- Konzentration des für die Zukunft erwarteten Bevölkerungswachstums, das seit den 90er-Jahren zunimmt, vor allem in den Entwicklungsländer Asien, Afrika und Lateinamerika
- Vor allem in Städten und Metropolen:
· rasch ansteigende Einwohnerzahlen und zunehmende Verstädterung
· Verschärfung der Lage der Metropolen im Bereich der bereits bestehenden Wohnungsnot
· Verschärfung der infrastrukturellen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Problemen
Begriffserklärungen
- Verstädterung:
· demographischer Zustand (Anteil der Stadtbevölkerung an der Gesamtbevölkerung eines Landes)
· Schwankung von Stadtdefinitionen von Land zu Land
Ø Mindesteinwohnerzahlen: Venezuela 1000, Ghana 5000, Nepal 9000
· verbunden mit dem Begriff:
- Urbanisierung:
· Ausbreitung städtischer Verhaltensweisen und Lebensformen und die sich daraus ergebenden räumlichen Strukturen und Prozesse
Ø ländliche Räume "verstädtern" in der Folge bezüglich ihrer Sozial-, Erwerbs- und Berufsstruktur und ihrer Physiognomie
- Ursachen für die Unterschiede in regionaler Verteilung städtischer Bevölkerung:
· Europa:
Ø Entstehen von Großstädten als Folge der Industrialisierung im 19. Jhdt.
Ø Abwanderung vom Land aufgrund von Arbeitsplätzen in der Stadt (trotz schlechter Wohnbedingungen, da bessere Aufstiegschancen)
· Nordamerika:
Ø kaum Dörfer; Menschen lebten entweder auf einzeln gelegenen Farmen oder in der Stadt
· Südamerika:
Ø Städte bereits vor Kolonialisierung vor 500 Jahren überragende kulturelle und politische Zentren
Ø Heute: Magnet für ländliche Bevölkerung
Ø Verstädterung schreitet heute schnell voran (ca. 400 Mio. Menschen leben in Städten)
· Afrika:
Ø geringerer Verstädterungsgrad als in Lateinamerika
Ø Gründe: vorkoloniale Staatenbildungen, verschiedene koloniale Einflüsse, wirtschaftliche Rahmenbedingungen
· Asien:
Ø Kulturräume Indien und China schon immer von Großstädten geprägt
Ø Fast die Hälfte aller weltweit in Städten lebenden Menschen (ca. 1,5 Mrd.) wohnen in asiatischen Städten
Metropolisierung:
- Abgrenzungskriterien: Flächengröße, Einwohnerzahl, Einwohnerdichte
- Keine einheitliche Definition, aber ungefähre Vorstellungen
· Mindestgröße von 2 Mio. Einwohnern (bezogen auf ein Gebiet mit der Mindestdichte von 2000 Einwohner/km²
· Monozentrische Raumstruktur
· Bevölkerungskonzentration (überproportionaler Anteil der jeweiligen Landesbevölkerung)
· Funktionale Dominanz (hohe Konzentration von administrativen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturell-wissenschaftlichen Funktionen)
- Begriff Metropolisierung:
· explosionsartiges Bevölkerungswachstum der Metropolen (ca. 30% (Stand 2000) der Bevölkerung der Dritte Welt-Länder werden in Metropolen/Mega-Städten leben)
· besonders in südamerikanischen Staaten ist er Metropolisierungsgrad extrem hoch (42% in Uruguay in Hauptstadt Montevideo; 36% in Chile in Santiago de Chile; 30% in Peru in Lima)
Ø Metropolen oder Mega-Städte häufig die einzigen primate cities ihres Landes
· Stagnation oder Rücklauf der Einwohnerzahlen fast aller Megastädte in Europa und Nordamerika
· Wachsen der Einwohnerzahlen der Megastädte in Entwicklungsländern
Prozesse und Ursachen der Verstädterung in der Dritten Welt
- Umklassifizierung vieler bisher als ländlich eingestufter Siedlungen nach Überschreiten einer bestimmten Einwohnerzahl
- Zuwanderung aus ländlichen Regionen (Land-Stadt-Wanderung)
- Natürliches Bevölkerungswachstum (Geburtenziffer über Sterbeziffer)
· 60% des Stadtwachstums auf natürlichen Zuwachs zurückzuführen, obwohl Fertilität in Städten geringer als auf dem Land
Ø Gründe: Frauen heiraten später, besserer Zugang zu Gesundheits- und Familienplanungsdiensten; Anwendung von Verhütungsmitteln; überproportional viele Frauen im geburtsfähigen Alter an Land-Stadt-Wanderung beteiligt
Ø Zunahme der Geburtenüberschusse trotz durchschnittlich geringerer Kinderzahl in Städten und geringerer Mortalität (höchstens in Elendsviertel so hoch wie in ländlichen Gegenden)
- Push- und Pull-Faktoren als Ursachen für die Land-Stadt-Wanderung:
· Push-Faktoren:
Ø geringe Einkommen als Pächter, Kleinbauern etc
