Als weltweit größter Handelszusammenschluss hat die EU eine Fülle internationaler Beziehungen aufgebaut, fixiert in zahlreichen bi- und multilateralen Abkommen, die im Kern größtenteils als Handels- und Wirtschaftsbeziehungen angelegt sind, teilweise aber weit darüber hinaus in politische, kulturelle, humanitäre und soziale Dimensionen reichen. Vertreten wird die EU auf internationaler Ebene in der Regel von der Europäischen Kommission und dem Rat der EU, wobei die Kommission im Auftrag des Rates handelt. Wichtige internationale Verträge, insbesondere die Assoziierungsabkommen, bedürfen grundsätzlich der Zustimmung des Europäischen Parlaments. Die EU unterhält in zahlreichen Drittstaaten sowie bei mehreren internationalen Organisationen diplomatische Vertretungen; ebenso unterhalten über 150 Drittstaaten Delegationen bei der EU.
3.1 Europäischer Wirtschaftsraum
Besonders enge Verbindungen unterhält die EU zu den Staaten der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA): Mit Island, Liechtenstein und Norwegen vereinbarte sie 1992 die Schaffung eines Europäischen Wirtschaftsraumes (EWR, 1994 in Kraft getreten), d. h. die Ausdehnung des Europäischen Binnenmarktes auf die drei EFTA-Staaten, allerdings mit einigen Einschränkungen; z. B. blieb der Agrarsektor ausgeklammert, und die drei EFTA-Staaten haben keine Entscheidungsbefugnisse. Die Schweiz als vierter der EFTA-Staaten entschied sich in einer Volksabstimmung gegen eine Teilnahme am EWR, schloss aber 1999 sieben sektorielle, primär wirtschaftliche bilaterale Verträge mit der EU (2000 durch eine Volksabstimmung angenommen), durch die die Schweiz in einige Bereiche des Europäischen Binnenmarktes integriert wird.
3.2 Europa-Abkommen
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks schloss die EU zu Beginn der neunziger Jahre mit zehn Staaten Mittel- und Osteuropas (Bulgarien, Estland, Lettland, Litauen, Polen, Rumänien, Slowakische Republik, Slowenien, Tschechische Republik und Ungarn) besondere Assoziierungsabkommen, die so genannten "Europa-Abkommen", die für die genannten zehn Staaten mit der Option auf eine Vollmitgliedschaft in der EU verbunden sind. Ziel der Europa-Abkommen ist der Ausbau der wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zwischen der EU und den assoziierten Staaten, der Abbau von Wirtschafts- und Handelsbeschränkungen, die Unterstützung des Transformationsprozesses in Richtung auf marktwirtschaftliche und demokratische Strukturen in diesen Staaten sowie ihre Heranführung an die EU. Seit 1990 ließ die EU den Staaten des Europa-Abkommens umfangreiche Finanzmittel zukommen, die in etwa die Hälfte der diesen Staaten insgesamt geleisteten Hilfen ausmachte. Nach dem Machtwechsel in Jugoslawien im Oktober 2000 schloss die EU im November 2000 auch ein umfangreiches Abkommen über gegenseitige Zusammenarbeit, in dessen Rahmen die EU Finanzhilfen in Höhe von insgesamt 2,5 Milliarden Euro, verteilt auf fünf Jahre, zusagte.
3.3 Europa-Mittelmeer-Abkommen
Weitere Assoziierungsabkommen, d. h. besonders enge Kooperationsverhältnisse (jedoch ohne Beitrittsoption), hat die EU mit Malta (in Kraft seit 1971), der Türkei (1964; Zollunion seit 1996), Tunesien (1998) und Zypern (1973) geschlossen sowie mit Israel (1995 unterzeichnet), Jordanien (1997), Marokko (1996) und der Palästinensischen Autonomiebehörde (1997; Interimsabkommen). Diese Assoziierungsabkommen bilden den Kern der "Europa-Mittelmeer-Partnerschaft" zwischen der EU und zwölf Staaten des Mittelmeerraumes: den genannten acht sowie Algerien, Ägypten, Libanon, Syrien und - seit 1999 - Libyen. Im so genannten Barcelona-Prozess - benannt nach der Gründungskonferenz der Partnerschaft in Barcelona 1995 - soll die Kooperation zwischen der EU und den zwölf Mittelmeerstaaten sukzessive ausgebaut werden, vor allem die wirtschaftliche, die 2010 in der Verwirklichung einer Freihandelszone münden soll; aber auch die politische, sicherheitspolitische, kulturelle und humanitäre Zusammenarbeit soll vertieft werden. Allerdings erzielte die Europa-Mittelmeer-Partnerschaft in den ersten fünf Jahren ihres Bestehens noch kaum Fortschritte, weder in wirtschaftlicher noch in politischer Hinsicht.
