2.1. Der Standort
2.1.1. Auswahlkriterien
Die Wahl Hong Kong Islands als Standort für eine neue Kolonie erfolgte aus langfristigen wirtschaftlichen und militärischen Überlegungen der East India Company der Briten. Hierbei spielte die Beschaffenheit der Insel selbst offensichtlich eine untergeordnete Rolle, denn ihre geringe Fläche und vor allem die steilen Berghänge setzen den Möglichkeiten zur Besiedlung enge Grenzen. Außerdem bestand die Einwohnerschaft zum Zeitpunkt der Annexion aus einer vorwiegend bäuerlichen Bevölkerung von nur 6.000 Personen. Die Zahl der potentiellen Arbeitskräfte und die vorhandene Kaufkraft war also gering. Dementsprechend stark wurde die Entscheidung für Hong Kong Island durch die britische Öffentlichkeit kritisiert. Doch der Standort besitzt ganz wesentliche Vorzüge, die für vorausschauende Militärs und Geschäftsleute den Ausschlag gaben. Dies waren die geographische Lage und ganz besondere Eigenschaften des Inselhafens. Hieraus ergaben sich enorme Möglichkeiten zu weiterer territorialer und wirtschaftlicher Expansion, für die Hong Kong als Basis dienen sollte.
Hong Kongs Insellage ermöglichte die Verteidigung der Kolonie mit relativ geringem personellen Aufwand, und die natürliche Begrenzung zum chinesischen Kaiserreich machte den Bau größerer Festigungsanlagen zunächst überflüssig. Das Kapital der East India Company konnte darum zum Ausbau der Infrastruktur und zur Schaffung neuen Baulands durch Planierung einiger Berge verwendet werden. Die Lage am Südchinesischen Meer und an der Perlflußmündung, durch die Kanton auf direktem Wasserweg erreichbar ist, boten sowohl Militär als auch Handel von Beginn an gute Voraussetzungen zum Transport von Soldaten und Waren ins chinesische Festland und ins übrige Südostasien.
Der größte Vorzug von Hong Kong Island ist aber der natürliche Tiefwasserhafen an ihrer Nordküste. Er ist der einzige taifunsichere Hafen in dieser Region und die Tiefe des Beckens war auch für große Kriegsschiffe ausreichend. Um ihn leichter verteidigen zu können, besetzte Großbritannien auch die an der Gegenküste liegende Halbinsel Kowloon.
Nach Abschluß des \"Pachtvertrages\" von 1898 über die New Territories im Hinterland von Kowloon vergrößerte sich das Territorium um das Zehnfache. Hong Kong erhielt damit seine heutigen Grenzen. Die 1.040 km2 Landfläche der Kolonie verteilen sich auf den Kern Hong Kong Island, einem festländischen Teil mit Kowloon und den nördlichen New Territories, sowie die ebenso zu den New Territories zählenden 235 Inseln einschließlich Lantaos. Durch die zahlreichen Inseln ergibt sich eine Küstenlinie von gesamt 733 Kilometern; zu China gibt es eine 30 Kilometer lange Landgrenze, während das Gebiet Macaos nicht direkt angrenzt.
Hong Kong Island und Kowloon stellen das Wirtschaftszentrum der Kolonie dar, während die New Territories vor allem die Aufgabe haben, die Reserve an Bauland zu bilden. In den Anfangsjahren der Kolonie sollten sie die Verteidigung und Versorgung der Kolonie mit den wichtigsten Nahrungsmitteln und Rohstoffen sicherstellen. Ihre Produktion reichte jedoch schon sehr früh nicht mehr für die schnell wachsende Bevölkerung aus. Hong Kong ist vollkommen von den Lieferungen aus China abhängig. Heute wäre die Kolonie in Krisenzeiten nicht einmal in der Wasserversorgung autark.
2.1.2. Veränderungen der Landschaft
Im Zuge der Besiedelung Hong Kongs wurde die Landschaft stark verändert. Aus Mangel an Baufläche wurden bereits in den ersten Jahren der Kolonie Berge auf Hong Kong Island abgetragen und damit Teile des Hafenbeckens aufgeschüttet. An der Küste Kowloons und beim Bau des neuen Flughafens Chek Lap Kok wurde mit der selben Methode Neuland gewonnen.
Auch die Landwirtschaft hat das Gesicht Hong Kongs tiefgreifend verändert. Daß sie in einem so sehr auf Handel und Industrie konzentrierten Land überhaupt noch betrieben wird, ist nur durch ein Bestreben nach einem Mindestmaß von Autarkie erklärbar. Trotz diese Bedürfnisses wird der Anteil der landwirtschaftlich genutzten Flächen weiterhin geringer. Neben dem Wachsen der Städte sind hierfür Landschaftsschutzmaßnahmen verantwortlich.
Flächenmangel machte Intensivierungsmaßnahmen und Waldrodungen erforderlich. Als Folge daraus ist der ursprüngliche Tropenwald bis auf Restbestände auf Bergen und kleinen Inseln verschwunden. Da jedoch aufgrund der hohen Reliefenergie die Erosion in Hong Kong sehr stark ist, mußten große Flächen wieder aufgeforstet werden. Heute sind wieder zwölf Prozent des Gesamtgebietes bewaldet.
Die Kolonisierung Hong Kongs hat natürlich auch die Wandlung der Kulturlandschaft zur Folge. In den New Territories gab es bereits einige Jahrhunderte vor der Eroberung durch Großbritannien Dörfer. Fast alle wurden mittlerweile aufgelöst oder zu Städten von mehreren zehntausend Einwohnern umstrukturiert.
