"Organisatorische Fragen gehören zu den Grundsätzen des BVW."
Das BVW ist eine auf Dauer angelegte Einrichtung und ist damit in die Organisation der Unternehmung zu integrieren.
Bei der Gestaltung des BVWs sind rechtliche Bestimmungen sowie aufbau- und ablaufor-ganisatorische Aspekte zu beachten.
2.4.1 DIE RECHTLICHE BESTIMMUNGEN
Bei der Einführung und Gestaltung des Betrieblichen Vorschlagswesens gelten folgende Gesetze bzw. sind die Gesetze zur Abgrenzung zwischen Verbesserung und Erfindung her-anzuziehen:
Gesetz über Arbeitnehmererfindungen. In diesem Gesetz wird unter an-derem auch die Behandlung von qualifiziert technischen Verbesserungsvor-schlägen, die nicht patent- oder gebrauchsmusterfähig sind, geregelt.
Richtlinien für die Vergütung von Arbeitnehmererfindungen im Pri-vaten Dienst, sofern dies nicht in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist.
Betriebsverfassungsgesetz. Hier § 87, 3. Abschnitt, der die Mitbestimmungs¬rechte des Betriebsrates bzgl. der "Grundsätze des betrieblichen Vorschlagswesen" festlegt.
Die Mitbestimmungsrechte des Betriebsrates wurden durch Beschlüsse des Bundesarbeits-gerichtes vom 28.04.1981 und 16.03.1982 , auf Basis des Betriebsverfassungsgesetzes vom 15.01.1972, modifiziert.
Zu nennen sind hier das Initiativrecht, d. h. das Recht, nicht nur auf Maßnahmen des Ar-beitgebers lediglich zu reagieren, sondern aus eigener Initiative Regelungsvorschläge an den Arbeitgeber heranzutragen und ihm nötigenfalls über die Einigungsstelle aufzu¬zwingen. Die Regelungsvorschläge beziehen sich auf die Mitbestimmungsrechte des Be-triebsrates bei den Grundsätzen des BVWs. Zu den Grundsätzen gehören :
. Festlegung des Teilnehmerkreises am betrieblichen Vorschlagswesen (ausge-nommen leitende Angestellte),
. Prämierungsgrundsätze und deren Ausformung und
. die Mitbestimmung bei einfachen technischen Vorschlägen, Vorschlägen nicht-technischer Art und qualifizierte technische Vorschläge.
Die Mitbestimmung erstreckt sich aber z. B. nicht auf:
. Die Bestellung des BVW-Beauftragten,
. Annahme eines Verbesserungsvorschlages und
. die Höhe der Prämie.
Da der Betriebsrat meist Sympathieträger und Meinungsbildner der Belegschaft ist, sollte die Einführung, bzw. die Arbeit des BVWs aus einer kooperativen und vertrauens-vollen Beziehung zwischen Unternehmensleitung und Betriebsrat entstehen. Das Gebot des § 2 des Betriebsverfassungsgesetzes, "zum Wohl der Arbeitnehmer und des Betriebs" ver-trauensvoll zusammenzuarbeiten, gewinnt dadurch neue Bedeutung.
Als Basis für das BVW sollte eine Betriebsvereinbarung stehen. Seit Inkrafttreten des Be-triebsverfassungsgesetzes, welches durch § 87 Abs. 1 Nr. 12 das Betriebliche Vorschlagswesen der obligatorischen Mitbestimmung unterstellt, ist die Zahl der Be-triebsvereinbarungen sprunghaft gestiegen.
Die Betriebsvereinbarung regelt die Rechtsverhältnisse zwischen Arbeitgeber und Arbeit-nehmer, sowie die Anwendung und Durchführung des BVWs.
Eine Betriebsvereinbarung sollte sich auf den gesetzlich vorgeschriebenen Inhalt und einige qualitative Merkmale beschränken, um so der BVW-Kommission und dem BVW-Beauftragten einen möglichst großen Handlungsspielraum zu gewährleisten.
