1. Bild (Straße, Pinte)
Barblin weißelt ihr Haus, dabei wird sie von Peider begafft. Barblins Protest, sie sei verlobt, ignoriert der Soldat mit Spott. Der Pater ist erfreut über ihre Weißelarbeit, \"wir werden ein schneeweißes Andorra haben, ihr Jungfrauen, ein schneeweißes Andorra, wenn nur kein Platzregen kommt über Nacht\" (S. 9). Peider quittiert dies mit blankem Hohn, \"... seine Kirche ist nicht so weiß, wie sie tut ... und wenn ein Platzregen kommt, das saut euch jedes mal die Tünche herab, als hätte man eine Sau darauf geschlachtet\" (S. 9).
Barblin will vom Pater wissen, ob es wahr sei, dass die Schwarzen, die Nachbarn Andorras, sie überfallen würden. Der Pater weicht aus, indem er Barblins Vater kritisiert, auf die Armut verweist und schließlich überraschend beteuert: \"Kein Mensch verfolgt euren Andri\" (S. 10).
Im zweiten Teil des Bildes verhandelt der Lehrer mit dem Tischler um eine Lehrstelle für seinen Pflegesohn Andri. Der Tischler verlangt fünfzig Pfund mit der Begründung, \"Tischler werden, das ist nicht einfach, wenn\'s einer nicht im Blut hat. Und woher soll er\'s im Blut haben?\" (S. 13). Ein Pfahl, den der Tischler offenbar nicht sieht, versetzt den Lehrer während des Gesprächs in höchste Aufregung. Der Tischler geht schließlich, ohne auf seine Forderungen zu verzichten. Der Wirt schaltet sich in die Sache ein und verweist darauf, daß wenn es ums Geld gehe, der Andorraner \"wie der Jud\" sei. Er bietet aber selber nur fünfzig Pfund dafür, dass der Lehrer ein Stück Land anbietet, genau genommen verkaufen muss, um die Tischlerlehre bezahlen zu können.
2. Bild (Vor Barblins Kammer)
Andri spricht mit seiner Verlobten Barblin über das, was andere von ihm sagen. Er will wissen, ob er wirklich kein Gefühl habe, ob er geil sei. Er vergleicht sich mit den anderen und weiß keine Antwort darauf, warum er anders ist als alle. Barblin will ihn beruhigen, doch seine Selbstzweifel gipfeln in der Vision: \"Es gibt Menschen, die verflucht sind, und man kann mit ihnen machen, was man will, ein Blick genügt, plötzlich bist du so, wie sie sagen\" (S. 28).
3. Bild (Tischlerwerkstatt)
Andri bespricht mit dem Tischlergesellen die Möglichkeit, in dessen Fußballmannschaft mitzuspielen. Dabei überprüft der Geselle Andris erstmals fertiggestellten Stuhl. Er hält jeder Belastung stand, denn er ist verzapft und verleimt, wie es sich gehört. Als der Meister kommt und irgendeinen Stuhl überprüft, der sofort aus dem Leim geht, meint er nur, dass man von Andri ja nichts anderes erwarten könne, \"wenn\'s einer nicht im Blut\" habe. Andris Hinweis, der Tischler sitze auf dem von ihm gefertigten Stuhl, bleibt ohne Wirkung, denn der Geselle gibt nicht zu, dass er den aus dem Leim gegangenen Stuhl gemacht habe.
Der Tischler ignoriert Andris heftigen Protest, \"Wieso hab ich kein Recht vor euch? (....) Sie machen sich nichts aus Beweisen. Sie sitzen auf meinem Stuhl. Das kümmert Sie aber nicht? Ich kann tun, was ich will, ihr dreht es immer gegen mich, und der Hohn nimmt kein Ende. (...) Sie wollen nicht, dass ich tauge\" (S. 34). Der Meister bietet ihm stattdessen an, mit seiner \"Schnorrerei\" Bestellungen hereinzubringen, ein Pfund für drei Bestellungen, \"Das ist\'s, was deinesgleichen im Blut hat\" (S. 35).
4. Bild (Stube beim Lehrer)
Der Doktor untersucht Andri. Dabei erzählt er, dass er Andris Vater als jungen Lehrer gekannt habe. \"Immer mit dem Kopf durch die Wand. Er hat von sich reden gemacht damals, ein junger Lehrer, der die Schulbücher zerreißt, er wollte andere haben\" (S. 37f). Er selber sei Professor, mache sich aber nichts aus Titeln. Er sei in der Welt herumgekommen, dabei habe er erfahren müssen, dass wo man hinkomme, der Jud schon in allen Ländern der Welt auf allen Lehrstühlen hocke. Er habe nichts gegen den Jud, er sei nicht für Greuel. Auch er habe Juden gerettet, obwohl er sie nicht riechen könne. Als Andri abweisend reagiert, erfährt er erst, dass Andri Jude ist.