2.2. Die Bevölkerung
2.2.1. Wachstum und Zusammensetzung
Es ist nur sehr begrenzt möglich, genaue Zahlenangaben über die Bevölkerungsentwicklung Hong Kongs zu machen, da die Quellen stark differieren. Hierfür gibt es mehrere Gründe. Die Schwierigkeit liegt vor allem darin, daß die Einwanderung in die Kolonie lange Zeit unplanmäßig und unkontrollierbar vor sich ging, insbesondere während der Kriege und Revolutionen. Zudem wird eine statistische Erfassung durch hohe Reisetätigkeit erschwert. So befanden sich zum Beispiel im November 1996 über 200.000 der anerkannten Bürger Hong Kongs im Ausland. Ein weiteres Problem ergibt sich durch die Gruppe der zahlreichen Einwanderer, die sich illegal in der Kolonie aufhalten und darum ein Interesse daran haben, von den Behörden unentdeckt zu bleiben.
In den frühen Jahren von 1842 bis 1861 wuchs die Bevölkerung durch Zuwanderung und durch \"Pachtung\" der bereits besiedelten New Territories schnell auf 100.000 Personen an. Sie setzte sich vor allem aus britischen Händlern, Soldaten und Matrosen und Südchinesen aus der angrenzenden Provinz zusammen. Die Rolle der Chinesen bestand in der Regel darin als Reisbauern und Haltern von Fischteichen in den New Territories die Versorgung zu sichern oder im Hafen und in den Handelsunternehmen der Europäer zu arbeiten. Eine dritte, sehr kleine Gruppe der Chinesen arbeitete als gutverdienende Dolmetscher und Mittelsmänner, sogenannte \"Compradores\". Sie waren nötig, weil mit Ausnahme der Missionare kein Europäer Kantonesisch beherrschte und bis heute nur ein Teil der Hong Kong - Chinesen englisch spricht. Außerdem ist für einen europäischen Geschäftsmann die Hilfe eines Chinesen, der sich mit den in der chinesischen Kultur sehr wichtigen Familienbeziehungen auskennt, von großer Bedeutung. Gemeinsam mit den Briten eingewanderte Inder arbeiteten ebenfalls als Dolmetscher. Zwar macht die Gruppe der Inder mit etwa 8.000 Personen nur einen verschwindend kleinen Anteil an der Gesamtbevölkerung aus, doch ist ihr Einfluß groß. In den 1990er Jahren kontrollierten sie geschätzte zehn Prozent des Handels in Hong Kong.
Die Europäer und später die US-Amerikaner behielten lange Zeit ausschließlich sich das Management vor. Der Wandel in diesem Bereich war vor allem eine Folge der Einwanderung wohlhabender Shanghai-Chinesen ab 1949.
Durch natürliches Wachstum und stetige Zuwanderung war die Bevölkerungszahl bis 1900 auf 200.000 Personen gestiegen. 1912 gab es nach dem Sturz der Quing-Dynastie und der Begründung der ersten chinesischen Republik durch Sun Yat-Sen die erste große Flüchtlingsbewegung in Richtung Hong Kong. Im Jahr 1936 zählte die Kolonie zum ersten mal an die 1.000.000 Einwohner. Als sich dann im Japanisch-Chinesischen Krieg die Bevölkerungszahl durch Flüchtlinge aus den besetzten Küstenprovinzen verzweifachte, war Wohnraum knapp. Auf einer Fläche, die etwa der anderthalbfachen Hamburgs entspricht, lebten zwei Millionen Menschen. Um die vorhandenen Städte entstanden die ersten Slums der Kolonie, und mehrere zehntausend lebten bis in die 1980er Jahre auf Hausbooten. Die Situation der Bevölkerung verschlechterte sich weiter durch die japanische Besatzung Hong Kongs ab 1941. Versorgungsschwierigkeiten während der folgenden vier Jahre bis zum Abzug der Japaner zwangen viele zum Auswandern. Da außerdem viele während des Krieges deportiert wurden, hatte Hong Kong zu dessen Ende nur noch 610.000 Einwohner.
Neue Flüchtlingswellen in Folge des anschließenden Chinesischen Bürgerkrieges ließen das Vorkriegsniveau bald wieder erreichen. Seit dem ist die Bevölkerungszahl Hong Kongs bis auf einen Einbruch in den frühen 50er Jahren nur noch gestiegen.
Die Machtübernahme Mao Zedongs auf dem chinesischen Festland bewirkte auch einen Wandel im Leben der Hong Konger Bevölkerung. Viele der Flüchtlinge, die 1949 aus Schanghai in die britische Kolonie kamen, waren sehr wohlhabend. Mit ihrem Kapital und ihrer Geschäftserfahrung entstanden dort die ersten von Chinesen geführten Unternehmen. Dies waren häufig Dienstleistungsunternehmen wie Wäschereien und Reperaturwerkstätten, aber auch Hersteller von arbeitsintensiven Produkten wie Papierblumen und Textilien. Diese Betriebe brachten ihren Besitzern große Gewinne, da die Lohnkosten äußerst gering waren. Nachdem die Volksrepublik China wegen des Koreakrieges durch die Vereinten Nationen boykottiert wurde, war der Zwischenhandel mit dem Nachbarstaat weggefallen. Durch die Konkurrenz der vielen, nun arbeitslosen Hafenarbeiter mit den Flüchtlingen sanken die Löhne auf ein Minimum. Sicherheitsvorkehrungen und Arbeitszeitbeschränkungen gab es in der Praxis nicht.