2.4.2 DIE AUFBAUORGANISATION
Das BVW hat entweder eine eigene Abteilung oder ist einer anderen Abteilung angeglied-ert. Dies hängt von den jeweiligen Gegebenheiten und der Größe der Unternehmung ab. Bei einer Angliederung stellt sich meist das Problem der Zuordnung zu einer technischen Abteilung oder kaufmännischen Abteilung. Nach einer DIB-Umfrage erfolgte in 59,7 % (33,3 % bei nebenamtlich tätigen BVW-Beauftragten) eine Angliederung an die Per-sonalabteilung und nur bei 14,5 % (23,3 %) eine Angliederung an die Fertigung.
Abbildung 2.2: Das "Ideen-Haus" mit seinen drei Säulen der BVW-Organe.
Das BVW setzt sich im wesentlichen aus drei Organen zusammen. Wie in Abbildung 2.2 dargestellt sind dies der BVW-Beauftragte (bei größeren Unternehmungen die BVW-Abteilung), die Gutachter und die Bewertungskommission (im folgenden nur noch als Kommission bezeichnet).
Die drei Organe sind dabei auf die Vorschläge der Mitarbeiter und auf die Unterstützung durch das Management angewiesen.
Zu diesen drei Organen können noch weitere Funktionsträger hinzukommen, wie :
. BVW-Sachbearbeiter als Hilfe für einen Vorschlagsbeauftragten, zur Verwal-tung der eingehenden Vorschläge.
. Wirtschaftlichkeitsrechner führen präzise Nutzenberechnungen durch oder stützen sich auf Schätzungen, so wird eine gewisse Gleichmäßigkeit und Neu-tralität bei der Nutzenbestimmung gewährleistet.
. BVW-Einigungsstelle, die als neutrales Organ nochmals Entscheidungen der BVW-Kommission bei Einsprüchen überprüft. Diese kommt in der Praxis selten vor, die Einsprüche gehen hier meist wieder an die BVW-Kommission zurück.
. Realisatoren sind meist die von den Verbesserungsvorschlägen betroffenen Abteilungsleiter bzw. Kostenstellenleiter. Ihre Aufgabe ist es die angenommenen Verbesserungsvorschläge umzusetzen.
. Vorschlagskontaktleute können als Helfer für den BVW-Beauftragten in großen Unternehmungen eingesetzt werden. Sie informieren und unterstützen die Mitarbeiter bei Dingen bezüglich des BVWs.
Diese Funktionsträger sind jedoch für die Durchführung eines BVWs eher von untergeord-neter Bedeutung und sind auch nicht explizit in allen Unternehmungen in dieser Form anzutreffen.
2.4.2.1 Der BVW-Beauftragte
Der BVW-Beauftragte nimmt eine zentrale Funktion in der Organisation des BVWs ein. Seine Aufgabe ist es, alle in Verbindung mit dem BVW anfallenden Koordinationsarbeiten als Haupt- oder Nebentätigkeit wahrzunehmen und für die Einhaltung aller gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen (Betriebsvereinbarung) zu sorgen.
Die Hauptaufgaben des BVW-Beauftragten sind:
. Beratung und Unterstützung der Mitarbeiter bei Fragen zum BVW, wie z. B. erneute Kontaktaufnahme mit dem Einreicher bei Unklarheiten in der For-mulierung eines Verbesserungsvorschlags,
. Registrierung, Bearbeitung und erste Prüfung eines Verbesserungsvorschlags,
. Weiterleitung an den bzw. die zuständigen Gutachter, sowie die Terminüber¬
wachung der Bearbeitung,
. Vorbereitung und Ausrichtung der Kommissionssitzungen für die Bewertung,
. Abwicklung der Verbesserungsvorschläge aufgrund der Entscheidung der BVW-Kommission,
. Durchführung von BVW-Werbemaßnahmen und
. Anfertigung und Auswertung von Statistiken und Kennzahlen zur Effizienzkon-trolle.
