Raumdynamik
Wegen der großen Pendlerströme, die viele Straßen täglich überlasten, ziehen viele junge, im Dienstleistungssektor beschäftigte Menschen in die Städte zurück. Andere Gründe für diese Resuburbanisierung sind in der gesteigerten Attraktivität der Innenstädte zu sehen sowie im Aufkommen eines neuen Denkens, in welchem das Stadthaus, eine neue urbane Lebensform, als erstrebenswert gilt. Die Suburbanisierung der Bevölkerung - diese setzte bereits in den 60er Jahren ein - hatte inzwischen zwar abgenommen, prägte aber weiterhin die Entwicklung des innerstädtischen und suburbanen Siedlungsraumes.
"Ein grundsätzlich wichtiger Vorgang der Gegenwart ist die Aufspaltung der Wohnfunktion und damit die Entstehung von Arbeits- und Freizeitwohnungen. Sie beeinflußt die Gebiete der Stadterweiterung und Stadterneuerung in unterschiedlichen Ausmaß [...]" (Lichtenberger 1985, 8).
Stadtentwicklung
Mit dem "Ölschock" und der sich anschließenden Rezession Anfang der 70er Jahre setzte in der Stadtentwicklungs- und Stadtplanungspolitik ein schnelles Umdenken ein. Auf die Zeit der Großformen und der raschen Entwicklung folgt die der Gegenbewegung der Bürgerinitiative mit der Forderung nach Mitbestimmung. Das politische Klima der Zeit, das in der außerparlamentarischen Opposition, den Studentenbewegungen und Bürgerinitiativen einen sichtbaren Ausdruck fand, führte zu der Erkenntnis, daß Stadtplanung als Dialog verstanden werden müsse (vgl. Müller-Raemisch 1987, 86).
Die negativen Folgen der verstärkten Suburbanisierungs- und Verdichtungsprozesse in den vorangegangenen Jahren zeigten sich nun immer deutlicher. "Im Zeichen der Zeit - es sei unter anderem an die wissenschaftliche Studie des Club of Rome erinnert, in der die Grenzen des Wachstums in globaler Dimension aufgezeigt werden - reift in der Stadtplanung die Einsicht, [...] daß Wachstum kein Naturgesetz sei und man sich möglicherweise mit dem Vorhandenen begnügen müsse, daß es sogar reizvoll sein könne, sich um die Erhaltung des Bestehenden zu kümmern" (Köhn und Beck 1996). Erneuerung statt Expansion wurde nun gefordert. Jedoch konnte man sich nicht auf eine einheitliche Linie einigen. So gab man zunächst einmal an, was man nicht mehr wollte: "Keinen Abbruch von alten Wohnhäusern mit billigen Mieten, keine weiteren Bauten für den Autoverkehr, keine Hochhäuser, keine Trennung der Funktionen Wohnen und Arbeiten" (Müller-Raemisch 1987, 89). Dem ehemaligen Leitbild der aufgelockerten Stadt wurde nun ein harsches Ende bereitet.
Aufgrund der mangelnden Steuereinnahmen, welche die Städte durch die abgezogenen Einwohner und Industriebetriebe zu verzeichnen haben sowie der aufkommenden Rezession, sind die Städte nunmehr dazu gezwungen, rationaler zu handeln. So wird die Bestandspflege "auch aus Gründen der Wirtschafts- und Arbeitsplatz-Basis zur Devise" (Brake 1985, 5). Kernelemente der "erhaltenen Erneuerung" sind:
die Abkehr von der flächenhaften Sanierung, Hinwendung zur Objektsanierung
Wohnumfeldverbesserung
Schaffung neuer urbaner Wohnformen (vgl. Köhn und Beck 1996)
Abbildung 2 zeigt die Frankfurter Römerbergbebauung (als Beispiel für extrem verstandene Stadterneuerung) bei der man versuchte, mittelalterliche Häuser wieder zu errichten, bzw. bereits bestehende Gebäude im alten Stil umzugestalten. Köhn und Beck sprechen dieses Phänomen der Zeit als "extremen Neo-Historismus" (Köhn und Beck 1996) an.