Die Flüchtlingsbewegung von 1949 war bislang die letzte, die Hong Kong vor so große Probleme stellte. Zwar nahm die Bevölkerung seit dem pro Jahrzehnt um bis zu einer Million Menschen zu, aber der Steigerungsprozess ist nun gleichmäßiger. Die Gründe für den Rückgang des Flüchtlingsaufkommens in Hong Kong sind die verhältnismäßig große politische Stabilität in der VR China die heute weltweite Ausweitung des Beziehungsnetzes der Überseechinesen. Bis zur zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts kam für Flüchtlinge aus China nur eine Auswanderung nach Hong Kong oder Taiwan in Frage. Im übrigen südostasiatischen Ausland war es immer wieder zu anti-chinesischen Pogromen gekommen und die USA sperrten sich gegen asiatische Einwanderer, weil sie auf dem Arbeitsmarkt keine Billiglohn-Konkurrenz für ihre Bürger wollten. Die Einwanderungsbeschränkungen wurden jedoch von vielen Chinesen untergangen und nach und nach gelang der Aufbau von chinesischen Kolonien in den Großstädten Nordamerikas, insbesondere an der Pazifikküste. Da einige dieser Auswanderer später die staatliche Anerkennung erreichten, ist es heute mit Hilfe des Gesetzes zur Familienzusammenführung leicht, nach Kanada oder den USA zu emigrieren. Diese Länder sind somit zur Alternative für Hong Kong geworden. Noch immer macht Zuwanderung den größten Teil des Bevölkerungswachstums aus. So gab es im Zeitraum von Mitte 1995 bis Mitte 1996 einen Geburtenüberschuß von 35.600 Menschen, während in der gleichen Zeit 119.300 neue Einwanderer kamen. Weiterhin bleibt für Hong Kong der Umstand charakteristisch, daß mehr als die Hälfte seiner Einwohner im Ausland geboren wurden. Aber das Ausmaß der Zuwanderung und ist nicht mehr so groß wie während den Krisenjahren im benachbarten China und kann deswegen besser verkraftet werden.
Den Generationen nach den 50er Jahren gelang der wirtschaftliche Aufstieg, ihre verstärkte Kaufkraft machte wiederum das Entstehen neuer Dienstleistungsbetriebe möglich, wodurch sich dieser Prozeß von selbst beschleunigt. Das Ende des UN-Boykotts der Volksrepublik verbesserte Hong Kongs Wirtschaftslage zusätzlich. Die aktuellen demographischen Werte in Bezug auf Einkommen und Lebenserwartung sind mit den westlichen Industrieländern zu vergleichen.
Demographische Daten Hong Kongs für 1995 und 1996
Durchschnittsalter: 34 Jahre
Beschäftigte: 3,2 Millionen
Hochschulabsolventen: 10%
Durchschnittseinkommen pro Haushalt: 17.500 $
Lebenserwartung: 80 Jahre; Männer 76, Frauen 83
Alphabetisierungsgrad: 77%; Männer 90%, Frauen 64%
Geburtenrate: 12 pro 1000 EW
2.2.2. Wohnprobleme, Wohnungspolitik und Veränderung der Bevölkerungstruktur
Hong Kongs größtes Problem war von jeher seine geringe Größe. Teilt man die gesamte Landfläche der Kolonie von 1.040 km2 durch die Zahl ihrer Einwohner, ergibt sich für Ende 1996 ein Durchschnittswert von 5.820 Personen pro Quadratkilometer. Verglichen mit dem Wert für München von circa 4.000 EW/km2 erscheint dieser Wert nicht sehr ungewöhnlich für ein modernes Stadtgebiet. Doch muß diese Zahl relativiert werden, da große Teile des Territoriums sehr bergig sind und darum auf vielen Flächen keine Bebauung möglich ist. Außerdem können die über 200 sehr kleinen Inseln nicht zur relevanten Fläche gezählt werden. Aus diesen Umständen ergibt sich in den meisten Stadtgebieten Hong Kongs eine tatsächliche Wohndichte von 15.000 EW/km2. Der Höchstwert im Staatsgebiet liegt sogar bei 165.000 EW/km2 und stellt damit gleichzeitig den Weltspitzenwert dar.
Um die Wohnungssituation zu verbessern finanziert die Kolonialregierung seit den 60er Jahren ein Bauprogramm bei dem jährlich 50.000 Wohnungen erstellt werden. Erklärtes Ziel der Wohnungspolitik ist es, sämtliche \"Squatter\"-Siedlungen aus illegal errichteten Hütten zu beseitigen, da diese einstöckigen Unterkünfte viel Fläche verbrauchen und die Seuchengefahr in den Slums groß ist. Ihre Bewohner werden in staatlich subventionierten Hochhäuser umgesiedelt. Erstes Ziel sind die \"wilden\" Siedlungen im städtischen Bereich, anschließend sollen die Randgebiete folgen. Dieser Prozeß ist bereits weit fortgeschritten. Auch die früher für Hong Kong typischen \"schwimmenden Städte\" der \"Boatpeople\" sind zum größten Teil verschwunden, und ganze Dörfer im Norden des Landes wurden zu Großstädten umstrukturiert.
