Zur deutschen Geschichte und zur Geschichte der DDR siehe deutsche Geschichte, Besatzungszeit in Deutschland und Deutsche Demokratische Republik.
Nach der Wahl zum ersten Deutschen Bundestag vom 14. September 1949 bildete Konrad Adenauer eine Koalitionsregierung aus CDU, CSU, FDP und DP. Theodor Heuss wurde zum Bundespräsidenten gewählt. Während die SPD im Wahlkampf Planwirtschaft und Sozialisierung der Grundstoffindustrien gefordert hatte, leitete die Regierung Adenauer unter Wirtschaftsminister Ludwig Erhard eine Politik der sozialen Marktwirtschaft ein. Sie ermöglichte die wirtschaftliche Eingliederung der Vertriebenen und trug der CDU/CSU in den Bundestagswahlen von 1953 und 1957 hohe Stimmgewinne ein.
Eine selbständige Außenpolitik ermöglichten die Revision des Besatzungsstatuts (1951) und das Petersberger Abkommen vom November 1949, das die Errichtung konsularischer Vertretungen im Ausland und die Beteiligung der Bundesrepublik Deutschland an internationalen Organisationen gestattete. 1951 unterzeichnete die Bundesregierung den Vertrag über die Montanunion.
7.1 Die Westintegration
Die von den USA gewünschte und von Adenauer angebotene Beteiligung der Bundesrepublik an der Verteidigung Westeuropas und damit die Aufstellung von westdeutschen Streitkräften führte zu scharfen innenpolitischen Auseinandersetzungen. 1952 wurde dennoch der Vertrag über die Europäische Verteidigungsgemeinschaft (EVG) zusammen mit dem Deutschlandvertrag unterzeichnet. Nachdem die französische Nationalversammlung 1954 den EVG-Vertrag abgelehnt hatte, wurde das Problem des deutschen Verteidigungsbeitrags durch die Schaffung der Westeuropäischen Union gelöst. Zugleich erhielt die Bundesrepublik erweiterte Souveränitätsrechte, und es erfolgte ihre Aufnahme in den Nordatlantikpakt (NATO). Mit In-Kraft-Treten der 1954 unterzeichneten Pariser Verträge am 5. Mai 1955 wurde das Besatzungsstatut gegenstandslos; die Bundesrepublik Deutschland erhielt damit die weitgehende, allerdings durch einige alliierte Vorbehalte eingeschränkte Souveränität.
Die wirtschaftliche Integration der Bundesrepublik in den Westen erhielt mit der in den Römischen Verträgen (1957) beschlossenen Schaffung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG) und der Europäischen Atomgemeinschaft (EURATOM) neuen Auftrieb.
7.2 Das Verhältnis zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Sowjetunion
Das Verhältnis der Bundesrepublik Deutschland zur Sowjetunion und den Staaten des Ostblocks war durch die kontroverse Haltung in der Deutschlandfrage bestimmt. Die Angebote Stalins von 1952 (siehe Stalinnote), ein wieder vereinigtes, neutralisiertes Deutschland zuzugestehen und auch über freie, gesamtdeutsche Wahlen diskutieren zu wollen, fielen direkt in die Endphase der Verhandlungen über den EVG- und Deutschlandvertrag im Anschluss an die erfolgreich verlaufene Londoner Außenministerkonferenz (17.-19. Februar 1952). Die Westmächte, die in Stalins Vorstoß nur eine taktische Variante sowjetischen Vormachtstrebens in Deutschland und Europa sahen, waren nicht bereit, die inzwischen fortgeschrittene Integration Westdeutschlands in das westliche Bündnis rückgängig zu machen und die Bundesrepublik zugunsten eines neutralen Deutschlands aufzugeben. Sie bestanden auf international kontrollierten Wahlen als Prämisse für die Bildung einer frei gewählten deutschen Regierung. Auch Adenauer vermutete, dass Stalin mit seinen Verhandlungsangeboten die erfolgreich begonnene Einigung Westeuropas behindern und die USA aus Europa verdrängen wollte. Er hielt es daher, im Unterschied zu Politikern der SPD, FDP und der eigenen Partei, in dieser Situation für ungünstig, über die sowjetische Offerte zu verhandeln, zumal die unter alliierter Vormundschaft stehende Bundesrepublik keine Mitsprachemöglichkeit besaß. Der Tod Stalins am 5. März 1953 weckte Hoffnungen auf eine Entspannung der Lage in Europa, vor allem weil nach Ende des Koreakrieges mit dem Indochinakrieg neue Komplikationen in der Weltpolitik entstanden waren.
Die gewaltsame Niederschlagung des Volksaufstands in Ostberlin und verschiedenen Orten der DDR am 17. Juni 1953 durch die Rote Armee schien allerdings das Sicherheitsdenken der Bundesregierung zu bestätigen und führte zu einem großen Wahlerfolg der CDU bei der Bundestagswahl im September 1953. Als Antwort auf die Pariser Verträge und die damit erfolgte Einbindung der Bundesrepublik in das westliche Militärbündnis schlossen sich Mitte Mai 1955 acht Staaten des Ostblocks zu einem Militärbündnis unter der Führung Moskaus - dem Warschauer Pakt - zusammen. Ihm wurden 1956 auch die inzwischen geschaffenen Streitkräfte der Nationalen Volksarmee eingegliedert.
Die Sowjetunion ging nun von der Existenz zweier völkerrechtlich getrennter deutscher Staaten aus, die die Deutschlandfrage künftig in eigener Verantwortung zu lösen hatten. Der Versuch Adenauers, Moskau von dieser Theorie abzubringen, gelang nicht. Immerhin aber konnte er die Freilassung der letzten knapp 10 000 deutschen Kriegsgefangenen sowie circa 20 000 Zivilinternierter aus der Sowjetunion erreichen und damit einen großen persönlichen Erfolg verbuchen. Als Gegenleistung musste der Kanzler der von Moskau geforderten Aufnahme diplomatischer Beziehungen zustimmen und den Alleinvertretungsanspruch der Bundesrepublik aufgeben. Um zu verhindern, dass künftig auch andere Staaten außerhalb des Warschauer Paktes diplomatische Beziehungen zu Ostberlin aufnahmen, wurde im Bonner Auswärtigen Amt die nach dem Außenminister benannte Hallsteindoktrin entwickelt, die jede Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit der DDR als "unfreundlichen Akt" gegenüber der Bundesrepublik betrachtete und mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortete. Als Druckmittel galt die erstarkte westdeutsche Wirtschaft und die mit dem Aufbau der Bundeswehr erreichte militärische Gleichberechtigung.
