Die Anfänge der chinesischen Geschichte sind unbekannt, lediglich in der mythologischen Überlieferung finden sich Nachrichten für die Frühzeit, die bisher jedoch weder durch archäologische Funde noch durch sonstige Quellen bestätigt wurden. Bei Ausgrabungen in der Nähe Pekings fand man Werkzeuge und Überreste des Homo erectus pekinensis (Pekingmensch, siehe Evolution des Menschen), deren Alter auf rund 500 000 Jahre geschätzt wird. Sowohl für die Altsteinzeit wie für die Jungsteinzeit gibt es weitere Funde (200 000 bzw. 25 000 Jahre alt), die den Schluss nahe legen, dass der östliche Teil des heutigen China durchgehend menschliches Siedlungsgebiet gewesen ist. Der erste historische Abschnitt, der sich genauer umgrenzen lässt, ist die so genannte Yangshao-Kultur (etwa 6. bis 4. Jahrtausend v. Chr.), deren Mittelpunkt im Gebiet des Huang He (Gelber Fluss) lag und deren Hauptkennzeichen rot-schwarze Keramik ist. Es folgte die Lung-shan-Kultur (etwa 3. bis 2. Jahrtausend v. Chr.), für die der Anbau von Reis und der Bau fester menschlicher Siedlungen, die mit Schutzmauern umgeben waren, archäologisch belegt sind. In diese Jahrtausende, über die nur wenig bekannt ist, projiziert die mythologische Überlieferung verschiedene Urkaiser und Kaiserdynastien, auf welche die Entstehung der chinesischen Kultur zurückgeführt wird. Besondere Bedeutung kommt dabei dem Kaiser Huangdi ("Gelber Kaiser") und der Hsia-Dynastie (etwa 2000 bis 1600 v. Chr.) zu, die jedoch beide historisch nicht belegt sind.
7.1 Die ersten Dynastien
7.1.1 Die Shang-Dynastie (16. Jahrhundert bis 1050 v. Chr.)
Archäologisch belegt ist die Shang-Dynastie. Ihr Herrschaftsbereich umfasste das Gebiet der heutigen nordchinesischen Provinzen Henan, Hubei und Shandong sowie den nördlichen Teil von Anhui. Den Höhepunkt ihrer Entwicklung erreichte die Shang-Dynastie in ihren letzten drei Jahrhunderten.
Die Shang standen einer lockeren Föderation mehrerer Territorien vor. Eine feste Hauptstadt als Residenz der Herrscher gab es nicht; vermutlich kontrollierten die Herrscher ihr Reich als Reisekönige. Die Gesellschaft war in Klassen gegliedert und kann in vielerlei Hinsicht als feudal bezeichnet werden. Der Herrscher stützte sich auf einen zahlenmäßig starken Kriegeradel. Die gesamte Kultur war städtisch geprägt. Das Handwerk, leistungsfähig und spezialisiert, lieferte Waffen, Rüstungen und Gerätschaften aus Bronze. Die hoch entwickelte Steinschnitzerei sowie Palastanlagen aus Holz belegen das hohe künstlerische und architektonische Niveau. Die vom einflussreichen Priestertum verwendeten Symbole, mehr als 2 000, wurden Ausgangspunkt für die Entwicklung der modernen chinesischen Schriftzeichen.
Trotz der städtischen Kultur blieb die Wirtschaft im Wesentlichen landwirtschaftlich geprägt. Angebaut wurden Hirse, Weizen, Gerste und eventuell auch Reis. Die Viehhaltung umfasste Schweine, Hunde, Schafe, Ochsen, außerdem wurden Seidenraupen wurden gezüchtet. Im religiösen Kultus wurden die Ahnen und Naturgottheiten verehrt, doch gab es mit Shang Di eine oberste Gottheit. Für die hoch entwickelte Grabkultur, die Riten der Opferung von Menschen und Tieren einschloss, finden sich zahlreiche Zeugnisse.
7.1.2 Die Zhou-Dynastie (1050-249 v. Chr.)
Um 1050 v. Chr. wurde die Shang-Dynastie von den Zhou abgelöst, einem Zusammenschluss von Sippen aus dem Bereich des Flusses Wei He, einem Nebenarm des Huang He. Mit vierspännigen Streitwagen verfügten sie über eine Kampfkraft, denen ihre Gegner nichts Ebenbürtiges entgegenzusetzen hatten. Die ersten großen Eroberungen von Shang-Territorien erfolgten noch unter Führung des Königs Wen. Eine endgültige Niederlage erlitten die Shang schließlich in der Ebene von Mu gegen König Wu, den Sohn des Wen. Gerechtfertigt wurde die Erhebung gegen die überlieferte Herrschaft der Shang mit dem Hinweis auf deren moralische und sittliche Haltlosigkeit, wodurch sie ihren göttlichen Herrschaftsauftrag verwirkt hätten. Mit dieser Begründung ist das Argumentationsmuster für alle späteren Ablösungen chinesischer Dynastien historisch etabliert.
Die Herrschaftszeit der Zhou wird eingeteilt in die beiden Perioden der stark expansiv orientierten Westlichen Zhou (bis 771 v. Chr.) und der Östlichen Zhou (nach 771 v. Chr.). Denn 771 v. Chr. wurden die Zhou aus ihrem im Westen gelegenen Herkunftsgebiet vertrieben und mussten den Schwerpunkt ihres Reiches nach Osten verlegen. Ihr Herrschaftsgebiet dehnte sich allmählich über beinahe den gesamten Norden Chinas aus, bis in das Tal des Jangtsekiang.
7.1.2.1 Der Zhou-Feudalstaat
An der Spitze der streng hierarchisch organisierten Feudalordnung stand der König, der durch Erbfolge bestimmt wurde (siehe Feudalismus). In seinem Auftrag regierten abhängige Fürsten als Vasallen über befestigte Städte und umliegende Ländereien. Die Macht des Königs stützte sich auf die Klasse der adligen Krieger, die ihre soziale Stellung ebenfalls ererbten. Die niedrigste soziale Gruppe umfasste die Bauern mit dem Statuts von Leibeigenen der jeweiligen Fürsten sowie die Haussklaven. Um ihre weitläufige Herrschaft zu gewährleisten, schufen die Zhou-Könige erstmals eine Beamtenbürokratie, die arbeitsteilig das Reich verwaltete. Dennoch prägte ein Grundproblem aller feudalen politischen Systeme auch das Schicksal Zhou-Reiches: Das Streben der Vasallen, die sich erfolgreich als lokale Herren etabliert hatten, nach mehr Selbständigkeit und Macht wurde immer stärker und führte schließlich zum Niedergang der Zentralautorität. In der Folge mussten die Westlichen Zhou schließlich dem Druck der Barbareneinfälle im Norden nachgeben, als zugleich einige der Feudalstaaten rebellierten. Aus ihrer Hauptstadt in der Nähe der heutigen Stadt Xian vertrieben, errichteten die Zhou eine neue Hauptstadt im Osten bei Luoyang.
In der Östlichen Zhou-Zeit nahm die Herrschaft der Zhou schließlich immer stärker einen rein formalen Charakter an, und der Zhou-König beschränkte sich als "Sohn des Himmels" weitgehend auf seine sakrale Rolle, während die wirkliche Macht von anderen ausgeübt wurde. Im ersten Abschnitt der Östlichen Zhou-Zeit, der "Frühling- und Herbstperiode" (722-481 v. Chr.), die auch die "Zeit der Hegemonien" genannt wird, vollzog sich eine Entwicklung hin zur Zusammenfassung der örtlich zersplitterten Macht in der Hand einiger weniger Staaten, die in sich nicht mehr feudal, sondern bereits mit Hilfe zentraler staatlicher Verwaltungsstrukturen organisiert waren. Aus zahllosen kleinen und kleinsten Gebilden entstanden sieben Großstaaten (Ch'in, Wei, Han, Zhao, Zhou, Yen und Qui), deren Tendenzen zur Verselbständigung nicht mehr eingedämmt werden konnten.
In der letzten Phase der Zhou, in der "Zeit der Streitenden Reiche" (453-256 v. Chr.) löste sich angesichts der Machtkämpfe der Territorialherren die Herrschaft der Dynastie vollends auf. Am Ende setzte sich der durch Waffen aus Eisen und Reiterverbände überlegene Staat Ch'in (Qin) zwischen 256 und 221 v. Chr. in blutigen Kriegen gegen die anderen sechs durch und eroberte sie.
7.1.2.2 Das goldene Zeitalter der chinesischen Philosophie
Die politische Instabilität seit dem 7. Jahrhundert war begleitet von sozialen Umbrüchen und von langen Phasen intellektueller und kultureller Fruchtbarkeit und Vielfalt. Insbesondere das Nachdenken über Fragen der politischen und sozialen Ordnung gewann große Bedeutung und prägte in seinen Ergebnissen die chinesische Kultur über mehr als zwei Jahrtausende bis in die Gegenwart.