Generell kann eine Bevölkerungsverlagerung von Kowloon in die neuen Städte der New Territories festgestellt werden. Die Bevölkerungszahl von Hong Kong Island bleibt nahezu unverändert, da sich hier hauptsächlich Geschäftsgebäude und große Häuser der Mittel- und Oberschicht befinden.
Mittlerweile leben mit rund 3,1 Millionen Menschen beinahe die Hälfte der Einwohner Hong Kongs in vom Staat errichteten Wohnungen. Doch trotz des erheblichen finanziellen Aufwandes besteht das Wohnungsproblem weiter und neue illegale Siedlungen entstehen. In der Regel kostet das Bauland mehr Geld als für die eigentlichen Baukosten verbraucht wird. Aus Platzmangel wurden bereits Hütten auf den Dächern von Bürohochhäusern gebaut.
Neben dem ständigen Wachstum steht Hong Kong vor einem weiterem Bevölkerungsproblem. Die nahende Übergabe an die VR China beginnt sich auszuwirken. Zwar nimmt die Einwohnerzahl auch weiterhin zu, aber die Zusammensetzung ändert sich. Die finanzstarken, gut ausgebildeten und jungen Teile der Bevölkerung wandern ab. Eine Folge ist das von 1986 bis 1996 um sechs Jahre gestiegene Durschnittsalter. Von offizieller Seite wird diese statistische Veränderung durch höhere Lebenserwartung als Erfolg des Gesundheitssystems erklärt, aber eine entscheidende Ursache ist sicherlich auch, daß vor allem junge und männliche Hong Kong - Chinesen in der Lage sind auszuwandern. Dies würde nämlich auch erklären, warum der vor zehn Jahren noch überproportionale Männeranteil an der Gesamtbevölkerung bis 1996 verschwunden ist.
2.3. Kultur
Staatliche Verordnungen sind nicht die alleinige Ursache des Trends zum Verschwindens der Hüttensiedlungen. Hier spielt auch der allmählich steigende Wohlstand der Bevölkerung eine Rolle. Seit 1986 stieg das Durschnittseinkommen um 269% auf 9.500 $ im Jahr. Unter Berücksichtigung der Teuerrungsrate entspricht das einer tatsächlichen Steigerung von 125%. Diese Werte bedeuten eine positive Tendenz, aber die Gegensätze innerhalb der Bevölkerung bleiben bestehen - nicht nur finanziell.
2.3.1. Religion und Philosophie
Die Gründe für große kulturelle Unterschiede zwischen einzelnen Gruppen in Hong Kong liegen in der typisch britischen Kolonialpolitik und in dem Umstand, daß die Hälfte der Bewohner im Ausland und die übrigen in den Grenzen der Kolonie geboren wurden.
Im Unterschied zu den US-Amerikanern verstanden sich die Briten nicht als Missionare der westlichen Kultur. Ähnlich wie in ihrer Kolonie Indien beseitigten sie in Hong Kong nur das, was der Durchsetzung ihrer Herrschaftsinteressen hinderlich war. Alles übrige beließen sie beim alten, so daß dem Kolonialvolk die Fremdherrschaft weniger bewußt wurde. Auf diese Weise konnten Unruhen meist vermieden werden. Aus diesem Grund ist Hong Kong auch noch nach über 150 Jahren als britische Kronkolonie tief in der chinesischen Kultur verwurzelt. Die Bevölkerung gehört überwiegend zu den Anhänger einer Mischform des Buddhismus und des Taoismus, während die Minderheit der Christen häufig westlicher Abstammung ist oder zumindest in Europa und Nordamerika studiert hat. Stark verbreitet ist auch der Glauben an \"Feng-Shui\". Es handelt es sich dabei um eine Art der Naturreligion, die den Glauben an Kräfteströme, Geister und Drachen beinhaltet. Als Gelehrte über diese Kräfte haben \"Feng-Shui-men\" einen Starken Einfluß auf die Bauweise in Hong Kong. Sie sind nach dem Glauben ihrer Anhänger dazu in der Lage, den Bauplatz und die Anlage der Fenster, Eingänge usw. so zu bestimmen, daß die örtlichen Drachen nicht verärgert und Kräfteströme in günstige Richtungen gelenkt werden. Das 1894 von dem für die Kolonien zuständigen Lord Rippon gefällte Urteil, daß Hong Kong unter britischer Regierung chinesisch geworden sei, wird durch die besondere Bauweise der Bank of China bestätigt. Die Kanten dieses Gebäudes weisen genau in Richtung des Gouverneurspalastes und leiten dadurch, nach Feng-Shui, negative Kräfte dorthin. Weil der Gouverneur später für längere Zeit erkrankte, wurden am Palast Spiegel angebracht, um diese abzuwehren. Das bemerkenswerte an der Sache ist, daß sich die Bank of China im Besitz der Volksrepublik befindet. Deshalb darf der Leiter der Bank, genau wie der Gouverneur, offiziell nicht an Feng-Shui glauben. Diese Begebenheit ist ein Beispiel dafür, daß die chinesische Tradition und nicht der Einfluß Britanniens den Alltag in Hong Kong bestimmen.