7.3 Parteienverbote
Im Interesse der im Grundgesetz verankerten "wehrhaften Demokratie" bestätigte das Bundesverfassungsgericht das Verbot zweier verfassungswidriger Parteien: 1952 wurde die 1949 gegründete neonazistische Sozialistische Reichspartei (SRP) und 1956 die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) verboten. Andere kleine Parteien verloren in den folgenden Jahren immer mehr an Stimmen.
7.4 Das Godesberger Programm der SPD
Die SPD konnte nach dem Tod ihres Vorsitzenden Kurt Schumacher (1952) mit dem Godesberger Programm von 1959 ihre innenpolitische Stellung verbessern. Die Partei löste sich von marxistischen Programmteilen, ohne ihren Anspruch auf einen demokratischen Sozialismus aufzugeben.
7.5 Der Mauerbau
Mit der Errichtung der Mauer in Berlin durch die DDR am 13. August 1961 war jede Hoffnung auf eine Wiedervereinigung zerstört. Noch während des über Nacht begonnenen Baus kam es zu dramatischen Fluchtaktionen, teils sogar aus den Fenstern von Häusern, die sich genau auf der Grenze befanden. Die Berliner Mauer wurde zum Symbol des Eisernen Vorhangs zwischen Ost und West; der Versuch ihrer Überwindung kostete zahlreiche Menschen das Leben. In den folgenden Jahrzehnten baute die DDR ihre Staatsgrenze zur Bundesrepublik zu einem beinahe unüberwindlichen "Todesstreifen" mit Stacheldraht, Minen, Selbstschussanlagen und scharfen Wachhunden aus. Dennoch kam es immer wieder zu spektakulären, aber auch tragisch endenden Fluchtversuchen. Zur Unterbindung der strafbaren (!) Republikflucht erließ die DDR-Führung schon bald einen Schießbefehl an die Grenzsoldaten.
Adenauer, der befürchtet hatte, dass sein sofortiges Erscheinen in der nun geteilten Stadt zu unkontrollierten Aufständen - besonders im Ostteil - führen würde, kam erst am 22. August 1961 nach Berlin. Dies kostete ihn und seine Partei in den folgenden Bundestagswahlen vom 17. September 1961 zahlreiche Stimmen. Zunehmende Differenzen mit seinen Ministern und seiner Partei führten am 15. Oktober 1963 zu seinem Rücktritt. Sein Nachfolger im Amt wurde Ludwig Erhard. Mit seiner bisherigen Tätigkeit als Wirtschaftsminister hatte sich das so genannte Wirtschaftswunder verbunden, der rasche wirtschaftliche Aufschwung mit Vollbeschäftigung, dessen Grundlagen jedoch bereits durch den amerikanischen Marshallplan gelegt worden waren. Die von Erhard geführte Koalitionsregierung aus Unionsparteien und FDP wurde nach den Wahlen von 1965 erneuert. Mit der Friedensnote vom 25. März 1966, die das Angebot des gegenseitigen Gewaltverzichts beinhaltete, wagten Kanzler Erhard und sein Außenminister Gerhard Schröder einen ersten Schritt in Richtung auf einen Abbau der Konfrontation mit der DDR und eine Ausrichtung der deutschen Außenpolitik auf die Gegebenheiten der deutschen Spaltung. Dagegen gelang es der Regierung nicht, die wachsende wirtschaftliche Rezession zu beheben und die u. a. dadurch entstandene Unruhe im Land zu beruhigen.
7.6 Von der großen Koalition zur sozialliberalen Regierung
Am 1. Dezember 1966 bildete Kurt Georg Kiesinger (CDU) eine große Koalition aus CDU/CSU und SPD, die u. a. eine wirtschaftliche Neuorientierung einleitete. Die Tatsache einer großen Koalition verstärkte die Proteste der Jugend, besonders der Studenten, die seit Anfang der sechziger Jahre kritisch mit der nationalsozialistischen Vergangenheit ins Gericht gegangen war und die, beeinflusst durch die neomarxistische Frankfurter Schule, nach grundlegenden Reformen in Staat und Gesellschaft rief. Zahlreiche, zum Teil gewalttätige Demonstrationen in den westdeutschen Großstädten und die Bildung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) waren die Folge. Nach jahrelangen Auseinandersetzungen wurde 1968, gegen heftigen Widerstand insbesondere der Gewerkschaften und gegen die Stimmen der FDP und von 50 Bundestagsabgeordneten der SPD, eine Notstandsverfassung mit Vorschriften für den "Verteidigungsfall", für Spannungssituationen und für Katastrophenfälle beschlossen.
7.7 Entwicklung zu einer entspannten Ostpolitik
1969 wurde Gustav Heinemann (SPD) zum Bundespräsidenten gewählt. Gewinner der Bundestagswahl vom 28. September 1969 wurde die SPD. Zusammen mit der FDP bildete sie unter Bundeskanzler Willy Brandt die neue Regierung, die antrat, eine neue Politik, vor allem im Verhältnis zur DDR, zu entwickeln. Die Staatlichkeit der DDR im Rahmen der deutschen Nation wurde akzeptiert und der Versuch unternommen, mit ihren Führern ins Gespräch zu kommen. Durch Unterzeichnung des deutsch-sowjetischen Moskauer Vertrags über gegenseitigen Gewaltverzicht und des deutsch-polnischen Warschauer Vertrags (beide 1970) über die Anerkennung der bestehenden polnischen Westgrenze an der Oder-Neiße-Linie (unter Vorbehalt) sowie den Abschluss des Berlinabkommens (1971) leitete Brandt eine neue Deutschland- und Ostpolitik ein. Es folgten 1972 der Verkehrsvertrag und der Grundvertrag, der die Beziehungen der beiden deutschen Staaten zueinander auf eine vertragsmäßige Basis stellen sollte. Die Auseinandersetzungen um die vor allem von der CDU bekämpften Ostverträge bestimmten von 1970 bis 1973 die innenpolitische Diskussion.
