Ein geschichtlicher Abriß von den Ursprüngen her ist für Wiesthal kaum vollständig möglich, da Materialien aus alten Archiven, oder Akten, über den Ort speziell, verhältnismäßig rar sind. Eine etwas ausführlichere Darstellung der Geschichte des Ortes ist zur Hinführung zur Problematik nötig.
Armut prägte zu allen Zeiten, in glasmacherischer und ackerbaulicher Zeit, das Erscheinungsbild des Dorfes. Die Menschen nutzten die ihnen zur Verfügung stehenden Baumaterialien und paßten den Erwerb ihres Lebensunterhaltes an die Natur an .
2.1. Geschichtliche Entwicklung Wiesthals im Überblick
Im Folgenden werden, in chronologischer Reihenfolge, für Wiesthal bedeutsame und vor allem anhand von Quellen gesicherte, historische Ereignisse aufgelistet:
1057 Errichtung der Pfarrei Lohrhaupten; Bei der Grenzüberschreibung
des Kirchenspiels bildet der Aubach einen Grenzabschnitt =
Hockeruh Teil des Pfarreigebietes
1325 Erste Erwähnung "Hof Wysintau"
1339 v. Mainz gefordert; 1346 Zoll in Wisental
1333 Teilung Wiesthals ?
1349 Erste Erwähnung der "vier Glashütten auf dem Spessart"
(Abgaben an Burg Beilstein- Öl, Hanf --> Siedlung)
1406 Bundesordnung der Glasmacher (Bächlesgrund/Lohrer Freihof)
1427 Pfandschaft der Glashütten an Beilstein wird abgelöst v. Mainz
1477 Pfarreierrichtung --> zentraler Pfarrort für den Hochspessart
1479 Mainz löst Rienecker Leibeigene in Wiesthal ab; Freie Leute von
Wiesthal unterstehen weiterhin Rieneck (vom Reich zum Lehen)
1485 Forstmeisterbestallung Rothenbuch " unterthanen zum wustentail
und anderen Orten des Spessarts gesessen"; Verwaltung lag in
Rothenbuch (Amtssitz)
1520 Paul Kunckel ist Pächter einer Glashütte im Reichengrund
1525 Teilnahme der Glasmacher am Bauernaufstand --> Bittbrief der
"Glasmacher uff den vier glashütten de Spessarts", "sampt der
armen von Wißtal" -->176 Kinder
1526 W. wird in neuer Glasmacherordnung nicht mehr als Glashütte
bezeichnet
1551 Türkensteuerregister: 79 Haushalte (Hg: 24/ Nh: 19/ Hb: 13/ Kr: 13)
17,7% Glasmachernamen 18 Kunkel
Zuzug neuer Namen: Born, Bach, Löffler, Freund, Schwarzkopf;
Fischer, Wüst 2 Glashüttenbesitzer (Anteile): Paul Kunkel 1410 fl.
und Heintz Kunkel 561 fl. = Spitzenvermögende; breiter Mittelbau
und etliche Arme in der Einkommenspyramide
1560 In W. 82 Musterungspflichtige
1564 Reitende Förster werden durch Fußgehende verstärkt (W. Forstsitz?)
1565/66 Glashütte im "Staibersgrund" (heute Rubengrund) nördlich von
Wiesthal
1599/1600 Kirchenbau im Ort
1603 W. besteuert Un- und Ohmgeld (Verbrauchssteuer pauschal wie
frühere Glashütte)
1605 65 Häuser 70 Kühe
1617 69 Leibeigenschaftspflichtige
1634 Schwedeneinfall am 2. Fastensonntag; von 42 Häusern sind nur 15
mit Wittweibern bewohnt; Kühe weggenommen
1640 Pfarrei wird von Frammersbach mitbetreut
1651 18 Häuser, 16 Kühe
1656 Besitz 196 Morgen
ab 1660 W. wird Sitz für einen der 13 Waldförster
1668 102 Einwohner
1700 210 Einwohner
1716 Floßmeister zu W.
1720-30 Auswanderer nach Ungarn
1733 Floßmeister Kunckel
1746 Kurmainzer Jäger Adam Sternheimer
1755 Mainz führt Realteilung im Erbgang ein
1756 in Mutterpfarrei W. ist das ganze Jahr Schule
1769 Kellersche Forstleute; Wiesthaler Forst 8978 Morgen = 3. größter
der 13 Spessartforsten
1779 Sebastian Kunkel als reitender Förster zu W. erwähnt
1781 Gewerbestatistik
2.2. Namensdeutung Wiesthals
Der Ortsname Wiesthal hat sich im Laufe der Jahrhunderte aus einigen ähnlich lautenden Namen entwickelt. Nachweisbar sind dabei die Namen "Wustentall" und "Wüstendail". Der Name beinhaltet die Bezeichnung des Ortes an einer wüsten/ unbebauten "Wiesentalle", wobei Talle gleichbedeutend ist mit "Dalle" oder Delle, was soviel wie "Tälchen" heißt .