2.3.2. Sprache
Neben dem Bereich der Religion ist das chinesische Element auch sprachlich klar an erster Stelle. Nur 3% der Einwohner Hong Kongs sprechen zu Hause englisch, 32% gebrauchen es als Geschäftssprache. Der Rest spricht ausschließlich asiatische Sprachen und Dialekte. Hier ist Kantonesisch vorherrschend, das für 89% der Einwohner die gängige Sprache zu Hause ist. Obwohl während der vielen Krisen Chinas Flüchtlinge aus allen Teilen dieses Landes nach Hong Kong kamen, beherrscht kaum jemand die Hochsprache Mandarin, die in der Kolonie lange Zeit verpönt war. Auch in der Schriftsprache gibt es Unterschiede zur Volksrepublik. Während dort in einer Reform Kurzzeichen eingeführt wurden, um das Schrifttum schneller verbreiten zu können, gibt es in Hong Kong weiterhin die alten Langzeichen. Wegen des baldigen Anschlusses an China und wegen der ausgedehnten Geschäftsbeziehungen wird heute das Mandarin in Firmen- und Schulprogrammen gefördert. Die neuen Schriftzeichen werden wohl nicht erlernt werden müssen, denn in der angrenzenden Sonderwirtschaftszone Shenzen haben sich die alten Langzeichen wieder eingebürgert.
2.3.3. Bildung und finanzielle Verhältnisse
Während die südchinesische Lebensweise also durch Religion und Sprache das Privatleben beherrscht, dominiert die britische Kultur Geschäftsleben und höhere Bildung. Englisch ist die Muttersprache der wichtigen pazifischen Handelspartner USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Außerdem ist sie die Unterrichtssprache der weiterführenden Schulen.
Neben den Gegensätzen von westlicher und asiatischer Kultur gibt es in Hong Kong auch bedeutende wirtschaftliche Differenzen. Das stark gestiegene Durchschnittseinkommen, die hohe Lebenserwartung und gerade die mit heute unter zwei Prozent liegende Arbeitslosenrate könnten einen allgemeinen Wohlstand vermuten lassen, aber die finanziellen Unterschiede sind groß. Von dem Gesamteinkommen der Bewohner Hong Kongs entfällt 30% auf ein Zehntel der Bevölkerung, während vier Zehntel lediglich einen Anteil von 14% erreichen. Im internationalen Vergleich steht zum Beispiel Taiwan wesentlich besser da.
Einkommensverteilung in ausgewählten Staaten Südostasiens (1989) in Prozent
vom Gesamteinkommen entfallen auf:
Staat meistverdienende
10% der EW geringstverdienende
40% der EW
Hong Kong 30 14
Philippinen 37 14
Malaysia 36 19
Indonesien 38 18
Sri Lanka 35 16
Thailand 34 15
Taiwan 27 21
Daß das Einkommen der Wirtschaftsführer in Hong Kong allerdings um einiges höher liegt als in Taiwan, muß bei der Interpretation der Tabelle jedoch berücksichtigt werden.
Die meisten Einwohner Hong Kongs sind gut mit technischen Konsumgütern versorgt, doch sinkt die Lebensqualität der Durchschnittsbevölkerung sehr durch die hohen Preise des Wohnraums. In den vom Staat gebauten Wohnungen, in denen etwa die Hälfte der Bevölkerung lebt, stehen pro Person nur 4m2 zur Verfügung. Die traditionell starke Bindung zur Familie und der wenig ausgeprägte Individualismus lassen den Hong Kong - Chinesen diese beengten Verhältnisse aber weniger problematisch erscheinen, als sie auf Europäer wirken.
Die Lebenssituation der illegal in der Kolonie lebenden Flüchtlinge ist wesentlich schlechter. Entweder leben sie in versteckten Unterkünften oder sie sind in sehr einfachen staatlichen Camps unter Verwahrung. Auslöser einer Revolte im Mai 1996 in einem Lager für Vietnamesen war unter anderem die schlechte Unterbringung.
Ein deutliches Indiz für die Differenz zwischen arm und reich auch innerhalb der Gruppe der Chinesen ist der Bildungsstand. Zwar ist der Anteil an qualifizierten Berufen groß und nimmt die Zahl der weiterführenden Schulabschlüsse zu, doch ist die Analphabetenrate mit 13% in einem Land mit hohem technologischem Standard hoch. Gerade weil im Konfuzianismus der Bildung ein hoher Wert beigemessen wird, ist diese Quote ein Anzeichen dafür, daß vielen Bewohnern Hong Kongs die Zeit und das Geld für schulische Ausbildung fehlt. Dies scheint insbesondere bei den Frauen der Fall zu sein. Bei ihnen ist der Anteil von Analphabeten mit 36% besonders groß.
Die in Hong Kong stark ausgeprägte Kriminalität hat ihre Ursachen jedoch nicht in einem zu geringen Einkommen seiner Bürger. Es ist auch heute noch um ein vielfaches größer als in der angrenzenden Sonderwirtschaftszone Shenzen. Der weit verbreitete Schmuggel und der ausgeweitete Konsum von Rauschgift hat seine Ursprünge in der geographischen Grenzlage und in dem historisch bedingten Einfluß der Triaden.
2.3.4. Mentalität und ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft
Wirtschaftlicher Erfolg aber auch zu erwartende Zukunftsprobleme Hong Kongs sind nicht zuletzt in der Mentalität seiner Einwohner begründet. Sie wurde durch den britischen Kolonialstil, die chinesische Kulturtradition und die politischen Ereignisse des 20. Jahrhunderts geprägt.
Verglichen mit dem eigentlichen China ist die Kolonie sehr jung. Wegen ihrer sehr kurzen Geschichte und des immer neuen Zustroms von Bewohnern der benachbarten Volksrepublik ist die Bindung der Bevölkerung zur Tradition trotz der technischen Modernität noch sehr stark. Besonders der Metakonfuzianismus, eine vereinfachte, vor allem auf dem Land verbreitete und praxisorientierte Form dieser Philosophie, spielt im Verhalten der Hong Kong-Chinesen eine große Rolle. Er ist die Ursache des starken Bedürfnisses nach Familienbindung, Hierarchie, Harmonie und Überschaubarkeit.