3.4 Lomé-Abkommen, Afrika
Ebenfalls besondere Beziehungen unterhält die EU zu den so genannten AKP-Staaten, unterdessen 71 Staaten in Afrika, der Karibik und dem Pazifik, vorwiegend Entwicklungsländer. Die Lomé-Abkommen zwischen der EG bzw. der EU und den AKP-Staaten - das erste datiert von 1975, das vierte und bisher letzte trat 1990 in Kraft und lief 2000 aus - gewähren den beteiligten Entwicklungsländern zollfreien Zugang zum EU-Markt für nahezu alle ihre gewerblichen und Agrarprodukte, stellen den AKP-Staaten beträchtliche Ausgleichzahlungen zur Stabilisierung der Exporterlöse sowie weitere Finanzmittel zur Verfügung. Der Schwerpunkt der Lomé-Abkommen liegt auf der entwicklungspolitischen Dimension, wobei die Entwicklungshilfe für den wirtschaftlichen Sektor mit umfangreichen technischen, humanitären, sozialen und auf den Aufbau demokratischer, rechtsstaatlicher Strukturen konzentrierten Programmen verknüpft ist. Bei Nichteinhaltung politischer Elemente der Abkommen, z. B. bei Verletzung der Menschenrechte, kann die Zusammenarbeit suspendiert werden.
Im Juni 2000 unterzeichneten die AKP-Staaten sowie sechs weitere Staaten bzw. Gebiete im Pazifik und die EU als Nachfolgevereinbarung für die Lomé-Abkommen das Cotonou-Abkommen (benannt nach dem Unterzeichungsort Cotonou in Benin). Das Abkommen tritt nach der Ratifizierung (vermutlich 2002) in Kraft und ist auf 20 Jahre angelegt. Vorrangige Ziele des Cotonou-Abkommens sind die Bekämpfung der sich kontinuierlich ausbreitenden Armut, die Unterstützung einer nachhaltigen Entwicklung in den AKP-Staaten sowie die Heranführung der AKP-Staaten an bzw. ihre Integration in die Weltwirtschaft. Dabei wird mehr noch als beim letzten Lomé-Abkommen besonderer Wert auf umfassende Konzepte gelegt, die neben der wirtschaftlichen auch die politische, soziale, kulturelle und ökologische Entwicklung fördern. Die Achtung der Menschenrechte, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sind als Verpflichtungen in dem Abkommen festgeschrieben.
Im April 2000 fand ein erstes Gipfeltreffen aller afrikanischer Staaten (mit Ausnahme Somalias) mit den Staaten der EU statt. Die wichtigsten Ergebnisse des Treffens waren die Institutionalisierung der Konferenz - sie soll alle drei Jahre stattfinden; dazwischen tagen regelmäßig die Außenminister sowie verschiedene Fachkommissionen -, die Begründung einer strategischen Partnerschaft sowie ein Aktionsplan, mit dessen Hilfe die Armut in Afrika in den folgenden 15 Jahren um die Hälfte reduziert werden soll. Ein weitgehender Schuldenerlass, wie ihn die afrikanischen Staaten forderten und der wesentlich zur Überwindung der Armut und zur Entwicklung Afrikas beitragen könnte, wurde von der EU jedoch abgelehnt; lediglich Deutschland und Frankreich erklärten sich dazu bereit, einige bilaterale Schulden zu erlassen.