Durch ein konstruktives Misstrauensvotum versuchte die CDU/CSU-Opposition am 27. April 1972 vergeblich, Brandt zu stürzen. Durch das Überwechseln von Abgeordneten der FDP und der SPD zur Opposition verlor die Regierung zwar Sitze, gewann dann aber in der vorgezogenen Bundestagswahl 1972, und die SPD wurde stärkste Fraktion im Bundestag.
Am 18. September 1973 wurden die Bundesrepublik und die DDR in die Vereinten Nationen (UNO) aufgenommen. Die Auswirkungen der durch den Jom-Kippur-Krieg vom Oktober 1973 verursachten Ölkrise und der beschleunigten Inflation, große tarifpolitische Zugeständnisse der Regierung, innerparteiliche Kämpfe in der SPD und Spannungen mit dem Koalitionspartner, u. a. verursacht durch die Mitbestimmungsfrage, schwächten die Stellung Brandts. Dagegen konnte die CDU/CSU bei verschiedenen Landtagswahlen seit 1973 an politischem Terrain zugewinnen.
Nach der Enttarnung des DDR-Spions Günther Guillaume (siehe Guillaume-Affäre) im Bundeskanzleramt trat Brandt am 7. Mai 1974 zurück. Kurz zuvor, am 2. Mai, hatten die Ständigen Vertretungen der beiden deutschen Staaten in Bonn und Ostberlin ihre Arbeit aufgenommen. Akkreditiert wurden am 20. Juni für die Bundesrepublik Günter Gaus und für die DDR Michael Kohl. Die DDR sagte im Gegenzug Verbesserungen im Besucher- und Reiseverkehr zu.
7.8 Bundeskanzler Helmut Schmidt
Am 15. Mai 1974 wählte die Bundesversammlung den FDP-Vorsitzenden Walter Scheel zum vierten Bundespräsidenten und einen Tag später der Bundestag Finanzminister Helmut Schmidt (SPD) zum neuen Bundeskanzler. Seinem Kabinett gehörten elf SPD- und vier FDP-Minister an.
Am 1. August 1975 endete nach zweijährigen Beratungen in Genf und Helsinki die Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) mit der Unterzeichnung der Schlussakte durch Repräsentanten von 35 Staaten Europas - unter ihnen beide deutsche Staaten. In der Folge wurde u. a. ein Renten- und Kreditabkommen mit Polen abgeschlossen und die Ausreise von 125 000 Deutschstämmigen in die Bundesrepublik in den kommenden vier Jahren vereinbart.
Im November 1975 verabschiedete die SPD auf dem Mannheimer Parteitag einen ökonomisch-politischen Orientierungsrahmen als Langzeitprogramm bis 1985, das, vom Godesberger Programm ausgehend, die Grundwerte des demokratischen Sozialismus präzisierte.
Bei der achten Bundestagswahl vom 3. Oktober 1976 wurde die CDU/CSU wieder stärkste Fraktion, doch behauptete die sozialliberale Koalition knapp die Mehrheit.
7.8.1 Organisierter Terrorismus
Ein Hauptproblem der Innenpolitik in der zweiten Hälfte der siebziger Jahre ergab sich aus dem Auftreten des bewaffneten Terrorismus in Form der Baader-Meinhof-Gruppe und ihrer Nachfolgeorganisation Rote-Armee-Fraktion (RAF) mit mehreren Attentaten auf Politiker und einflussreiche Repräsentanten der Wirtschaft sowie der Diskussion um die Methoden der strafrechtlichen Verfolgung (Kontaktsperregesetz, Verteidigerausschluss).
Im Juni 1978 musste Innenminister Werner Maihofer (FDP) wegen Fahndungspannen im Entführungsfall Schleyer und des umstrittenen "Lauschangriffs" auf den der Kontakte zur Terrorszene verdächtigten Atomwissenschaftler Klaus Traube zurücktreten. Sein Nachfolger wurde Gerhard Baum (FDP).
7.8.2 Die Beziehungen zur DDR Anfang der achtziger Jahre
Am 1. Juli 1979 übernahm Carl Carstens (CDU) das Amt des Bundespräsidenten. Trotz zunehmender Verhandlungsaktivitäten zwischen beiden deutschen Staaten und angeblich expandierender DDR-Wirtschaft nahmen DDR-Bürger nach wie vor große Risiken auf sich, um in die Bundesrepublik zu flüchten. Mitte September 1979 gelang acht DDR-Bürgern die Flucht mit einem Heißluftballon. Im August 1980 gab die Zentrale Erfassungsstelle der deutschen Länderjustizverwaltung bekannt, dass seit dem 13. August 1961, dem Tag des Baus der Mauer in Berlin, 25 000 Fälle von Gewaltanwendung und Übergriffen von DDR-Organen registriert und 177 Menschen an der Mauer ums Leben gekommen waren. Ebenfalls im September 1979 befürwortete die Synode des Bundes der Evangelischen Kirche der DDR in Dessau den baldigen Zusammenschluss der Landeskirchen.
Die Beziehungen zur DDR wurden auf verschiedenen Ebenen ausgebaut. Im März 1980 beschlossen die Jungsozialisten in der SPD (Vorsitzender Gerhard Schröder), ihre Beziehungen zur Freien Deutschen Jugend (FDJ) zu vertiefen, und bei einem Gespräch mit Bundeskanzler Schmidt im April erklärte Günter Mittag, Mitglied des Politbüros und ranghöchster Wirtschaftspolitiker der DDR, seine Regierung wünsche einen systematischen Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen mit der Bundesrepublik. Außerdem wurde zur Verbesserung des Berlinverkehrs ein Abkommen unterzeichnet, nach dem sich die Bundesrepublik mit 507 Millionen DM an den Kosten beteiligen sollte. Aus Anlass des Tages der Deutschen Einheit am 17. Juni 1980 betonte Kanzler Schmidt die Vordringlichkeit des Friedens; die deutsche Einheit sei nicht erzwingbar. Das brachte ihm die Rüge der Opposition ein, er betrachte die deutsche Frage nur als Pflichtübung.