Der BVW-Beauftragte ist aufgrund der zahlreichen und unterschiedlichen Funktionen, die er im Rahmen des BVW zu erfüllen hat, Hauptaufgabenträger dieser Einrichtung. Sein persönlicher Einsatz hat maßgebliche Auswirkungen auf den Erfolg des BVWs. Daher ist es sehr wichtig, den BVW-Beauftragten auf die Bedeutung seiner Tätigkeit hinzuweisen und zu unterstützen. Hierbei spielt es keine Rolle, ob er die Aufgabe haupt- oder nebenam-tlich wahrnimmt. Wie in vielen Leistungsbereichen gilt auch hier: "Es ist nicht schlimm, wenn der Beauftragte für das BVW nur mit der Hälfte seiner Zeit zur Verfügung steht; schlimm ist es nur, wenn er mit dem halben Herzen dabei ist."
Der BVW-Beauftragte sollte für seine Aufgabe geschult werden.
Bei der Bestimmung des Beauftragten sollte nicht nur die fachliche Kompetenz berücksi-chtigt werden. Vielmehr spielt die soziale Kompetenz, die Vertrauenswürdigkeit und um-fassende Kenntnisse über die Unternehmung eine gewichtige Rolle bei der Auswahl des BVW-Beauftragten. Diese Fähigkeiten sind besonders bei Einführung des BVWs, bei einer hohen Anzahl an Mitarbeitern, die ihre Vorschläge nicht schriftlich festhalten können und bei Mißtrauen der Belegschaft gegenüber den Vorgesetzten bzw. Führungskräften, gefragt.
Ferner sollte die Rolle des BVW-Beauftragten durch die Geschäftsführung hervorgehoben werden, z. B. durch eine feierliche Einführung im Rahmen einer Betriebsversammlung oder einem Bericht in der Firmenzeitschrift.
2.4.2.2 Die Gutachter
Der Gutachter wird in der Regel vom BVW-Beauftragten, seltener von der Kommission, bestimmt. Der BVW-Beauftragte prüft hierbei, welche Stelle in der Unternehmung vom Verbesserungsvorschlag betroffen ist und welche Stelle fachlich und formal betroffen ist. Er kann grundsätzlich jeden Mitarbeiter wählen, der in der Lage ist, ein fachliches Urteil über einen Verbesserungsvorschlag zu formulieren. Der BVW-Beauftragte verfügt in der Regel über eine bestimmte Anzahl an Gutachtern.
Die Aufgabe des Gutachters besteht darin, die vom BVW-Beauftragten an ihn weitergele-iteten Verbesserungsvorschläge fachlich eindeutig, sachlich und objektiv zu begutachten. Die Gutachter sollten auch die Vorschriften und die Betriebsvereinbarung des BVWs
kennen, insbesondere Kenntnisse über die Berechnung der Einsparung bzw. der Schätzung des Nutzens. Die Gutachter sind entsprechend zu schulen bzw. auszubilden.
Ein Problem bei der Erstellung der Gutachten ist die einheitliche Bewertung aller Ver¬besserungsvorschläge.
Hierfür wird meist in der Betriebsvereinbarung ein Bewertungssystem vorgegeben. Dieses Bewertungssystem sollte so gestaltet sein, daß auch der Mitarbeiter die Bewertung des Verbesserungsvorschlages und die Errechnung der Prämie nachvollziehen kann. In der Praxis haben sich gerade bei qualitativen Vorschlägen, die über zwei Drittel aller eingereichten Vorschläge ausmachen , Bewertungstabellen bewährt. Als Beispiel sei hier eine qualitative Bewertungstabelle (Abbildung 2.3) die sich bei der Unternehmung Freu-denberg bewährt hat aufgezeigt.