In der Praxis ergeben sich daraus einige charakteristische Eigenarten des Geschäftslebens und des Verhältnisses zum Staat. Die meisten Betriebe sind durch Verwandschaftsbeziehungen organisiert und relativ klein. Das Bestreben nach Harmonie führt zu einem fairen Konkurenzverhältniss, hat aber auch durch den verbreiteten Konformismus eine hemmende Wirkung auf technische Innovationen. Dieses Problem der mangelnden Fähigkeit zur eigenständigen Entwicklung hat seine Ursprünge auch in der Eigentümlichkeit der chinesischen Schulen. Im Konfuzianismus hat Lernen einen hohen Stellenwert, da es eine der wenigen gesellschaftlichen Aufstiegsmöglichkeiten in diesem hierarchisch geprägten System darstellt. Dieser Umstand hat sich zunächst positiv auf die Wirtschaftsentwicklung Hong Kongs ausgewirkt. Durchschnittlich gibt ein Haushalt 15-20% seines Einkommens für Schulbildung aus. Die gute Ausbildung seiner Bewohner ist für die Kolonie ein wichtiger Standortsvorteil. Weil sich das Lernen in den Schulen jedoch weitgehend auf ein Auswendiglernen beschränkt, kommt es auf dem Bildungsgebiet zur Stagnation.
Religion und die Herkunft vieler Familie als Flüchtlinge wirkten sich ebenfalls auf die Wirtschaft aus. Kostspielige Ahnenverehrung zwang die Bewohner Hong Kongs regelrecht zum Anhäufen von Vermögen. Das Sicherheitsbedürfnis der Neuankömmlinge führte zu einer Sparsamkeit, durch die viel Kapital zur Investition bereit steht.
Am bemerkenswertesten ist allerdings das weiterleben der bäuerlichen Denkweise in diesem urbanisierten Land. Sie ist durch ein Autarkiebestreben, Loyalität und gegenseitige Verpflichtung innerhalb des Clans und einer starken Abgrenzung nach außen gekennzeichnet. Die einzelnen Sippen haben ein distanziertes Verhältnis zum Staat und versuchen stets, ihre belange selbständig zu Regeln. In der Zeit der großen Flüchtlingswellen gab es zahlreiche Selbsthilfeorganisationen. Die bekannten asiatischen Triaden sind aus solchen Gesellschaften hervorgegangen. Der größte Teil des \"Wohlfahrtsprogrammes\" wird privat finanziert. Hierbei beteiligen sich auch führende Geschäftsmänner, da gesellschaftliches Prestige in dieser Kultur nicht über Besitz sondern über Bildung und Großzügigkeit gesteigert wird.
Die ausgedehnte Selbstorganisation der Hong Kong-Chinesen harmonierte sehr gut mit dem Regierungsstil der Briten, die sich aus den wirtschaftlichen Belangen weitestgehend heraushalten. Aus diesem Grund wird in Hong Kong wie in Großbritannien nicht der Staat für die eigene finanzielle Situation in Verantwortung gebracht. Wirtschaftliche Krisenzeiten führen deshalb nicht zu politischer Polarisierung. Dieser Umstand und das bereits erwähnte Sicherheitsdenken führten zu Stabilität. Nicht zuletzt darum hatte die Kulturrevolution im Nachbarland geringe Auswirkungen in Hong Kong.
Mit zunehmendem Wohlstand und Verstädterung folgte eine Änderung der Denkweise. Japanischen Frauen, deren Rückzug aus dem Arbeitsleben mit etwa 25 Jahren als selbstverständlich gilt, ist in Hong Kong eine lebenslange Beschäftigung möglich. Dies ist eine Folge der Modernisierung in einer ländlich und patriarchalisch orientierten Gesellschaft. Die meisten Folgen sind jedoch negativ.
Urbanisierung hatte die Auflösung der alten Clanstrukturen zur Folge. Da die Selbsthilfe nun meistens nicht mehr funktioniert, ist der Staat zu ausgaben im Sozialbereich und zu Eingriffen in die Wirtschaft gezwungen. Ein ebenso ernstes Problem hat sich paradoxerweise mit dem steigenden Wohlstand ergeben. Triaden waren ursprünglich Geheimgesellschaften zur Beseitigung der Fremdherrschaft der Quing-Dynastie und später Teil der Selbsthilfeorganisationen. Nach dem Sturz des Kaisers und der mit Hong Kongs Aufschwung an Bedeutung verlierenden gegenseitigen Sippenhilfe suchten sie sich eine neue Aufgabe und fanden sie in der Kriminalität. Der große Einfluß dieser heutigen Mafia-Organisation macht sich in der Heroinabhängigkeit von geschätzten 2-3% der männlichen Bevölkerung Hong Kongs bemerkbar.
Das Abnehmen des Sicherheitsbedürfnisses nach der wirtschaftlichen Etablierung der ehemaligen Flüchtlinge brachte der Kolonie Vor- und Nachteile. Die jetzt enorm hohe Risikofreudigkeit führte einerseits zu zahlreichen Konkursen, brachte dem Staat aber pro Saison bis zu 7.000.000.000 US$ Wetteinnahmen auf der Rennbahn. Auf diese Weise steht der Regierung so viel Geld zur Verfügung, daß die Wirtschaft nicht durch hohe Steuern belastet werden braucht.