Problembeladen wird der Vorgang der Stadterneuerung in den letzten Jahren diskutiert. Zwar sind die Ziele der Stadterneuerung weitestgehend erreicht worden, nur setzten später (seit Mitte der 80er Jahre) gerade in den Großstädten Verdrängungsprozesse ein, die zu einer neuen Wohnbevölkerungsstruktur in einigen Stadtteilen führte.
Erst in den 80er Jahren erhält ökologisches Denken in die Stadtplanung Einzug. Die breiten Verkehrsachsen werden immer mehr als Emmisionsquellen und Barrieren empfunden. Das neue Leitbild der 80er Jahre heißt "Rückbau" mit der dazugehörigen "postmodernen" Architektur. Die bisherigen Stadterneuerungsmaßnahmen werden mit neueren ökologischen und modernen ästhetischen Ansätzen vermischt:
Stärkere Hinwendung zum Denkmalschutz
Vermischung historischer und moderner Baukunst als "Postmoderne"
Stärkere Begrünung der Innenstädte
Bau von Stadtbrunnen (vgl. Heineberg 1988, 22)
Mit Inkrafttreten des neuen Baugesetzbuches, welches das Städtebauförderungsgesetz von 1971 ablöste, ermöglichte man durch einen erheblich größeren finanziellen Rahmen, nachhaltige städtebauliche Sanierungstätigkeiten durchzuführen. Von 1985 bis 1988 haben Bund und Länder für Städtebau- und Modernisierungsförderung insgesamt über 32 Milliarden DM zu Verfügung gestellt (vgl. Heineberg 1988, 23f). Städtebauliche Sanierungsmaßnahmen sollten auch dazu beitragen, daß die Siedlungsstrukturen den Erfordernissen des Umweltschutzes und den Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsbedingungen entsprechen. Die wichtigsten Maßnahmen der "behutsamen Stadterneuerung" und ihre Ziele (Sanierungsziele) sind in Tabelle 1 zusammengefaßt:
Maßnahmen
Ziele
Instandsetzung von Gebäuden und Wohnungen
Erhalt von Altbausubstanz, Schutz des städtebaulichen Milieus, Bestandspflege
Modernisierung von Wohnungen (mit Mietpreisbindung)
Erhalt von günstigem , innerstadtnahem Wohnraum, tragbare Mieten für die Bewohner
Gestaltung von öffentlichen Plätzen
Wohnumfeldverbesserung
Verkehrsberuhigungsmaßnahmen
Mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmer, insbesondere für Fußgänger und Radfahrer
Ökologischer Stadtumbau
Entkernung von Innenhöfen und deren Begrünung, Entsieglung von Flächen
Schwerpunkt "Ökologische Stadterneuerung"
Förderung von technischen Sanierungsmaßnahmen wie Einrichtungen zu Verringerung des Trinkwasserverbrauchs, Solaranlagen zur Brauchwassererwärmung
Verbesserung des Angebots von Sport- und Freizeitstätten
Ausstattung der Gebiete mit Freizeiteinrichtungen für Jugendliche und Erwachsene
Tab.1: Stadterneuerungsmaßnahmen und ihre Ziele (nach Daase 1995, 16)
Die Erfahrungen der frühen Phase der Stadterneuerung haben gezeigt, daß eine überhastete Stadterneuerung nicht den Vorstellungen einer sozialen Stadtplanungspolitik entsprechen. Der räumlichen Segregation ist nur mit einer behutsamen Entwicklungsunterstützung entgegenzuwirken. Beispielhaft ist das vom Hamburger Senat 1980 ins Leben gerufene Programm "Stadterneuerung in kleinen Schritten (Siks)".
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