3.5 Asien, Lateinamerika und ehemalige Sowjetunion
Mit den ASEAN-Staaten unterhält die EU auf der Basis eines 1980 geschlossenen Kooperationsabkommens enge Wirtschaftsbeziehungen. Dem Ausbau der wirtschaftlichen, politischen und kulturellen Beziehungen zwischen der EU und Asien dient das 1996 institutionalisierte Asien-Europa-Gipfeltreffen (Asia Europe Meeting, ASEM) der damals sieben ASEAN-Staaten plus China, Japan und Südkorea sowie der 15 EU-Mitgliedsstaaten und der Europäischen Kommission. Erweiterte Kooperationsabkommen schloss die EU in den neunziger Jahren zudem mit Indien, Sri Lanka, Vietnam, Nepal, Laos und Kambodscha.
In den neunziger Jahren vertiefte die EU auch ihre Beziehungen zu Lateinamerika kontinuierlich: 1995 schloss die EU mit den Mercosur-Staaten ein Rahmenabkommen für den Ausbau ihrer Beziehungen zu einer politischen und wirtschaftlichen Assoziierung; seit 1993 besteht ein erweitertes, die Entwicklungspolitik betonendes Kooperationsabkommen mit der Andengemeinschaft; seit 1990 unterhält die EU einen regelmäßigen Dialog mit der Rio-Gruppe, in dem neben wirtschaftspolitischen Themen die Bekämpfung von Drogenanbau und -handel im Vordergrund stehen; und auch mit den Staaten Zentralamerikas steht die EU in regelmäßigem Dialog, institutionalisiert in den so genannten San-José-Konferenzen. Die Staaten Lateinamerikas, insbesondere die den ärmsten Entwicklungsländern gleichgestellten Staaten der Andengemeinschaft und Zentralamerikas, genießen für zahlreiche ihrer Güter zollfreien Zugang zum EU-Markt. Im Juni 1999 einigten sich die Staats- und Regierungschefs der EU sowie der Länder Süd- und Mittelamerikas auf einem Gipfeltreffen in Rio de Janeiro auf eine schrittweise Liberalisierung des transatlantischen Handels; zudem beschlossen EU und Mercosur den Abbau von Zöllen mit der Perspektive der Schaffung einer Freihandelszone ab etwa Mitte 2001.
Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion schloss die EU mit den GUS-Staaten (außer Tadschikistan) Partnerschafts- und Kooperationsabkommen bzw. bis zu deren Ratifizierung Interimsabkommen, in deren Mittelpunkt die Unterstützung der wirtschaftlichen und politischen Reformen in den GUS-Staaten steht. Finanzmittel zur Unterstützung des Transformationsprozesses fließen im Rahmen des TACIS-Programms (Technical Assistance to the Commonwealth of Independent States) in die GUS-Staaten.
3.6 Vereinigte Staaten
Die Beziehungen zwischen der EU und den USA gründen auf großer gegenseitiger wirtschaftlicher Abhängigkeit - die EU ist der wichtigste Handels- und Investitionspartner der USA und umgekehrt - und auf einem breiten Interessen- und Wertekonsens. 1990 riefen EU und USA durch die "Transatlantische Erklärung" regelmäßige, halbjährliche Konsultationen auf höchster politischer Ebene ins Leben; 1995 erweiterten sie dieses primär beratende Gremium durch die "Neue Transatlantische Agenda" in ein Aktionsbündnis mit Schwerpunkt auf den folgenden vier Bereichen: Förderung von Frieden, Stabilität und Demokratie weltweit; Bewältigung globaler Herausforderungen (wie z. B. organisierte Kriminalität, Drogenhandel, Umweltschutz); Ausweitung des Welthandels und Abbau von Handelshemmnissen sowie Intensivierung der transatlantischen Kontakte auf verschiedenen Ebenen. In der so genannten "Bonner Erklärung" von 1999 bekundeten beide Seiten ihren Willen, als gleichberechtigte Partner auf die Lösung regionaler Konflikte wie globaler Fragen hinzuwirken, so etwa auf die Lösung der Konflikte in Südosteuropa und im Nahen Osten. Aber obwohl die EU und die USA in der Bonner Erklärung die oberste Zuständigkeit der Vereinten Nationen bei der Friedenssicherung ausdrücklich anerkannten, stellte gerade ihre Rolle im Kosovo-Konflikt jenes Bekenntnis stark in Frage.
