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Energieträger wasserstoff



Wasserstoff gilt als Energieträger der Zukunft. Erzeugt mit Hilfe von Sonnen-, Wasser- und Windenergie könnte er in einigen Jahrzehnten die herkömmlichen Brennstoffe Kohle, Erdöl und Erdgas ersetzen. Sein Vorteil: Er hinterläßt beim Verbrennen kein klimaschädigendes Abgas. Die Autoindustrie experimentiert zur Zeit mit Wasserstoff als Antrieb für Kraftfahrzeuge. Doch auch die Herstellung von Wasserstoff anhand der alternativen, \"sauberen\" Energien ist mit hohem technischen Aufwand verbunden. Zudem schafft die Speicherung und der Transport des Gases Probleme. Deshalb stellt sich die Frage: Wie ökologisch und ökonomisch ist diese Gastechnologie tatsächlich? Ausgehend von einem Arikel über das SZ-Forum Umwelt-Wissenschaft-Technik, bei dem im Juni 1996 Experten aus Politik, Forschung und Wirtschaft miteinander diskutierten, können Sie sich hier ausführlich zu diesem Thema informieren. Wasserstoff als Energieträger - bald auf dem Weg um die Welt? Ein Expertengespräch des \'Forums Umwelt-Wissenschaft-Technik\' der SZ In den Schaubildern der Werbebroschüren erscheint das System als nahezu perfekter Kreislauf: In der sogenannten Elektrolyse wird Wasserstoff aus Wasser abgespalten. Wird es verbrannt, liefert der Prozeß Kraft oder Strom für Automotoren und andere Maschinen. Doch das Gas selbst ist keine Energiequelle, sondern nur ein Energieträger. Die Elektrolyse ihrerseits frißt Strom. Darum taucht die Vision von der sauberen Energie im Gas immer zusammen mit der von sauberem Strom aus Wasserkraft, Sonne, Wind und Biomasse auf. Das Gas läßt sich bei tiefen Temperaturen verflüssigen. Dann kann es gespeichert, transportiert und verteilt werden. Und so hält sich hartnäckig die Idee einer globalen Wasserstoffwirtschaft, bei der Energie in der einen Ecke der Welt erzeugt und einer anderen verbraucht wird. Unlängst trafen sich in Stuttgart mehr als 700 Fachleute aus aller Welt zu einem internationalen Kongreß.

Zukunftsweisende Technologie
Wenn man den Gedanken an nachhaltiges, zukunftsweisendes Wirtschaften ernst nehme, lande man zwangsläufig bei der \'sauberen\' Wasserstoff-Technologie, sagte T. Nejat Veziroglu. \'Damit würde uns die globale Entwicklung nicht aus dem Ruder laufen\', schwärmte der Experte von der Universität Miami und Präsident der internationalen Wasserstoff-Vereinigung. Auch Carl-Jochen Winter von der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt in Stuttgart hält es für \'undenkbar\', langfristig ohne den Import von Energie, in Wasserstoff gespeichert, auszukommen. Anders läßt sich aus seiner Sicht der Anteil der fossilen Brennstoffe am Energie-Mix von der derzeit 87 Prozent auf etwa ein Viertel im Jahre 2050 nicht senken, wie es die Klima-Enquête des Bundestages vorgegeben hat. Doch noch steht die Großtechnologie ganz am Anfang; Veziroglu rechnet mit Einführungsspannen \'zwischen 40 und 80 Jahren\'. Deshalb gehe es darum, jetzt die Weichen zu stellen. Neunburg vor dem Wald in der Oberpfalz wird die Wasserstoff-Wirtschaft bereits getestet - im Versuchsmaßstab. Dort läuft seit Jahren ein Pilotprojekt, berichtete Peter Hopf, finanziert vom Bayernwerk, Bund und Freistaat. Felder von Solarzellen (Photovoltaik) liefern den Strom für die Gasproduktion. Mit dem Wasserstoff wird testweise in sogenannten Brennstoffzellen Strom erzeugt; ebenso werden Versuchsfahrzeuge damit betankt. Um allerdings zehn Prozent der bundesdeutschen Fahrzeugflotte mit Wasserstoff laufen zu lassen, rechnete Eckhard Lübbert vom Bonner Forschungsministerium beispielsweise hoch, müßten 130 000 herkömmliche Solarzell-Anlagen oder 34 000 Windräder die Energie dafür liefern. Das sei nicht nur \'unendlich teuer\', sondern bedeute auch einen gigantischen Flächenverbrauch. Wie also den Wasserstoff bereitstellen? \'Photovoltaik ist nicht der Weg, der sich abzeichnet\', sagt auch Hopf. Er hält das Biomasse-Konzept für aussichtsreicher, weil absehbar billiger.

Wasserstoff als Autoantrieb
\'Die Autoindustrie\', sagte BMW-Vorstand Horst Teltschik, \'nimmt das Thema Wasserstoff sehr ernst\'. Sie habe darum \'aus eigenem Antrieb Zukunftsvorsorge getrieben\'. Darum sei auch die Entwicklung von Fahrzeugen \'nicht der Engpaß\' in der Wasserstoffwirtschaft. Der Münchner Konzern habe als erstes Unternehmen serienmäßig einen erdgasbetriebenen Pkw auf den Markt gebracht; möglicherweise als erste Stufe einer \'technologischen Trittleiter\' zum flüssigen Wasserstoff, zumal das Elektroauto wohl kaum mehr eine große Zukunft habe. Eckard Lübbert verwies auf Verluste von 40 Prozent beim Verflüssigen des Gases.

Problem: Tanken
Ohne ein einigermaßen dichtes Netz von Tankstellen hätten wasserstoffbetriebene Fahrzeuge allerdings kaum Aussicht auf breite Käuferschichten. Aufwendig ist zudem der Transport des Alternativtreibstoffes. Um ihn über Land zu bringen, brauche man etwa die dreifache Zahl an Tanklastzügen wie bei Benzin, bilanzierte Rolf Trill von der Linde AG. Und um Wasserstoff zu verschiffen, berichtete Reinhard Krapp vom Germanischen Lloyd, fehle es derzeit noch an leistungsfähiger Technik, um die Ladung zu löschen. Probleme gibt es auch beim Bau entsprechend großer Tanks; sein Unternehmen habe einen mit immerhin 50 000 Kubikmetern entwickelt.
Strategien, um Technologie voranzutreiben
Die Mineralindustrie, sagte Bernd Nierhauve von der Aral, sehe noch \'auf sehr, sehr lange Zeit\' die Zukunft in der Verbesserung herkömmlicher Kraftstoffe. Und bevor sie darangehe, ein Verteilernetz für alternative Brennstoffe aufzubauen, müßten sich Politik, Wissenschaft und Wirtschaft erst einmal auf eine gemeinsame Strategie einigen; derzeit nämlich verfolgten die Auto-Konzerne noch höchst unterschiedliche Konzepte, die Politik favorisiere gleichfalls mehrere.