Der Lehrer erscheint, er wirft den Doktor aus dem Haus und bezeichnet ihn als \"verkrachten Akademiker\". Anschließend sitzt die Familie bei Tisch und Andri eröffnet seinem Pflegevater, dass er Barblin heiraten möchte. Sie habe das kommen sehen, meint die Mutter, doch Can reagiert entsetzt. \"Es ist das erste Nein, Andri, das ich dir sagen muss\" (S. 46). Barblin läuft weg, und für Andri gibt es nur eine Erklärung: \"Weil ich Jud bin\" (S. 47). Der Lehrer verlässt das Haus, um sich zu betrinken, wie die Mutter befürchtet.
5. Bild (Pinte)
Can trinkt Schnaps. Er deutet an, daß er gelogen habe und Andri seine Schwester heiraten möchte. Der Jemand versteht ihn nicht und verweist auf die Drohungen des Nachbarlandes.
6. Bild (Vor Barblins Kammer)
Der Soldat schleicht über den schlafenden Andri hinweg in Barblins Kammer. Andri erwacht und wundert sich über die verriegelte Kammertür. Er bekundet freimütig seinen Hass. So fühle er sich wohler, und es erlaube ihm, Pläne zu schmieden, Pläne für sich und Barblin. Der betrunkene Can tritt auf. Er will die Wahrheit sagen, doch Andri sieht nur seine Trunkenheit und schleudert ihm seine Verachtung entgegen: \"Ich verdanke dir mein Leben. Ich weiß. Wenn du Wert darauf legst, ich kann es jeden Tag einmal sagen: ich verdanke dir mein Leben (...) Du ekelst mich (...) Geh pissen (...) Heul nicht deinen Schnaps aus den Augen, wenn du ihn nicht halten kannst, sag ich, geh\" (S. 54ff). Nachdem der Lehrer gegangen ist, tritt der Soldat mit nacktem Oberkörper und offener Hose aus Barblins Kammer und jagt ihn davon. Andri kann es nicht glauben.
7. Bild (Sakristei)
Der Pater führt ein Gespräch mit Andri auf Wunsch der Pflegemutter, die ihn großer Sorge um ihn ist. Andri wiederholt dem Pater gegenüber alles, was ihm von den Andorranern entgegengehalten wird, er sei vorlaut, weil alle ans Geld denken, niemand möge ihn, er sei ehrgeizig, seinesgleichen habe kein Gemüt, er sei feig. Schließlich bricht er zusammen und weint um seine Barblin. Sie könne ihn nicht lieben, niemand könne das, er selbst auch nicht. Der Pater entgegnet ihm: \"Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Er sagt: Wie dich selbst\" (S. 63). Er müsse sein Jud sein annehmen und verweist auf Andris herausragende Eigenschaften. \"Kein Mensch, Andri, kann aus seiner Haut (...) Gott will, dass wir sind, wie er uns geschaffen hat. (...) Du bist nun einmal anders als wir\" (S. 64).
8. Bild (Platz vor Andorra)
Die Andorraner unterhalten sich über die gespannte politische Lage, weil die Schwarzen Truppen an der Grenze zusammengezogen haben. Eine Senora von drüben mietet ein Zimmer beim Wirt, was diesen veranlaßt, gegenüber den anderen Andorraner das Gastrecht zu beschwören. Der Doktor gibt Phrasen von sich über die Beliebtheit der Andorraner in der ganzen Welt, weil \"jedes Kind in der Welt weiß, daß Andorra ein Hort ist, ein Hort des Friedens und der Freiheit und der Menschenrechte\" (S. 68). So ist er überzeugt, daß jene von drüben es nicht wagen werden, Andorra anzugreifen, weil sich Andorra aufs Weltgewissen berufen kann. Diese scheinbare Gewißheit und Rechtschaffenheit hindert die Andorraner jedoch nicht daran, in der Senora eine \"Spitzelin\" zu sehen, wobei besonders der Soldat und der Tischlergeselle offen ihre Ablehnung der Fremden gegenüber bekunden. Die Senora tritt auf, setzt sich an einen freien Tisch, was die Andorraner außer Peider und Fedri veranlaßt zu gehen. Peider begafft die Fremde unverhohlen, da erscheint Andri. Er beginnt mit dem Soldaten einen Streit, er wird deshalb von den Soldaten zusammengeschlagen. Die Senora geht dazwischen, hilft ihm und verlangt nach einem Arzt. Sie läßt sich schließlich von Andri zu seinem Vater führen.