Ø Arbeitslosigkeit
Ø Unzureichende Ernährung
· Pull-Faktoren:
Ø Hoffnung auf Arbeitsplätze:
- Hoher Bevölkerungszuwachs auf dem Land und zunehmende Mechanisierung führen zur Arbeitslosigkeit und Unterbeschäftigung
- aber: viele Arbeitsplätze in der Stadt im informellen Sektor, nur Personen mit höherer Bildung mit Chance auf bessere Berufschancen
Ø sozialer Aufstieg:
- leichterer Durchbruch durch soziale Schranken in der Stadt, auf dem Land von Geburt an vorherbestimmt
- die Stadt mit neuen Berufen in Industrie und tertiärem Sektor
- besonders Beeinflussung von Jugendlichen, vor allem durch Medien (Jugendliche beginnen hierarchische Struktur in Frage zu stellen)
Ø Attraktivität des städtischen Lebens
- Angebot von Dienstleistungen und Kultur- und Freizeiteinrichtungen besser entwickelt
- Bildungsmöglichkeit, gute medizinische Versorgung
Ø Verschlechterung der Lebensbedingungen auf dem Land
- starkes Bevölkerungswachstum verstärkt Druck auf verfügbare Land-, Brennstoff- und Wasserressourcen
- Verschlechterung der Lebensqualität
Arten der Land-Stadt-Wanderung:
- viele verheiratete männliche Migranten lassen im Heimatdorf Ehefrau und Kinder zurück, um durch neue Erwerbsmöglichkeit in der Stadt das Überleben der Familie zu sichern
· Wanderarbeit ("Zirkulationswanderung")
Ø vorwiegend Männer, die periodisch aufs Land zurückkehren
· "Eine Familie - Zwei haushalte"
Ø vorwiegend Männer, permanentes Einrichten in der Stadt
· "Leben in zwei Welten"
Ø Ehefrauen ziehen zu Männern in die Stadt, Familien gehören aber noch zur Dorfgemeinschaft
· Permanentes Leben in der Stadt
Ø ohne bedeutende Kontakte zur Herkunftsregion
è nicht als Stufen durchlaufen
Verstädterungsprobleme der Dritten Welt
- Folgen der Urbanisierung: nicht nur Ausdehnung der Stadtfläche und Anwachsen der Stadtbevölkerung, sondern tiefgreifenden Strukturwandel
· Ausgliederung von Oberschichtvierteln in naturräumlich bevorzugte Wohnanlagen
· Herausbildung einer marginalen Bevölkerungsschicht
· Entstehung von Squattersiedlungen
- Probleme:
· Landflucht endet für viele Migranten zunächst in innerstädtischen Marginalsiedlungen
· Marginalisierung und Massenarmut als größtes Problem in den Großstädten
Ø erhebliche sozioökonomische Disparitäten ersichtlich in einer sehr reichen, aber zahlenmäßig sehr gering vertretenen Oberschicht gegenüber einer breiten Unterschicht
Ø Haushalte der Unterschicht verfügen kaum über regelmäßiges Einkommen
Ø Ca. 40-50% der Großstadtbevölkerung in Entwicklungsländern leben in ständiger Armut (bezogen auf Grundbedürfnisse wie sauberes Trinkwasser, sanitäre Anlagen, Ärztliche Versorgung, Schulbesuch, etc.)
· Unterbeschäftigung und Unterbezahlung
Ø vor allem im informellen Sektor
Ø tragen zu wachsenden sozioökonomischen Disparitäten bei
Ø in Entwicklungsländer nur die Hälfte der arbeitsfähigen Personen mit Arbeitsplatz im formellen Sektor (haben Arbeitsvertrag und sind kranken- und rentenversichert)
Ø Zunahme des informellen Sektors in den vergangenen Jahren (ambulanter Handel, Schuhputzen, Autowaschen, Schmuggel, Drogenhandel, Prostitution)
Ø Kennzeichen informeller Sektor: minimale Löhne bei tage- oder Stundenweiser Beschäftigung, fehlende gesetzliche Absicherung, geringe Arbeitsproduktivität, Kinderarbeit
· Belastung der ohnehin bereits veralteten und unzureichenden Infrastruktur
Ø Belastung durch städtische Flächenexpansion, ausgelöst durch informellen Wohnungsbau und randstädtischer Hüttenviertel
Ø Raumplanerische Probleme: unzureichender Wegebau, störanfällige Elektrizitäts- und Wasserversorgung, fehlende Abwasser- und Müllbeseitigung
· stadtökologische Probleme
Ø Mexiko-City als Stadt mit der höchsten Luftverschmutzung weltweit
Ø In alles Städten der Entwicklungsländer keine oder nur unzureichende Aufbereitung und Klärung der Abwässer
Ø Abwässer ungereinigt in die Vorfluter eingeleitet und nur wenige Kilometer flussabwärts wieder als Trinkwasser entnommen
Ø Haus-, Gewerbe- und Giftmüll nur selten fachgerecht entsorgt
Ø Zusätzlich jährlich Tausende Tonnen giftiger Sondermüll aus europäischen Ländern kostengünstig in den Entwicklungsländern entsorgt