Argumente gegen Wasserstoff
Während der nach eigenen Angaben vormals glühende Verfechter Günter Beckmann als einziger den Ausstieg aus der Wasserstoff-Technologie forderte (\'Sie ist unsinnig, teuer und umweltschädlich\'), suchten andere Teilnehmer den \'Energiekonsens\', wie es Horst Teltschik nannte. Ohne eine solche Allianz werde es in einer vorkommerziellen Phase nicht gehen, sagte Carl-Jochen Winter.

Konkurrenzdenken hemmt die Entwicklung
\'Wir müssen heute über das Jahr 2050 reden\', verlangte er. Eckhard Lübbert erinnerte daran, daß das Bonner Forschungsministerium beispielsweise bei der Entwicklung von Brennstoffzellen Schwierigkeiten habe, zwei konkurrierende Firmen zusammenzuspannen. Tore Knobloch regte darum den Aufbau einer Fachagentur an. Er sieht es als Aufgabe der Politik, den Strukturwandel in der Energiewirtschaft \'sanft zu organisieren\'. Das gehe auch ohne die \'typisch teutonische Endzeitneurose\'. Dafür allerdings brauche es nicht nur \'reine\' Forschungspolitik. \'Wir müssen das an Demonstrationsprojekten ausprobieren\'.

Kompetenzzentrum in Planung
Der Freistaat will darum jetzt in Ottobrunn ein sogenanntes Kompetenzzentrum aufbauen, berichtete Hans Spitzer vom bayerischen Wirtschaftsministerium. Das habe der Ministerrat in der vergangenen Woche beschlossen. Die Einrichtung soll, vom Hause Wiesheu finanziell unterstützt, Forschung und Entwicklung koordinieren und in enger Zusammenarbeit mit der Industrie vorantreiben. Neben der DASA wollen dort auch zahlreiche andere Unternehmen einsteigen. So hätten das Bayernwerk, MAN, Linde, Mannesmann und BMW ihr Interesse bekundet. Obendrein seien zwei Leitprojekte geplant, ergänzte Strobl: eines am Münchner Flughafen sowie die Wasserstoffproduktion mit Energie aus Biomasse in Bad Brückenau.

Die Marktsituation
Denn eines war den Beteiligten aus Industrie, Forschung und Politik klar: Der Markt allein wird\'s nicht richten. Die Rahmenbedingungen, das machten die Teilnehmer deutlich, begünstigen nicht gerade die Abkehr von konventionellen Brennstoffen: Energie ist konkurrenzlos billig. In den USA beispielsweise, sagte Patrick Takahashi von der Universität von Hawaii, Berater des US-Energieministeriums, \'machen wir uns mit diesen Preisen etwas vor\'. Veziroglu kritisierte, die Marktwirtschaft sei zwar \'frei\', aber nicht \'fair\'. Sie rechne Umweltkosten nicht auf die Energiepreise an. Experten schätzen die globalen öko-Schäden derzeit weltweit auf die stolze Summe von 2,7 Billionen US-Dollar.

Innovationen in anderen Ländern
Innovativ seien dagegen vor allem Länder wie Japan, in denen Energie teuer sei. Dort ist denn auch das derzeit ehrgeizigste Förderpaket verabschiedet worden, berichtete er. Unter der Leitung der Strategen der legendären Technologiebehörde MITI wurde das sogenannte WE-NET eingerichtet. Es ist Teil des großangelegten \'New Sunshine Programm\', das in drei Phasen bis zum Jahre 2020 angelegt ist und bislang jährlich mit umgerechnet rund einer halben Milliarde Mark gespeist wird. Es spannt Dutzende japanische Konzerne zusammen, die ihrerseits weltweit kooperieren.
Die amerikanische National Hydrogen Association
Auch die USA wollen ihre Wasserstoff-Forschung aufstocken. Der Kongreß berät derzeit über ein neues Fördergesetz. Der sogenannte Hydrogen Future Act hängt noch im Senat. Was Energiesteuern angeht, ist Tore Knobloch hoffnungsfroh: \'Da wird sich etwas tun\'. Man könnte auch \'von einem Innovationspfennig auf jeden Liter Benzin träumen\', sagte der Experte aus dem Hause Merkl. Das brächte in der Bundesrepublik jährlich 800 Millionen Mark.

Der Stoff, aus dem die Träume sind
Hohe Kosten und eine komplizierte Speichertechnik machen die Verwendung schwierig Wasser - Stoff, aus dem die Träume sind? Wasser als Kraft- und Brennstoff hat für Generationen von Erfindern nichts von seiner Faszination verloren. Übersehen wird bei solchen euphorischen Betrachtungen jedoch meist die hohe Bindungsenergie von Wasserstoff im Wasser. Er muß also erst einmal aus dem Wasser in verwendbarer Form gewonnen werden - das geschieht durch die Elektrolyse, die ihrerseits wieder Energie verbraucht. Daneben läßt sich Wasserstoff aber auch aus Erdgas, durch
partielle Oxidation von Schwerölen und über die Kohlevergasung herstellen. Wasserstoff ist damit keine Primärenergiequelle, da er nicht direkt nutzbar auf der Erde vorkommt, sondern vielmehr ein Sekundärenergieträger, der allerdings durch eine außerordentlich hohe Verfügbarkeit glänzt.

Umweltfreundlicher Kreislauf
Faszinierend ist der umweltfreundliche Kreislauf. Bei einer CO2-freien Stromquelle zur Wasserstoffherstellung und einer Verbrennung mit reinem Sauerstoff ergibt sich ein völlig schadstofffreies System. In der Praxis wird jedoch nicht reiner Sauerstoff, sondern Luft verbrannt, so daß zwangsläufig Stickoxide entstehen - etwa in der Größenordnung wie bei unseren heutigen schadstoffarmen Ottomotoren.

Hauptproblem ist die Speicherung
Das Hauptproblem stellt nach wie vor die Speicherung dar: gasförmig, flüssig oder gebunden in Legierungen, nämlich Metallhydriden, die den gasförmigen Wasserstoff wie einen Schwamm aufsaugen und bei Bedarf wieder abgeben. Eine Speicherung als Gas in Hochdruckflaschen ist zwar schon seit langem bekannt, die Behälter sind jedoch für unsere Pkw noch viel zu schwer. Gespeichert im flüssigen Zustand liefert Wasserstoff die höchste masse- und volumenbezogene Energiedichte. Allerdings stellt die Handhabung der tiefkalten Flüssigkeit bei minus 253ø C enorme Anforderungen an die Isolation des doppelwandigen, vakuumisolierten Tanks. Metallhydrid-Speicher dagegen haben zwar eine hohe volumenmäßige Kapazität und ermöglichen variable Bauformen, bieten jedoch nur eingeschränkte Verfügbarkeit.

Effizienter Energieträger
Vorteile hat der Wasserstoff allerdings im Vergleich mit dem elektrochemischen Stromspeicher. Er stellt sich selbst im Vergleich zu den neuentwickelten Hochenergiebatterien als wesentlich effizienterer Energieträger dar.

