Zunächst einmal wollen wir einen kurzen Überblick über die Systematik des argentinischen Gesellschaftsrecht geben. Beginnen wollen wir dabei mit einer historischen Betrachtung über die Wurzeln. Anschließend wollen wir auf die einschlägigen Gesetze und Normen für Gesellschaften eingehen. Ein besonderes Augenmerk soll dabei auf den allgemeinen Teil des Ley 19.550 gelegt werden, welcher verbindliche Regeln für alle Gesellschaftsformen bestimmt. Obwohl diese Systematik im deutschen Recht vielfach Anwendung findet, gibt es aber gerade im Gesellschaftsrecht keinen ausdrücklichen allgemeinen Teil. Vielmehr sind die Regelungen über die Gesellschaft Bürgerlichen Rechts, sowie über den Verein als eine Art allgemeine Normen für Personen- bzw. Kapitalgesellschaften zu verstehen. Der argentinische Gesetzgeber hatte bei der Erstellung dieses allgemeinen Teil ein großes Augenmerk auf die Behandlung von fehlerhaften Gesellschaften gelegt. So will ich auch diesem Rechnung tragen, und zum Abschluss der Einführung einen kleinen Exkurs in die Folgen der fehlerhaften Gesellschaftsgründung machen.
2.1. Historische Betrachtung
Die historische Betrachtung der Rechtsordnung in Argentinien ist eng verbunden mit der Entwicklung in Europa. Da Argentinien von spanischen Eroberern kolonialisiert und besiedelt wurde, brachten diese auch ihr Rechtsverständnis mit auf den neuen Kontinent. Eine Rechtsordnung, die ihre Grundprinzipien aus dem römischen Recht zieht und sich über 2000 Jahre hinweg auf dem europäischen Kontinent entwickelt hat. Von einem eigenem argentinischen Recht bzw. einem lateinamerikanischen Rechtskreis zu sprechen wäre daher falsch, da die Rechtsordnungen auf dem südamerikanischen Kontinent zunächst von Europäern aus dem romanischen Rechtskreis eingeführt und später, an diese Rechtsordnungen eng angelehnt, weiterentwickelt wurden.
Das Gesellschaftsrecht und die Gesellschaftsformen in Europa durchliefen verschiedene Entwicklungsstufen bis zu seiner heutigen Form. So gab es bereits im römischen Recht zwei bekannte Formen; die societas omnium bonorum und die societas unius negotiationis. Erstere war eine Art Familiengesellschaft zu der Außenstehende Nicht-Familienangehörige normalerweise keinen Zutritt hatten. Die Zweitere war eine Möglichkeit sich zur Tätigkeit internationaler Geschäfte zusammenzutun.
Im Mittelalter bildeten sich neue Formen der wirtschaftlichen Zusammenarbeit heraus. Die Handelsgesellschaften in Genua und Venedig, sowie Familienhandelshäuser wie die Fugger in Augsburg ähnelten in ihrem Aufbau und ihrem Handeln bereits stark den gesellschaftlichen Prinzipien, die wir heute kennen.
Der Grundstein für das aktuelle in Argentinien gültige Gesellschaftsrecht bildete der französische code de comerce aus dem Jahre 1807. Dies war die erste generelle normative Regelung von Gesellschaftsformen. Er wurde als Basis für sämtliche handelsrechtlichen Kodifizierungen im romanischen, sowie im deutschen Rechtsraum benutzt; somit auch für Argentinien, welches im Jahre 1859 seine erste handelsrechtliche Gesetzgebung - zunächst für die Provinz Buenos Aires, 1962 für das ganze Land - entwickelte.