2.4. Verhandlungen Thatcher - Deng Xiao Ping
2.4.1. Machtverhältnisse zum Zeitpunkt der Verhandlungen
Die ersten Verhandlungen über die Zeit nach dem Ablauf des \"Pachtvertrages\" fanden im September 1982 statt. Ursprünglich plante die britische Regierung, die laut Vertrag für ewig von China abgetretenen Teile der Kolonie, Hong Kong Island und Kowloon, unter ihrer Herrschaft zu behalten. Zwar würde damit nur ein Zehntel des Territoriums bei der Krone verbleiben und die Kolonie die wichtigste Grundlage ihrer Existenz verlieren, aber Großbritannien hätte so zumindest kurzfristig ein Einwandererproblem gelöst. Von den Bewohnern Hong Kongs wurden nämlich 3,1 Millionen in der Kolonie geboren und hätten somit das Recht gehabt, ins \"Mutterland\" auszuwandern. Durch den Erhalt wenigstens eines Teils der Kolonie hoffte man, einige der Hong Kong-Chinesen zum bleiben zu bewegen. Die VR China beansprucht jedoch alle Teile \"Xiangangs\" für sich, da sie die Ungleichen Verträge nicht mehr anerkennt. Zwar hatte die Regierung in Beijing die Verträge nach den Opiumkriegen schon immer für Unrecht erklärt, aber aus wirtschaftlichen Überlegungen bis dahin noch keine Konsequenzen daraus gezogen. Bis zur Gründung der Wirtschaftssonderzonen wurde die Kolonie als Tor zur Außenwelt benötigt. Da Hong Kongs Monopolstellung in den 80er Jahren nicht mehr existent war und es für die Volksrepublik militärisch ein leichtes gewesen wäre, die wenigen Kolonialtruppen zu besiegen, stimmte Großbritannien schließlich unter vorgeblicher Freiwilligkeit der Übergabe seiner Besitzung zu, um so wenigstens das Gesicht zu wahren.
Daß nun alles vom Wohlwollen der chinesischen Regierung abhing, ist in Hong Kongs neuem Basic Law ersichtlich. Sämtliche Gesetze der zukünftigen Sonderverwaltungszone müssen von Beijing vor ihrem Inkrafttreten bestätigt werden.
2.4.2. Inhalte der Vereinbarungen
Im Dezember 1984 folgte schließlich die \"Gemeinsame Erklärung\", über die Details des Zukunftskonzeptes für Hong Kong. Im Widerspruch zu ihrem Namen wurde sie im wesentlichen von China diktiert. Unter dem Schlagwort von \"ein Land - zwei Systeme\" soll in Hong Kong einiges beim alten bleiben. Ironischerweise ahmen hier die sozialistischen Chinesen die Kolonialpolitik der Briten nach. Sie bringen nur die Bereiche unter ihre Kontrolle, die direkt mit ihrer Herrschaft verbunden sind. Der übrige, vor allem kulturelle Teil des Lebens bleibt unverändert.
Weiterhin soll in Hong Kong die Freiheit der Rede, der Presse, der Vereinigung, der Religion, der Bildung und des Verkehrs gewährt werden. Der Freihafen und sogar der Hong Kong-Dollar sollen erhalten bleiben. Als teilautonomes Gebiet bleiben Verträge wie die Mitgliedschaft im IOC, die ausschließlich Kultur betreffen, , bestehen.
Politisch soll begrenzt Autonomie gewährt werden. So wird die Sonderverwaltungszone ein eigenes Parlament, eine Gerichtsbarkeit und eigene Gesetzgebung erhalten. Die regionale Regierung wird sich aus Hong Kong - Chinesen zusammensetzen. Die Unabhängigkeit wird dadurch eingeschränkt, daß der Regierungschef von der Zentralregierung eingesetzt wird und alle Gesetze von ihr bestätigt werden müssen. Verteidigung und Außenpolitik gehen ebenfalls in ihre Verantwortung über.
2.5. Staatsaufbau (Stand September 1991)
Anders als im \"Mutterland\" Großbritannien selbst hat der Monarch in der Kronkolonie mehr als nur repräsentative Funktionen. Der gesamte Aufbau des Staatssystems ist sehr autoritär und sah bis zu den Reformen der letzten Jahre keinerlei Partizipation der Bevölkerung vor. Er ist auf die kolonialen Interessen der Briten ausgerichtet und schränkt die Freiheit seiner Bürger zugunsten wirtschaftlicher Standortsvorteile ein. Die starke Stellung des Gouverneurs, der nur seinem Monarchen verantwortlich ist und die Richter der Kolonie ernennt, führte zur Unabhängigkeit seiner Politik von lokalen Interessengruppen und zu Stabilität.
Der Prozeß der beginnenden Demokratisierung Hong Kongs ist erst nach der \"Joint Declaration\" von 1984, in der die endgültige Aufgabe der Kolonie beschlossen wurde, eingeleitet worden. Die Bevölkerung hat auch nach der Einführung einer begrenzten Wahlmöglichkeit nur geringen Einfluß auf ihre Regierung Aus diesem Grund liegt die Vermutung nahe, daß der freiheitlichere Staatsaufbau Hong Kongs vor allem dem besseren Image der abziehenden Briten dienen soll. Ein Indiz hierfür ist, daß der weitere Ausbau der \"Demokratie\" mit der Erhöhung der Sitze der durch die Bevölkerung gewählten Abgeordneten auf 50 erst für 1995 geplant war. Zwei Jahre vor dem völligen Verlust der Kolonie kann eine größere Beteiligung der Untertanen an der Staatsmacht den Interessen Großbritanniens sicherlich keinen großen Schaden mehr zufügen. Wie wenig die Bevölkerung vom veränderten Regierungssystem erwartet, ist in der Wahlbeteiligung von 20% bei den letzten Parlamentswahlen deutlich geworden.