Abbildung 2.3: Tabelle für qualitative Bewertung.
2.4.2.3 Die Kommission
Die Kommission war aus steuerrechtlichen Gründen vorgeschrieben, wenn die Prämierten steuerlich durch Freibeträge begünstigt werden sollten. Diese Steuervergünstigungen für Prämien sind allerdings seit dem 01.01.1989 weggefallen, demnach ist die Kommission nicht mehr vorgeschrieben. In den meisten Unternehmungen ist sie dennoch weiterhin anzutreffen. Dies liegt zur Hauptsache an den Betriebsvereinbarungen, in denen eine Kommission vorgeschrieben wird.
Die Kommission setzt sich aus Mitgliedern der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerseite zusammen. Sie sollte paritätisch besetzt sein, um etwaigen Mißstimmungen auf Seiten der Arbeitnehmer bzgl. strittiger Entscheidungen vorzubeugen. Der Vorsitz sollte zwischen Betriebsrat und Unternehmensleitung wechseln, da der Vorsitzende bei Patt die Entscheidungen trifft.
Die Kommission sollte qualifiziert und relativ ausgewogen besetzt sein :
. Den Mitgliedern muß von der Unternehmungsleitung und den Mitarbeitern Ver-trauen entgegengebracht werden.
. Das erforderliche Fachwissen und die benötigten Betriebskenntnisse müssen bei den Mitgliedern vorhanden sein.
. Die Mitglieder müssen die Kompetenz haben, um Kommissionsbeschlüsse durchzusetzen.
Die Aufgaben der Kommission sind :
. Prüfung der Gutachten und Genehmigung der vorgeschlagenen Prämie,
. aktive Mitarbeit bei der Beratung der Verbesserer, Gutachter und Vorgesetzten, sowie der Unternehmensleitung bei der Planung und Gestaltung der Weiter-entwicklung des BVWs,
. Beratung des Beauftragten des BVWs bei der Erstellung des BVW-Jahresberichtes,
. Unterstützung des Beauftragten des BVWs und
. Überwachung der Realisierung der angenommenen Verbesserungsvorschläge.
Um eine effektive und schnelle Bearbeitung der Verbesserungsvorschläge durch die Kom-mission zu gewährleisten, sollten folgende Punkte berücksichtigt werden :
. Die Kommission sollte nicht zu häufig Besetzungsänderungen erfahren, da Kon-tinuität wichtig ist.
. monatliche Sitzungstermine und
. die Mitglieder sollten vor der Sitzung alle Informationen über Verbesserungs-vorschläge erhalten, so daß "nur" noch Entscheidungen gefällt werden müssen.
Es ist empfehlenswert gelegentlich Gutachter an den Sitzungen teilnehmen zu lassen. Dies ermöglicht einem Gutachter, einen Einblick in die Entscheidungsfindung auf Basis der Gu-tachten zu bekommen. In Konzernen mit dezentralen Ausschüssen empfiehlt sich dies auch für die jeweiligen BVW-Beauftragten aus anderen Geschäftsbereichen. Dies fördert den Erfahrungsaustausch, und es besteht die Möglichkeit, sich über schwierige Fälle, Grenz- und Zweifelsfälle zu informieren und abzusprechen.
2.4.3 DIE ABLAUFORGANISATION
Die Ablauforganisation bildet den Rahmen für die Abwicklung der Verbesserungsvor-schläge von der Idee bis zur Realisierung in der Unternehmung und Prämierung bzw. Ablehnung.
Die wesentlichen Punkte für die Regelung des BVWs sind hierbei die Vorschlagswege (Einreichungswege), die Vorschlagsform, die Vorschlagsbearbeitung und die Vorschlagsrealisierung. Diese Regelungen erweisen sich dann als effizient, wenn sie eine hohe Beteiligung am BVW fördern und eine Minimierung der Bearbeitungszeit bzw. Verweilzeit des Verbesserungsvorschlages in der Ablauforganisation ermöglichen. Hierbei sollte auf die Zufriedenheit aller am Ablauf Beteiligten geachtet werden.