Konfuzianismus Der erste und wohl einflussreichste Philosoph dieser Periode war K'ung-fu-tzu (westlicher Name: Konfuzius, 551-479 v. Chr.). Der Sohn einer kleinen Adelsfamilie aus dem Staat Lu (heute Shandong) repräsentierte die aufsteigende Klasse von Verwaltungsfachleuten und Ratgebern, ohne die die Aufgaben der neuen staatlichen Verwaltungen nicht zu bewältigen waren. Konfuzius' Hauptforderung war die Restauration jener politischen und sozialen Einrichtungen, wie sie die Zeit der frühen Zhou gekannt hatte. Er glaubte, dass die weisen Herrscher dieser Periode auf der Grundlage persönlicher Tugend eine ideale Gesellschaft entwickelt hätten, und versuchte, eine neue integre und kultivierte Elite zu etablieren. Eine Wiederbelebung der feudalen Ethik der frühen Jahrhunderte schien ihm der beste Weg zur Wiederherstellung gefestigter Ordnungen in Politik und Gesellschaft zu sein (siehe Konfuzianismus).
Taoismus Die Lehren des Taoismus, der zweiten großen philosophischen Schule der Zhou-Zeit, finden sich im Tao-te king (Buch vom Tao und seiner Kraft). Als Urheber dieser philosophischen Richtung gelten Lao-tse (etwa 4. Jahrhundert v. Chr.) und Zhuangzi (ca. 369-286 v. Chr.). Die Taoisten lehnten das System des Konfuzius ab. Anstatt auf die Wiederbelebung der feudalen Ethik setzten sie auf die Abwendung von der Zivilisation und die Suche nach Übereinstimmung mit der Natur. Das Nicht-Eingreifen (wu wei) ist dabei eines der grundlegenden Prinzipien.
Legalismus Die dritte politische Schule der Zeit, die auf die weitere Entwicklung der chinesischen Zivilisation großen Einfluss hatte, war der Legalismus. Er forderte angesichts der allgemeinen Auflösungstendenzen neue und drastische Maßnahmen. Ziel war eine soziale Ordnung, die auf strikten und objektiven Gesetzen fußen und jeden Aspekt menschlicher Aktivität durch Lohn und Strafe reglementieren sollte. Um ein solches System zu errichten, musste ein machtvoller und wohlhabender Staat gebildet werden. Verstaatlichung des Kapitals, Einrichtung von Regierungsmonopolen, Beseitigung der überlieferten Familienstrukturen und Aufbau einer effektiven Verwaltung sollten unumschränkte staatliche Macht gewährleisten. Nach außen sollte eine auf Autarkie gerichtete Politik dem Staat Handlungsfreiheit verschaffen. Die wichtigsten Vertreter der Legalisten waren zwei Minister des Staates Ch'in: Shang Yang (4. Jahrhundert v. Chr.) und Han Feizi (spätes 3. Jahrhundert v. Chr.).
Zu den zahlreichen anderen, im Westen heute weniger bekannten philosophischen Schulen der Zeit gehören: Hedonisten, Rhetoriker, Logiker, Strategen, Agronomisten und insbesondere die Schule des Mo Ti (gestorben 391 v. Chr.), der im Prinzip der allumfassenden Liebe den Schlüssel zur Lösung der Probleme des Menschen erkannte.
7.2 Entstehung des Kaiserreiches
7.2.1 Die Qin-Dynastie (221-206 v. Chr.)
Durch die Eroberung der rivalisierenden Reiche führte Zheng, der Herrscher der Ch'in (deren Name künftig auch für die Bezeichnung des Gesamtstaates stehen sollte), zum ersten Mal alle chinesischen Gebiete zusammen (1. Reichseinigung 221 v. Chr.) und begründete das Kaiserreich, indem er sich zum Shi Huangdi ("göttlich erhabener Kaiser") erhob. Er übertrug die grundlegenden Reformen, die wesentlich zum Aufstieg von Ch'in beigetragen hatten, jetzt auf das gesamte neue Reich. Die feudalen Strukturen wurden beseitigt und ein Verwaltungsstaat etabliert. Gesetze und Vorschriften wurden durchgehend vereinheitlicht - von den Vorgaben für den Bau von Wagen über Gewichte und Maße bis hin zur Schrift. Die Infrastruktur, insbesondere der umfassende Ausbau des Straßen- und Wasserwegenetzes, wurde ebenso zur Sache des Staates wie die Sicherung des Reiches nach außen.
Auch das kulturelle Leben orientierte sich am Ziel der Einheitlichkeit. Nur die Denkschule des Legalismus war noch zugelassen, die wichtigsten Schriften der anderen philosophischen Richtungen wurden verbrannt (Bücherverbrennung 213 v. Chr.). Das gesamte Staatsgebiet wurde in 36 Gaue eingeteilt, die einer zivilen Verwaltung durch eine differenzierte Beamtenbürokratie und einer militärischen Führung unterstanden. Gegen diese Veränderungen fand sich jedoch eine Opposition der alten Führungsschichten und der Anhänger des Konfuzianismus zusammen, die sich schließlich gegen die neue Dynastie erhob.
Nach außen verfolgten die Ch'in einen expansiven Kurs: Im Süden stießen sie bis in das Gebiet des heutigen Vietnam vor; im Südwesten wurde das Kaiserreich auf die heutigen Provinzen Yunnan, Guizhou und Sichuan ausgedehnt; im Nordwesten erstreckten sich die Eroberungen bis Lanzhou in der heutigen Provinz Ganzhou, und im Nordosten erkannte ein Teil des heutigen Korea die Vorherrschaft der Ch'in an. Zugleich sicherten sie die Grenze in Nordchina durch einen durchgehenden Verteidigungswall, den Vorläufer der später errichteten Chinesischen Mauer, um die Verteidigung gegen Invasionen der Hiung-nu (Hunnen) zu erleichtern.
7.2.2 Die Frühere Han-Dynastie/Westliche Han (206 v. Chr. bis 9 n. Chr.)
Aus dem 210 v. Chr. entbrannten Bürgerkrieg, den Shi Huangdi mit seinen radikalen Reformen provoziert hatte, ging der Rebellenführer Liu Bang 206 v. Chr. als Sieger hervor. Er stürzte die Ch'in, ernannte sich 202 v. Chr. selbst zum Kaiser und begründete als Gaozu die Han-Dynastie. Die Han-Dynastie baute auf der von den Ch'in erreichten Einheit des Reiches auf, liberalisierte aber das Herrschaftssystem. Die umfassenden, straffen Reglementierungen wurden abgeschafft, die Steuern gesenkt. Seinen Verbündeten und Verwandten gewährte Gaozu die Erbfolge für ihre Regionalherrschaften. Doch die Politik der Refeudalisierung schwächte die Autorität des Kaisers. Ab Mitte des zweiten vorchristlichen Jahrhunderts, maßgeblich unter Kaiser Wudi (140-87 v. Chr.), zentralisierten die Han deshalb erneut das Reich und unterstellten es ihrer Kontrolle, indem sie eine aufgabenteilige zentrale Verwaltung für das ganze Reich schufen, die bis in die örtlichen Belange eingriff. Mit diesem zentralistischen Verwaltungsaufbau entstand ein ausgedehnter staatlicher Beamtenapparat.
Zu den wichtigsten geschichtlichen Beiträgen der Han-Dynastie zählt die Einführung des Konfuzianismus als offizielle Ideologie. In dem Versuch, eine alles umfassende Staatsideologie zu entwickeln, waren die Han allerdings weniger rigide als die Ch'in; die Han bezogen auch andere philosophische Richtungen und Elemente der Volksreligion in ihr neues System ein.
Unter Kaiser Wudi erreichte die frühe Han-Dynastie ihre Blütezeit. Das Reich umfasste beinahe das gesamte Territorium des heutigen China, wenn auch viele Gebiete, insbesondere südlich des Jangtsekiang, sich noch nicht wirklich assimilierten. Im Norden fielen Teile der Mandschurei und Koreas an China, im Westen wurden die Hiung-nu abgewehrt, im Zuge von Vorstößen durch das Tal des Flusses Jaxartes (dem heutigen Syrdarja) geriet auch Zentralasien ins Blickfeld des Expansionsinteresses, und schließlich kam der Süden der Insel Hainan unter die Kontrolle der Han. Im Delta des Xi Jiang, in Annam und Korea entstanden Kolonien. Der Karawanenverkehr über die Seidenstraßen ermöglichten den Handel mit Zentralasien und stellten die Verbindung zum Mittelmeerraum her, in dem zu dieser Zeit Rom zur Vormacht aufstieg.
Die expansive Politik des Kaisers Wudi zog schwere finanzielle Belastungen nach sich und löste soziale Krisen aus. Steuererhöhungen, Wiederbelebung der staatlichen Monopole und Entwertung des Geldes sollten die Staatskassen wieder füllen. Die angesichts dieser Entwicklungen bereits schwierige Lage der unteren sozialen Schichten verschlechterte sich zusätzlich durch ein starkes Bevölkerungswachstum, dem die wirtschaftliche Entwicklung nicht Rechnung tragen konnte. Zu diesen negativen Entwicklungen im sozialen und wirtschaftlichen Bereich kam schließlich noch politische Instabilität. Wiederholt bestiegen Thronfolger noch im Kindesalter den Kaiserthron; die Macht wurde dann von den Müttern der jeweiligen Herrscher und deren Familien ausgeübt, Zersplitterung und Inkompetenz schwächten die kaiserliche Regierung. Die mächtigen Landbesitzerfamilien in den Provinzen verstanden es, sich durch ihre Verbindungen in den Beamtenapparat der Steuerpflicht zu entziehen. Der Versuch, die sinkenden Staatseinnahmen durch stärkere Belastung der Bauernschaft auszugleichen, führte zu Bauernaufständen und der Bildung zahlreicher Räuberbanden.