Bei den Wahlen zum neunten Bundestag am 5. Oktober 1980 konnte Helmut Schmidt mit der sozialliberalen Koalition seine Mehrheit ausbauen. Gegenkandidat der Unionsparteien war Franz Josef Strauß (CSU). Die CDU/CSU blieb stärkste Fraktion im Bundestag, obwohl sie 4,1 Prozentpunkte eingebüßt hatte. Als ihr Vorsitzender wurde für weitere vier Jahre Helmut Kohl wieder gewählt. Schmidt bekannte sich erneut zur NATO, EG und zur Partnerschaft mit den USA als Grundlagen westlicher Sicherheit. Ebenso plädierte er für den Erhalt und Ausbau der Beziehungen zur DDR wie auch zu den osteuropäischen Staaten. Zur Aufrechterhaltung des militärischen Gleichgewichts befürwortete er Rüstungskontrolle statt -wettlauf. Sicherung der Energieversorgung, Intensivierung des Wohnungsbaus und Integration der Ausländer waren weitere Ziele seiner Politik.
Am 9. Oktober 1980 (vier Tage nach der Bundestagswahl) erhöhte die DDR die Mindestumtauschsätze für Westbesucher von 13 DM auf 24 DM pro Tag. Wenige Tage später forderte SED-Generalsekretär Erich Honecker die Anerkennung der DDR-Staatsbürgerschaft durch die Bundesrepublik sowie die Umwandlung der Ständigen Vertretungen beider Staaten in Botschaften. Die Bundesregierung protestierte gegen die Erhöhung des Zwangsumtausches, der die Besucherzahlen stark zurückgehen ließ.
7.8.3 Der NATO-Doppelbeschluss
In der Folge SPD-interner Differenzen - insbesondere um den NATO-Doppelbeschluss von 1979 - drohte Kanzler Schmidt im Mai 1981 mit seinem Rücktritt, falls sich die Partei in ihrer Mehrheit gegen den Beschluss von 1979 aussprechen sollte. Seiner Einschätzung nach musste das angesichts der internationalen Situation unabsehbare Konsequenzen für das westliche Bündnis haben. Zusammen mit US-Präsident Ronald Reagan betonte er während einer USA-Reise, dass Abschreckung und Rüstungskontrolle integrale Bestandteile des Bündnisses seien. Auf dem Sonderparteitag der SPD am 21. Juni wurde dann, trotz heftiger Kritik, mehrheitlich für den Nachrüstungsbeschluss gestimmt. Allerdings sprachen sich die Jungsozialisten eine Woche später ausdrücklich gegen den Beschluss, gegen Kernkraft und für die Verstaatlichung der Schlüsselindustrien aus. Im Anschluss an eine bei den Unionsparteien wie auch der US-Regierung auf harte Ablehnung gestoßenen Reise des SPD-Vorsitzenden Brandt nach Moskau erläuterte dieser die sowjetischen Vorschläge für eine Einfrierung der Zahl der Mittelstreckenraketen und Aufnahme von Abrüstungsverhandlungen mit den USA. Die Bundesregierung stimmte verhalten zu.
Am 11. Juni 1981 wählte das Berliner Abgeordnetenhaus Richard von Weizsäcker zum Regierenden Bürgermeister der Stadt Berlin. Am 13. August bezeichnete dieser die 20 Jahre zuvor errichtete Berliner Mauer als ein "Symbol der Trennung", das viele Opfer gefordert hätte. Am 28. September wurde der DDR-Spion Guillaume durch den Bundespräsidenten begnadigt und im Rahmen einer Austauschaktion in die DDR gebracht.
Anfang Dezember reiste Schmidt zu Gesprächen mit Erich Honecker an den Werbellinsee. Dabei erneuerte die DDR ihren Anspruch auf eine eigene Staatsbürgerschaft; der zinslose Kredit der Bundesrepublik für die DDR wurde erhöht und verlängert.
Ab Oktober desselben Jahres kam es im Zusammenhang mit dem Bau der Startbahn West des Frankfurter Flughafens zu schweren Ausschreitungen, in deren Verlauf auch für Frieden und Abrüstung und gegen den NATO-Doppelbeschluss demonstriert wurde.
7.9 Bundeskanzler Helmut Kohl
Die seit Sommer 1982 virulente Koalitionskrise zwischen SPD und FDP verschärfte sich im September aus Anlass eines von Bundeswirtschaftsminister Otto Graf Lambsdorff vorgelegten "Strategiepapiers". Am 17. September traten die vier FDP-Minister Baum, Ertl, Genscher und Lambsdorff zurück, nachdem Bundeskanzler Helmut Schmidt die Koalition mit der FDP aufgekündigt hatte, und die SPD regierte mit einem Minderheitskabinett weiter. Am 1. Oktober 1982 brachten die CDU/CSU- und die FDP-Fraktion den Antrag auf ein konstruktives Misstrauensvotum gegen Bundeskanzler Schmidt im Bundestag ein. Aus der Abstimmung ging der Führer der Opposition, Helmut Kohl, mit 223 Stimmen der Union und 33 der FDP als neuer Bundeskanzler hervor. Zahlreiche Delegierte des FDP-Bundeskongresses am 1. November 1982 traten infolge der Ereignisse aus der Partei aus. Wie zuvor abgesprochen, verweigerten auch die Abgeordneten der neuen Regierungsparteien dem Kanzler ihre Vertrauensbezeugung (am 17. Dezember 1982). Damit war der Weg frei für die Auflösung des Bundestages durch den Bundespräsidenten (7. Januar 1983), der gleichzeitig die Neuwahlen für März anberaumte. Aus den Bundestagswahlen vom 6. März 1983 gingen die Unionsparteien gestärkt, die FDP dagegen geschwächt hervor. Hans-Jochen Vogel wurde, als Nachfolger von Herbert Wehner, SPD-Fraktionsvorsitzender und Oppositionsführer im Bundestag.
Am 23. Mai 1984 wählte die achte Bundesversammlung Richard von Weizsäcker zum sechsten Bundespräsidenten, der am 1. Juli sein Amt antrat. Er hielt am 8. Mai 1985 eine weltweit beachtete Rede anlässlich des "Tages der Befreiung von dem menschenverachtenden System der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft".
