdgas ist das Interesse für Windkraftanlagen deutlich zurückgegangen, und erst mit der Ölpreiskrise Mitte der 70er Jahre wurden neue Windkraftanlagen projektiert und gebaut. Die größte Windkraftanlage mit 3 MW-Nennleistung wurde im Jahre 1983 in Deutschland an der Nordseeküste in Betrieb genommen, wobei allerdings dieses Projekt nicht erfolgreich war, da die Konstruktion den auftretenden Windkräften nicht gewachsen war.
Die Weiterentwicklung der Windkraftanlagen hat sich dann zu kleineren Leistungseinheiten verschoben, wobei Anlagen ab 50 kW-Leistung in zunehmendem Maße in den USA und in europäischen Ländern installiert wurden. Heute sind es bereits 300 kW- bis 500 kW-Anlagen, welche als \"Stand der Technik\" zu bezeichnen sind. In den letzten Jahren wurden in einigen Ländern die Windkraftanlagen in küstennahen Gebieten ständig ausgebaut, insbesondere in den USA, Dänemark, Deutschland, in den Niederlanden und in England. Die heute weltweit installierte Leistung von Windkraftanlagen wird auf 1.400 MW geschätzt, entsprechend einer Stromerzeugung von 6 TWh/Jahr.
Die Windkraftnutzung erfolgt derzeit im wesentlichen in windreichen Küstenregionen. Diese Regionen werden aber bei den zu erwartenden größeren Zubauraten schon in absehbarer Zeit knapp, sodaß in zunehmendem Maße auch Überlegungen zur Nutzung von Windenergie im Binnenland angestellt werden.
Das Windenergiepotential
Die Lufthülle der Erde ist einem globalen Bewegungssystem unterworfen, welches durch die Auswirkungen der Sonneneinstrahlung auf Erd- und Wasserflächen in Verbindung mit der Erdrotation aufrechterhalten wird und über welches örtliche Einflüsse gelagert sind. Die Luftbewegung in bodennahen Gebieten wird durch die Bodenreibung bedingt: Bäume, Waldstücke, Siedlungen, etc. bestimmen somit die Windverhältnisse. In diesem Falle handelt es sich um kleinräumige Änderungen in der Bewegung bodennaher Luftmassen. Eine großräumige Variante der Luftbewegungen ist gegeben durch das Umströmen von Hügeln oder Bergformationen, von Tälern, Geländestufen und ähnlichen.
Das weltweite Windenergiepotential beträgt etwa 0,2% der eingestrahlten Sonnenenergie, entsprechend etwa 370 TW bzw. 3 Mio TWh/Jahr. Dieser - theoretische - Wert entspricht der in den strömenden Luftmassen auftretenden Bewegungsenergie. Durch die Reibung der Luftmassen in den bodennahen Schichten verringert sich das Potential der Windenergie beträchtlich. Die zahlreichen weiteren Einflüsse, die an der Ausbildung der globalen und örtlichen Zirkulationsströme beteiligt sind, erschweren eine Abschätzung der zur Verfügung stehenden Energiemengen. Als Richtwert für das weltweit (theoretisch) nutzbare Windenergiepotential werden etwa 3 TW (ca. 26.000 TWh/Jahr) angenommen.
Das realisierbare Potential dürfte bei 1 TW (ca. 9.000 TWh/Jahr) liegen. Für die Windgeschwindigkeit maßgebend sind die Bodenkonfigurationen und die Höhe über dem Grund. Man unterscheidet zwischen
3 typischen Bodenkonfigurationen:
glatte, ebene Flächen (Meer, unmittelbare Küste),
niedrige, bewachsene und ebene Flächen und
Flächen mit hohen Hindernissen (Städte).
Die mittleren jährlichen Windgeschwindigkeiten auf der Erdoberfläche erreichen in küstennahen Gebieten Werte über 5 m/s. Die hohen Windgeschwindigkeiten an den Küsten liegen darin begründet, daß durch die geringere Oberflächenreibung über der offenen See, die zuströmenden Luftmassen hohe Geschwindigkeiten erreichen. Bei günstigen topografischen Lagen im Küstenbereich können auch noch mehrere 100 km von der Küste entfernt hohe Windgeschwindigkeiten auftreten.
