Doch man muß nicht die regionale Katastrophe heraufbeschworen, um auf die Gefahren
eines Atomtransportes hinzuweisen. Immerhin rollen nach Aussagen des Bundes-
umweltministeriums jährlich circa 100 Transporte mit gefährlicher, hochradioaktiver
Fracht durch die Bundesrepublik. Und auch ohne Katastrophe geben diese schon
erhebliche Strahlung ab, wenn sie durch Bahnhöfe, vorbei an Wartenden fahren oder
zeitweise auf Seitengleisen abgestellt werden, wo Bahnarbeiter vorbeigehen.
Ein Gutachten von Professor Seifert aus Hannover kommt zu dem Ergebnis, daß auf
Grund der von der GGVS (Gefahrgutverordnung Straße) vorgeschriebenen Grenzwerte
ein Mensch nach eineinhalb Stunden Aufenthalt neben einem Castor-Behälter die vom
Gesetz maximal erlaubte Jahresdosis abbekommen kann. Die Strahlenschutzverordnung
erlaubt eine Jahreshöchstdosis von 1,5 Millisievert für den Menschen. Ist aber der
Castor-Behälter mit neun Brennelementen beladen, bekommt ein daneben stehender
Mensch pro Stunde schon zwei Millisievert ab. In zwei Metern Abstand sind es
immerhin noch 0,1 Millisievert pro Stunde.
Eine nicht zu unterschätzende Gefährdung also. Das dachte sich auch die niedersächsi-
sche Polizei. Denn auf Grundlage des Gutachtens von Professor Seifert verbietet die
niedersächsische Polizei ihren Dienststellen, bei der Sicherung derartiger Transporte
Polizistinnen und minderjährige Polizisten zum Einsatz zu bringen. In der Dienst-
anweisung heißt es weiter: \"Das Versagen des Behälters (gemeint ist ein TYP-B-Behäl-
ter) infolge eines Unfalles wird als höchst unwahrscheinlich eingestuft. Trotzdem muß
sich die Polizei gegen die Gefahren schützen, die auch von einem intakten Behalter
ausgehen (Gamma- und Neutronenstrahlung) . ... - von dem Einsatz von Polizeibeam-
tinnen und minderjährigen Polizeibeamten sollte aus medizinischen Gründen dort
abgesehen werden, wo sie einsatzbedingt einer Strahlenbelastung ausgesetzt sind.\"
Der Zynismus : Für Frauen und Minderjährige, die sich auf den Bahnsteigen an der
Transportstrecke ob in Mannheim, im Ruhrgebiet, in Frankfurt oder in Hannover -
aufhalten, gilt dieser Erlaß nicht.
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