Die lateinamerikanische Stadt
- Bevölkerungsentwicklung in den Ländern Lateinamerikas geprägt von demographischen Prozessen
· Bevölkerungswachstum
· Verstädterung
· Metropolisierung
- ¾ der Bevölkerung in Städten ansässig
- Verstädterungsprozess angeführt von einigen wenigen Metropolen
- Prozess der Verstädterung begann durch natürlich Zuwachs und Migration Ende des 19. Jhdt. in Chile, Argentinien, Uruguay
- 20er- und 30er-Jahre: Einsetzen des raschen Wachstums in Städten Mexikos, Venezuelas und Brasiliens
- Primate cities wurden zu Bevölkerungsmagneten
- Bereich Tertiärsektor: Entstehung neuer formeller und informeller Zentren wirtschaftlicher Aktivitäten
Ø Einflüsse der Globalisierung: Bürohochhäuser und postmoderne Malls
Ø Abdrängen vieler Erwerbstätiger in den informellen Sektor, da nur ein kleiner Teil der Bevölkerung von der wirtschaftlichen Umstrukturieren profitiert
- Großteil der Stadtexpansion ohne effektive staatliche und städtische Kontrolle vollzogen
Ø Siedlungsflächen oft erst im Nachhinein registriert oder legalisiert
Ø Neben illegalen und semilegalen randstädtischen Marginalsiedlungen nutzen auch einflussreiche Baugesellschaften die Schwäche des Staates, um Siedlungsflächen zu erschließen
- Entstehung von Gated Communities ("Condominios") in suburbanen und zentralen Bereichen der Stadt
· höhere Sozialschichten fühlen sich zunehmend ungeschützt aufgrund der steigenden Kriminalitätsrate
Ø Verdrängung niederer Sozialschichten in innerstädtische, periphere Marginalviertel
- Entwicklung verläuft von konzentrischer Anordnung in der Kolonialzeit über symmetrische Stadtentwicklung in den frühen Wachstumsphasen
Ø asymmetrische Stadtstruktur und die zugehörigen sozioökonomischen Messgrößen der Gegenwart
Ø geeignet, die wichtigsten Problembereiche im Prozess der Verstädterung und Metropolisierung anzusprechen
- Kennzeichen sozialräumlicher Differenzierung innerhalb der lateinamerikanischen Stadt
· innerstädtische Marginalsiedlungen der Unterschicht ringförmig um das Stadtzentrum (bestehend aus innerstädtischen Hüttenvierteln und degradierten Wohnvierteln höherer sozialer Schichen oder aus älteren Massenquartieren)
· Wohnviertel der Unterschicht ringförmig im Randbereich der Stadt und in Sektoren entlang der ins Umland reichenden Industriezonen
· Randstädtische Marginalsiedlungen der Unterschicht in Form isolierter Hüttenviertel ("Favelas", "Barriadas") am Stadtrand oder im Umland
· Wohnviertel der Mittel- und Oberschicht in Sektoren mit Anschluss an das Stadtzentrum
· Viertel des sozialen Wohnungsbaus vor allem in den Wohngebieten der Mittelschicht und am Stadtrand
- Erscheinungsbild und infrastrukturelle Ausstattung der Marginalsiedlungen in Innenstädten geprägt durch Massenquartiere in mehrgeschossigen Mehrfamilienhäusern (ehemalige Wohngebäude der Mittel- und Oberschicht)
Ø extrem schlechter Bauzustand und dichte Wohnbelegung durch Vermietung einzelner Bettstätten und Errichtung zusätzlichen Wohnraumes auf Dächern, in Höfen und Baulücken
Ø Anschluss an das öffentliche Versorgungs- und Entsorgungsnetz vorhanden
- charakteristisch für Stadtrand: Hüttenviertel in ebenerdiger Bauweise, behelfsmäßige Behausungen aus einfach Baumaterialien und eine fehlende oder unzureichende Infrastruktur
Fazit:
- Prozess der Metropolisierung heute in vielen Ländern Lateinamerikas als ernstzunehmendes Entwicklungsproblem gesehen
- Übermächtiges Wachstum weniger Großstädte oder oft einer einzigen primate city führt zu einer Verschärfung der räumlichen Disparitäten
Ø Konzentration staatlicher, wirtschaftlicher und wissenschaftlich-kultureller Institutionen führt zu einem Entzug menschlicher und materieller Ressourcen in den übrigen Landesteilen und wertet diese als Ergänzungs- oder Ausbeutungsraum ab
è um diese Entwicklung zu stoppen, sind Maßnahmen zur Modernisierung der Wirtschaft ländlicher Regionen erforderlich
· Landreformen und Agrarreformen in der Landwirtschaft
· Ansiedlung arbeitsintensiver Industrien
· Ausbau der Infrastruktur
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