Vorteil in manchen Unfallsituationen
Wasserstoff als farb-, geruch- und geschmackloses sowie ungiftiges Gas birgt generell keine höheren Sicherheitsrisiken als andere gasförmige Energieträger; in bestimmten Unfallsituationen bietet er sogar Vorteile gegenüber konventionellen Kraftstoffen. Durch seine hohe Verbrennungsgeschwindigkeit steigt allerdings die Gefahr von Detonationen, vor allem in geschlossenen Räumen. Deshalb muß eine ausreichende Belüftung sämtlicher Bereiche sichergestellt sein, in denen sich zündfähiges Wasserstoff-/Luftgemisch bilden kann.

Weltweit entwickelte Fahrkonzepte
Fahrzeugkonzepte sowohl mit Druck- und Flüssig-Wasserstoffspeicher als auch solche mit Metallhydrid-Speicherung sind bereits weltweit entwickelt und als Prototypen getestet worden - zum Teil sogar in Kundenhand. Die Gemischbildung erfolgte dabei entweder durch Zuführung in gasförmiger Form oder durch Einspritzung von flüssigem Wasserstoff in den Brennraum. Damit ist der Nachweis geführt, daß Wasserstoff als Energiequelle für den Verbrennungsmotor möglich und handhabbar ist.

Neues Verkehrssystem
Der Wasserstoff bedeutet ein neues Verkehrssystem. Er ist - was Herstellung, Transport, Speicherung, Verteilung und Anwendung im Fahrzeug angeht - erprobt und mit unseren heutigen Sicherheitsstandards technisch nutzbar. Einer kurz- und mittelfristigen Einführung stehen allerdings noch Hindernisse entgegen, wie: Erstens - höhere Herstellkosten gegenüber konventionellen Kraftstoffen, zweitens - Aufbau einer neuen Versorgungsinfrastruktur und drittens - die Notwendigkeit für eine bessere Speichertechnologie, die bezüglich Energiedichte und Kosten mit dem konventionellen

System konkurrieren kann.


Brennstoff aus dem Bakterienreaktor
Forscher entwickeln Konzept, wie Mikroorganismen aus Sonnenlicht Wasserstoff kostengünstig herstellen könnten Irgendwann in der Zukunft, vielleicht im 21. Jahrhundert, könnte ein neues Energiezeitalter eingeläutet werden: Wasserstoff wird dann das Erbe von Kohle, Erdöl und Erdgas antreten. Diese Aussage mag zwar angesichts der niedrigen Preise der fossilen Rohstoffe heute noch wie eine Utopie anmuten, doch die Forschungs- und Entwicklungslabors der großen Firmen bereiten sich längst darauf vor. BMW und Mercedes bauen bereits Autos und Busse mit Wasserstoffmotoren, die Daimler-Benz Aerospace arbeitet mit russischen Partnern an einem wasserstoffgetriebenen Airbus, und im oberpfälzischen Neunburg vorm Wald werden seit zehn Jahren die Komponenten einer Wasserstoff-Wirtschaft getestet: Solarzellen erzeugen dort elektrischen Strom, mit dessen Hilfe dann Elektrolyseanlagen Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff spalten. Heizkessel und Brennstoffzellen verwandeln schließlich das Wasserstoffgas wiederum in Wärme und elektrische Energie.

Effiziente Technik
Auch Blockheizkraftwerke und neuartige Fahrzeugantriebe setzen auf wasserstoffabhängige Brennstoffzellen, denn diese Technologie ist effizient und umweltverträglich. Beim Verbrennen, also der Vereinigung von Wasserstoff und dem Sauerstoff der Luft entstehen nämlich neben reinem Wasser kaum Abfallprodukte - in einer Brennstoffzelle noch weniger als in einem Verbrennungsmotor oder Heizkessel.
Suche nach sinnvollem Herstellungsverfahren
Obwohl also Bausteine einer möglichen Wasserstoff-Welt in den letzten Jahren deutlich an Kontur gewannen, blieb ein wesentliches Problem ungelöst: Wie läßt sich der Energieträger Wasserstoff preisgünstig und umweltschonend erzeugen? Der Umweg über den elektrischen Strom aus Solarzellen, der im Neunburger Projekt verfolgt wird, erscheint nämlich wenig sinnvoll. Zum einen ist der Preis für den Kubikmeter Wasserstoffgas (entsprechend dem Heizwert von 0,3 Litern Benzin) mit rund acht Mark sehr hoch. Zum anderen gibt es auch genug direkte Einsatzmöglichkeiten für Solarstrom: Allein ins deutsche Stromnetz könnten nach Schätzung von Experten ohne Schwierigkeiten 25 000 Megawatt eingespeist werden - das 500fache der heutigen Jahres- Weltproduktion an Solarzellen und fast fünf Prozent der deutschen Kraftwerksleistung.

Bakterien als Wasserstoffproduzenten
Auf Kooperationspartner aus der Natur setzen deshalb Biologen und Verfahrenstechniker an deutschen Universitäten und Forschungseinrichtungen: Sie wollen Wasserstoff aus Kleinstlebewesen \'zapfen\'. Denn Bakterien und auch Grünalgen produzieren unter bestimmten Bedingungen Wasserstoff. Purpurbakterien der Art Rhodospirillum rubrum beispielsweise können pro Kilogramm Biomasse täglich bis zu drei Kubikmeter Wasserstoff erzeugen. \'Was in manchen Waldseen an die Oberfläche steigt, sind nicht nur Methan-, sondern auch Wasserstoffblasen\', sagt Sabine Tramm-Werner,Biotechnologin an der Rheinisch-Westfälischen Hochschule (RWTH) Aachen.

Arbeitsweise der Bakterien
Die Purpurbakterien leben in den tieferen Schichten der Seen und verarbeiten mit Hilfe des Sonnenlichts die organischen Substanzen, die zu ihnen hinunterschweben. \'Wenn sie zuviel Nahrung bekommen und zugleich unter Stickstoffmangel leiden, geben sie Wasserstoff ab, um das Innere ihrer Zellen im sicheren chemischen Gleichgewicht zu halten, erklärt Tramm-Werner.
Förderprogramm des Bundesforschungsministeriums
Zur Erforschung dieser natürlichen Wasserstoffquelle startete das Bundesforschungsministerium im Jahr 1990 das Förderprogramm \'Biologische Wasserstoffgewinnung\'. Insbesondere zwei Enzyme der Mikroben standen dabei im Mittelpunkt der Forschungen: Unter Stickstoffmangel kann das eine, die \'Nitrogenase\', seine normale Aufgabe, den Luftstickstoff zu Ammoniak zu binden, nicht erfüllen. Statt dessen fördert die Nitrogenase dann die Entstehung von Wasserstoff. Ihr Gegenspieler ist die sogenannte \'hup-Hydrogenase\', die die Wasserstoffbildung hemmt. Genetische Mutation Im Rahmen des Forschungsprogramms gelang es dem Freiburger Biologen Jürgen Oelze, durch eine genetische Mutation diese Hydrogenase zu inaktivieren, worauf die Bakterien deutlich mehr Wasserstoff produzierten. Gar einen dreifachen Anstieg des Wasserstoffvolumens berichtete Jobst-Heinrich Klemme von der Universität Bonn nach der Zugabe von EDTA: Dieser chemische Stoff, so Klemme, habe zugleich die Hydrogenase- Aktivität gestoppt und die der Nitrogenase gesteigert.