Der heutige Ortsteil Hockeruhe gehörte früher zur Grafschaft Rieneck und zur Pfarrei Frammersbach. Er wird erstmals im Jahre 1459 von Philipp dem Jüngeren von Rieneck als "Wüstendail uff der Ruhe" genannt. In diesem Jahr soll der Graf die Bewohner der heutigen Hockeruhe von der Bede befreit haben. Die Bede war eine direkte Steuer, die von Fall zu Fall auf den Grundbesitz erhoben wurde. In diesem Zusammenhang wird von "eigenen Leuten" gespochen, was darauf zurückschließen läßt, daß die "Hockeruher" Leibeigene waren, die unter Umständen zwangsangesiedelt wurden. Wiesthal auf der Ruhe hatte im Jahre 1640 nur drei Herdstellen. Hier wohnten ein Mann, drei Frauen, ein Sohn und zwei Töchter .
Das später (1477) zur Pfarrei erhobene Wiesthal und das östlich des Aubachs gelegene Wiesthal auf der Ruhe hatten folglich früher nichts miteinander zu tun .
2.3. Die Zeit der Glasmacher
Wiesthal ist eine Glashüttensiedlung. Die Glasmacher wurden von den Mainzer Kurfürsten in den Spessart gerufen. Der Grund dafür ist weitgehend unbekannt. Man vermutet, daß Mainz einen direkten Gewinn aus der Holzverarbeitung vor Ort ziehen wollten um so, neben dem Jagderlös, ein zusätzliches Einkommen aus dem Spessart zu erhalten. Die Glasmacher mußten eine jährliche Abgabe von 40 Pfund Heller für das verbrauchte Holz zahlen.
Da im Hochspessart der Transport von Holz, aufgrund fehlender Wege, sehr schwierig war, packten die Glasmacher ihre Ware in Rucksäcke und brachten sie auf Waldpfaden zu dem, den Spessart von Norden nach Süden durchquerenden, Eselsweg. Ursprünglich lagen alle Glashütten entlang des Aubaches, hart an der Grenze zur Grafschaft Rieneck und zunächst hatte nur das mainzische Gebiet Glashütten . Diese wurden erstmals am 22. August 1349 genannt (kurz vor 1300 verlor Rieneck die Gebietsstreitigkeiten mit Mainz, was die damalige Grenzziehung zur Folge hatte) . Es ist anzunehmen daß Glashüttendörfer von Kurmainz erst in der Zeit des großen Bevölkerungsrückganges nach der Pest von 1348/49 und dem gleichzeitigen Abzug der Landbevökerung in die Städte zugelassen wurden. Trotz der kargen Landwirtschaft konnten die Dörfer einen durchschnittlichen Verdienst von 185,23 fl aufweisen. Innerhalb der Bevölkerung gab es jedoch eine starke soziale Differenzierung, mit wenigen Spitzenverdienern und einer deutlich ausgeprägten Unterschicht (Scheithauer, Fahrknechte, Sandgräber, Glasträger, u.a.) . Die Einwohnerdichte der Glashüttendörfer lag bei etwa 336 Einwohner pro Quadratkilometer bei durchschnittlich 460 Einwohnern (94 Haushalte) und einer Fläche von 819,5 Morgen (= 140 ha). Dies entspricht heute der Einwohnerdichte in städtischen Ballungsgebieten .
Wo Glasmacher ihre Arbeit verrichteten, wurden dem Wald binnen kurzer Zeit, enorme Schäden zugefügt. So wurde der durchgehende Eichen- und Buchenmischwald durch die ausgedehnten Rodungsflächen größtenteils zerstört.
Später forstete man diese Bereiche überwiegend mit Fichtenkulturen auf. Nach 1814, dem Jahr der Machtübernahme der Bayern, waren ca. 30% des Waldes (besonders das Glashüttengebiet im Nordspessart) ertraglos.