2.2. La Ley 19.550
Dieser Código de Comercio beschrieb in seinem zweiten Buch: "los contratos de comercio" im dritten Titel: "de las compañías o sociedades" die gesetzlich vorgesehenen Gesellschaftsformen: las sociedades anónimas, las sociedades en comandita, las sociedades de capital e industria, las sociedades accidentales und las sociedades colectivas. Dazu kommt noch die sociedad civil, dem Gegenstück zur deutschen Gesellschaft bürgerlichen Rechts, welche im código civil beschrieben wird. Aus der systematischen Einordnung in das Buch über die Handelsverträge, ließ sich der Wunsch des Gesetzgebers abzulesen, dass Handelsgesellschaften als ein Zusammenschluss von Vertragspartnern zu sehen ist. Diese Gesellschaftsformen waren allerdings vielmehr als Vorschläge zu verstehen, da es bis 1972 möglich war, sich frei eine andere als die gesetzlich beschriebenen Formen zu wählen. 1972 wurde das Gesetz Nr. 19.550 erlassen. Dieses kodifizierte das Recht der Gesellschaften auf 389 Artikeln neu. In vier Kapiteln wurde ein neues Gesellschaftsrecht geschaffen, welchen den alten dritten Titel im "Código de comercio" komplett ersetzte. Unter den ehemaligen Artikeln finden sich inzwischen lediglich noch Verweisungen auf das Ley 19.550. Es beginnt mit einem allgemeinen Teil der für alle Gesellschaftsformen verbindlich ist. Dort finden sich allgemeine Definitionen zur Rechtsnatur von Handelsgesellschaften, Eintragungs- und Publikationspflichten, sowie Regulierungsvorschriften über fehlerhafte Gesellschaften und über das Ausscheiden von Gesellschaftern. Im Kapitel II werden die einzelnen Gesellschaftsformen behandelt. Bemerkenswert ist die Normierung des Joint Ventures als Gesellschaftsform im Kapitel III. Kapitel IV beschreibt lediglich die Anwendung und erklären die Normen als in den Código de comercio integriert.
Bemerkenswert sind noch die Einführung der "Sociedad de Responsabilidad Limitada" im Jahre 1926. Sie war per Definition zunächst keine eigene Rechtsform, stellte aber rein faktisch das Gegenstück zur Gesellschaft mit beschränkter Haftung in Deutschland dar. Es sollte kleinen und mittleren Firmen ermöglichen ihre Haftung zu beschränken. Eine Normierung erfolgte schließlich durch das Ley 19.550. Weiterhin existieren die "Agrupacíon de colaboracíon" und die "Union transitoria". Diese sind Organisationsformen für Joint Ventures zwischen Gesellschaften zur Erreichung eines gemeinsamen Zwecks.
2.3. Rechtsnatur der Gesellschaften
Die ersten Artikel des Gesetzes 19.550 befassen sich mit allgemeinen Definitionen und Vorschriften, die für alle Gesellschaftsformen gültig sind.
Art. 1 beschreibt die Handelsgesellschaft als einen Zusammenschluss in organisierter Form von zwei oder mehr Personen in einer der im Gesetz vorgesehenen Rechtsformtypen. Diese Gesellschaft soll die Produktion oder den Austausch von Gütern oder Dienstleistungen zum Zweck haben, und die Gesellschafter den hieraus entstehenden Gewinn oder Verlust tragen.
Art. 2 konstituiert die Gesellschaft als Rechtssubjekt. Ausnahmen von dieser generellen Ernennung, können in den Regelungen über die einzelnen Gesellschaftsformen als lex specialis finden. So werden beispielsweise den Joint Venture Gesellschaften die Stellung als Rechtssubjekt aberkannt.
