Die neue Politik der Offenheit im Zusammenhang mit der Politisierung der Gesellschaft schufen schon im Vorfeld der Parteikonferenz die Grundlage dafür, daß die Frage der sowjetischen Rüstungsausgaben öffentlich diskutiert werden kann.
Die wichtigsten Elemente der Diskussion, die sich nun entwickelt, sind die folgenden:
. Kritik an der Überrüstung der letzten Jahrzehnte ;Beschränkung der Rüstungsanstrengungen auf den durch die defensive Doktrin vorgegebenen Rahmen
. Unklarer Nutzen des sowjetischen Raumfahrtprogramms
. Öffentliche Kontrolle von Betrieben, Militär und Rüstungsindustrie
1. Kritik an der Überrüstung
Der niedrige Lebensstandard wurde mit den hohen Rüstungsaufwendungen verknüpft. Dabei wurden Stimmen laut, die von einer Rüstungslast von 10-15% des Bruttosozialproduktes sprachen. In der Moskauer Öffentlichkeit wurden gerüchteweise sogar 30-40% des BSP erörtert. Demgegenüber steht die USA mit einer Rüstungslast von 6% des BSP und Europa mit 3% des BSP.
Die Zahlen über die sowjetische Rüstungslast waren zwar nur Schätzungen, aber sie machten der Bevölkerung die hohe Last, die die Volkswirtschaft zu tragen hat, klar. Hier liegt auch die Bedeutung der Rüstungslastdebatte, die seit Mitte 1988 in den sowjetischen Medien geführt wird. Eben in der Beeinflussung der öffentlichen Meinung und der Schaffung eines Klimas, in dem die bisherige Priorität des Rüstungssektors zu Debatte steht.
2. Kritik am sowjetischen Raumfahrtprogramm
"Ein Nebenaspekt der Debatte über die Belastung der sowjetischen Volkswirtschaft durch die Rüstung war die öffentliche Kritik an den Ausgaben für das sowjetische Weltraumprogramm." Diese Kritik bestand schon seit längerer Zeit und viele Stimmen beklagten, daß ungeheure Gelder und Arbeitsressourcen für Raumschiffe und Satelliten aufgebracht wurden, während es an Wohnraum, Schulen, Krankenhäusern etc. mangelte.
Ein weiterer Kritikpunkt war die Geheimhaltungspolitik, die die Raumfahrtbehörde vor wirksamer Kontrolle durch die Öffentlichkeit schützte und so zu einer Reihe von Fehlentwicklungen führte. Die Kritiker forderten, daß die in diesem Sektor entwickelten Technologien dem Rest der Wirtschaft weitergegeben werden und somit eine kommerzielle Nutzung der Raumfahrt möglich werde.
3. Kritik an der Geheimhaltung der Rüstungsdaten
Die Kritik an der Geheimhaltungspolitik betraf nicht nur den Raumfahrtsektor sondern den gesamten Rüstungssektor. Angesichts der Vorstellung von einer "Informationsgesellschaft", wie sie infolge der Entwicklung von Kommunikationstechnologie und elektronischer Datenverarbeitung nun auch in der Sowjetunion Platz griff, erschienen insbesondere Wissenschaftlern die geltenden Geheimhaltungsbestimmungen irrational. Eine Gruppe von Akademiemitgliedern wandte sich gegen das "Krebsgeschwür" Bürokratie, das sowohl die Entwicklung in der Wirtschaft als auch den technologischen Fortschritt behinderte.Auf einen anderen Aspekt der Geheimhaltung wies der Außenminister Schewardnadse hin. Er wandte sich gegen die Praxis des Verteidigungsministeriums, militärische Daten auch vor dem Außenministerium geheim zu halten.
Ein weiterer Gesichtspunkt gegen die Geheimhaltung war, daß ohne Informationen eine Konversion nicht verwirklicht werden könne.
Vor dem Hintergrund solcher Überlegungen - konkreter Forderungen des Außenministeriums und von seiten der Zivilwirtschaft - sind die Beschlüsse der XIX.
Parteikonferenz zu sehen. Die Konferenz forderte eine Vertiefung der Politik der "Glasnost" und ihre staatliche Absicherung. Der Anspruch der Bürger auf Informationen sollte festgeschrieben werden und die Grenzen der notwendigen Geheimhaltung sorgfältig abgesteckt werden.
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