7.2.3 Die Zwischenherrschaft der Xin (9-23 n. Chr.)
In dieser Phase des Verfalls der kaiserlichen Autorität gelang es der Familie Wang, die mit dem Herrschergeschlecht verwandt war, die Macht an sich zu reißen. Wang Mang, der 9 n. Chr. den Kaiserthron bestieg, brachte ein umfangreiches und tief greifendes Reformwerk in Gang. Alles Land sollte in Staatsbesitz übergehen und an die Bauern verteilt werden, deren Wirtschaft staatlich kontrolliert werden sollte, um die private Wucherei einzuschränken. Besitz von und Handel mit Sklaven sollten eingedämmt werden. Doch der Widerstand der Großgrundbesitzer und eines großen Teils der Beamtenschaft ließen das Projekt schnell scheitern.
Der wirtschaftliche Niedergang führte zu Bauernaufständen, die sich unter der Führung der "Roten Augenbrauen", einer vom Taoismus inspirierten Gruppe, bald über das gesamte Reich ausbreiteten. Im Jahr 23 wurde Wang Mang von den "Roten Augenbrauen" getötet.
7.2.4 Die Spätere Han-Dynastie/Östliche Han (25-220 n. Chr.)
Liu Xin, der aus einer der alten Familien der Oberschicht stammte und der ein bedeutender militärischer Führer der rebellierenden Bauern geworden war, ernannte sich 25 n. Chr. selbst zum Kaiser Guangwudi (25-57) und begründete die Han-Dynastie neu.
Außenpolitisch versuchten die Östlichen Han, die seit dem Niedergang der Westlichen Han verloren gegangenen Positionen zurückzugewinnen. Insbesondere gegen die Hiung-nu, die sich in eine nördliche und eine südliche Gruppe gespalten hatten, war man militärisch erfolgreich. Die südliche Gruppe wurde zum großen Teil im Norden Chinas angesiedelt, wo sie fortan innerhalb der Reichsgrenzen lebte. Die nördliche Gruppe konnte man zwar nicht unterwerfen, doch blieb die Bedrohung durch sie relativ gering. Die Herrschaft der Han über Zentralasien war bis zum Ende des 1. Jahrhunderts n. Chr. in vollem Umfang wieder hergestellt, und bald gab es Vorstöße über den alten Machtbereich hinaus bis an das Kaspische Meer.
Schwäche und Ineffizienz der Staatsverwaltung blieben weiterhin ein dominierendes Problem; familiäre Intrigen um Macht und Einfluss angesichts minderjähriger Thronfolger (nur die ersten drei Kaiser der Östlichen Han traten ihr Amt volljährig an) schwächten nach wie vor die staatliche Autorität. Als neuer Faktor im Machtkampf am kaiserlichen Hofe traten im 2. Jahrhundert zunehmend die Eunuchen, die durch ihre zentralen Funktionen in der Bürokratie politischen Einfluss gewonnen hatten, hervor. Ihre Versuche, die Herrschaft im Staat zu usurpieren, schuf bürgerkriegsähnliche Konflikte. Truppen der Provinzmachthaber beendeten 189 die Herrschaft der Eunuchen am Hofe, indem sie die Hauptstadt Luoyang eroberten und alle etwa 2 000 Eunuchen töteten.
Verstärkte Machtansprüche der Grundbesitzerklasse ließen alte innenpolitische Konflikte wieder aufbrechen. In Ostchina setzte sich die taoistisch orientierte Gruppe Tai-ping tao ("Straße des großen Friedens"), deren Anhänger gelbe Turbane trugen, an die Spitze eines breiten Bauernaufstandes, der schließlich 215 grausam unterdrückt wurde.
Der Zerfall der Macht der Han-Dynastie war unaufhaltsam. Die wirklichen Machthaber waren die Kriegsherren, die in den Provinzen herrschten und die sich bald gegenseitig bekämpften. Nominell bestand die Dynastie noch bis 220.
Während der Ära Späteren Han-Dynastie hielt der Buddhismus von Indien aus Einzug in China.
7.2.5 Die Periode der Spaltung (220-589)
Im Machtvakuum des Zentralstaates entstanden die "Drei Reiche" Shu-han (221-263) im Westen, Wei (220-265) im Süden und Wu (222-280) im Norden. Die gesellschaftlichen Konfliktkonstellationen, wie sie das geeinte Reich geprägt hatten, blieben jedoch erhalten. Neben den inneren Auseinandersetzungen bestimmten nun zusätzlich erbitterte Kriege zwischen den Drei Reichen das Bild der Zeit. Vorübergehend gelang es der Tsin-Dynastie, die Einheit militärisch zu erzwingen (265). Zu Beginn des 4. Jahrhunderts, als die Hiung-nu die Hauptstädte des Nordens, Luoyang (311) und Ch'ang-an (heute Xian, 316) eroberten, war die Reichseinheit erneut zerstört und ein Nord- und ein Südreich entstanden (316).
Während sich in dieser Phase im Süden chinesische Dynastien behaupteten, geriet der Norden weiter unter den Druck großer Invasionen innerasiatischer Nomadenvölker, u. a. der Toba, die schließlich in der "Zeit der 16 Reiche" eigene Herrschaften etablierten. Den Weg hierzu hatten nicht zuletzt die innerchinesischen Kriegsparteien selbst geebnet, indem sie die benachbarten nichtchinesischen Völker in ihren Machtkampf einbezogen und bei ihnen Söldner angeworben hatten. Diese setzten sich schließlich sozusagen als Vorhut ihrer Stämme in den fruchtbaren Weideländern der Nordchinesischen Ebene fest. Große Teile der Einwanderer assimilierten sich in den nachfolgenden Generationen an die Sitten und Gebräuche der Chinesen (siehe Sinisierung).
7.3 Das neuchinesische Reich (589-907)
7.3.1 Die Sui-Dynastie (589-618)
Unter der Sui-Dynastie wurde China neu vereint. Begründet wurde die Dynastie von Yang Jian, einem Militärführer, dem es gelang, den ganzen Norden zu erobern und 581 den Thron von den nichtchinesischen nördlichen Zhou zu übernehmen. Während der folgenden acht Jahre eroberte er Südchina, einte als Kaiser Wendi (589-604) das Reich und errichtete bei Ch'ang-an (Xian) die neue Hauptstadt. Er und sein Nachfolger Yang (604-618) bauten das zentralisierte Verwaltungssystem der Han neu auf, führten zahlreiche Reformen durch (so etwa Prüfungen für Beamte), versuchten die Staatsfinanzen zu konsolidieren und sicherten die Grenzen durch die Errichtung von Militärkolonien und die Instandsetzung und Erweiterung der Chinesischen Mauer. Zugleich begannen sie mit dem Ausbau der Infrastruktur (z. B. Kaiserkanal zwischen Hangzhou und Peking). Obwohl der Konfuzianismus offizielle Religion war, wurden nun auch der Taoismus und der Buddhismus, der eine Blütezeit erlebte, bei der Formulierung einer neuen Reichsideologie berücksichtigt.
Außenpolitisch stellten die Sui die Kontrolle des Reiches über Nordvietnam und, bis zu einem gewissen Grade, über die zentralasiatischen Stämme im Norden und Westen wieder her. Durch den Aufbau einer Flotte, die nach Formosa (Taiwan), Vietnam und Sumatra geschickt wurde, machten sie China zur Seemacht. Ein langer und kostspieliger Feldzug in der südlichen Mandschurei und in Nordkorea endete jedoch mit einer Niederlage. Der Autoritätsverlust des Kaisers, die militärischen und wirtschaftlichen Belastungen (Zwangsarbeit) lösten Aufstände aus, die 618 zum Sturz und zur Ermordung des Kaisers Yang führten.
7.3.2 Die Tang-Dynastie (618-907)
Unter der Tang-Dynastie, die Ära Li Yuan (als Kaiser Gaozu) einleitete, konsolidierte sich die chinesische Zivilisation und expandierte wieder nach außen.
7.3.2.1 Neuordnung der Bürokratie und kulturelle Blüte
Die Organe der kaiserlichen Regierung und der lokalen staatlichen Behörden wurden reorganisiert, die Zentralverwaltung mit einem differenzierten Kodex von administrativen und strafrechtlichen Vorschriften ausgestattet. Um ihn anwenden zu können, wurde das System der konfuzianischen Einstellungsprüfungen für Beamte, die umfassende Literaturkenntnisse nachweisen mussten, perfektioniert.
Die Hauptstadt der Tang, Ch'ang-an, war Zentrum der Kultur und der religiösen Toleranz. Obwohl der Konfuzianismus Staatsdoktrin blieb, durften viele Religionen, einschließlich des Christentums, praktiziert werden. Kunst und Literatur, teilweise stark beeinflusst vom Buddhismus, erlebten eine glanzvolle Zeit. Zu großer kultureller Blüte kam es gegen Ende der Tang-Dynastie: Die Dichter Li Taibai, Du Fu und Bai Juyi sowie der Meister der Erzählung Han Yü betraten zu einer Zeit die Bühne, als der politische Abstieg bereits begonnen hatte.
