Die Medien, insbesondere der Rundfunk, unterliegen radikalen Veränderungen. Neben dem auch in dieser Branche zu beobachtenden Phänomen der sog. "Globalisierung" (Internationalisierung der Unternehmensstrategien) ist für die Umwälzungen in erster Linie die Einführung neuer Techniken verantwortlich.
Mit Ausnahme ihrer digitalen Spielart und ihrem spezifischen Vorteil der "mobilen Empfangbarkeit" verliert die terrestrische Übertragung zusehends an Bedeutung. An ihre Stelle ist die Übertragung via Kabel getreten, deren Position wiederum von der Satellitentechnik bedroht ist, mittels derer bereits ein nicht unerheblicher Anteil der Haushalte ihre Fernsehprogramme empfangen.
Daneben gibt es eine Entwicklung hin zur Digitalisierung. Nunmehr ist es technisch möglich, eine Vielzahl von Programmen auf einen Kanal zu legen; eine Multiplizierung technisch verfügbarer Sendeplätze ist die Folge. Mit der Digitalisierung werden technisch eine Vielzahl von neuen Medienformen möglich, deren zukünftige Ausgestaltung heute nur in Umrissen erkennbar ist. Schlagworte wie Video-on-demand, Pay-per-Channel, Pay-per-View, Homeshopping, Telelearning und Info-Dienste lassen aber ahnen, daß die Medienlandschaft vor großen Neuerungen steht.
Es wird nun darum gehen, die Rolle dieser sich abzeichnenden technischen Entwicklungen auf die Aufgabenbereiche der Landesmedienanstalten zu erörtern.
4.1 Digitalisierung
4.1.1 Landesmedienanstalten als "Wegbereiter" der neuen Techniken
Im Rahmen ihrer Aufgabe, den Rundfunk auch in technischer Hinsicht weiterzuentwickeln, haben die Landesmedienanstalten in vielerlei Hinsicht an der Durchsetzung der neuen Übertragungsweise mitgewirkt.
Sowohl im Hörfunk- als auch im Fernsehbereich wurden und werden die Landesmedienanstalten entsprechend tätig. Insbesondere die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (MABB), die Hamburgische Anstalt für neue Medien (HAM) und die Bayerisches Landeszentrale für Medien (BLM) haben in ihrem Zuständigkeitsgebiet DVB-(Digital Video Broadcasting) Pilotprojekte frühzeitig initiiert bzw. sind an diesen beteiligt. Als Ziele dieser Versuche wird z.B. angegeben, digitale Informations- und Unterhaltungsangebote sowie sonstiger Dienste zu erproben, oder die technischen und organisatorischen Rahmenbedingungen für den Massenbetrieb zu erarbeiten.
Im Bereich des digitalen Hörfunks haben die Landesmedienanstalten inzwischen zumeist in Kooperation mit der Telekom, aber auch unter der Teilnahme öffentlich-rechtlicher Sender (BR, SFB, WDR, SWF) und von Landesregierungen in den meisten Bundesländern DAB Pilotprojekte gestartet. Auch hier geht es um die Erprobung der Technik und das Einschätzen der Akzeptanz bei den (potentiellen) Nutzern.