2.4.3.1 Die Vorschlagswege
Dem Einreicher sollten grundsätzlich mehrere Wege zur Einreichung eines Verbesserungs-vorschlages offenstehen, wie beispielsweise:
. BVW-Briefkasten
. Betriebsrat
. BVW-Beauftragter bzw. BVW-Abteilung
. Vorgesetzter
. Kommissionsmitglieder
. Hauspost
Dies gewährleistet, daß dem Mitarbeiter jeder erdenkliche Einreichungsweg offensteht, und er gegebenenfalls einen Verbesserungsvorschlag auch anonym einreichen kann. Die Ano-nymität ermöglicht es dem Einreicher trotz vorhandener Hemmungen einen Verbesse-rungsvorschlag einzureichen. Die Hemmungen können z. B. auf einem Mißtrauensverhält-nis gegenüber dem direkten Vorgesetzten beruhen (vgl. S. 32). Der als Kostenstellenleiter bzw. Gutachter auch den eingereichten Verbesserungsvorschlag seines Mitarbeiters zur Begutachtung erhält und den Verbesserungsvorschlag aufgrund der Zuordnung zu einem "unbeliebten Mitarbeiter" mit einer ablehnenden Haltung begutachten könnte.
2.4.3.2 Die Vorschlagsform
Das Einreichen von Verbesserungsvorschlägen sollte für die Mitarbeiter so einfach wie möglich gestaltet werden. Für die schriftliche Einreichung, welche die Regel ist, sollte ein Vordruck existieren, um sowohl dem Einreicher, als auch dem Bearbeiter des Ver¬besserungsvorschlages die Bearbeitung zu erleichtern. Außerdem sollte die Möglichkeit der mündlichen Einreichung von Verbesserungsvorschlägen bestehen, die dann von einer der oben erwähnten Personen (z. B. BVW-Beauftragter) in eine schriftliche Form gebracht werden muß. Diese Art der Einreichung ermöglicht es auch Mitarbeitern, die Sprachprob-leme haben, und solchen, die Formulierungs- und Rechtschreibschwierigkeiten haben, Verbesserungsvorschläge einzureichen.
2.4.3.3 Die Bearbeitung des Vorschlages
Der Ablauf einer Vorschlagsbearbeitung, wie sie in den meisten Unternehmungen vorge-nommen wird, ist in Abbildung 2.4 wiedergegeben. Die hier dargestellten Organe und ihre jeweiligen Aufgaben sind unter dem Punkt Aufbauorganisation (vgl. S. 16) beschrieben.
Bei der Bearbeitung von Verbesserungsvorschlägen sind zwei Punkte besonders zu berück-sichtigen:
1. Eine möglichst kurze Bearbeitungsdauer der Verbesserungsvorschläge.
2. Die einheitliche Bewertung der eingereichten Verbesserungsvorschläge.
Diese zwei Punkte lassen sich durch eine ausreichend detaillierte Formularisierung des BVWs (z. B. Bewertungsbögen), Schulung des BVW-Beauftragten und der Gutachter sowie Friststellungen und Terminüberwachung durch den BVW-Beauftragten erfüllen. Der Verwaltungseinsatz kann gerade bei nebenamtlichen BVW-Beauftragten durch eine spe-zielle Software für das BVW drastisch reduziert werden. Des weiteren sollte die gesamte Ablauforganisation transparent gestaltet werden, damit die Mitarbeiter die einzelnen Schritte der Bearbeitung erkennen und nachvollziehen können.
Abbildung 2.4: Ablauforganisation bei der Bearbeitung eines Verbesserungsvorschlags
2.4.3.4 Die Realisierung des Vorschlages
Der Bearbeitungsprozeß eines Verbesserungsvorschlages endet mit einer begründeten Ablehnung oder einer Prämierung und der Realisierung des Verbesserungsvorschlages.