7.9.1 Die Innen- und Außenpolitik der Regierung Kohl bis 1989
Anfang Juli 1985 handelten Bonn und Ostberlin erneut eine Erhöhung des Überziehungskredits der DDR von 600 auf 850 Millionen DM für weitere fünf Jahre aus. Gleichzeitig sorgte die DDR - wohl als Reaktion auf die Festnahmen bzw. Enttarnungen verschiedener DDR-Spione in der Bundesrepublik - für einen Ausbau der Kontaktsperren, um so eine weitere Abgrenzung der Deutschen in beiden Staaten zu erreichen.
Am 9. Dezember 1986 verzeichnete der Bundesminister für innerdeutsche Beziehungen Heinrich Windelen eine "gute Bilanz" der Kontakte: Mehrere innerdeutsche Städtepartnerschaften wurden abgeschlossen, der Reiseverkehr hatte einen Höchststand erreicht, und im März 1987 nahmen erstmals Bundeswehroffiziere als Beobachter an Manövern der Warschauer-Pakt-Staaten teil.
Die Bundestagswahl vom 25. Januar 1987 brachte erneut eine Bestätigung der Bonner Regierungskoalition, obwohl die Union starke Verluste hinnehmen musste. Während die FDP zulegte, verlor die SPD Stimmen. Am 23. März 1987 erklärte der langjährige SPD-Vorsitzende Brandt in der Folge innerparteilicher Kritik wegen der Berufung einer neuen SPD-Sprecherin seinen Rücktritt (Nachfolger wurde am 14. Juni Hans-Jochen Vogel).
Mit dem Besuch des israelischen Staatspräsidenten Chaim Herzog in der Bundesrepublik Anfang April 1987 betrat erstmals ein Staatsoberhaupt Israels deutschen Boden. Am 1. Juni einigte sich die Bonner Koalition über die Zustimmung zu einer erweiterten amerikanisch-sowjetischen Null-Lösung bei Mittelstreckenraketen. Anfang September 1988 begann der Abzug der amerikanischen Pershing-II-Raketen aus der Bundesrepublik auf dem Stützpunkt Waldheide bei Heilbronn.
Die Jahresbilanz 1987 zeigte außerdem deutlich, dass trotz zunehmender Reise- und Kulturaktivitäten nach beiden Seiten auch die Zahl der Flüchtlinge und der Übersiedler in die Bundesrepublik laufend angestiegen war. Am 1. November 1987 traten zudem die von Honecker in Bonn zugesagten Reise- und Paketzusicherungen in Kraft. Einen Tag zuvor hatten die drei westlichen Stadtkommandanten Schüsse von DDR-Wachtposten auf Flüchtlinge als "grobe Missachtung grundlegender Menschenrechte" verurteilt. Am 9. November verständigten sich Vertreter beider deutscher Staaten auf rund 100 Vorhaben der kulturellen Zusammenarbeit im Rahmen des Kulturabkommens von 1986.
1988 registrierten die Aufnahmelager in der Bundesrepublik über 200 000 Aussiedler aus Osteuropa. Knapp 40 000 Zuwanderer kamen aus der DDR (1987: rund 19 000). Im Januar 1989 verurteilte Honecker "extremistische Ausfälle gegen die DDR" auf der KSZE-Folgekonferenz in Wien. In den folgenden Monaten ereigneten sich mehrere spektakuläre, zum Teil tödlich endende Fluchtversuche von DDR-Bürgern, was zu Protesten der Bundesregierung und der drei westlichen Alliierten sowie zu Absagen von Besuchen von Politikern auf verschiedenen Ebenen führte. Im April installierten DDR-Soldaten zusätzliche Signaldrähte an der innerdeutschen Grenze.
Bei einem Besuch in Bonn Mitte des Monats bekannte sich der sowjetische Staats- und Parteichef Michail Gorbatschow für die UdSSR erstmals zum Selbstbestimmungsrecht der Völker und zum Schutz von Minderheiten. Zur Berliner Mauer sagte er, diese könnte auch wieder verschwinden, wenn die Voraussetzungen wegfielen, die sie hervorgebracht hätten.
7.9.2 Schritte zur Wiedervereinigung
Im August 1989 spitzte sich die Flüchtlingsbewegung aus der DDR dramatisch zu; 55 970 DDR-Bürger waren zwischen Januar und Juli 1989 bereits in die Bundesrepublik gekommen, davon 46 634 mit Ausreisegenehmigung. Hunderte Menschen hatten sich in die diplomatischen Missionen der Bundesrepublik in Ostberlin, Budapest und Prag geflüchtet. Eine Lösung des Problems wurde dadurch erschwert, dass die DDR-Führung den Ausreisewilligen nur noch Straffreiheit zusicherte, aber keine Ausreisezusagen mehr machte.
Nach Öffnung der österreichisch-ungarischen Grenze durch Ungarn reisten innerhalb von drei Tagen 15 000 Bürger der DDR aus. Sonderausreisegenehmigungen am 1. und 4. Oktober durch die DDR-Regierung (am 5. Oktober begannen die großen Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR-Gründung) hatten die Flucht von mehreren tausend Ausreisewilligen über Prag, Warschau und aus Dresden zur Folge. Anlässlich seines Besuchs in Ostberlin mahnte der sowjetische Partei- und Staatschef Gorbatschow die Notwendigkeit von Reformen in der DDR an. In Leipzig demonstrierten bei Friedensgebeten Tausende (am 23. Oktober circa 300 000) für Reformen in der DDR (siehe Montagsdemonstrationen).
Am 26. Oktober telefonierte Kohl mit dem neuen Partei- und Staatschef der DDR, Egon Krenz (Honecker hatte am 18. Oktober alle Ämter niedergelegt), über die Fortsetzung der Zusammenarbeit, am 9. November öffnete die DDR alle Grenzen, und noch in derselben Nacht eilten Tausende in den Westen.