Entscheidend für die weitreichende Zerstörung ist die Tatsache, daß die Glasmacher immer nur so lange an einem Ort blieben, wie ausreichend Holz zur Verfügung stand und dieses leicht zu erreichen war. War der Holzvorrat erschöpft, brachen sie ihre Hütten ab und zogen in ein noch unberührtes Waldstück um. Man zog sozusagen dem Holz nach. Dieser Aspekt des Arbeitens der Glashütten verschaffte ihnen den Namen "fliegende Hütten". Neben dem dringend nötigen Holz sind zur Glasherstellung zudem Sand und Wasser sehr wichtig, weswegen fast alle Glashütten in der Nähe des Aubaches lagen .
Ein weiterer Grund für das ständige Wandern der Glasmacher mitsamt ihren Familien ist, daß die Mainzer Kurfürsten den Spessart weitgehend bevölkerungsfrei halten wollten, um ihn für die Jagd nicht unattraktiv werden zu lassen.
Daher durften die Glasmacher sich auch nur von Ostern bis Martini (11. November) im Spessart aufhalten, im Winter mußten sie also den Wald verlassen .
Dies dürfte mit eine Ursache dafür sein, daß im Jahre 1432 nur noch vier Glashütten im nördlichen Spessart erwähnt wurden.
Die endgültige Abschaffung der privaten Waldglashütten vollzog sich in den Jahren 1719 bis 1726, da der industrielle Fortschritt zunehmend größer und die Rentabilität der Glashütten, gegenüber der durch sie angerichteten Waldzerstörung, immer geringer wurde. In dieser Zeit wanderten aus dem Glashüttenspessart insbesondere aus Wiesthal Familien in den Bakonywald nördlich des Plattensees . Wiesthal pflegt heute eine Partnerschaft mit der Gemeinde Varoslöd die eindeutig Familien mit Wiesthaler Abstammung unter ihren Einwohnern hat, was u.a. anhand des Dialektes nachzuweisen ist.
2.4. Gründung der Pfarrei Wiesthal
Der Ort Wiesthal wird zum erstenmal am 11. Januar 1477 urkundlich erwähnt. An diesem Tage wurde in Wiesthal die Pfarrei errichtet. In der Urkunde heißt es folgendermaßen:
Die Bewohner von Wiesthal (Wüstentall) und den dazugehörenden Filialdörfern, " qui in silvis et nemoribus sparsim habitatis" (Jubiläums-Festschrift, 1977, S. 75) .
Hierzu ist jedoch anzumerken, daß eine Gemeinde, die in der Lage war einen Pfarrer zu bezahlen und sich eine Kapelle zu Ehren des heiligen Apostels Andreas zu bauen, schon etwas länger existiert haben dürfte. Die Errichtung einer eigenen Pfarrei steht am Ende einer langen Entwicklungsepoche, in der Ackerbau betrieben und Häuser gebaut wurden. Irgendwann scheinen die Glasmacher auf die Idee gekommen zu sein, sich feste Wohnhäuser zu bauen und lediglich mit ihren Glasöfen zu wandern. Mit dieser ersten Seßhaftwerdung ist es verständlich, daß man verstärkt damit begann Ackerbau zu betreiben, um die wachsende Bevölkerung ernähren zu können. Manche Glasmacherkinder wurden somit bald zu Bauern.
2.5. Mainzer Mandat 1518
Am 2. Februar 1518 erläßt der Mainzer Kurfürst Albrecht von Brandenburg ein Mandat "an alle Untertanen, die im Spessart häuslich sitzen und wohnen". In Folge dessen durfte kein Holz ohne Erlaubnis gerodet werden, keine Schafe gehalten werden und Hunde müssen verwahrt werden, damit der Wald und die Jagd nicht unnötigen Schaden erleide . Im Jahre 1521 wurde beschlossen, daß Glasmacher, die zwischen Martini und Ostern nicht den Wald verließen, den Zehnten bezahlen mußten. Ein ungeschriebenes Gesetz war es zudem, dem Forstmeister zusätzlich Hanf, Gläser und Bucheckernöl zu geben.
2.6. Bauernkrieg 1525
Anno 1525 schlossen sich die Glasmacher den aufständischen Bauern an, um ihr Recht im Bauernkrieg durchzusetzen und den Wald wieder ohne Abgaben nutzen zu können. Nach der Niederwerfung des Aufstandes wurden sämtliche Glashütten im nördlichen Spessart geschlossen. Lediglich, die Nachbargemeinde Wiesthals, nämlich Krommenthal, erhielt bereits nach einem Jahr die Erlaubnis, die Glashütte wieder zu betreiben .