Die Artikel 4 bis 15 regeln im einzelnen die Form des Gesellschaftsvertrages, sowie die Pflicht zur Eintragung ins Handelsregister. So gilt, genau wie in Deutschland, die Gesellschaft gemäß Art. 7 im Moment der Eintragung als gegründet. Vorrausetzung für die Eintragung ist gemäß Art. 5 die Einreichung des Gesellschaftsvertrages beim zuständigen örtlichen Gericht. Art. 11 (1) beschreibt gesetzlich vorgeschriebene Inhalte des Gesellschaftsvertrages:
1. Name, Alter, Familienstand, Nationalität, Beruf, Wohnort, Personalausweisnummer sämtlicher Gesellschafter
2. Name der Gesellschaft, Ort der Niederlassung
3. Gesellschaftszweck, präzise und bestimmt formuliert
4. das Gesellschaftsvermögen in argentinischer Währung, und die Auflistung der Beteiligungen der einzelnen Gesellschafter
5. Befristungen in der Dauer der Gesellschaft
6. Die Organisation der Geschäftsführung und der Gesellschafterversammlungen
7. Die Regeln für Gewinn- und Verlusttragung
8. Klauseln zur Bestimmung von Rechten und Pflichten der Gesellschafter im Innen- und Außenverhältnis
9. Klauseln über die Arbeitsweise, Streitschlichtung und Auflösung der Gesellschaft
Ferner enthält Art. 10 eine abschließende detaillierte Auflistung an Publikationspflichten für "Sociedades de Responsabilidad Limitada", sowie für Aktiengesellschaften. Die Publikation muss für einen Tag in einer Zeitung für rechtliche Publikationen erscheinen. Es bestehen gemäß Art. 10 a) zehn Publikationspflichten bei Gründung, sowie gemäß Art. 10 b) Pflichten zur Publikation sollte sich der Gesellschaftsvertrag ändern. Es seien die Publikationspflichten bei Gründung genannt:
1. Name, Alter, Familienstand, Nationalität, Beruf, Wohnort, Personalausweisnummer sämtlicher Gesellschafter
2. Gründungsdatum der Gesellschaft
3. Name der Gesellschaft
4. Ort der Niederlassung
5. Gesellschaftszweck
6. Befristungen in der Dauer der Gesellschaft
7. Höhe des Stammkapitals
8. Zusammensetzung der Geschäftsführung; Namen der Verantwortlichen und Dauer der Aufgabe
9. Rechtsform
10. Ende des Geschäftsjahres
Auf den ersten Blick mag eine solche detaillierte Regelung über den Gesellschaftsvertrag, sowie die Publikationspflichten für Gesellschaften mit Haftungsbeschränkungen verwundern. Tatsächlich stellt sie aber eine Vereinfachung in vielerlei Hinsicht dar. So wird die Gefahr einer fehlerhaften Gesellschaftsgründung verringert, und auch das Eintragungs- und Publikationsverfahren wird schematisiert. Gerade im Falle der Eintragung in das Handelsregister, welche eine Einreichung eines formgerechten Gesellschaftsvertrages bedingt, kann das Verfahren vereinfacht werden. Auch müssen Firmengründer nicht aufwendig eintragungspflichtige Tatsachen in den gesetzlichen Vorschriften suchen, da sie diese kompakt in einer Gesetzesnorm aufgelistet finden.
2.4. Fehlerhafte Gesellschaften
Der argentinische Gesetzgeber hat spezielle Normen für die Behandlung fehlerhafter Gesellschaften geschaffen. Diese entstammen weitestgehend dem Vorbild des französischem Rechtes, welches die Lehre von der faktischen Gesellschaft bereits zu Beginn des 19.Jahrhunderts schuf. So behandeln die Artikel 16-20 Nichtigkeitsgründe im Zuge einer Gesellschaftsgründung, sowie die Liquidierung dieser. Die Artikel 21-26 betreffen die Behandlung fehlerhafter Gesellschaften, welche an heilbaren Formfehlern leiden. Jene Artikel sind vom Gesetzgeber zur Rettung der Zusammenschlüsse gedacht. Die Gründe für eine gesonderte Regelung fehlerhafter Gesellschaften sind eingängig. Kommt eine Gesellschaft fehlerhaft zustande, so wären alle Rechtsgeschäfte die unter ihrer Firma vorgenommen nichtig, und müssten im Zeitpunkt der Entdeckung rückabgewickelt werden. Dies würde zu enormen Komplikationen sowohl bei der Gesellschaft, als auch bei deren Geschäftspartnern führen. Das Gesetz unterscheidet in zwei Typen: die formfehlerhafte, sowie die sonstwie mangelhafte Gesellschaft.