Mikroorganismen, die Wasser zersetzen
In Cyanobakterien und Grünalgen wirken Hydrogenasen allerdings entgegengesetzt: Hier verhindern sie die Wasserstoffentstehung nicht, sondern fördern sie geradezu. Im Gegensatz zu Purpurbakterien spalten diese Mikroorganismen den Wasserstoff auch nicht aus organischem Material ab, sondern können Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff zersetzen - was sie besonders interessant für technische Anwendungen macht.

Verfahrenstechnik weiterentwickeln
Allerdings ist es nicht einfach, ein Verfahren zu entwickeln, das die beiden entstehenden Gase voneinander trennt und so eine mögliche Knallgasreaktion verhindert. Im Förderprogramm zur biologischen Wasserstoffgewinnung konzentrierten sich die Forscher vor allem auf die grundlegenden Fragen der Biologie. Die Verfahrenstechnik kam dabei eindeutig zu kurz - eine Lücke, die Sabine Tramm-Werner nun als Koordinatorin eines neuen, ebenfalls von Bonn geförderten, Projekts zur \'mikrobiellen bisolaren Wasserstoff-Produktion\' füllen will. \'Unsere Arbeitsgruppe aus Bio- und Verfahrenstechnikern will binnen eines Jahres im Freilandversuch eine kontinuierliche und energieautarke Wasserstoffproduktion erreichen - und das mit einer Mindestmenge von stündlich zwei Litern Wasserstoff pro Quadratmeter Kollektorfläche\' steckt Tramm-Werner das Ziel ab.

Fahndung nach optimalen Mikroben
Die bereits erzielten Laborergebnisse auch unter tatsächlichen Einsatzbedingungen beizubehalten und den Prozeß zu stabilisieren, ist die eigentliche Herausforderung für die Biotechniker. In Hunderten von Gefäßen suchen die Forscher nun den besten Mikrobenstamm und seine optimalen Arbeitsbedingungen. \'Mit Rhodospirillum rubrum sind wir sehr zufrieden\', so Tramm-Werner, \'es ist ein gutmütiges, stabil produzierendes Bakterium.\'
Vorteil gegenüber Wasserstofferzeugung mit Sonnenenergie
Eine Schweizer Arbeitsgruppe hat damit schon über mehrere Monate hinweg kontinuierlich Wasserstoff erzeugt. Die Ausbeute von zwei Litern Wasserstoff pro Stunde und Quadratmeter entspricht zwar nur einem Sechstel der Energienutzung des Sonnenlichts, die Silizium-Solarzellen erreichen. Sie ist aber durchaus noch steigerungsfähig: Im Labor lieferten Bakterien - auch ohne genetische Veränderung - schon einmal mehr als die doppelte Menge an Wasserstoff, doch bisher nur für wenige Stunden. Ein zusätzlicher Vorteil von Tramm-Werners Konzept gegenüber der Wasserstoff-Erzeugung über Solarzellen: Es sind keinerlei komplizierten und teuren Elektrolyse-Apparaturen nötig. Grundelement \"Sandwich-Reaktor\" Das Grundelement ist ein fünf Zentimeter dicker \'Sandwich-Reaktor\' mit einer Platte in der Mitte, auf der sich die Purpurbakterien ansiedeln. Diese Zwischenplatte trennt den Reaktor in zwei Bereiche, die oben und unten miteinander verbunden sind. Schräg in die Sonne gestellt, erwärmt sich der vordere lichtdurchlässige Teil des Sandwichs und es entsteht ein \'Thermosiphon\'-Effekt: Die Flüssigkeit mit dem Nährmedium für die Bakterien strömt zwischen der vorderen und der mittleren Platte nach oben und auf der im Schatten liegenden Rückseite wieder nach unten. Unterstützt wird dieser Kreislauf von den nach oben sprudelnden Wasserstoffbläschen, die die Bakterien ausstoßen. Auf diese Weise können die Nährstoffe ohne eine von außen angetriebene Pumpe die festsitzenden Mikroben umspülen. \'Das Optimum haben wir dann erreicht\', sagt Tramm- Werner, \'wenn die Bakterien genau so viele Nährstoffe bekommen, daß sie sich zumindest für einige Monate selbst erhalten und ansonsten nur Wasserstoff produzieren.\'

Symbiose mit Algen
Extreme Helligkeit sowie Hitze und Kälte sind eher schädlich. Bei diffusem Tageslicht und mittleren Temperaturen, wie sie in Mittel- und Südeuropa herrschen, fühlen sich die kleinen Wasserstoff-Fabrikanten am wohlsten. Da Purpurbakterien vor allem den Infrarotteil des Sonnenlichts ausbeuten, kann der Rest des Spektrums zudem anderweitig genutzt werden - etwa durch Solarzellen, die auf die sonnenzugewandte Platte montiert wurden, was die Energieausbeute des Systems weiter erhöht. \'Wir könnten auch wie in den natürlichen Seen die Nährstoffe für die Bakterien durch Algen erzeugen lassen, also eine Mischkultur anlegen, die sich selbst erhält\', überlegt Tramm-Werner. Die richtigen Symbiosepartner zu finden, ist allerdings keine leichte Aufgabe.

Molke als Nahrung
Vorerst ernähren sich die Bakterien noch von organischen Stoffen, beispielsweise Laktat aus Molke, dem Nebenprodukt der Käseherstellung. Eine erste große Demonstrationsanlage könnte sich Tramm-Werner deshalb durchaus auf einer Alm vorstellen, \'wo die Molke sowieso anfällt und die Energieversorgung schwierig ist\'. 200 Quadratmeter der Sandwichreaktoren könnten täglich mindestens 5000 Liter Wasserstoff liefern. Einmal im Frühjahr sollten die Reaktoren mit Purpurbakterien gefüllt werden, und vor Beginn des Winters würden sie dann gereinigt und stillgelegt.

Anstrengungen Japans
\'Für eine derartige Demonstrationsanlage\', so Tramm-Werner, \'wünschen wir uns noch einen Industriepartner, der einsteigt, wenn wir die Machbarkeit bewiesen haben.\' Denn nicht nur die Einsatzmöglichkeiten von Wasserstoff sollten die Industriefirmen untersuchen, sondern auch, auf welche Weise dieser Energiespeicher gebaut wird. \'Sonst\', warnt Tramm-Werner, \'sind es wieder einmal die Japaner, die hier die Nase vorn haben, da sie bereits massiv in diese Technologie investieren.\' Auf der letzten Hannovermesse war jedenfalls der einzige hochrangige Industrievertreter, der starkes Interesse an ihren Konzepten zeigte, der Forschungschef eines großen japanischen Unternehmens.