Im 17. Jahrhundert erlitt die Bevölkerung enormes Elend durch die Pest und den 30-jährigen Krieg. Zu dieser Zeit starben viele Spessartdörfer beinahe gänzlich aus. Darüberhinaus führten Mißernten zu vielen Hungerjahren.
Im Jahre 1803 wurde das Kurfürstentum Mainz aufgelöst und der Spessart kam zum Fürstentum Aschaffenburg und 1814 zum Königreich Bayern.
Auch das 19. Jahrhundert brachte für die Bevölkerung Hungerepedemien und Elendsjahre, in deren Folge viele Menschen auswanderten.
Bis ins 20. Jahrhundert lebte die Bevölkerung fast ausschließlich von der kargen Landwirtschaft. Mit der allmählich sich entwickelnden Industrialisierung wurden in der Umgebung neue Arbeits- und Verdienstmöglichkeiten geschaffen.
In der Zeit des Wiederaufbaus nach dem zweiten Weltkrieg entwickelten sich in Wiesthal Betriebe im Bereich der Holz-, Metall- und Kunststoffverarbeitung, die z.T. heute noch existieren .
2.7. Kirche in Wiesthal
Das Gebiet des Spessarts wurde bereits im Zuge der fränkischen Landnahme im 7. Jahrhundert christianisiert, doch erst im Laufe des 10. Jahrhunderts festigten sich allmählich die kirchlichen Verhältnisse in und um Aschaffenburg. Zu dieser Zeit wurde vom Alemannen- und Bayernherzog Otto das Kollegialstift zu St. Peter und Alexander gegründet und die Aschaffenburger Stiftskirche erbaut.
Zur bereits oben genannten Pfarrei Wiesthal, die am 11. Januar 1477 von Erzbischof und Kurfürst v. Mainz - Diether von Isenburg gegründet wurde, gehörten die Gemeinden Wiesthal, Rothenbuch, Neuhütten, Habichsthal, Krommenthal, Heinrichsthal und Jakobsthal. Heute werden nur noch Krommenthal -gehört zur Gemeinde Wiesthal- und Habichsthal -gehört zur Gemeinde Frammersbach- vom Wiesthaler Seelsorger betreut. Wiesthal ist somit die, allen Wissens nach, älteste Pfarrgemeinde im Hochspessart . Die Kapelle zu Ehren des heiligen Apostels Andreas, die bereits vor der Gründung der Pfarrei existierte, wurde in den Jahren 1599/1600 unter Erzbischof Wolfgang von Dalberg von Mainz neu erbaut. Ein Verlängerung, bzw. Vergrößerung erfolgte in den Jahren 1913/1914. Der damals angefügte Glockenturm paßt allerdings nicht zum Bild einer typischen Spessartkirche. Im Taufstein ist das Wappen des Kurfürsten von Dalberg eingelassen. Hierbei ist das Privileg zu erwähnen, welches nur der Pfarrkirche erlaubte einen Taufbrunnen, einen Glockenturm und einen Gottesacker zu besitzen .
In den Jahren 1975/76 wurde die jetzige Pfarrkirche St. Andreas errichtet, wobei dem Architekten Heinrich P. Kaupp insbesondere folgendes von Bedeutung war:
* die Erhaltung des um 1600 gebauten Kirchenbereiches, insbesondere
des Chores und Reduzierung des Langhauses etwa auf die halbe Größe,
* die Erhaltung und Freistellung des Glockenturmes als sichtbares äußeres
Zeichen,
* der Neubau einer größeren, jedoch in der äußeren Gestaltung weithin
"bescheidenen" Kirche für die Gemeinde mit ca. 400 Sitzplätzen gegen
das Hanggelände zu,
* die Anbahnung einer Platzgestaltung zwischen Kirche und Rathaus, mit
dem Ziel, die Gemeinde bei weiterer Festsetzung im öffentlichen Bereich
zu einer einfühlsamen Gestaltung anzuregen, um so das geistige Zent-
rum Wiesthals abzurunden.
Vom Würzburger Weihbischof Alfons Kempf wurde die Kirche, die unter tatkräftiger Unterstützung der Wiesthaler Bevölkerung und dem damaligen Pfarrer Scheckenbach erbaut wurde, am 2. Oktober 1976 konsekriert.
Vorteile bietet diese zweite Kirche besonders in der Gestaltung von Kindergottesdiensten o.ä. Nachteile finden sich vorallem in der Konstruktion des Flachdaches, welches sich als undicht erwiesen hat .
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