Der Außenhandel mit Zentralasien und dem Westen wurde über die Karawanenstraßen abgewickelt, der Seehandel mit dem Mittleren Osten lief über den Hafen von Kanton. Der chinesische Einfluss reichte im Norden und Osten jetzt wieder bis Korea, die südliche Mandschurei und Nordvietnam. Im Westen schlossen die Tang Bündnisse mit den zentralasiatischen Stämmen, kontrollierten das Tarimbecken und konnten so ihren Machtbereich bis in das Gebiet des heutigen Afghanistan hinein ausdehnen.
Die ökonomische und militärische Stärke des Tang-Reiches fußte auf einem System der Landzuweisung an die erwachsene männliche Bevölkerung. Die damit verbundene Erhebung einer regelmäßigen steuerlichen Abgabe pro Kopf war die wichtigste staatliche Einnahmequelle, und der obligatorisch von den Landbesitzern periodisch zu leistende Militärdienst war die Grundlage der militärischen Stärke der Tang.
7.3.2.2 Krise und Niedergang
So perfektioniert das Herrschaftssystem der Tang auch war, so schuf es sich doch auch selbst die Probleme, an denen es zugrunde ging. Das Steuersystem und die Prinzipien der Landverteilung, die dem Bevölkerungszuwachs nicht Rechnung trugen, begünstigten soziale Konflikte und Landflucht und führten zu einer Schwächung der militärischen Einheiten. Die Grenzgebiete konnten nicht länger dauerhaft durch chinesische Armeen geschützt werden. So bediente man sich zur Verteidigung eines Systems von Stützpunkten sowie nichtchinesischer Einheiten, deren Befehlshaber nicht selten dazu neigten, Politik auf eigene Faust zu betreiben und eigene Königreiche zu etablieren. Von besonderer Tragweite erwies sich die Revolte des Militärführers An Lushan (755-757), die ebenfalls nur mit Hilfe nichtchinesischer Truppen niedergeschlagen werden konnte. Das System der Kommandanturen verbreitete sich auch in anderen Gebieten Chinas und unterlief u. a. die Anstrengungen der Zentralbehörden, durch die Wiedereinführung von staatlichen Monopolen die staatliche Finanznot einzudämmen, indem die regionalen Militärherren die Einnahmen für sich beanspruchten.
Im 9. Jahrhundert scheint sich die direkte kaiserliche Machtausübung nur noch auf die Provinz Shaanxi beschränkt zu haben und zerfiel im Zuge eines Volksaufstandes vollends (875-884). Schon zuvor hatte eine Kampagne gegen den Buddhismus begonnen, in deren Verlauf mehr als 4 000 Klöster aufgelöst und zerstört wurden.
7.4 Die Song-Dynastie und die Mongolenherrschaft (960-1368)
7.4.1 Die Song-Dynastie (960-1279)
Während der Zeit der dritten Reichsteilung (902-960) herrschten im Norden relativ überschaubare politische Verhältnisse ("Zeit der Fünf Dynastien"), während sich im Süden zahlreiche Kleinstaaten jeweils nur kurz halten konnten ("Zeit der Zehn Reiche").
Die Zeit der Fünf Dynastien im Norden endete 960, als sich General Zhao Kuangyin während eines Krieges gegen das mongolische Volk der Kitan zum Kaiser T'ai-tsu ausrief und die Song-Dynastie begründete. Schon 978 kontrollierten die Song den größten Teil Chinas, mit Ausnahme der Gebiete im nördlichen Hebei und Shaanxi, die zum Liao-Reich der kitanischen Mongolen gehörten. Die Zeit der Song wird in zwei Phasen eingeteilt: in die Nord-Song mit der Hauptstadt in Kaifeng (960-1127) und die Süd-Song (1127-1279) mit der Hauptstadt Hangzhou, deren Herrschaft nur noch in Südchina bestand hatte.
Zur wichtigsten Kunstform in der Song-Zeit entwickelte sich die Malerei. Von besonderer Bedeutung war die Tuschemalerei aus dem Umfeld des Zen-Buddhismus, die sich in der Darstellung auf das Wesentliche beschränkte. Nicht zuletzt im Zusammenhang mit der Verbreitung des Buchdrucks hob sich das allgemeine Bildungsniveau und steigerten sich die wissenschaftlichen Leistungen. Zu den großen Errungenschaften der Song-Zeit gehören neben dem Buchdruck die Einführung des Papiergeldes und die Erfindung des Schießpulvers. Die in der Song-Zeit zu einem umfassenden System entwickelte Denkschule des Neokonfuzianismus blieb bis in das frühe 20. Jahrhundert für die chinesische Kultur grundlegend.
7.4.1.1 Die Nord-Song (960-1127)
Der neuen Dynastie gelang es bald, die Vorherrschaft des Militärs über die zivile Verwaltung zu beenden. Die Macht der Militärbefehlshaber in den Provinzen wurde zurückgedrängt und die Kontrolle der Zentralgewalt über die Armee wieder hergestellt. Die zivile Beamtenschaft, deren Mitglieder über ein Auswahlsystem rekrutiert wurden, gewann erneut an Bedeutung. Die Song reorganisierten die kaiserliche Regierung (mehrere beratende Kanzler an der Seite des Herrschers) und konzentrierten am Kaiserhof Macht und Kontrolle in einem bisher nicht gekannten Ausmaß, obwohl die lokalen Verwaltungsstrukturen in ihrer überlieferten Form größtenteils beibehalten wurden.
Die Reformanstrengungen beseitigten nicht die militärischen Defizite. Nach mehreren Niederlagen gegen die Liao schlossen die Song 1004 einen Vertrag, mit dem sie die Annexionen der Liao an der Nordgrenze anerkannten und sich zu jährlichen Tributzahlungen verpflichteten. Auch die langen Kriege mit den Xixia, einem Tangutenstamm an der Nordwestgrenze, endeten im Jahr 1044 mit dem Zugeständnis von Tributen.
Etwa um die gleiche Zeit geriet das Song-Reich in erhebliche finanzielle Schwierigkeiten, erwachsen aus den Kosten für die Verteidigung der Nordgrenze und einem Bevölkerungszuwachs, mit dem die wirtschaftliche Entwicklung nicht Schritt halten konnte. Ab 1069 wurde durch den kaiserlichen Minister Wang Anshi (1069-1076) ein umfangreiches Reformprogramm in Gang gesetzt. Hauptziele dieses planwirtschaftlichen Programms waren die Konsolidierung des Staatshaushaltes, die Erhöhung der militärischen Schlagkraft und eine effektive Organisation der Verwaltung. Um die Landwirtschaft zu fördern, wurde der Handel mit Grund und Boden erschwert, die Bauern wurden vom Militärdienst befreit und erhielten staatliche Anleihen zur Sanierung ihrer Höfe. Eine staatliche Vorratshaltung von Grundnahrungsmitteln sollte Notsituationen vorbeugen.
7.4.1.2 Die Jin-Herrschaft und die Süd-Song (1127-1279)
Seit dem 11. Jahrhundert versuchten im Norden und Osten der Mandschurei die alteingesessenen Tungusenstämme unter Führung der Dschurdschen sich aus der Herrschaft des Liao-Reiches zu lösen. Um 1114 erreichte der Dschurdsche Aguta die Jin-Dynastie und nahm den Befreiungskrieg gegen die Kitan auf. Innerhalb weniger Jahre hatten die Jin das Liao-Reich zerstört (1125), um anschließend die Song, die ihnen als Bundesgenossen im Krieg gegen das Liao-Reich noch zur Seite gestanden waren, in den Süden zu vertreiben und ihrer Tributsherrschaft zu unterwerfen (Friedensvertrag von 1142). Zwar ließen die Jin, die Peking zu ihrer Hauptstadt machten, im eroberten Norden die vorhandenen chinesischen Verwaltungsstrukturen bestehen, doch gelang es ihnen nicht, die Leistungsfähigkeit der Landwirtschaft zu erhalten.
Während der Norden einen Abstieg erlebte, blühte der Süden, das Reich der Süd-Song, wirtschaftlich auf. Sie bauten die Bewässerungssysteme aus und führten den Anbau von Tee und einer neuen Reissorte ein, die jährlich zwei Ernten erlaubte. Die Städte wuchsen, und mit ihnen nahm das städtische Handwerk an Bedeutung zu. Neben dem Agrarsektor wies vor allem der Handel große Wachstumsraten auf. Porzellan wurde zum wichtigsten Exportgut. Die staatlichen Einnahmen aus Steuern auf den Handel zogen bald mit den Einnahmen aus der Besteuerung von Grundbesitz gleich.
7.4.2 Die mongolische Yuan-Dynastie (1280-1368)
7.4.2.1 Die Eroberung Chinas
Mit der Bildung der Stammesföderation der Mongolen Mitte des 12. Jahrhunderts entstand im Norden des chinesischen Reiches eine Macht, der es gelingen sollte, China erstmals dauerhaft einer Fremdherrschaft zu unterwerfen. 1211 fiel Dschingis Khan an der Spitze der vereinten Mongolenstämme in Nordchina ein, 1215 eroberte er Peking, 1219 Korea. Sein Sohn Ögädäi zerstörte 1232 das Jin-Reich endgültig, und zwar unter Mithilfe der Süd-Song, die sich zwischenzeitlich mit ihm verbündet hatten. Unter Kubilai Khan, der 1264 seine Hauptstadt von Karakorum nach Peking verlegt hatte, machten sich die Mongolen in der Folgezeit an die Eroberung auch des Reiches der Süd-Song: 1271 fiel die Hauptstadt der Süd-Song, ihr Kaiser geriet in Gefangenschaft, und 1279 wurden die letzten Verbände der Song vernichtend geschlagen. Die Mongolen beherrschten nun ganz China.