Wasserstoff aus Traubenzucker
Wasserstoff verbrennt zu Wasser, ohne Schadstoffe oder Kohlendioxid freizusetzen, weshalb er als Energieträger der Zukunft gilt. Bislang läßt er sich jedoch nur in teuren Verfahren chemisch oder durch Elektrolyse herstellen. Einen Weg, Wsserstoff in Zukunft billiger aus Traubenzucker zu gewinnen, zeigen Jonathan Woodward und seine Kollegen vom Oak Ridge National Laboratory (New Scientist, Bd. 2037, S. 19, 1996).
Produktion über Enzyme
Der Trick der amerikanischen Wissenschaftler: Sie vereinfachen eine bereits bekannte Methode, Wasserstoff von Bakterien erzeugen zu lassen (SZ, 25.1.1996). So bedienen sie sich nicht mehr der Mikroorganismen, sondern nur noch deren Enzyme. Diese beschleunigen biochemische Reaktionen milliardenfach. Die Forscher nutzen zunächst einen solchen Biokatalysator, um Traubenzucker in Glukonsäure zu überführen. Dabei wird Wasserstoff frei, wonach das Hilfsmolekül erneut Wasserstoff vom Traubenzucker aufnehmen kann.
Archaebakterien aus Kohlehalden
Die Enzyme stammen auch Archaebakterien, die in glimmenden Kohlehalden oder Tiefseevulkanen vorkommen. Sie arbeiten bei 60 Grad Celsius, einer Temperatur, bei der die Reaktionen schnell ablaufen und sich keine schmarotzenden Bakterien in der Traubenzuckerlösung breitmachen. Weiter verbessern wollen die Forscher ihr Verfahren, indem sie ein drittes Enzym mit einbeziehen. Es setzt Traubenzucker aus Zellulose frei, dem Hauptbestandteil von Papier.


Vom Himmel über der Wüste
Solarstrom als Importartikel?
Im Gegensatz zur Photovoltaik über deutschen Dächern erscheint die Solarthemie im großen Maßstab geradezu wie ein exotisches Projekt. Weltweit gibt es bislang nur wenige Pilotanlagen, in Regionen, in denen die Sonne erbarmungslos vom Himmel scheint. Nun sagen Wasserstoff-Visionäre dieser Art der Stromgewinnung eine strahlende Zukunft voraus. Ihr Plan: in den Hitzezonen der Erde Energie zu erzeugen, sie im Wasserstoff zu speichern und so nach Europa zu transportieren.
Kostengünstiger Solarstrom
Carl-Jochen Winter von der Deutschen Forschungsanstalt für Luft- und Raumfahrt hält eine solche Strategie für notwendig, um von fossilen Brennstoffen loszukommen. Doch wie ausgereift ist die Technologie tatsächlich? Seit Jahren beispielsweise arbeitet in der Mojave-Wüste im südlichen Kalifornien ein Solarkraftwerk gigantischen Ausmaßes. Die neun nacheinander mit jeweils verbesserter Technik gebauten Einheiten haben zusammen mittlerweile eine installierte elektrische Leistung von 354 Megawatt. Errichtet wurden sie unter anderem mit deutscher Technik; die BMW AG ist daran beteiligt, mit \'guten Erfahrung\', bestätigte BMW-Ingenieur Wolfgang Strobl. Die Anlage, die sich über mehr als 800 Hektar Wüstenland erstreckt, speise Strom in das Netz der Millionen-Metropole Los Angeles, zu Kosten von umgerechnet 30 Pfennig pro Kilowattstunde. In Deutschland erzeugter Photovoltaikstrom kostet indes noch immer ein Mehrfaches.
Funktionsweise der Anlage
Die Solarfarm in der Wüste mit dem Namen SEGS arbeitet nach folgendem Grundmuster: Riesige Spiegelrinnen, geformt wie überdimensionierte Schaufeln, sammeln gleichsam das Sonnenlicht ein. Sie sind in langen parallelen Reihen aufgestellt
und entsprechend dem Tagesgang der Sonne beweglich aufgehängt. Damit wird Öl erwärmt, das mit etwa 400 Grad Celsius in einem Rohrsystem die Spiegel mit einem Kraftwerksblock verbindet. Über einen sogenannten Wärmetauscher gibt das aufgeheizte Öl seine Energie in einen Dampfkreislauf ab, an dem eine konventionelle Turbine hängt.

Weitere Solarkraftwerke
Andere Anlagen wie in Riad (Saudi- Arabien) sammeln das Licht in riesigen Parabolspiegeln, welche die Strahlen auf einen Empfänger reflektieren, der zusammen mit einem Generator im Brennpunkt aufgehängt ist. Testmodule kleineren Zuschnitts laufen bereits. In anderen Demonstrationsanlagen bündeln Hunderte von konzentrisch angeordneten Spiegeln das Licht auf einen Empfänger an der Spitze eines Turmes in der Mitte. Die gesammelte Wärmeenergie wird in eine Turbine gespeist.

Das Wuppertal-Institut prüft
Nun soll das industriekritische Wuppertal-Institut für BMW prüfen, ob die Großtechnologie denn ökologisch korrekt sei. Strobl jedenfalls machte sich schon jetzt dafür stark, den Bau einer Solarthermieanlage in Nordafrika \'anzukurbeln\'. Indes hängt von der Wahl des Platzes an der Sonne ab, ob der verlustreiche Umweg über das Speichermedium Wasserstoff überhaupt notwendig wäre. Anlagen, die in der Vergangenheit bereits einmal als Zukunftsprojekt für Südspanien gehandelt wurden, ließen sich an das kontinentale Stromnetz hängen, erinnerte Günter Beckmann von der HÜLS AG.

Der Preis für Wasserstoff
Immer wieder werden in der Öffentlichkeit astronomische Preise für Wasserstoff genannt, so etwa im Artikel \'Brennstoff aus dem Bakterienreaktor\' (SZ vom 25. 1.), rund 23 DM für eine Menge Wasserstoff, die dem Energieinhalt eines Liters Benzin entspricht. Der Wasserstoff wird dabei mit Hilfe von Solarstrom aus Wasser gewonnen.
Falsche Preisberechnungen
Unserer Ansicht nach basieren die genannten Kosten auf Kalkulationen mit Kleinserien von Photovoltaikmodulen, Einzelanfertigungen von Elektrolyseuren und dem Betrieb von Forschungsanlagen. Doch dies ist einunlauterer Vergleichsmaßstab: Kein Mensch würde etwa ein Auto kaufen, das aus einzelgefertigten Teilen besteht - es könnte dann nämlich leicht eine Million DM kosten. Kaum hat man aber in die Markteinführung einer erneuerbaren Energiequelle investiert, wie etwa die Windenergie, so wird sie zum Selbstläufer und Deutschland zum weltweit zweitgrößten Anwender und einem der wichtigsten Exporteure. Man kann also im Fall der anderen erneuerbaren Energiequellen sagen: \'Wir haben es noch gar nicht ernsthaft versucht.\'
Wasserstoff ist billiges Nebenprodukt
In der chemischen Industrie entsteht gasförmiger Wasserstoff teilweise als Nebenprodukt, das nicht mehr für weitere chemische Produktionsschritte genutzt wird. Dieser Wasserstoff (rund eine Milliarde m3 pro Jahr), der bisher entweder intern thermisch verwertet oder einfach in die Umwelt abgeblasen wird, stünde zu einem Preis von 0,44 bis 0,72 DM pro Liter Benzinäquivalent für energetische Anwendungen wie z. B. gekoppelte Strom- und Wärmeerzeugung mittels Brennstoffzellen zur Verfügung. Für die Anwendung im Automobilverkehr müßte er zusätzlich verdichtet werden und würde dann 0,87 bis 1,59 DM pro Benzinäquivalent kosten.
Günstige Erzeugung mit Wasserkraft und Biomasse
Wird der Flüssigwasserstoff mit kostengünstiger Elektrizität (z. B. aus kanadischen Wasserkraftwerken) erzeugt, so liegt der Preis frei Hafen Hamburg heute bei rund 2,25 DM und soll ab 1998 rund 1,80 DM pro Liter BzÄqu. betragen. Tankfertiger Wasserstoff aus Biomasse kann bereits in wenigen Jahren mit Hilfe der Wasserdampfdruckvergasung zwischen 0,87 bis 1,74 DM pro Liter BzÄqu. kosten. Besonders für die Land- und Forstwirtschaft kann diese umweltneutrale Erzeugung von Wasserstoff vor Ort mittelfristig sehr interessant werden. Zum Vergleich: Bei der Wasserstoffproduktion aus Algen- und Bakteriensystemen, die im SZ-Artikel diskutiert wird, geht man davon aus, daß langfristig gesehen Wasserstoff für 2,18 DM pro Liter BzÄqu. hergestellt werden kann.