Am 7. Dezember begannen die Gespräche zwischen DDR-Regierung und Opposition am runden Tisch in Ostberlin. Die Botschafter Großbritanniens, Frankreichs und der USA in der Bundesrepublik sowie der sowjetische Botschafter in der DDR trafen sich am 11. Dezember zu Gesprächen in Berlin; Kohl fuhr am 19. Dezember zum Ministerratsvorsitzenden Modrow nach Dresden, und sie beschlossen die Bildung einer Vertragsgemeinschaft. Die erste deutsch-deutsche Bankenbeteiligung wurde am 17. Januar 1990 vereinbart; gleichzeitig trafen sich die ranghöchsten Offiziere der Bundeswehr und der Nationalen Volksarmee (NVA); am 23. Januar trat die deutsch-deutsche Wirtschaftskommission zusammen; am 1. Februar legte Modrow eine "Erklärung über den Weg zur deutschen Einheit vor", deren "Konzept deutscher Neutralität" der Bundeskanzler allerdings strikt ablehnte; im Anschluss an einen Besuch in Bonn vermeldete Modrow die Weichenstellung für die "baldige Vereinigung von DDR und BRD zu einem deutschen Bundesstaat"; am 18. März erkannten die Mitgliedsstaaten des Warschauer Paktes in Prag das Recht beider deutscher Staaten auf Einheit an. Am 20. März verständigten sich die Regierungsparteien in Bonn auf einen "Fahrplan zur deutschen Einheit". Ende April begannen DDR-Grenzsoldaten mit dem Abbruch der Berliner Mauer. Am 10. Mai setzte der Bundestag den Ausschuss "Deutsche Einheit" ein, eine Woche später einigten sich Bund und Länder auf einen "Kreditfonds Deutsche Einheit", und am 18. Mai unterzeichneten Bundesfinanzminister Waigel und sein DDR-Kollege Romberg im Bonner Palais Schaumburg den Staatsvertrag zur Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, die am 1. Juli in Kraft trat (Kernbestimmung: die D-Mark wurde ab diesem Datum offizielles Zahlungsmittel in der DDR). Anfang August kündigte Bundesverteidigungsminister Stoltenberg die Bildung einer gesamtdeutschen Armee mit 320 000 Bundeswehr- und 50 000 NVA-Soldaten an.
7.9.3 Die Wiedervereinigung
Am 23. August beschloss die DDR-Volkskammer den "Beitritt der DDR zur Bundesrepublik zum 3. Oktober 1990 gemäß Art. 23 des Grundgesetzes". Am 12. September unterzeichneten die Außenminister der beiden deutschen Staaten sowie Frankreichs, Englands, der USA und der Sowjetunion in Moskau den Zwei-plus-Vier-Vertrag, in dem die äußeren Aspekte der Herstellung der deutschen Einheit einschließlich der Fragen der Sicherheit der Nachbarstaaten geregelt und dem vereinten Deutschland nach 45 Jahren die volle Souveränität zuerkannt wurde. Er trat nach der Ratifizierung durch die Parlamente der vier Alliierten im Frühjahr 1991 in Kraft.
Mit der Verabschiedung der westalliierten Stadtkommandanten am 2. Oktober 1990 war der Besatzungsstatus Berlins beendet. Am selben Tag trat die Volkskammer zum letzten Mal zusammen und löste sich ebenso auf wie die NVA. Am 20. September hatten Bundestag und Volkskammer mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit den Einigungsvertrag über den Beitritt der DDR sowie die rechtlichen und sozialen Fragen im zusammenwachsenden Deutschland endgültig verabschiedet, der am 29. September rechtskräftig wurde. Weitere wichtige Etappen in der Entwicklung Deutschlands nach dem 3. Oktober waren der deutsch-sowjetische Stationierungsvertrag (12. Oktober), der den Abzug der rund 380 000 Sowjetsoldaten und ihrer 220 000 Angehörigen festlegte, die Eingliederung der ehemaligen DDR in die EG (22. Oktober), der von Kohl und Gorbatschow unterzeichnete deutsch-sowjetische Vertrag über gute Nachbarschaft, Partnerschaft und Zusammenarbeit (9. November) und der Deutsch-Polnische Grenzvertrag (14. November).
Aus der ersten gesamtdeutschen Bundestagswahl am 2. Dezember 1990 ging die CDU/CSU/FDP-Regierungskoalition mit 54,8 Prozent als Sieger hervor - auch in Berlin wurde am selben Tag die CDU stärkste Partei. Am 17. Januar 1991 trat Helmut Kohl erneut die Bundeskanzlerschaft an.
7.9.4 Aufarbeitung des DDR-Unrechts
Am 30. November 1990 erließ das Amtsgericht Berlin-Tiergarten Haftbefehl gegen Honecker wegen gemeinschaftlich begangenen Totschlags ("Schießbefehl"). Wegen seines akut verschlechterten Gesundheitszustands und der ungeklärten Rechtslage wurde der unter sowjetischer Obhut stehende ehemalige DDR-Chef aber nicht ausgeliefert.
Verschiedene RAF-Terroristen, die im Zuge der Wiedervereinigung in der DDR aufgespürt worden waren, weil sie seit Ende der siebziger Jahre mit Hilfe des Ministeriums für Staatssicherheit (Stasi) hier Unterschlupf und Unterstützung gefunden hatten, wurden zu hohen Strafen verurteilt. Gegen den ehemaligen Stasi-Chef Mielke und einige seiner Mitarbeiter wurde Ende März Haftbefehl erlassen.
7.9.5 Folgen der deutschen Einheit
In der Folgezeit wurden gemäß dem Einigungsvertrag zahlreiche Beschäftigte des öffentlichen Dienstes der DDR - vor allem auch der Universitäten - entlassen. Unmut in Ostdeutschland weckte darüber hinaus eine Regelung, nach der zur Gewinnung westdeutschen Personals für die ostdeutsche Verwaltung Westbeamte uneingeschränkt nach Westniveau besoldet wurden und ihre Verwendungszeit im Osten für das Ruhegeld doppelt zählen sollte.
Gegen verschiedene Machthaber der ehemaligen DDR wurden wegen der Todesschüsse an der Mauer, der Veruntreuung von Geldern und anderer Delikte Haftbefehl erlassen (siehe Politbüro-Prozess).
Das Wirtschaftssystem der DDR wurde abgeschafft und marktwirtschaftliche Verhältnisse eingeführt. Nach anfänglicher Euphorie machte sich in der Bevölkerung eine deutliche Ernüchterung breit, zumal viele erstmals die Erfahrung der Arbeitslosigkeit machten. In der Bevölkerung setzte ein sozialer Differenzierungsprozess ein, der "Vereinigungsgewinner und -verlierer" trennte.