Auf wirtschaftlicher Ebene schlossen die EU und die USA 1998 die "Transatlantische Wirtschaftspartnerschaft", durch die sowohl im gegenseitigen Verhältnis als auch innerhalb der Welthandelsorganisation (WTO) die Öffnung der Märkte vorangetrieben werden soll. Dessen ungeachtet werden die Wirtschaftsbeziehungen zwischen der EU und den USA immer wieder durch Handelskonflikte irritiert.
3.7 Beitrittsländer
Nach dem Zusammenbruch des Ostblocks stellten die zehn mittel- und osteuropäische Staaten des "Europa-Abkommens" Beitrittsgesuche zur EU: Ungarn und Polen 1994, Rumänien, die Slowakei, Lettland, Estland, Litauen und Bulgarien 1995, die Tschechische Republik und Slowenien 1996. Zuvor schon hatten Beitrittsgesuche gestellt: die Türkei (1987; 1997 suspendierte die Türkei, die nach Ansicht der EU vor allem die politischen Voraussetzungen für eine Aufnahme nicht erfüllte, den Dialog mit der EU; 1999 erhielt die Türkei wieder offiziell den Status eines Beitrittskandidaten, Verhandlungen wurden aber noch nicht aufgenommen), Zypern (1990), Malta (1990; 1996 zog Malta sein Gesuch zurück, erneuerte es jedoch im September 1998 wieder), die Schweiz (1992; ihr Antrag ruht seit dem ablehnenden Referendum zum EWR 1992; 2001 entschieden die Schweizer zudem in einer Volksabstimmung gegen die unverzügliche Aufnahme von Beitrittsverhandlungen) und Norwegen (1967; der Beitritt scheiterte bislang an Volksabstimmungen in Norwegen).
Am 31. März 1998 nahm die EU Beitrittsverhandlungen mit zunächst sechs der beitrittswilligen Länder auf: mit Ungarn, Polen, Estland, der Tschechischen Republik, Slowenien und Zypern; im Februar 2000 folgte der Beginn der Beitrittsverhandlungen mit sechs weiteren Kandidaten: Rumänien, Bulgarien, Lettland, Litauen, der Slowakei und Malta. Voraussetzung für eine Mitgliedschaft in der EU sind allgemein innere Stabilität, demokratisch-rechtsstaatliche Ordnung und Achtung der Menschenrechte, eine funktionierende Marktwirtschaft sowie die Bereitschaft und Fähigkeit, den Verpflichtungen und Zielen, die aus einer EU-Mitgliedschaft resultieren, nachzukommen; darüber hinaus muss das beitrittswillige Land den Großteil der etwa 20 000 Rechtsakte der EU übernehmen bzw. die eigene Rechtsordnung dem EU-Recht angleichen. Die EU unterstützt den Beitrittsprozess der mittel- und osteuropäischen Länder durch das PHARE-Programm (Poland Hungary Aid for the Reconstruction of the Economy), durch das vor allem der Aufbau der notwendigen Verwaltung und die für die Übernahme des EU-Rechts notwendigen Strukturen finanziert werden.
Zur Vertiefung der Beziehungen der EU zu den Beitrittsländern institutionalisierte die EU Ende 1997 die so genannte Europakonferenz der Staats- und Regierungschefs bzw. Außenminister der EU-Staaten und der Beitrittsländer, die erstmals im März 1998 stattfand (ohne Beteiligung der Türkei). Die Europakonferenz dient in erster Linie der politischen Konsultation und behandelt Fragen von beiderseitigem Interesse, so z. B. Themen aus den Bereichen GASP und JI. In einem Zwischenbericht bescheinigte die Europäische Kommission Ende 2001 allen zwölf Beitrittskandidaten gute Fortschritte und stellte zehn der Beitrittsländer (Bulgarien und Rumänien waren ausgenommen) eine Aufnahme in die EU bis zum Jahr 2004 in Aussicht
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