Gas gegeben: Saubere Kraft aus Isoliertanks
Die Autoindustrie testet Brennstoffzellen und \'Tiefkühl-Sprit\' bereits auf der Straße Hans-Jürgen Drewitz (MAN), Hans-Ulrich Huss (Daimler-Benz AG) und Wolfgang Strobl (BMW AG) erläuterten die neuesten Testfahrzeuge, die mit Wasserstoff nahezu ohne Schadstoff-Ausstoß laufen. Aus dem Auspuff kommen weder krebserregende Substanzen, noch giftiges Kohlenmonoxid oder klimaschädliches Kohlendioxid. Auch die Stickoxid-Emissionen sind \'vernachlässigbar\', weit unter geplanten strengen EU-Abgasnormen, im Falle Daimler-Benz gar bei Null. Gasbetriebener Bus in Erlangen
Seit April rollt ein Stadtbus der Firma MAN durch Erlangen, den die Konstrukteure für den Betrieb eines Verbrennungsmotors mit flüssigen Wasserstoff erheblich umgerüstet haben: Drei speziell isolierte und miteinander verbundene Tanks von jeweils knapp 200 Liter Inhalt haben sie unter dem Boden des Busses aufgehängt. Sie speichern den Wasserstoff bei einer Temperatur von minus 253 Grad Celsius und dreieinhalbfachem Überdruck; erst kurz vor dem Einblasen wird er zu Gas erwärmt. Mit den 57 Litern kommt der Bus lediglich 250 Kilometer weit, dann muß er an Spezialzapfsäulen frisch betankt werden. Beim Benzinbetrieb, der mit besserer Höchstleistung ebenfalls möglich ist, liegt die Reichweite bei rund 450 Kilometern. Minikraftwerk Brennstoffzelle Mitte Mai hat die Daimler-Benz AG ihre Konstruktion \'Necar II\' (New Electric Car) vorgestellt. Der Kleinbus läuft mit Strom. An Bord hat er allerdings nicht eine Batterie, sondern eine Art chemisches Minikraftwerk: ein Paket von Brennstoffzellen, in denen Wasserstoff mit dem Sauerstoff der Luft reagiert und daraus Strom liefert. Die Zellen bestehen aus jeweils zwei Metallplatten, den elektrischen Polen, die durch eine Spezialfolie getrennt sind. Durch ihre äußerst feinen Poren passen nur Protonen, Wasserstoffatome, die ihr jeweils eines Elektron gleichsam abgestreift haben, und so nach der Passage durch die ansonsten undurchlässige Membran mit Sauerstoff der zugeblasenen Luft reagieren, die freiwerdende Energie ermöglicht eine Art Umleitung der Elektronen, den Stromfluß. Mit dem Gaspedal steuert der Fahrer die Luftzufuhr und damit letzten Endes die Stromstärke.
Technische Verbesserungen
Die Brennstoffzellen sind heutzutage deutlich leichter als noch vor wenigen Jahren. Die Zellen leisten 50 Kilowatt, der Bus erreicht damit eine Geschwindigkeit von 110 Stundenkilometern. Der Wasserstoff ist beim Necar II in zwei 140-Liter-Tanks auf dem Dach gespeichert, bei einem Überdruck von 240 Atmosphären. Trotzdem kommt der Bus mit dem komprimierten Gas nicht weiter als 300 Kilometer. Denkbar ist darum gleichsam eine zusätzliche Kraftwerksschleife: den Wasserstoff an Bord aus Methanol zu gewinnen. Der könnte wie herkömmlicher Sprit getankt werden. Großtechnisch ließe sich Methylalkohol aus Erdgas oder Biomasse gewinnen.
Benzin neben Wasserstoff
Auch die BMW AG arbeitet nach Firmenangaben bereits an der vierten Generation von Versuchsfahrzeugen. Die Luxuskarosse der Siebener-Reihe, Version 1995, läuft mit einer Flüssigwasserstoff- Tankfüllung 400 Kilometer weit, kann aber ebenso mit Benzin betrieben werden. Das Volumen der Tanks haben die BMW-Konstrukteure deutlich verkleinert, das gesamte Kraftstoffsystem verbessert.