7.4.2.2 Die Yuan-Dynastie (1279-1368)
Kubilai Khan begründete 1271 die Yuan-Dynastie und 1280 erhob er sich zum Kaiser. Unter seiner Herrschaft erreichte die mongolische Macht ihren Höhepunkt. Die Kommunikationsstrukturen wurden elementar verbessert; die zentralasiatischen Handelsrouten, gänzlich unter mongolischer Kontrolle, waren sicherer als jemals zuvor. Der Verkehr von Westen nach Osten nahm kontinuierlich zu: Missionare und Händler kamen nach China und brachten neue Ideen, Techniken, Nahrungsmittel etc. ins Land. Der bekannteste ausländische Weltreisende in China war der venezianische Kaufmann Marco Polo, dessen Aufzeichnungen über seine langen Jahre in China und am Hofe Kubilais den Glanz des mongolischen Reiches lebendig wiedergeben.
Die mongolische Führungsschicht nahm rasch die chinesische Kultur an und bediente sich des bestehenden Verwaltungsapparates. Jedoch installierten die Yuan eine Vierklassenordnung, die die einheimische Bevölkerung diskriminierte:. Die oberste Klasse stellten die Mongolen als Militäraristokratie und Inhaber der hohen Regierungsämter selbst. Zur zweiten Klasse gehörten die Angehörigen der Turkvölker im Norden, deren Aufgaben und Rechte sich kaum von denen der Mongolen selbst unterschieden. Alle weiteren Bewohner des Nordens, unabhängig von ihrer ethnischen Zugehörigkeit, wurden der dritten Klasse zugeordnet, deren Rechte gegenüber den beiden ersten Klassen deutlich reduziert blieben. Zur vierten Klasse schließlich gehörten alle Bewohner des ehemaligen südlichen Song-Gebietes. Sie waren völlig von höheren politischen Ämtern ausgeschlossen. Auch der Besitz und das Tragen von Waffen waren ihnen nicht gestattet. Auf der Basis dieser ethnisch-sozial-politisch gegliederten Gesellschaft versuchten die Yuan weitere Expansionen, die ihnen letztlich aber nicht gelangen. Zwei Invasionen Japans schlugen ebenso fehl wie die Expansion nach Vietnam.
Im Inneren verschlechterte sich die Situation der Landwirtschaft. Bauernaufstände, die sich zunächst gegen die Großgrundbesitzer richteten, leiteten das Ende der Fremdherrschaft ein. Bis zum Anfang der sechziger Jahre des 14. Jahrhunderts hatten bäuerliche Heere unter Führung der "Roten Turbane" weite Gebiete des Nordens erobert, mussten sich dann aber zunächst geschlagen geben. Im Gebiet des Jangtsekiang dagegen blieben die "Roten Turbane" unter der Führung Zhu Yuanzhangs erfolgreich.
7.5 Die Ming-Dynastie (1368-1644)
1368 eroberte Zhu Yuanzhang Peking, verjagte die Yuan-Fremdherrscher, errichtete eine absolutistische Herrschaft und erhob sich selbst unter dem Namen Taizu zum ersten Kaiser der neuen, von ihm begründeten Ming-Dynastie, zunächst mit Nanking (Nanjing) als Residenz (bis 1403).
7.5.1 Reformen unter Kaiser Taizu
Erst 1387 war China territorial wieder ganz vereint. Die innere Einigung, der Aufbau einer funktionierenden einheitlichen Verwaltung, mit der Taizu an die Errungenschaften der Song-Ära anknüpfte, nahm allerdings noch längere Zeit in Anspruch. Die wichtigste Maßnahme zur dauerhaften Erhaltung der Einheit des Reiches war dabei die Unterordnung der Militärverwaltung unter die zivile Verwaltung - eine bedeutende historische Leistung der Ming. Taizu zentralisierte die Behörden und beseitigte die Verwaltungsautonomie der Provinzen. Um eine Verquickung von familiären Machtinteressen und Amtsausübung zu verhindern, durften Beamte nur außerhalb ihrer Heimatprovinz eingesetzt werden. Ab 1382 waren staatliche Prüfungen wieder die Voraussetzung für den Eintritt in den Beamtendienst.
Die Probleme der Landwirtschaft suchte Taizu mit der Verteilung von Land, der Erneuerung der Bewässerungssysteme, der Erschließung neuer Siedlungsgebiete und der Zwangsverpflichtung landloser Bauern zu beheben, und Steuerreformen sollten die Staatsfinanzen sanieren.
Seine weit reichenden Reformen setzte Taizu während seiner dreißigjährigen Regierungszeit zunehmend mit despotischen Mitteln durch. Tausende Mitglieder der Beamtenschaft fielen Verfolgungen zum Opfer.
Nach dem Tode Taizus 1398 kam es zu grausamen Nachfolgekämpfen, aus denen der Prinz von Yen (als Kaiser Yung-Lo, 1402-1424) als Sieger hervorging. Er verlegte die Hauptstadt von Nanking nach Peking.
Die fortschreitende Bürokratisierung von Gesellschaft und Politik während der Ming-Zeit brachte einen Wiederaufstieg der Eunuchen mit sich, die zeitweise die Macht an sich zu reißen und die Monarchen in die Rolle von Schattenkaisern zu drängen vermochten. Wirtschaftlich brachten die fast drei Jahrhunderte der Ming-Dynastie einige wichtige positive Entwicklungen: Dank verbesserter Bewässerungsmethoden stieg die Produktivität in der Landwirtschaft; staatlich gefördert wurden neue Nutzpflanzen angebaut, vor allem Süßkartoffeln, Mais und Erdnüsse; und es entstanden regelrechte Industriezentren für die Baumwollverarbeitung, die Seiden- und die Porzellanherstellung.
7.5.2 Bedrohung von außen, Öffnung nach außen
Während der Ming-Zeit baute China rege Handelsbeziehungen zu Japan auf und suchte über See raumgreifend Kontakte mit der Außenwelt. In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts finanzierte die kaiserliche Regierung sieben überseeische Expeditionen des Eunuchen Zheng He, die ihn nach Südostasien, Indien, Ostafrika und Arabien führten. Dass solche Unternehmungen und die damit verbundene staatliche Förderung der Seefahrt aus Kostengründen schließlich eingestellt wurden, erwies sich später als Fehler. Als zu Beginn des 16. Jahrhunderts die Europäer mit ihren Schiffen an den chinesischen Küsten auftauchten, hatten ihnen die Chinesen beim Kampf um die Herrschaft zur See nichts entgegenzusetzen.
1516 erreichten die Portugiesen Kanton, 1624 ließen sich die Niederländer in Taiwan nieder, 1637 erschienen erstmals englische Schiffe in Kanton. Anders als frühere Händler aus Persien oder aus arabischen Ländern traten die Europäer gewalttätig und besitzergreifend auf und mussten, wie etwa die Portugiesen, ihre Niederlassungen aufgrund ihres unangemessenen Verhaltens bald wieder schließen.
Die Bedrohung des Reiches durch innerasiatische Völker, vor allem die Mongolen, blieb auch während der Ming-Zeit bestehen, obwohl die Ming-Kaiser gleich zu Beginn ihrer Herrschaft durch militärische Expeditionen dieser Gefahr ein für alle Mal ein Ende zu bereiten suchten. Zur Sicherung des Reiches wurde die Große Mauer weiter ausgebaut und erreichte nun ihre heutige Ausdehnung und Gestalt. Japanische Truppen, die 1592 unter Toyotomi Hideyoshi in Korea eingefallen waren und nach China vorzustoßen planten, konnten erst 1598 vertrieben werden. Der Bedrohung durch japanische Freibeuter an den Küsten wurde u. a. mit dem Bau von Küstenforts begegnet.
7.5.3 Niedergang der Ming
Unter Kaiser Wan-Li (1573-1629), an dessen Hof sich ein fast uneingeschränktes Regime der Eunuchen etabliert hatte, verfiel die Autorität der Ming-Dynastie nach innen und außen zusehends.
Mit der Vereinigung der Dschurdschen mit anderen tungusischen Stämmen zu der später als Mandschu bezeichneten Ethnie entstand im Norden eine neue große Gefahr für das Ming-Reich. Die Zusammenfassung der Tungusen hatte Fürst Nurhaci (1559-1626) mit grundlegenden Reformen ihres politischen und militärischen Systems verbunden, die den Aufstieg der Mandschu zu einer bedeutenden Macht ermöglichten. Vor allem das so genannte Banner-System erwies sich als überlegene militärisch-politische Organisationsform. Die Banner, ursprünglich vier, dann acht, waren zunächst militärische Verwaltungseinheiten, die später auch zivile Aufgaben übernahmen. Zugleich errichteten die Mandschu nach chinesischem Vorbild eine Monarchie mit zentralisierter Verwaltung. Anfang des 17. Jahrhunderts begannen sie, auf chinesisches Gebiet vorzustoßen, stürzten schließlich die Ming-Kaiser und etablierten die Qing-Dynastie.