Für die Unternehmung und die Mitarbeiter ist eine schnelle Umsetzung von prämierten Verbesserungsvorschlägen von besonderem Interesse. Die Realisierung obliegt meist dem jeweils betroffenen Vorgesetzten oder Abteilungsleiter. Da dieser auch häufig der Gu-tachter des Verbesserungsvorschlages ist, sollte er, schon vor der Entscheidung der Kom-mission über eine Prämierung, bei einem positiven Gutachten sofort eine Umsetzung des Vorschlages ermöglichen. Dies ist besonders bei Vorschlägen zur Arbeitssicherheit von Bedeutung. Bei der Umsetzung sollte möglichst der Einreicher mit einbezogen werden.
Für ein effizientes BVW kann es sich nachteilig auswirken, wenn prämierte Ver¬besserungsvorschläge nicht realisiert werden. Die Gründe können Nachlässigkeit, Desin-teresse, Arbeitsüberlastung etc. der Abteilungsleiter bzw. der Kostenstellenleiter sein. Hier muß im Regelfall der BVW-Beauftragte eingreifen. Erstens führt dies zu einem Innova-tionsverlust, die zu Kosteneinsparungen für die Unternehmung hätten führen können. Zweitens führt es zu einem Desinteresse bzw. Boykottverhalten der Mitarbeiter, da ihre Ideen nicht umgesetzt, und damit aus Mitarbeitersicht de facto nicht erwünscht sind, und sie mittels einer Prämie beruhigt ("kaltgestellt") werden.
2.4.3.5 Die Belohnung des Einreichers
Die Belohnung dient als Anerkennung für die zusätzliche und nicht zu der eigentlichen Ar-beit des Mitarbeiter gehörenden Leistung. Gleichzeitig soll sie einen Anreiz für weitere Vorschlägen geben bzw. Mitarbeiter, die noch keinen Verbesserungsvorschlag eingereicht haben, zu diesen motivieren.
In der Praxis treten vier Formen von Belohnungen auf :
1. Geldprämien: Diese Form tritt in der Praxis am häufigsten auf. Die Höhe richtet sich nach dem ermittelten Nutzen bzw. Wert des Verbesserungsvor¬schlages für die Unternehmung (vgl. S. 19). Meist wird eine Mindestprämie festgelegt. Nach einer Studie von BUCK wirkt sich die Höhe der Mindestprämie signifikant auf die Beteiligungsquote aus. Bei einem Vergleich zweier Stichpro-ben, wobei in der einen die Mindestprämie bis zu 50,- DM beträgt und in der an-deren über 50,- DM, liegt die Beteiligungsquote in der ersten Stichprobe bei 19,4 %, in der zweiten dagegen bei lediglich 8,2 %. Die Beteiligungswirkung der Mindestprämie verhält sich also umgekehrt proportional zu ihrer Höhe. Die Mindestprämie kann also zu einer Barriere für die Mitarbeiter bei der Ein-reichung von Verbesserungsvorschläge werden. Dagegen hat eine Festlegung einer Höchstprämie keinen meßbaren Einfluß auf die Beteiligung am BVW. Eine Beschränkung der Prämie in Form einer Höchstprämie tritt in der Praxis nur noch selten auf.
2. Sachprämien: Werden vergeben, wenn der Verbesserungsvorschlag nicht durchgeführt wird, weil z. B. der Fertigungsbereich aufgelöst wird oder die Idee schon bekannt war. Dies kann auch gelten, wenn der Wert der Verbesserung unter der Mindestprämie liegt.
3. Sonderprämien: Sind Geldbeträge oder Sachprämien, die zur Mitarbeit am BVW anregen sollen. Dies kann bei Mehrfacheinreichern sein, z. B. die Honori-erung des 5., 10. Verbesserungsvorschlages oder im Rahmen einer Aktion,
z. B. unter dem Motto der Arbeitssicherheit, bei dem alle Einreicher eines Ver-besserungsvorschlages, die zu diesem Thema eingehen, eine extra Prämie be-kommen.