Bei der formwidrig geschaffenen Gesellschaft handelt es sich um einen gewollten Zusammenschluss hinsichtlich der Gründung einer Gesellschaft, welcher aber an einer für diese Vertragsform vorgesehenen Formvorschrift scheitert, Art. 21. Eine folgenfreie Heilung des Formfehlers ist unproblematisch nach Art. 22 I möglich. Demnach muss der fehlerbehaftete Teil des Gesellschaftsvertrages geändert werden und die vorhergehenden Rechtsgeschäfte bleiben bestehen. Jeder Gesellschafter hat hierbei das Recht eine Änderung zu fordern. Ein entsprechender Heilungsbeschluss muss nun innerhalb von 60 Tagen beschlossen werden, ansonsten gilt die Auflösung der Gesellschaft als beschlossen, Art. 22 II. Es allerdings auch jedem Gesellschafter offen der Heilung, die Auflösung der Gesellschaft nach Art. 22 III zu fordern. In diesem Falle haben die fortführungswilligen Gesellschafter die Möglichkeit innerhalb von 10 Tagen die Weiterführung der Gesellschaft zu beschließen. Der ausscheidungswillige Gesellschafter kann sich nach Art. 22 IV ausbezahlen lassen. Wird der Formfehler des Gesellschaftsvertrages allerdings nicht innerhalb von 60 Tagen behoben, so gilt die Gesellschaft im Zeitpunkt der Erklärung des Auflösungswunsches als erloschen.
Nach Art. 23 können sich die Gesellschaft noch ihre Gesellschafter auf den Inhalt des fehlerhaften Gesellschaftsvertrages berufen; dies gilt sowohl für das Innen-, als auch für das Außenverhältnis. Rechte die sich aus den eingegangen Rechtsgeschäften ergeben bleiben aber bestehen. Vertretungsberechtigt im Außenverhältnis ist jeder Gesellschafter der fehlerhaften Gesellschaft, Art. 24.
Von den formfehlerhaften Gesellschaften unterscheidet man die faktischen Gesellschaften. In diese Kategorie der sonstigen fehlerhaften Gesellschaften fallen alle Gesellschaftsgründungen, welche an einem rechtsgeschäftlichen Mangel leiden, mit Ausnahme der oben erwähnten formfehlerhaften Gesellschaft. Solche Gesellschaften können ebenfalls, wie die formfehlerhafte Gesellschaft durch Nichtigkeitsausspruch beendet werden. Ansonsten bestehen sie fort. Allerdings können die nichtigen Klauseln Dritten nicht entgegengehalten werden.
Die Gesellschaft selbst wird erst dann beendet, wenn das Vertragswerk gesamtunwirksam wird. Dies geschieht in folgenden Fällen: der Nichtigkeit der Gesellschafterstellung eines Gesellschafters mit Mehrheitsanteil, Art. 16; der Gründung in einer nicht vom Gesetzgeber zugelassenen Form, Art. 17; eines nicht erlaubten Gesellschaftszweckes, Art. 18; der Sonderfall einer ordnungsgemäßen Gesellschaftsgründung, wenn die Gesellschaft aber gesetzeswidrige Tätigkeiten durchführt, Art. 19 I wird von amtswegen oder auf Antrag eines Bürgers angewendet. Wird eine Nichtigkeit in einer dieser Formen festgestellt, so wird das Gesellschaftsvermögen durch einen richterlich bestellten Liquidator zur Begleichung der Verbindlichkeiten gemäß Art. 18 II aufgelöst; reicht die Masse nicht aus, so bestehen die Haftungsverpflichtungen der Gesellschafter gemäß Art. 19 IV weiter fort.
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