Eine wesentliche Zunahme der Windgeschwindigkeit ist mit zunehmender Höhe über dem Boden festzustellen. In einer Höhe von 50 m kann mit der 1,5-fachen Windgeschwindigkeit gegenüber einer Höhe von 10 m gerechnet werden. Da das Leistungsangebot mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit wächst, bedeutet dies, daß in 50 m Höhe die 2,4-fache und in 100 m Höhe die 3,4-fache Windenergieleistung im Vergleich zu 10 m Höhe zur Verfügung steht. Das Windenergiepotential in Österreich wurde in den letzten Jahren nahezu flächendeckend ermittelt. An exponierten Lagen, insbesondere in windreichen Tälern und auf Bergspitzen, können in einer Höhe von ca. 30 bis 100 m über dem Boden Windgeschwindigkeiten auftreten, welche den Einsatz von Windkraftanlagen zur Stromerzeugung rechtfertigen. Nach einer im Jahre 1981 durchgeführten Abschätzung des Windenergiepotentials in Österreich wurde ein technisch nutzbares Windenergiepotential von jährlich 6.600 bis 10.000 GWh abgeleitet /4/.
Meteorologische Voraussetzungen
Für die Auswahl eines für die Windenergienutzung geeigneten Standortes ist die Bestimmung der dort vorliegenden Windgeschwindigkeitsverteilung von Bedeutung. Da die Leistung des Windes mit der dritten Potenz der Windgeschwindigkeit ansteigt, wirken sich schon geringe Unterschiede der jährlichen mittleren Windgeschwindigkeit erheblich auf den Jahresenergieertrag (Stromerzeugung) aus. Aus diesem Grunde müssen im Binnenland detaillierte und örtlich hoch aufgelöste Untersuchungen der Windgeschwindigkeiten vorgenommen werden. Die mittlere jährliche Windgeschwindigkeit ist nur dort ein grober Hinweis auf die Stromerzeugung einer Windkraftanlage, wo Geschwindigkeitsschwankungen gering sind, wie beispielsweise in Küstenregionen.
Für Standorte mit starken Geschwindigkeitsschwankungen, wie beispielsweise in Binnenländern und insbesondere in alpinen Gegenden, ist die mittlere jährliche Windgeschwindigkeit für eine Abschätzung der Stromerzeugung mit einer Windkraftanlage nur wenig geeignet. An derartigen Standorten müssen genaue Messungen von Winddaten vorliegen, um zu einigermaßen abgesicherten Aussagen zu kommen. Mit günstigen Stromerträgen in Gebieten mit mittleren Windgeschwindigkeiten unter 3,5 m/s ist dann zu rechnen, wenn starke Geschwindigkeitsschwankungen gegeben sind, wie z.B. in manchen Teilen des Alpenvorlandes oder auch in Bergtälern.
Forschung, Entwicklung und Anwendung in Österreich
Forschung und Entwicklung auf dem Gebiet der Windkraftanlagen wurden in den OECD- Mitgliedsländern in internationaler Kooperation durchgeführt, wobei die Forschungsausgaben im Jahre 1993 bei 163 US $ lagen. Die Forschungsausgaben der öffentlichen Hand für Windenergie-Nutzung waren in Österreich eher bescheiden und lagen im Jahre 1990 bei 0,21 Mio ÖS, im Jahre 1991 bei 0,76 Mio ÖS, im Jahre 1992 bei 1,41 Mio ÖS und im Jahre 1993 bei 0,82 Mio ÖS.
Im Hinblick darauf, daß Windenergiekonverter heute einen sehr hohen technischen Stand aufweisen, haben sich die öffentlichen Ausgaben von den Bereichen Forschung und Entwicklung auf die Bereiche Demonstration und Markteinführung verschoben. In Deutschland wurde beispielsweise ein Förderungsprogramm für die Markteinführung von netzgekoppelten Windkraftanlagen beschlossen, wobei insbesondere durch günstigere Stromeinspeistarife die Anschaffung von Windkraftanlagen attraktiv gemacht wurde. So wurden im Jahre 1993 in Deutschland Windenergiekonverter mit einer Gesamtleistung von rund 155 MW neu errichtet, wodurch sich die installierte Windkraftleistung im Jahr 1993 nahezu verdoppelt hat. Im ersten Halbjahr 1994 wurden weitere 300 Anlagen mit einer elektrischen Leistung von rund 100 MW errichtet. Ende 1994 werden in Deutschland ca. 500 MW Windleistung installiert sein.
Schlußfolgerungen und Empfehlungen
Die Nutzung der Windenergie stellt auch für Österreich eine von vielen Möglichkeiten dar, erneuerbare Energiequellen zur Deckung der Energienachfrage heranzuziehen. Im Vergleich zu Photovoltaikanlagen liegen die Stromgestehungskosten an günstigen Standorten deutlich niedriger, und Windenergie liegt auch in Zeiten mit geringerer Sonneneinstrahlung vor. Eine Ergänzung zur Sonnenenergienutzung ist damit gegeben.
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