Die Kosten der militärischen Operationen gegen die Mandschu und gegen die Japaner führten das Ming-Reich an den Rand des finanziellen Zusammenbruchs. Korruption und Willkürherrschaft unter dem Eunuchen Wei Chung-hsien, des eigentlichen Herrschers des Ming-Reiches, erreichten solche Ausmaße, dass sich ein Teil der Beamtenschaft gegen Wei erhob, jedoch ohne Erfolg: Weis Macht blieb ungebrochen, die rebellierenden Beamten wurden getötet. Aber auch in der Bauernschaft kam es in den letzten Jahrzehnten der Ming-Herrschaft zu einer Reihe von Aufständen, die 1626, ausgelöst durch eine Hungersnot, in eine umfassende Bauernrevolte mündete. Angesichts der Eroberung Pekings durch den Bauernführer Li Tzu-ch'eng tötete sich der letzte Ming-Kaiser 1644 selbst. Niedergeworfen wurde der Bauernaufstand erst von den Mandschu, die die Wirren genutzt hatten, um China zu erobern.
7.5.4 Kultur der Ming-Epoche
In der kulturellen Entwicklung unter den Ming besann man sich auf die Leistungen der Tang-Zeit und auf die Werte der chinesischen Antike. Auf Initiative des Kaiserhofs entstanden umfangreiche Enzyklopädien, in denen das gesamte chinesische Wissen zusammengetragen wurde. Die bekannteste ist die Yung-lo ta-tien, an der zu Beginn des 15. Jahrhunderts mehr als 2 000 Gelehrte arbeiteten und die zuletzt mehr als 11 000 Bände umfasst haben soll. In der Literatur setzte sich der Roman durch, in dem jetzt auch die chinesische Umgangssprache Verwendung fand. Zwar standen historische Themen im Vordergrund, aber es wurde, verpackt in die Schilderung historischer Ereignisse, auch deutliche Kritik an der Gegenwart geübt. Der Neokonfuzianismus, in der Variante der Chu-Hsi-Schule, blieb Staatsideologie. Eine neue Denkschule, die weite Verbreitung fand, entwickelte Wang Yang-Ming (1472-1529), der eine dem Idealismus zuzuordnende, ebenfalls neokonfuzianische Philosophie schuf. Die Architektur der Ming-Zeit hinterließ beeindruckende Bauwerke, doch blieb sie konservativ und verwendete, wenn auch meisterlich, die überlieferten Stilelemente weiter. Die Porzellankunst der Ming-Zeit, insbesondere das Blauweißporzellan, gilt vielfach als Höhepunkt der chinesischen Keramik.
7.6 Die Mandschu- oder Qing-Dynastie (1644-1911)
Unter der Qing-Dynastie, die bis Ende des 17. Jahrhunderts ihre Herrschaft in ganz China durchgesetzt hatte, erreichte das chinesische Kaiserreich die höchste Blüte in seiner 2 000 Jahre währenden Geschichte.
7.6.1 Erste Phase (1644 bis 18. Jahrhundert)
7.6.1.1 Herrschaftssystem
Die Qing verstanden es, die Unterstützung der alten Oberschicht zu gewinnen, indem sie entscheidend an der Niederschlagung der Bauernaufstände mitwirkten und den Großgrundbesitz in seinem Bestand garantierten. Kulturell passten sich die Qing den chinesischen Gegebenheiten an, beschränkten aber die sozialen Kontakte mit dem Mehrheitsvolk, für das sie Fremdherrscher blieben, auf ein Mindestmaß. Auch in Bezug auf die Verwaltung übernahmen sie die Strukturen aus der Ming-Zeit, trieben aber die Zentralisierung voran. Um die Kontrolle über das Staatswesen zu behalten und die politische Macht der Eunuchen zu brechen, installierten die Qing-Herrscher den "Großen Rat", der die Ministerien überwachte und dem Kaiser unmittelbar rechenschaftspflichtig war. Darüber hinaus wurden die führenden Verwaltungspositionen doppelt besetzt. Jedem chinesischen Amtsleiter wurde ein Mandschu oder Mongole zur Seite gestellt. Die Bürokratie und ebenso die Einstellungsprüfungen für den Beamtendienst orientierten sich nach wie vor an den Maximen des Konfuzianismus.
Als Folge der Kämpfe um die Nachfolge des zweiten Qing-Kaisers, Kangxi (1662-1722) ergab sich eine Entwicklung zum Despotismus, zumal sich dessen Verwaltungsreformen, die einer Verselbständigung der Bürokratie vorbeugen sollten, in dem riesigen und vielgestaltigen Reich als nicht durchgreifend wirksam erwiesen. Die Reformstrukturen wurden nun durch ein Spitzelsystem ergänzt, das die Bürokratie und die führenden gesellschaftlichen Schichten überwachte. Bis zu einem gewissen Grad konnte auf diese Weise die Korruption für einige Zeit eingedämmt werden, doch unter Qianlong (1736-1796) gewann sie wieder Oberhand. In der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts spitzte sich die innenpolitische Lage angesichts von Rebellionen, die oftmals von Geheimgesellschaften angeführt wurden, zu.
7.6.1.2 Expansion
Die Qing richteten ihre expansiven Bestrebungen zunächst auf die Unterwerfung der Mongolei, die 1690 Teil des Reiches wurde. Etwa zur gleichen Zeit erreichte die russische Ostexpansion den chinesischen Machtbereich. Nach verschiedenen militärischen Auseinandersetzungen legte man 1689 in einem Vertrag - dem ersten zwischen China und einem europäischen Staat - den Verlauf der russisch-chinesischen Grenzen fest; 1727 wurde der Vertrag ergänzt. Seit den zwanziger Jahren des 18. Jahrhunderts gehörte Tibet zum chinesischen Machtbereich, seit 1751 als Protektorat, und auch Nepal wurde tributpflichtig. Am Ende des 18. Jahrhunderts hatte das chinesische Reich seine größte Ausdehnung erreicht, ein großer Teil seiner Grenzen (vor allem im Norden und Westen) hatte seitdem dauerhaften Bestand.
7.6.2 Niedergang des Reiches (19. Jahrhundert bis 1911)
7.6.2.1 Die Intervention ausländischer Mächte
Im 19. Jahrhundert geriet das Qing-Reich zunehmend unter ausländischen Druck und wurde Objekt des von den europäischen Großmächten sowie den USA und Japan betriebenen Kolonialismus und Imperialismus. Schon zuvor war es zu ernsthaften Schwierigkeiten zwischen China und vor allem Großbritannien, der bedeutendsten ausländischen Handelsnation in China, gekommen. Großbritannien wollte seine Handelskontakte, die seit 1757 auf Kanton beschränkt waren, ausdehnen und versuchten dies über den Aufbau diplomatischer Beziehungen und mehrere diplomatische Missionen an den kaiserlichen Hof, doch die Qing waren nicht bereit, ihre Politik der Isolation gegenüber dem Ausland aufzugeben und Großbritannien oder anderen Staaten Erleichterungen im Handel einzuräumen.
Überhaupt wurden die bereits bestehenden Handelsbeziehungen mit europäischen Ländern nur widerwillig geduldet. Der Handel mit dem Ausland blieb auf den Hafen von Kanton beschränkt und durfte weiterhin nur mit einer begrenzten Anzahl chinesischer Händler abgewickelt werden. Ursprünglich wies China dank u. a. des in großen Mengen an die Briten verkauften Tees eine positive Außenhandelsbilanz auf. Doch allmählich verschob sich die Bilanz zugunsten der britischen Händler. Nicht zuletzt der von der Ostindischen Kompanie insbesondere seit 1816 forcierte zollfreie Export von Opium über Kanton nach China wirkte sich verheerend aus. Die Zahl der Rauschgiftsüchtigen, die von britischen Opiumlieferungen abhängig waren, stieg dramatisch an. Die chinesische Regierung unter Kaiser Gao Duang (1820-1850), die die moralische Grundlage des Kaiserreiches gefährdet sah, ließ 1839 auf britischen Schiffen große Mengen Opium konfiszieren und das Rauschgift im Hafen von Kanton demonstrativ verbrennen. Damit kam es zum offenen Konflikt.
Im ersten Opiumkrieg (1840-1842) eroberte eine relativ kleine britische Flotte verschiedene Stützpunkte an der chinesischen Küste. Der Vertrag von Nanking (1842), der erste der so genannten "ungleichen Verträge", beendete diesen Krieg und brachte den Briten eine Reihe von Handelsvorteilen. China betrachtete dieses Abkommen als unerfreuliches aber angesichts der militärischen Situation unausweichliches Zugeständnis (Abtretung von Hongkong, Öffnung von fünf neuen Vertragshäfen, Aufhebung des chinesischen Handelsmonopols, Kriegsentschädigung). Aus der Sicht der europäischen Staaten, die ganz China dem westlichen Handel öffnen wollten, blieb der Vertrag von Nanking jedoch weit hinter den Erwartungen zurück. Im Vertrag von Hu-men (1843), der als Zusatzvertrag zum Vertrag von Nanking galt, setzte Großbritannien deshalb mit erheblichem Druck die Meistbegünstigungsklausel durch. Verträge mit Frankreich und den USA brachten 1844 den Chinesen weitere Verschlechterungen.