Am 20. Juni 1991 beschloss der Bundestag die Verlegung des Sitzes von Bundesregierung und Bundesrat nach Berlin. Die Berliner Treuhandanstalt verkaufte bis Ende Juni 2 583 Unternehmen aus ehemaligem DDR-Staatsbesitz für insgesamt 10,6 Milliarden DM. Im September 1991 häuften sich Anschläge Rechtsradikaler auf Asylbewerberheime; insgesamt stieg, besonders in den neuen Bundesländern, die Zahl fremdenfeindlicher Straftaten.
7.9.6 Das vereinte Deutschland
Die folgenden Jahre waren gekennzeichnet durch die Diskussionen um die Haltung der Bundesrepublik angesichts des Krieges im ehemaligen Jugoslawien und um den Einsatz der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes sowie die Verabschiedung des Vertrags von Maastricht über die Europäische Union. Rechtsradikale Ausschreitungen nahmen weiter zu, in mehreren Prozessen gegen ehemalige Repräsentanten der DDR (Markus Wolf, Erich Mielke u. a.) sowie gegen informelle Mitarbeiter der Stasi und Mauerschützen (Mauerschützenprozesse) wurde das DDR-Erbe juristisch aufgearbeitet; die Arbeitslosigkeit stieg an, gleichzeitig aber kam es in den neuen Bundesländern zu einem raschen wirtschaftlichen Aufschwung.
Am 23. Mai 1994 wurde der Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Roman Herzog, als Nachfolger Richard von Weizsäckers zum neuen Bundespräsidenten gewählt. Die Wirtschaftsverträge mit ehemaligen Ostblockstaaten wurden angekurbelt, die Kurdenproblematik trat durch gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Kurdenorganisationen auf deutschem Boden deutlich zum Vorschein, und in der Asylbewerber-, Flüchtlings- und Aussiedlerproblematik wurde mit wechselndem Erfolg nach Lösungen gesucht (siehe Asylrecht).
Bei der Wahl zum 13. Bundestag im Oktober 1994 konnte sich die Regierungskoalition behaupten. Ende des Jahres 1994 stellte die Treuhandanstalt ihre Tätigkeit ein. Im Mai 1995 jährte sich zum 50. Mal das Ende des 2. Weltkrieges sowie der nationalsozialistischen Herrschaft. In der Deutsch-Tschechischen Erklärung vom 20. Dezember 1996 bekannte sich die Bundesrepublik "zur Verantwortung Deutschlands für seine Rolle in einer historischen Entwicklung, die zum Münchner Abkommen von 1938, der Flucht und Vertreibung von Menschen aus dem tschechoslowakischen Grenzgebiet sowie zur Zerschlagung und Besetzung der Tschechoslowakischen Republik geführt hat". Im Gegenzug bedauerte die tschechische Regierung erstmals offiziell die Vertreibung der Sudetendeutschen und "insbesondere die Exzesse, die im Widerspruch zu elementaren humanitären Grundsätzen und auch den damals geltenden rechtlichen Grundsätzen gestanden haben". Im Umfeld der schließlich von beiden Regierungen unterzeichneten Erklärung kam es in beiden Ländern zu erheblichen Kontroversen.
1997 standen die hohe Arbeitslosigkeit, die sich verschärfende Rentenkrise, Kontroversen um eine Steuerreform und die so genannten "Kosten der Einheit" im Mittelpunkt der politischen Diskussion. Im Zusammenhang mit Atommülltransporten (Castor-Transporte) nach Gorleben kam es zum größten Polizeieinsatz der Nachkriegsgeschichte sowie zu heftigen Auseinandersetzungen mit Atomkraftgegnern.
Im August 1997 wurden die ehemaligen DDR-Politbüromitglieder Egon Krenz, Günter Schabowski und Günther Kleiber zu sechseinhalb (Krenz) bzw. jeweils drei Jahren Haft verurteilt. Regierungskoalition und SPD einigten sich auf die Einführung des so genannten großen Lauschangriffs, der der Polizei das Abhören von Privatwohnungen erlaubt. Im September 1997 billigte der deutsche Bundestag den Vertrag von Amsterdam, der eine Reform und Erweiterung der EU vorsieht. Im Februar 1998 gab es in der Bundesrepublik Deutschland über 4,8 Millionen Arbeitslose; das war der bisherige Höchststand in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die Arbeitslosenquote für das gesamte Bundesgebiet lag im Februar bei 12,6 Prozent.
Am 1. April 1998 wurden die systematischen Kontrollen im Personenverkehr an den Grenzen zwischen Deutschland, Österreich und Italien aufgehoben. Damit haben die drei Länder die Vereinbarung des Schengener Abkommens umgesetzt, das u. a. den ungehinderten Reiseverkehr zwischen den Unterzeichnerstaaten vorsieht. Deutschland hatte das Abkommen 1990 zunächst mit Frankreich und den Beneluxstaaten geschlossen, Italien trat 1992 und Österreich 1995 bei.
7.10 Regierungswechsel
Innenpolitisch stand das Frühjahr 1998 bereits im Zeichen des Wahlkampfes zur am 27. September stattfindenden Neuwahl des Deutschen Bundestages. Nach seinem Wahlsieg bei den Landtagswahlen in Niedersachsen am 1. März 1998 wurde der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder von seiner Partei, der SPD, formell als Kandidat für das Amt des Bundeskanzlers nominiert.
Der Erfolg der rechtsradikalen DVU bei der Landtagswahl am 26. April 1998 in Sachsen-Anhalt löste eine bundesweite Diskussion über das Protest- und Nichtwählerverhalten und eine Debatte über den Rechtsradikalismus aus. Mit 12,9 Prozent der Stimmen hatte die DVU das beste Ergebnis einer rechtsradikalen Partei in Deutschland nach dem 2. Weltkrieg erzielt. Der durch die Wahlergebnisse in seinem Amt bestätigte Ministerpräsident Reinhard Höppner (SPD) bildete wieder eine von der PDS tolerierte Minderheitsregierung. Diese Tolerierung durch die PDS führte erneut zu einer heftigen Auseinandersetzung zwischen den großen Parteien über die Koalitionsfähigkeit der PDS: CDU und FDP lehnten eine Zusammenarbeit mit der PDS strikt ab, SPD und Grüne zeigten sich zu partieller Zusammenarbeit bereit. In der Praxis allerdings kooperierte aber auch die CDU zumindest auf kommunaler Ebene schon seit längerem mit der PDS.