4. Incentives: Dies sind in der Regel unentgeltliche Belohnungen, mit denen häufig Mehrfacheinreicher oder Einreicher zu einer bestimmten Aktion belohnt werden. In Deutschland treten sie sehr häufig als Educentives (Education und Incentives) auf, da reine Incentives steuerlich nicht absetzbar sind. Betriebliche Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen sind steuerlich absetzbar, so daß eine Kombination von Aus- und Weiterbildung (80%) und Incentives (20%) diese auch absetzbar machen. Vorstellbar wäre zum Beispiel der Besuch einer Nieder-lassung im Ausland. Incentives werden auch häufig genutzt, um Gutachter und Vorgesetzte, die sich am BVW beteiligen, zu belohnen.
Diese Formen der Belohnung, insbesondere solche für besondere Anlässe, müssen gezielt eingesetzt werden und dürfen sich nicht durch zu große Häufigkeit selbst abnutzen.
2.4.3.6 Kommunikation, Information und Werbung im BVW
Im traditionellen betrieblichen Vorschlagswesen findet die Information und die Kommu-nikation über das BVW in der Hauptsache über den BVW-Beauftragten (bzw. die BVW-Abteilung) statt.
Der Schwerpunkt liegt bei der Vermittlung von Informationen. Diese muß der BVW-Beauftragte je nach Zielgruppe gestalten. Als Zielgruppen seien hier beispielhaft die Mitar-beiter, die Unternehmungsleitung, die Gutachter und die Kommission dargestellt.
Die Mitarbeiter müssen mittels Werbung auf das BVW aufmerksam gemacht werden, die Funktionsweise des BVWs sollte beschrieben werden und es sollte zur Teilnahme am BVW motiviert werden. Die Werbung kann über Unternehmungszeitungen, schwarze Bret-ter, Plakate, Wettbewerbe, Faltblätter etc. erfolgen.
Die Unternehmungsleitung ist in erste Linie an den Ergebnissen des BVWs interessiert. Diese muß der BVW-Beauftragte so aufbereitet haben, daß schnell und einfach die Entwicklung des BVWs in den letzten Monaten und Jahren abgelesen werden kann. Dies kann auf Basis der Effizienzkriterien (vgl. S. 11) geschehen, so daß die Unternehmungslei-tung bei unbefriedigenden Werten einschreiten kann.
Die Gutachter erhalten vom BVW-Beauftragten die Verbesserungsvorschläge und Informa-tionen über die Änderungen von Bewertungskriterien.
Den Kommissionsmitgliedern muß der BVW-Beauftragte die Informationen, Gutachten und Verbesserungsvorschläge so gut aufbereitet haben, daß keine Unklarheiten mehr vor-handen sind. Dies ermöglicht eine schnelle Entscheidungsfindung. In der Praxis hat es sich bewährt den Kommissionsmitgliedern die Informationen schon vor der Sitzung zukommen zu lassen.
Für ein erfolgreiches BVW sollte nicht nur von seiten des BVW-Beauftragten Werbe-maßnahmen erfolgen. Auch die Vorgesetzten und die Unternehmungsleitung sind aufge-fordert, das Interesse der Mitarbeiter am BVW zu wecken und zu fördern.
Ein wichtiger Gesichtspunkt im Sinne von Kommunikation ist der Erfahrungsaustausch. Dieser kann sich auf den BVW-Beauftragten, die Gutachter und die Kommissionsmit-glieder beziehen.
Es sollten Möglichkeiten geschaffen werden, damit die Organe des BVWs untereinander ihre Erfahrungen austauschen. Dies kann auch mit den Organen des BVWs anderer Unternehmungen oder Tochtergesellschaften gemacht werden.
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