Während des Lorcha- oder zweiten Opiumkrieges (1856-1860) nutzten die ausländischen Mächte die innenpolitische Schwäche des Kaiserreiches und erreichten im Vertrag von Tianjin (1858), ebenfalls ein "ungleicher Vertrag", weitere Vorteile, u. a. die Öffnung weiterer zehn chinesischer Häfen für ausländische Händler. Als jedoch die chinesische Regierung sich weigerte, die Verträge zu ratifizieren, unternahm ein britisch-französischer Militärverband eine Strafexpedition nach Peking und brannte den kaiserlichen Sommerpalast nieder. "Ungleiche Verträge" bestimmten die Beziehungen Chinas zum Westen bis zum Jahr 1943. Sie beeinflussten die soziale und ökonomische Entwicklung des Landes in grundlegender Weise und bewirkten letztlich den Untergang der Qing-Dynastie. Durch die Öffnung einer Reihe seiner Häfen für den Außenhandel und die Abtretung Hongkongs an Großbritannien war das chinesische Kaiserreich den kolonialistischen und imperialistischen Aktivitäten der westlichen Großmächte endgültig ausgeliefert.
7.6.2.2 Der Taipingaufstand
In den fünfziger Jahren des 19. Jahrhunderts führten das starke Bevölkerungswachstum und der massenhafte Import ausländischer Waren zu einer deutlichen Verschlechterung der wirtschaftliche Lage. Gleichzeitig wurde die Ohnmacht Chinas gegenüber den politischen Demütigungen durch die ausländischen Mächte unübersehbar. Beide Faktoren wirkten maßgeblich auf die Entstehung des Widerstands, der sich in Geheimgesellschaften und religiös-kultischen Gruppen organisierte. Einzelne Unruhen mündeten 1850 in Südchina schließlich in den Taipingaufstand, eine große, sozialrevolutionäre Rebellion unter dem christlich-messianisch inspirierten Hong Xiuquan. Die Aufständischen eroberten 1853 Nanking, das sie zur Hauptstadt ihrer Gegenherrschaft proklamierten, verwüsteten durch ihre Kriegszüge weite Teile Chinas und konnten erst durch die Mithilfe britischer und französischer Truppen zurückgedrängt und besiegt werden. Mit der Rückeroberung von Nanking 1864 war der Aufstand niedergeschlagen.
Auch in anderen Teilen des Reiches kam es zur gleichen Zeit, von Geheimgesellschaften oder nationalen Minderheiten getragen, zu großen Aufständen - des Nien-Bundes in Henan und Anhui (1853-1868), der Miao in Guizhou sowie der muslimischen Bevölkerung in Westchina (Shaanxi, Ganzhou und Yunnan, 1855-1877).
7.6.2.3 Letzte Reformversuche
Angesichts des Vordringens der imperialistischen Mächte und der Aufstände im Innern leitete die Qing-Regierung einen politischen Kurswechsel ein. Zwischen 1860 und 1895 wurden verschiedene Reformwerke in Gang gesetzt, die die Konsolidierung der Wirtschaft und die Stabilisierung des Reiches zum Ziel hatten.
Die konservative konfuzianische Beamtenschaft verfolgte traditionelle Lösungsansätze und leitete die Erschließung von Neuland (besonders in Xinjiang und der Mongolei) sowie eine Erneuerung der Bewässerungssysteme ein. Ihre Leitidee blieb die Wiederbelebung des Konfuzianismus in Verwaltung und Gesellschaft. Den von der schwachen Zentralregierung verfolgten konservativen Projekten standen in den Provinzen Modernisierungsmaßnahmen ganz anderer Qualität gegenüber. Hier nahmen die regionalen Machthaber, die nach der Niederschlagung des Taipingaufstandes zu alter Stärke zurückgefunden hatten, die Industrialisierung des Landes in Angriff und konzentrierten sich dabei vor allem auf die Montan- und die Textilindustrie und den Schiffsbau. Wegen Kapitalmangels gerieten allerdings zahlreiche chinesische Unternehmen in ausländischen Besitz, zudem ließen sich aus dem vorhandenen Arbeitskräftereservoir kaum einschlägig ausgebildete Kräfte rekrutieren, und auch für die Leitungsebenen war kein Personal mit Fachwissen verfügbar.
Angesichts der anhaltend ungünstigen Entwicklung verkündete Kaiser Guangxu (1875-1908) unter dem Einfluss einer Gruppe von Reformern 1898 ein Modernisierungsprogramm, das sich an der erfolgreichen Meiji-Reform in Japan orientierte. Aber schon drei Monate nach seinem Beginn wurde das Reformprogramm durch einen Putsch konservativer Kräfte, hinter dem die Kaiserinwitwe Cixi stand, beendet. Die führenden Reformer wurden hingerichtet, der Kaiser entmachtet und bis zu seinem Tode gefangen gehalten. Obwohl diese "Reform der 100 Tage" noch in den Anfängen unterbunden wurde, setzte sie doch Prozesse in Gang, die langfristig zu grundlegenden Veränderungen führten. 1905 erfolgte die Abschaffung des traditionellen Prüfungswesens für den Staatsdienst, das die antimoderne Einstellung des Staatsapparates immer wieder fortgeschrieben hatte. Auch das Heiratsverbot zwischen Chinesen und Mandschu wurde aufgehoben. Daneben war der Ausbau des Schulwesens von großer Bedeutung für die Akzeptanz der Modernisierungsbemühungen.
7.6.2.4 China im Griff der imperialistischen Mächte
Aufgrund seiner politischen und wirtschaftlichen Ohnmacht sank China auf eine Art halbkolonialen Status ab. Anfangs begnügten sich die westlichen Mächte in ihrer Politik gegenüber China noch mit den "ungleichen Verträgen" und suchten keine weiteren, vertraglich fixierten Vorteile. Doch ab 1875 richteten sie ebenso wie Japan ihre imperialistische Politik auch auf die von China abhängigen bzw. tributpflichtigen Staaten. 1879 nahm sich z. B. Japan die Ryukyu-Inseln, 1885 besetzte Frankreich Annam und 1886 Großbritannien Burma.
Das japanische Interesse an Korea löste 1894 den Chinesisch-Japanischen Krieg aus. In dem Krieg versenkte Japan nahezu die gesamte chinesische Flotte und verdrängte die chinesischen Truppen aus der Mandschurei und aus Korea. Im Vertrag von Shimonoseki (1895) musste China die Unabhängigkeit Koreas anerkennen, weitere Häfen für den ausländischen Handel öffnen sowie Taiwan samt den benachbarten Inseln und zunächst auch die Liaodong-Halbinsel an Japan abtreten. Unter dem Druck Russlands, Frankreichs und Deutschlands, die Japan nicht den alleinigen Zugriff auf eine der reichsten Regionen Chinas überlassen wollten, ging Liaodong als Pacht an Russland, das darüber hinaus noch die Erlaubnis zum Bau von Eisenbahnen sowie zusätzliche wirtschaftliche Rechte in der gesamten Mandschurei erhielt und 1898 schließlich auch Port Arthur (siehe Dalian) bekam. Mit dieser Regelung war dem Russisch-Japanischen Krieg (1904/05) der Boden bereitet.
Auch im Qing-Reich selbst setzte das Vordringen der imperialistischen Mächte bald wieder ein. Das Deutsche Reich ließ 1897 Truppen in Tsingtau einrücken und erzwang 1898 die Verpachtung von Kiautschou. Ebenso gewannen Frankreich und Großbritannien neue Besitzungen. Als Ergebnis des Russisch-Japanischen Krieges, der sich vorwiegend auf chinesischem Territorium abspielte, wurden Süd-Sachalin, Korea und die Süd-Mandschurei japanisches Protektorat.
Als einzige Macht entwickelten die Vereinigten Staaten gegenüber China keine Territorialansprüche, sondern versuchten, durch eine Politik der offenen Tür ihre wirtschaftlichen Interessen in China zu realisieren ("Open Door-Note" des US-Außenministeriums vom September 1899 an Großbritannien, Deutschland und Russland).
7.6.2.5 Boxeraufstand
Vor dem Hintergrund der imperialistischen Einmischung und ausgelöst durch den Putsch gegen den Kaiser durchzog eine reaktionäre Gegenbewegung das Land, die 1900 in den so genannten Boxeraufstand mündete, angeführt von der national-fanatischen und ausländerfeindlichen Geheimgesellschaft der - vom Westen so genannten - Boxer. Im Zuge der Eskalation erklärte China im Juni 1900 den imperialistischen Mächten den Krieg. Diese antworteten mit einer gemeinsamen militärischen Intervention, schlugen den Aufstand mit aller Härte nieder und diktierten China im so genannten Boxerprotokoll (1901) harte Friedensbedingungen, u. a. hohe Reparationszahlungen und ein Verbot für Waffenimporte.