2.6. Hong Kongs Wirtschaft in Zahlen
Ein wichtiger Indikator für die Wirtschaft ist das Bruttosozialprodukt. Seine Entwicklung gibt Auskunft über das Wachstum der Wirtschaft. Man kann die Auswirkungen von Krisen wie an Jahresringen von Bäumen ablesen.
Auffällig ist der erste Einbruch 1952. Hier kam die Blockade gegen China voll zum Tragen. Die Verspätung um zwei Jahre mit der die Rezession eingetreten ist, läßt sich dadurch erklären, daß zum einen die Blockade noch nicht wirksam kontrolliert werden konnte zum anderen und weit wichtigeren hielt bis zu diesem Zeitpunkt der Kapitaltransfer aus China an. Erstaunlich ist, daß dieser Transfer den Einbruch des Sozialprodukts über zwei Jahre hinweg kompensieren konnte. Es folgen zyklisch bedingte Schwankungen, bis 1965 sich die Kulturrevolution abzuzeichnen beginnt. In dieser Phase geriet die Wirtschaft nicht in Panik, so daß die Furcht vor China nur das Wachstum hemmen, aber nicht zu einer tiefen Rezession führen konnte. Die Ölkrise Anfang der 70er wurde von der Kolonie erfolgreich ausgeglichen. Die schon oben beschriebene kurzfristige Senkung der Löhne hatte einen maßgeblichen Anteil an dieser Entwicklung. Dennoch kam 1975 das Wachstum zum Stillstand. Der Wachstumsstillstand 1985 hat zyklische Gründe, die verstärkt zum Tragen kamen, da in dieser Zeit eine Bankenkrise auftrat, die bis 1988 anhielt. Sie wurde durch die enorme Spekulationsbereitschaft der chinesischen Banken hervorgerufen. Die einsetzende Rezession traf sie besonders hart, und viele Banken gingen bankrott. Nach dem Tiananmen-Massaker verloren einige Geschäftsleute das Vertrauen in die Vertragstreue China und verringerten ihr Engagement in Hong Kong. Mittlerweile hat sich das Wachstum bei rund 5,3 % eingependelt. 1994 betrug es 5,5 %. Hinter diesen Zahlen verbirgt sich ein riesiges Wachstum in absoluten Zahlen. Im Zeitraum von 1978 bis 1988 stieg das BSP in realen Zahlen um rund 240 %.
Ein mittlerweile wieder wichtig gewordener Punkt in der Wirtschaft der Kolonie ist die Transportkapazität. 1995 wurden im Containerterminal 12,5 Millionen Twenty-feet Eqivalent Units umgeschlagen. In den ersten sieben Monaten von 1996 war ein Anstieg um 4,3 % zu verzeichnen. Er ist heute der drittgrößte Containerhafen der Welt. Gemessen an seiner Kapazität ist der Terminal der Hafen mit der höchsten Umschlagrate in der Welt. Der Flughafen Kai Tak hat einen großen Anteil am Transportvolumen der Kolonie, obwohl er nur über eine Landebahn sowie ein Frachtterminal verfügt. 1995 wurden dort 1,5 Millionen Tonnen Fracht umgeschlagen. Das Flugzeug ist auch das am meisten benutzte Personenbeförderungsmittel für Überseereisen. So wurden 1995 27,4 Million Passagiere befördert. Damit liegt der Flughafen weltweit an dritter Stelle im Passagieraufkommen in Bezug auf internationale Flüge.
Das Exportvolumen betrug 1994 168,7 Milliarden US$. Darin enthalten ist ein Re-exportanteil (Zwischenhandelsanteil) von 121 Milliarden US$. Haupthandelspartner hierbei waren China mit 36%, die USA mit 23 %, Deutschland mit 5 %, Japan mit 5% und Großbritannien mit 3%.
1994 wurden Waren im Wert von 160 Milliarden US$ nach Hong Kong importiert. Zu beachten ist hierbei jedoch, daß wie oben genannt Waren im Wert 121 Milliarden US$ wieder exportiert werden, so daß effektiv überwiegend Rohstoffe im Wert 39 Milliarden in die Kolonie importiert wurden. Die Haupthandelspartner hierbei waren China mit 36%, Japan mit 19%, Taiwan mit 9% und die USA mit 7%.
Sonstiges:
Die Arbeitslosenrate fiel seit der Mitte der 80er Jahre auf ein Niveau von 3 % (Stand September 1996: 2,8 %). Bis auf saisonal bedingte Schwankungen konnte sie in den vergangenen drei Jahren relativ konstant gehalten werden.
Hong Kong weist eine verglichen mit Deutschland hohe Inflationsrate von 6,4 % auf (Stand September 1996). Sie ist seit Januar 1995 von dem damaligen Höchststand von 10,1 % ständig gefallen. Verantwortlich hierfür ist die geringere Steigerung der Lebenshaltungskosten.
Der Hong Kong$ ist seit 1985 mit einem festen Wechselkurs von 7,8 / 1 an den US$ gekoppelt.
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