In der allgemeinen Diskussion lassen sich leicht zwei verschiedene Positionen zur Interpretation der Fiskalkriterien feststellen.
6.1 Die strenge Auslegung
Befürworter dieser Variante sind vor allem die deutsche Bundesregierung sowie das
Führungsgremium der Deutschen Bundesbank.
Diese Gruppe verlangt eine dauerhafte Konvergenz und will die numerischen Vorgaben des Vertrages strikt eingehalten wissen. Die stabilitätspolitische Konvergenz soll nicht mit kurzfristigen finanziellen Kraftakten und Bilanzkosmetik erreicht werden. Darum ist die Betrachtung eines Jahresergebnisses nicht ausreichend, sondern ein größerer Zeitraum nötig. Vor allem die Glaubwürdigkeit in der Bevölkerung oder auf den Märkten würde unter einer " Aufweichung" der Kriterien leiden und manche Konsolidierungsanstrengung würde deswegen als unwichtig betrachtet werden.
6.2 Die politische Auslegung
Wie viele Politiker anscheinend nicht wissen, gibt der Maastrichter Vertrag eine Vielzahl von Möglichkeiten zur Interpretation. Neben festen Vorgaben für Zinshöhen, Wechselkursschwankungen und Preisstabilität sind die Obergrenzen für die Neuverschuldung ( 3% des BIP) und der Schuldenlast ( 60% der Wirtschaftsleistung) keine festen Größen.
Demnach wird der Wert für die Neuverschuldung auch dann übersprungen, " wenn das öffentliche Defizit gemessen am BIP erheblich und laufend zurückgegangen ist" und keine große Differenz zum Referenzwert festzustellen ist oder dieser " nur ausnahmsweise und vorübergehend übersprungen wird"9. Das Kriterium für den Schuldenstand wird auch dann erreicht, " wenn der Wert rückläufig ist und sich rasch genug dem Referenzwert nähert"9.
Der Vertragstext selbst ist also das beste Argument dafür, daß die EWWU ein politisches Unternehmen ist und Flexibilität bei der Beurteilung der Kriterien gefragt ist. Andererseits tragen politische Entscheidungen, die wirtschaftlich schwache Staaten in den Teilnehmerkreis bringen, zum Effekt einer " weichen Währung" bei.
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