7.6.2.6 Sturz der Qing-Dynastie
Nach dem Boxeraufstand gewannen gemäßigte Kräfte in der Opposition an Einfluss. 1905 schlossen sich in Tokyo mehrere Geheimorganisationen zum "Revolutionsbund" (Tung-meng-hui) zusammen, der Sun Yatsen zu seinem Führer wählte. Nach seinem politischen Konzept, in dessen Mittelpunkt die nationalen Interessen Chinas, die Bürgerrechte und die Volkswohlfahrt standen, arbeitete der Revolutionsbund auf den Sturz des Kaisertums und die Errichtung einer parlamentarischen Regierungsform nach westlichem Muster hin. Aufstände in verschiedenen Teilen des Landes und ein Militärputsch in Wuchang (heute Wuhan) am 10. Oktober 1911 führten schließlich zur Revolution. Mit seiner Abdankung am 12. Februar 1912 schloss Xuantong (Pu Yi), der nach dem Tod des Kaisers 1908 im Alter von drei Jahren unter der Regentschaft seines Vaters auf den Thron gehoben worden war, die über 2000-jährige Geschichte des chinesischen Kaiserreiches ab.
7.7 Die Republik China (1911-1949)
7.7.1 Von Yuan Shikai zur Vierten-Mai-Bewegung (1912-1921)
Sun Yatsen, im Dezember 1911 in Peking zum vorläufigen Präsidenten der Republik China ausgerufen, musste schon unmittelbar nach der Abdankung des Kaisers zugunsten des Oberbefehlshabers der Armee, Yuan Shikai, wieder zurücktreten; Yuan hatte sich in der letzten Phase der Revolution durch seine Vermittlung zwischen Revolutionsbewegung und kaiserlicher Regierung als zentrale Machtfigur etabliert. Aus den Wahlen vom Januar 1913 ging die von Sun Yatsen mitbegründete Kuomintang (KMT, Nationale Volkspartei) als Siegerin hervor, woraufhin Yuan die KMT verbot. 1914 errichtete Yuan eine Militärdiktatur; sein Versuch, die Monarchie zu restaurieren, scheiterte jedoch. Nach seinem Tod 1916 zerfiel die Zentralmacht; Militärbefehlshaber, die so genannten Warlords, übernahmen die Macht in den Provinzen und führten in wechselnden Koalitionen Kriege gegeneinander.
Als in Europa der 1. Weltkrieg ausbrach, nutzte Japan die Gunst der Stunde, besetzte die deutschen Stützpunkte in China und versuchte, China in koloniale Abhängigkeit zu bringen. Am 17. August 1917 trat China daher an der Seite der Alliierten in den Krieg gegen die Mittelmächte ein, in der - vergeblichen - Hoffnung, Hilfe gegen Japan zu finden. Als schließlich die Alliierten Japans Forderungen weitgehend entgegenkamen und im Versailler Vertrag 1919 die deutschen Kolonialrechte in China an Japan übertrugen, entfaltete sich über das ganze Land eine von der revolutionären Intelligenz getragene Protestbewegung, die Vierte-Mai-Bewegung.
Die Vierte-Mai-Bewegung zog ihre Kraft aus der politischen Enttäuschung breiter Volksschichten, brach in vielerlei Hinsicht mit den Traditionen des Landes und forderte eine kulturelle Erneuerung. Der Marxismus und das revolutionäre Russland, das die "ungleichen Verträge" zwischen China und dem Zarenreich für hinfällig erklärt hatte, gewannen zunehmend an Anziehungskraft.
7.7.2 Kuomintang und Kommunistische Partei (1921-1937)
7.7.2.1 Zusammenarbeit
Marxistische Gruppen, die aus der Vierte-Mai-Bewegung hervorgegangen waren, gründeten im Frühjahr 1921 in Shanghai die Kommunistische Partei Chinas (KPCh). Zu den zwölf Gründungsmitgliedern gehörte auch Mao Tse-tung. An der Gründung der KPCh beteiligt waren auch Vertreter der Kommunistischen Internationale (Komintern, siehe Internationale), die auch der KMT als einer Partei, die antiimperialistische Ziele verfolgte, Unterstützung gewährte und die KMT dazu veranlasste, sich mit der KPCh zu einer nationalen Einheitsfront zusammenzuschließen. In der Folgezeit kam es bis zum Tod Sun Yatsens zu einer engen Zusammenarbeit der KMT mit der neu gegründeten Sowjetunion. Sun Yatsen erhielt sowjetische Aufbauhilfe sowohl im militärischen Bereich als auch bei der Entwicklung einer effektiven Parteiorganisation und konnte so 1923 im Süden Chinas eine Revolutionsregierung etablieren.
Die trotz der Zusammenarbeit mit der KMT als selbständige Kraft weiterbestehende KPCh baute ihre Organisation schnell aus. Sie fand zunächst unter dem städtischen Proletariat eine große Anhängerschaft; Maos These, dass das zahlenmäßig wesentlich größere ländliche Proletariat das eigentlich revolutionäre Potenzial in China sei und daher die besondere Aufmerksamkeit der KPCh verdiene, wurde aus Rücksicht auf die Doktrin der sowjetischen KP, auf deren Unterstützung man weiterhin angewiesen war, erst später Folge geleistet. 1923 nahm die KPCh gemeinsam mit der KMT den Kampf gegen die Warlords auf.
7.7.2.2 Bürgerkrieg
Nach dem Tod Sun Yatsens 1925 und der Spaltung der KMT in einen linken und einen rechten Flügel setzte sich Chiang Kai-shek, der einen deutlich antikommunistischen Kurs verfolgte, als neuer Führer durch. 1927 installierte er in Nanking eine "Nationalregierung" (siehe Nanking-Regierung), und 1928 ließ er sich, nachdem er Peking eingenommen hatte, zum Präsidenten der "Chinesischen Republik" wählen.
Nach zahlreichen blutigen Verfolgungsaktionen der KMT gegen Kommunisten, die in den Massakern in Shanghai und Nanking am 12. April 1927 kulminierten, ging der im Nordfeldzug gemeinsam geführte Krieg gegen die Warlords in einen Bürgerkrieg zwischen KMT und KPCh über. Eine Fraktion der KPCh versuchte, in den Städten Aufstände zu initiieren, die andere übernahm unter der Führung von Mao Tse-tung die politische Arbeit auf dem Land. Dort stellte sie Bauerntruppen auf, die sich im Mai 1928 in der Provinz Hunan zur chinesischen Roten Armee formierten. Nachdem sich die erste Fraktion wieder mit der Maos zusammengeschlossen hatte, proklamierte der erste Nationale Sowjetkongress Chinas am 7. November 1931 in der Provinz Jiangxi die "Chinesische Sowjetrepublik".
Chiang, Präsident, Parteichef und Oberbefehlshaber der Armee, regierte nun das von der KMT kontrollierte Territorium als Einparteienstaat. Mit der Eroberung Pekings hatte er 1928 den Nordfeldzug beendet; in der Folgezeit wandte er sich gegen die KPCh, um deren Machtbereiche zu erobern. Militärisch von den überlegenen KMT-Truppen in die Enge getrieben, brach die Rote Armee am 27. Oktober 1934 zu ihrem Langen Marsch auf, der ein Jahr später in Yenan (Provinz Shaanxi) endete, wo das neue Hauptquartier der KPCh errichtet wurde. Während des Langen Marsches etablierte sich Mao Tse-tung in der Führungsspitze der KPCh.
7.7.3 Japanische Aggression und 2. Weltkrieg (1931-1945)
7.7.3.1 Im Vorfeld des 2. Chinesisch-Japanischen Krieges (bis 1937)
Während der zwanziger Jahre blieb Japan gegenüber China relativ zurückhaltend. 1922 trat es die ihm im Versailler Vertrag übertragenen ehemaligen deutschen Sonderrechte in Shandong wieder an China ab. Als es nach 1928 seine eigenen imperialistischen Interessen vom militanten KMT-Nationalismus Chiang Kai-sheks bedroht sah, nutzte es die Wirren des chinesischen Bürgerkrieges: 1931 besetzten japanische Truppen die rohstoffreiche Mandschurei, etablierten den Marionettenstaat Mandschukuo und setzten den letzten Kaiser der Qing-Dynastie, Pu Yi, 1932 zunächst als Regenten ein, 1934 dann als Kaiser (bis 1945). Zudem brachte Japan noch weite Teile des Nordostens unter seine Kontrolle.
Angesichts des Bürgerkrieges gegen die Kommunisten, dem er eine höhere Priorität einräumte, nahm Chiang Kai-shek die japanische Aggression zunächst hin. Der Zusammenstoß japanischer und chinesischer Truppen am 7. Juli 1937 an der Marco-Polo-Brücke in Peking, wo immer noch infolge des Boxerprotokolls von 1901 japanische Verbände stationiert waren, war schließlich der Auslöser des 2. Chinesisch-Japanischen Krieges, der erst mit der japanischen Kapitulation im 2. Weltkrieg enden sollte.
7.7.3.2 Brüchige Einheitsfront von Kommunisten und Kuomintang
Unter dem Druck führender KMT-Militärs, die der japanischen Invasion Widerstand entgegensetzen wollten, setzte Chiang den Bürgerkrieg gegen die Kommunisten aus und bildete mit ihnen 1937 erneut eine Einheitsfront. Allerdings waren auch die vereinten KMT/KPCh-Kräfte nicht in der Lage, den japanischen Vormarsch zu stoppen. Nach der Eroberung von Nanking durch die Japaner floh die chinesische Nationalregierung bereits i |