Neben den Projekten auf Länderebene wurden von der Direktorenkonferenz der Landesmedienanstalten (DLM) Eckwerte für die Einführung und Erprobung von DVB beschlossen, um eine einheitliche Rechtspraxis in allen Bundesländern zu entwickeln. Eine Kernforderungen des Eckwertepapiers besteht darin, "daß jedem Nutzer mit einer Set-Top-Box das gesamte digitale Angebot zur Verfügung stehen soll und zwischen einzelnen Anbietern gewechselt werden kann." (Ebd.) Entsprechend empfiehlt die DLM den Landesmedienanstalten, die Belegung der Kabelkanäle mit digitalen Programmen davon abhängig zu machen, "daß sich das Unternehmen an der Entwicklung technischer Lösungen und der entsprechenden Vereinbarung beteiligt, mit denen der Nutzer ohne besonderen Bedienungsaufwand mit einer Set-Top-Box das gesamte Programmangebot empfangen und sich darüber unterrichten kann." (Ebd.) Beschlossen wurde außerdem, eine Begleitforschung bei der Erprobung und Einführung des digitalen Fernsehens zu organisieren. (Ebd., S.14)
Auch die Etablierung der digitalen Radioprogramme unterstützt die DLM damit, Untersuchungen in Auftrag zu geben, die der "meßtechnischen Verifizierung der Optimierung der Wellenausbreitungsmodelle, dem Erstellen von Versorgungskriterien und dem Aufbau eines umfassenden Planungswerkzeuges für DAB-Sendernetze" dienen sollen. (Ebd., S. 12)
Die vielfältigen Aktivitäten der Landesmedienanstalten und diejenigen ihrer länderübergreifenden Institutionen zeigen, daß sie bei der "digitalen Revolution" eine zentrale Rolle spielen. Die DLM möchte nach eigener Aussage "eine Vorreiterrolle in dem schwierigen Diskussionsprozeß zur Einführung von digitalen Fernsehen" spielen (ebd., S.13) und diese "unterstützen und vorantreiben." (Ebd., S.14)
4.1.2 Auswirkungen der Digitalisierung auf die Rolle der Landesmedienanstalten
Der Stellenwert der Digitalisierung kann kaum hoch genug angesehen werden. "Die Einführung von DVB wird erhebliche Auswirkungen auf Industrie, Gesellschaft und Politik haben. Zunächst ist abzusehen, daß noch zehn bis 15 Jahre das analoge Rundfunkangebot durch DVB nur ergänzt wird. Danach rechnen Experten mit der vollständigen Ablösung des herkömmlichen Fernsehsystems durch das digitale Fernsehen." (ALM, 1996: 44).
Mit der Digitalisierung wird technisch machbar, was rechtlich bislang teilweise, kaum oder gar nicht geregelt ist. Im Zuge einer Lizenzvergabe stieß man bereits bei der praktischen Umsetzung auf entsprechende Probleme. Bei der Zulassung des Teleshopping-Kanals H.O.T (Home Order Television) im Herbst 1995 ging es um die Frage, ob dieser Sender unter dem Rundfunkbegriff fällt, der strengeren Zulassungskriterien unterliegt oder ob es sich lediglich um einen "rundfunkrelevanten Dienst" des Anbieters handelt, bei dem die zuständige Bayerische Landeszentrale für neue Medien (BLM) kein positives Urteil der DLM einzuholen brauchte. (Rechts-) Streitigkeiten wie diese kennzeichnen zur Zeit die Situation im Umfeld der neuen Medienformen und können als Indiz gelten, daß hier juristisch ein neuer Raum erschlossen wird, der durch die Digitalisierung erst entstanden ist.
Die Hauptaufgabe der Landesmedienanstalten wird vermutlich darin bestehen, den Übergang zwischen dem analogen und dem digitalen Zeitalter wenn möglich reibungslos zu vollziehen. Zwar zeichnet sich die digitale Technik vor allem dadurch aus, daß sie Übertragungsengpässe aus dem Weg räumen kann. Doch gilt das nur für den Fall, daß mittelfristig auch diejenigen Kanäle digitalisiert werden, die heute noch analog besetzt aus digitaler Sicht zu einer "Verstopfung" beitragen. Daher besteht die vordringliche Aufgabe darin, die Rahmenbedingungen für einen gleitenden Übergang von der analogen zur digitalen Technik zu schaffen. Dieser Übergang impliziert auch die ideale Übertragung der im Zusammenhang mit dem Rundfunk festgelegten allgemeinen politischen Zielvorstellungen (Programmgrundsätze, Pluralismus der Programme etc.) auf die digitale Übertragung von Programmen.
Mit der Digitalisierung verändert sich beim Bereitstellen des Zugangs für Anbieter das Gewicht der Kräfte. "So kann der Netzbetreiber technische Standards festlegen und finanzielle Hürden errichten, die den Zugang für bestimmte Anbietergruppen erschweren." (ALM, 1996: 32) Daraus ergibt sich für die Landesmedienanstalten die Notwendigkeit, Grundsätze für einen diskriminierungsfreien und chancengleichen Zugang der zukünftigen Programmplattformen festzuschreiben. Hier hat man bereits erste Richtlinien aufgestellt: "Sofern weniger als drei Unternehmen diese Dienstleistungen [die Belegung der Übertragungskanäle und Zugang zum Playout-Center] für die bundesweite Verbreitung anbieten und soweit bundesweit mehr als 1,5 Mio. Haushalte digitales Fernsehen empfangen, können Vorkehrungen für den Zugang von Drittveranstaltern getroffen werden."