Daimler-Benz: Pkw mit Brennstoffzelle
Das Versuchsfahrzeug Daimer-Benz NECAR II:
Der Brennstoffzellen-Antrieb entwickelt sich immer näher zur Serienreife Aus dem Auspuff strömt nur reiner Wasserdampf Die Ingenieure glauben, schon in einigen Jahren Modelle der A-Klasse mit dem abgasfreien Antrieb ausrüsten zu können
Leise, nahezu geräuschlos, rollt die Großraumlimousine durch denGroßstadtverkehr. Nur ein Surren ist zu hören, wenn der Elektromotor seine Arbeit aufnimmt. Auf einem Display, das oberhalb des Rückspiegels angebracht ist, zucken Meßbalken hin und her. Die übrige Instrumentierung sieht so aus wie in nahezu jedem Minivan - wenn da nicht der große rote Knopf mit der Beschriftung \'Notaus\' wäre. Ein Elektroauto, mag sich der kundige Leser nun denken - das ist aber nur die halbe Wahrheit. Tatsächlich wird der NECAR II elektrisch angetrieben, der Strom wird aber nicht aus einer Batterie gezapft. Brennstoffzelle unter der Rückbank
Der NECAR II bezieht seine Antriebsenergie aus einem Brennstoffzellensystem, das in einem Kasten unter der Rückbank untergebracht ist. Hier werden Sauerstoff - der aus der Umluft angesaugt wird - und Wasserstoffgas, das in einem Tank im Hochdach der Großraumlimousine transportiert wird, einer kontrollierten Reaktion zugeführt, bei der Strom entsteht. Als Abgas fällt dabei nur reiner Wasserdampf an, der in diesem Fall anstatt aus dem Kochtopf aus dem Auspuff strömt.
Kooperation
Der NECAR II ist ein Versuchsfahrzeug, das in einer firmeninternen Kooperation von Daimler-Benz und Mercedes- Benz entstanden ist. Am Antrieb mit einer Brennstoffzelle arbeiten die Forscher und Ingenieure schon seit längerem, weil diese alternative Antriebsquelle einen entscheidenden Vorteil hat: Sie ist absolut umweltfreundlichg. Sauerstoff und Wasserstoff stehen im Gegensatz zu den fossilen Energiequellen in wahrscheinlich nie versiegender Menge bereit.
Rasche Entwicklung
\'Mobilität und Transport werden vor allem in den Schwellenländern wachsen\', sagt Helmut Werner, der Vorstandsvorsitzende von Mercedes-Benz, schränkt aber gleichzeitig ein, daß \'der Verkehr auch für die Umwelt tragbar bleiben muß\'. Zwar steckt nach Werners Ansicht im traditionellen Verbrennungsmotor noch ein erhebliches Verbesserungspotential, aber der Brennstoffzellenantrieb als eine Alternative soll bereits in einigen Jahren in die Serienproduktion aufgenommen werden. Die Entwicklung verläuft schneller als erwartet - vor allem mit der Verkleinerung der Bauteile haben sich schneller Fortschritte erzielen lassen, als die Forscher gehofft hatten. Die Entwicklung wird augenfällig, wenn man sich den drei Jahre alten Vorläufer des NECAR II ansieht: Hier waren die Brennstoffzelle, die periphere Technik und der Tank in einen Transporter vom Typ MB 180 gepackt worden, dessen Laderaum damit so vollgepfropft war, daß keinerlei Güter und nur noch zwei Personen befördert werden konnten. Die Daimler-Benz-Ingenieure glauben, binnen zwei, drei Jahren so weit zu sein, daß das Brennstoffzellensystem, das in mehrere kleinere Einheiten unterteilt ist, in die Karosserie der künftigen A-Klasse passen wird.
Zeitpunkt der Serienfertigung unklar
Wann allerdings genau mit der Serienproduktion begonnen werden kann, darauf wollen sich die Ingenieure nicht festlegen. Klar ist für sie nur, daß sich auch Omnibusse für den Einsatz anbieten. Der NECAR II verfügt über eine Reichweite von 250 Kilometern, das Doppelte bis Dreifache von \'konventionellen\' Elektromobilen. Ein Problem stellt bislang allerdings das Betanken mit Wasserstoff dar. Kostengünstig können Autos mit Brennstoffzellenantrieb erst betrieben werden, wenn an jeder Tankstelle nicht nur Benzin, sondern auch Wasserstoff getankt werden könnte.
Methanol tanken
Daran ist jedoch - aus Sicherheits- und Kostengründen - nicht zu denken. Also sind die Forscher von Daimler-Benz auf den Trick gekommen, den Wasserstoff sozusagen erst an Bord herzustellen. Dazu muß Methanol in den Tank gefüllt werden, was technisch problemlos machbar wäre: An den Tankstellen müßte nur eine zusätzlicher Schlauch pro Zapfsäule eingerichtet werden. Dann würde das Methanol in einem chemischen Prozeß teilweise zu Wasserstoff umgewandelt werden - und in dem \'teilweise\' liegt genau der Haken: Denn dabei fällt Kohlendioxid (CO2) an, was die Umweltverträglichkeit des Brennstoffzellenantriebs natürlich schmälert. Allerdings ist der CO2-Ausstoß nur ungefähr halb so hoch wie der eines vergleichbaren Benzinmotors, betonen die Techniker. Außerdem verursacht der \'Reformer\', der für die Umwandlung des Methanols zuständig ist, einen zusätzlichen technischen Aufwand.
Ergebnisse der ersten Probefahrt
Wie sich bei einer ersten kurzen Fahrprobe herausstellte, kann man mit den Fahrleistungen, die der NECAR - was übrigens New Electric Car bedeutet -, durchaus leben, vor allem wenn nicht weite Autobahnstrecken der hauptsächliche Einsatzzweck sind. Die Großraumlimousine erreicht eine Höchstgeschwindigkeit von etwas mehr als 100 km/h, die Reichweite beträgt mit einer Gasfüllung etwa 250 Kilometer. Das Versuchsfahrzeug setzte sich allerdings noch etwas ruckartig und schwäbisch- behäbig in Bewegung - vielleicht darf man aber bei einem Leistungsmaximum von 50 kW (68 PS) nicht mehr erwarten. Offenbar ist auch das Energiemanagement noch verbesserungswürdig: Das Problem ist, daß der Brennstoffzelle immer genau so viel Energie entnommen werden muß, wie zur Fortbewegung oder zur Beschleunigung benötigt wird, da ja eine Zwischenspeicherung in einer Batterie entfällt. Und auch die halbautomatische Zweigang-Schaltungscheint noch nicht der Weisheit letzter Schluß zu sein.
Das Brennstoffzellen-System
Das Brennstoffzellensystem hat Daimler-Benz zusammen mit Spezialisten der kanadischen Firma Ballard Power Systems entwickelt. Das System, das aus zwei sogenannten Stacks besteht, ist in einem koffergroßen Kasten unter den beiden Rücksitzen untergebracht. Es bleibt in der V-Klasse (die im September mit konventionellen Antrieben auf den Markt kommt) sogar noch ein kleiner Kofferraum übrig. Die beiden Hochleistungs-Stacks bestehen aus jeweils 150 einzelnen Brennstoffzellen. Diese wiederum sind aus zwei Elektrodenplatten aufgebaut, die zur Heranführung des Wasser- und Sauerstoffs dienen. Eine weitere Komponente ist eine mit Edelmetall beschichtete Elektrolytfolie, die von den beiden Platten eingeschlossen wird. Durch eine Verringerung des Gewichts und eine Verbesserung der Geometrie des Systems konnten die Daimler-Benz-Ingenieure das Gewicht - gemessen pro Kilowatt Leistung - von 21 auf sechs Kilogramm reduzieren.
Experiment aus der Schulzeit
Wem dies alles zu kompliziert klingt, der möge sich doch an seine Schulzeit erinnern. Im Chemieunterricht war das Experiment mit dem Knallgas besonders beliebt: Dabei ergeben Wasser- und Sauerstoffgas ein Gemisch, das bei der Entzündung mit einem lauten Knall explodiert. So ähnlich funktioniert die Brennstoffzelle, nur daß es hier keine Explosion, sondern eine \'kalte\' Reaktion gibt. Dies wird durch die Trennung der beiden Gase mit Hilfe der Elektrolytfolie erreicht. Winzige Öffnungen in der hauchdünnen Folie lassen nur Protonen, also positiv geladene Wasserstoff-Ionen durch, die auf der anderen Seite mit den Sauerstoffteilchen reagieren. Durch den Elektronenüberschuß auf der Wasserstoff-Seite und den Elektronenmangel auf der Sauerstoffseite bilden sich Plus- und Minuspol, an denen elektrische Energie entnommen werdenkann.
Weitere Hightech-Komponenten
Weitere Hightech-Komponenten des NECAR II sind der Druckgasbehälter, das Fahrzeugmanagement, die Energierückgewinnung und die neuen Schalldämpfer. Der Tank besteht nicht mehr wie beim NECAR I aus Aluminium, sondern aus klohlefaserverstärktem Kunststoff, wodurch bei halbem Gewicht doppelt soviel Wasserstoff getankt werden kann. Das Fahrzeug-Management ist jetzt auf einer Platine untergebracht, die nicht größer als eine DIN-A4-Seite ist. Ein Auto, das einen Mercedes-Stern am Kühlergrill trägt, muß natürlich auch den entsprechenden Komfort bieten - das hatten die Mercedes-Oberen ihren Daimler- Kollegen ins Lastenheft geschrieben. Für das gute Klima in dem Sechssitzer sorgt ein Reluktanzmotor in der Lüfteranlage, dessen Vorteil in der leichten Kühlbarkeit liegt: Bewegte Teile erhitzen sich im Vergleich zu einem Elektromotor weniger.
Noch unbestimmt: Der Preis
Noch unbeantwortet läßt Mercedes- Chef Werner allerdings die Frage nach den genauen Preisen künftiger Alltagsautos mit Brennstoffzellenantrieb. Für ihn ist nur klar, daß sie nicht mehr kosten dürfen als ihre konventionellen \'Brüder\', da sonst eine Marktakzeptanz nicht erreicht werden kann. Warten wir also auf die Zeiten, in denen wir nahezu geräuschlos und abgasfrei durch die Städte und über Land gleiten werden - vielleicht kommen sie schneller, als wir jetzt glauben. Denn das Automobil wird auch künftig ein entscheidender Faktor der menschlichen Mobilität bleiben.