Im April 1998 stimmte der Deutsche Bundestag mit großer Mehrheit für die Teilnahme der Bundesrepublik an der dritten und letzten Stufe der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion, an der nach dem wenig später gefassten Beschluss des Europäischen Rates ab dem 1. Januar 1999 neben Deutschland die EU-Mitglieder Frankreich, Spanien, Portugal, Italien, Belgien, Luxemburg, die Niederlande, Österreich, Irland und Finnland teilnehmen sollten.
Die Wahlen zum 14. Deutschen Bundestag am 27. September 1998 gewann die SPD: Sie erhielt 40,9 Prozent der Stimmen (gegenüber 36,4 Prozent 1994) und zog mit 298 Abgeordneten (inklusive 13 Überhangmandaten) in den Bundestag ein. Die CDU/CSU kam auf 35,2 Prozent (ein Minus von 6,2 Prozentpunkten) und 245 Sitze; sie erzielte damit ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949. Bündnis 90/Die Grünen erreichten 6,7 Prozent (0,6 Prozentpunkte weniger als 1994) und 47 Bundestagssitze. Die FDP zog mit 6,2 Prozent (ein Minus von 0,7 Prozentpunkten) und 43 Abgeordneten wieder in den Bundestag ein. Die PDS übersprang mit 5,1 Prozent knapp die Fünfprozenthürde und war nun mit 36 Abgeordneten erstmals als Fraktion im Bundestag vertreten. Die SPD vereinbarte ein Koalition mit Bündnis 90/Die Grünen; Bundeskanzler wurde Gerhard Schröder, Vizekanzler und Außenminister Joschka Fischer von Bündnis 90/Die Grünen.
Am 23. Mai 1999 wählte die Bundesversammlung Johannes Rau, den Kandidaten der SPD, zum achten Präsidenten der Bundesrepublik Deutschland. Er trat sein Amt als Nachfolger von Roman Herzog am 1. Juli 1999 an.
Im September 2001 übernahm die Bundesrepublik beim zweiten NATO-Einsatz in der Ehemaligen Jugoslawischen Republik Makedonien erstmals die Führung einer internationalen Militäraktion. Der Bundestag hatte mit großer Mehrheit die Beteiligung der Bundeswehr am NATO-Einsatz "Amber Fox" zum Schutz internationaler Beobachter gebilligt.
Nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 versicherte Bundeskanzler Schröder die USA der uneingeschränkten Solidarität der Bundesrepublik im Kampf gegen den Terrorismus. Die Bundesregierung stimmte am 7. November nach einem entsprechenden Ersuchen der USA der Entsendung von deutschen Soldaten zur Unterstützung des Antiterrorkrieges der USA gegen Ziele in Afghanistan zu. Die bevorstehende Abstimmung im Bundestag über diesen Bundeswehreinsatz verband Schröder am 16. November mit der Vertrauensfrage, nachdem offensichtlich geworden war, dass der Bundestag zwar mit großer Mehrheit für die Entsendung deutscher Soldaten stimmen würde, dass diese Mehrheit aber nicht von der Regierungskoalition kommen, sondern der Opposition zu verdanken sein würde. Schröder gewann die Abstimmung mit knapper Mehrheit. Am 22. Dezember 2001 stimmte der Bundestag dem Einsatz der Bundeswehr im Rahmen der UN-Sicherheitstruppe für Kabul und Umgebung mit großer Mehrheit zu.
Anhaltende Starkniederschläge über dem östlichen Mitteleuropa führten im August 2002 zu einer Flutkatastrophe ungeahnten Ausmaßes. Die nach Expertenmeinung stärksten Regenfälle der letzten 500 Jahre in Deutschland ließen vor allem in den östlichen Bundesländern zahlreiche Flüsse über die Ufer treten, woraufhin mehrere Hunderttausend Menschen zeitweilig evakuiert werden mussten. Die Gesamtschäden der Flutkatastrophe beliefen sich auf rund 22,6 Milliarden Euro; davon entfielen allein auf Sachsen circa 16,5 Milliarden und auf Sachsen-Anhalt etwa fünf Milliarden. Schäden waren auch in Bayern, Niedersachsen, Brandenburg und Thüringen zu verzeichnen.
Bei den Bundestagswahlen vom 22. September 2002 wurde die SPD trotz Stimmenverlusten mit 38,5 Prozent erneut stärkste Partei, ihr Koalitionspartner Bündnis 90/Die Grünen verbesserte sich auf 8,6 Prozent. Die CDU/CSU verzeichnete gegenüber der letzten Wahl Stimmengewinne und erzielte wie die SPD 38,5 Prozent, erhielt allerdings knapp 9 000 Stimmen weniger als die Sozialdemokraten. Die FDP kam auf 7,4 Prozent, die PDS scheiterte an der Fünfprozenthürde. In den wegen einer Neueinteilung der Wahlkreise verkleinerten Bundestag zog die SPD mit 251 Abgeordneten (einschließlich vier Überhangmandaten) ein, die CDU/CSU stellt 248 Abgeordnete (darunter ein Überhangmandat), Bündnis 90/Die Grünen sind mit 55 Abgeordneten vertreten, die FDP mit 47 Abgeordneten und die PDS mit zwei über Direktmandate gewählten Abgeordneten. Damit verfügt die rotgrüne Koalition mit 306 von insgesamt 603 Sitzen weiterhin über eine Mehrheit im Parlament.
Bereits im Vorfeld der Wahlen hatte die Bundesregierung angekündigt, dass sich Deutschland - im Falle einer Bestätigung der rotgrünen Regierung - nicht aktiv an einem bewaffneten Konflikt im Irak beteiligen werde. Diese Position behielt sie auch in der Folgezeit bei, wodurch das Verhältnis zu den Vereinigten Staaten stark belastet wurde.
Nach der Bundestagswahl wurde bekannt, dass entgegen früherer Schätzungen das Haushaltsdefizit Deutschlands noch im Jahr 2002 die im Euro-Stabilitätspakt vorgesehene zulässige Obergrenze von 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) überschreiten werde. Am Ende des Jahres belief es sich auf 3,8 Prozent; in der Konsequenz leitete die Europäische Union im Januar 2003 ein Defizitverfahren gegen Deutschland ein und forderte die Bundesregierung auf, die erforderlichen Maßnahmen zur Senkung des Staatsdefizits zu ergreifen.
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