Das neue Zeitalter stellt die Organisation der Medienpolitik selbst in Frage. Mit der nun eintretenden Konvergenz der Technik ("Multimedia") könnten sich Kompetenzaufteilungen nach Rundfunk, Medien- und Datendiensten sowie Telekommunikation als anachronistisch erweisen. Auch die heutige Praxis der Lizenzvergabe droht im Zuge der neuen technischen Möglichkeiten zu veralten. "Die bisherige Lizenzierung, nach der jeweils Frequenzen einzeln vergeben werden, ist nicht auf die Organisation eines vielschichtigen Angebotes vorbereitet, wie es nun möglich wird." (Hege, 1997: ausgedruckt S.7 von 11)
Wenn in nicht allzu ferner Zukunft die Digitalisierung der Datenübertragung abgeschlossen sein wird zeigt sich, ob die Landesmedienanstalten einer neuen Gewichtung ihrer Aufgaben gegenüberstehen. Galt es zunächst, den Mangel zu verwalten, d.h. zu entscheiden, ob und wann Lizenzbewerber bei der Vergabe von Sendeplätzen zu berücksichtigen sind, um dem Auftrag der Vielfaltsicherung gerecht zu werden, könnte sich zukünftig der Aufgabenbereich hin zu mehr Kontrolle der Programme verlagern. Die Landesmedienanstalten könnten verstärkt in die Diskussion um die Qualität von Programmen eingreifen, wenn mit einer größeren Vielfalt an zu empfangenen Programmen auch eine größere Vielfalt der Sender und Sendungen verbunden sein soll. (Vgl. hierzu Benda 1997)
4.2 Übertragung via Satellit/Kabel und Globalisierung
Die Übertragung von Daten via Satellit gewinnt schnell an Bedeutung. "Der Satellit ist dabei, die Grundversorgung in ländlichen Gebieten zu übernehmen. Weltweit führt der Satellit beim Einstieg in die digitale Übertragung." (Hege, 1997: ausgedruckt S.2 von 11)
Mit der Übertragung von Programmen per Satellit hat die Globalisierung im Bereich der Medienbranche ihr technisches Pendant gefunden.
Aus wirtschaftlicher Sicht sind für die Anbieter insbesondere Fernsehabo-Angebote mit einem Inhalt dergestalt interessant, daß die Sprache zu seinem Verständnis zweitrangig ist. Aufgrund konkreter Anträge (z.B. "Adult-Channel") wird daher die Diskussion über den Pornographiebegriff neu belebt.
Die Satellitentechnik entzieht sich mit ihrer grenzüberschreitenden Versorgung weitgehend einer nationalen Steuerung. Zusätzlich kann der Anbieter gemäß der EG-Fernsehrichtlinie dann die ungehinderte Weiterverbreitung in jedem anderen Staat der EU verlangen, wenn es in einem seiner Mitgliedsstaaten genehmigt ist. Eine Verbreitung von außerhalb Deutschlands zugelassenen Programmen ist somit möglich geworden.
Daher ist es nicht unwahrscheinlich, daß in diesem Zusammenhang zu klärende Gebote und Verbote (hinsichtlich Pornographie, Jugendschutz, Gewaltdarstellungen und Werbung) auf längere Sicht auf EU-Ebene einheitlich geregelt werden. Für die Landesmedienanstalten hieße das, daß sie ihre zentralen Funktionen als Moderator und als Produzent von Richtlinien in diesen Fragen auf nationaler Ebene zugunsten einer bloßen Diskussionsteilnahme im internationalen Kontext aufgeben müßten. (Siehe auch Dörr, Kopp, Closs, 1996: 97ff.)
Bereits heute kollidiert die Werbe- und Sponsorpraxis von hier zu empfangenen ausländischen Sendern mit der EG-Fernsehrichtlinie bzgl. des geforderten 20-Minuten-Abstandes zwischen einzelnen Werbeblöcken oder der eindeutigen Trennung von Werbung und Programm. Hier wird deutlich, daß in diesen Bereichen der Sendung international ausgelegter Programme politisch entsprechende zwischenstaatliche Absprachen ihrer Zulassungserfordernisse und Kontrolle vonnöten sind. Die Medienpolitik wird sich daher nicht zuletzt aufgrund der neuen Übertragungstechniken internationalisieren müssen. (Vgl. ebd.: 13ff.)
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