Erster PKW
Die Daimler-Benz AG, Stuttgart, hat in Berlin den ersten Pkw der Welt mit einer unter Alltagsbedingungen arbeitenden Brennstoffzelle - und damit ohne jeglichen Schadstoffausstoß - vorgestellt. Das Fahrzeug mit dem Namen \'NECAR II\' (New Electric Car) bezieht seine Energie aus der gesteuerten Reaktion von Wasserstoff- und Sauerstoffgas, bei der elektrischer Strom entsteht. Die neue Technik könnte nach Einschätzung des Unternehmens in 10 bis 12 Jahren eine echte und umweltfreundliche Alternative zu Fahrzeugen mit Otto- oder Dieselmotoren werden.

Millionen für die Forschung
Mit der Vorstellung des ersten Pkw mit einer Brennstoffzelle belege Daimler- Benz seinen Anspruch, auch während der kommenden technologischen Epoche die führende Position in der Fahrzeugentwicklung zu behalten, erklärte Helmut Werner, Vorstandsvorsitzender der Mercedes-Benz AG, Stuttgart. So werde Mercedes-Benz für Forschung und Entwicklung allein in den nächsten drei Jahren rund 11 Milliarden DM aufwenden. Das Forschungsfahrzeug \'NECAR II\' produziert keinerlei Schadstoffe. Aus dem Auspuff entweicht lediglich chemisch reinster Wasserdampf. Da \'NECAR II\' außerdem noch eine erheblich bessere Energie-Effizienz als batteriebetriebene Elektrofahrzeuge aufweise, sei es mit Abstand das umweltfreundlichste Automobil der Welt.

Vorzüge des Fahrzeugs
\'NECAR II\' könne sechs Personen befördern, fahre mehr als 100 km/h Spitze und beschleunige flott. Seine Reichweite betrage mit einer Gasfüllung über 250 km. Das Fahrzeug sei nicht nur schadstofffrei, sondern im Vergleich zu Autos mit Verbrennungsmotor auch sehr leise. Das vorgestellte Fahrzeug ist nach Angaben von Daimler-Benz auf Basis der neuen V-Klasse von Mercedes Benz entstanden, die ab September verkauft werde.

Wasserstoffbus nimmt Fahrt auf
Goppel sieht \'Fenster in Antriebszukunft des 21. Jahrhunderts\' geöffnet Erlangen (SZ/dpa) - Der weltweit erste Linienbus mit Wasserstoffantrieb ist am Freitag in Erlangen in Betrieb genommen worden. Das von der MAN Nutzfahrzeuge AG (München) entwickelte Fahrzeug soll zwei Jahre lang im öffentlichen Nahverkehr erprobt werden.
Kaum schädliche Abgase
Der Motor arbeitet nach Herstellerangaben nahezu emissionsfrei. Die Abgasrestemissionen betragen für Stickstoffoxide 0,4 Gramm pro Kilowattstunde und für Kohlenwasserstoff 0,04 Gramm pro Kilowattstunde. Diese Emissionen liegen um mehr als den Faktor zehn unter den für das Jahr 2000 erst angestrebten, sehr scharfen Eurogrenzwerten. Andere Emissionen wie Schwefeldioxid, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid treten überhaupt nicht auf. Der Wasserstoffantrieb ist damit auch ein Klimaschutzantrieb. Umweltminister Thomas Goppel sagte, der Freistaat wolle Forschung, Entwicklung und Markteinführung von Wasserstofftechnologie forcieren.
Kosten des Projektes
Das Projekt wird vom Land Bayern mit 1,9 Millionen Mark und von der Europäischen Union mit 1,2 Millionen Mark unterstützt. Der Bus fährt zunächst acht Monate in Erlangen, anschließend wird er bei den Verkehrsbetrieben München sowie bei Autobus Oberbayern zwischen Kieferngarten und dem Flughafen München eingesetzt. \'Das Wasserstoffprojekt öffnet das Fenster in die Antriebszukunft des 21. Jahrhunderts\', sagte Goppel.
Wasserstoff-Vorhaben in Bayern
Nach seinen Angaben sind derzeit sechs bayerische Wasserstoff-Vorhaben geplant. Dazu zählen die Teilversorgung im Gasnetz eines Münchner Stadtteils, der Einbau eines Wasserstofftriebwerks in ein Regionalflugzeug sowie die Entwicklung der unterfränkischen Kommune Bad Brückenau zur Wasserstoff- Modellstadt\'. Bayern insgesamt solle, so Goppel, ein \'Wasserstoff-Technologiezentrum\' werden.
Ausrüstung des Busses
Für den Bus wurde nach Herstellerangaben ein Erdgasmotor mit zwölf Liter Hubraum und Viertakt-Otto-Verbrennungsmotor umgerüstet. Drei Tanks zwischen Vorder- und Hinterachse speichern rund 570 Liter flüssigen Wasserstoff, dies reicht für eine Fahrt von etwa 250 Kilometern. In Erlangen soll der Bus täglich rund 200 Kilometer zurücklegen. Er wird im Betriebshof aus einer Flüssiggasanlage betankt.

 
 

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