Vordergrund In der folgenden Szene wird endlich offenbar, was seit der ersten Vordergrundszene bekannt ist: Andri ist der leibliche Sohn Cans und der Senora.In dem Gespräch der beiden werden auch die Ängste deutlich, die beide dazu veranlasst haben, ihr gemeinsames Kind vor dem jeweils eigenen Volk zu verleugnen:\"Du hast mich gehasst, weil ich feige war, als das Kind kam. Weil ich Angst hatte vor meinen Leuten. Als du an die Grenze kamst, sagtest du, es sei ein Judenkind,das du gerettet hast vor uns. Warum? Weil auch du feige warst, als du wieder nach Hause kamst. Weil auch du Angst hattest vor deinen Leuten\" (S. 77f).
9. Bild (Stube beim Lehrer)
Die Senora verabschiedet sich von Andri und deutet an, daß sich sein Leben ändern werde. Andri fühlt sich von ihr angezogen. Er begleitet sich zunächst. In der Zwischenzeit beauftragen Can und die Mutter den Pater, Andri die Wahrheit zu sagen. Andri kommt vorzeitig zurück, die Senora wolle alleine gehen. Sie hat ihm ihren Ring mit einem Topas geschenkt. Der Lehrer macht sich auf den Weg, die Senora zu begleiten.
Der Pater versucht nun mühsam, mit Andri ins Gespräch zu kommen, während dieser gelöst und heiter wirkt und dabei dem Pater anvertraut, daß er auswandern wolle, der Ring verschaffe ihm die Möglichkeit dazu. Als der Pater die Wahrheit schließlich ausspricht, will Andri nichts davon wissen. Und er erzählt, wie er, seit er hören könne, gesagt bekommen hat, wie er sei und wie er schließlich erkannt hat, daß er wirklich so sei, wie man ihm nachsage: \"Hochwürden haben gesagt, man muß das annehmen, und ich hab\'s angenommen. Jetzt ist es an Euch, euren Jud anzunehmen\" (S. 86). Der Lehrer kommt zurück und meldet, man habe die Senora mit einem Stein getötet, und es heiße, Andri habe den Stein geworfen. Er appelliert an den Pater, er sei Zeuge, daß Andri bei ihm gewesen sei.
10. Bild (Platz von Andorra)
Andri ist allein. Seit den frühen Morgenstunden ist er, wie er sagt, durch die Gassen geschlendert, und niemand ist zu sehen gewesen. er habe den Stein nicht geworfen, er brauche sich nicht zu verstecken. Eine Stimme flüstert ihm etwas zu. Der Lehrer tritt auf mit einem Gewehr. Er versucht Andri zum Weggehen zu bewegen, die Schwarzen seien da. Andri hört nicht auf ihn. Aus Lautsprechern ist zu hören, dass kein Andorraner etwas zu befürchten habe. Er verhöhnt die kapitulierenden Andorraner und macht seinem Vater klar, dass er nicht der erste sei, der verloren ist. \"Es hat keinen Zweck, was du redest. Ich weiß, wer meine Vorfahren sind. Tausende und Hunderttausende sind gestorben am Pfahl. Ihr Schicksal ist mein Schicksal\" (S. 95). Er wirft eine Münze ins Orchestrion und geht. Danach patrouillieren Soldaten (im Vordergrund) in schwarzen Uniformen mit Maschinenpistolen.
11. Bild (Vor Barblins Kammer)
Barblin ist verzweifelt, während Andri scheinbar gefühllos sich danach erkundigt, wie oft sie mit dem Soldaten geschlafen habe. In der Folge werden seine Vorhaltungen immer roher, bis er sie schließlich auffordert, sich auszuziehen und ihn zu küssen. \"Kannst du nicht, was du mit jedem kannst, fröhlich und nackt. (...) Was ist anders mit den anderen? Sag es doch. Was ist anders? Ich küß dich, Soldatenbraut! Einer mehr oder weniger, zier dich nicht\" (S. 101). Barblin beschwört ihn vergeblich, sich zu verstecken. Ein Soldat führt Andri schließlich zur Judenschau.
12. Bild (Platz von Andorra)
Die Andorraner erwarten stumm das weitere Geschehen. Barblin versucht vergeblich, auf sie einzuwirken. Der Doktor meint, man dürfe keinen Widerstand leisten, während der Wirt mehrfach betont, Andri habe den Stein geworfen, er jedenfalls nicht. Soldaten und der Judenschauer treten auf. Die Andorraner müssen sich schwarze Tücher über den Kopf ziehen und die Schuhe ausziehen. Die Angst, der Judenschauer könne sich vielleicht irren, wird mit dem Hinweis verdrängt: \"Der riecht\'s. Der sieht\'s am bloßen Gang\" (S. 109). Der Lehrer versucht, den Andorranern ins Gewissen zu reden. Andri sei sein Sohn. \"Wer unter ihnen der Mörder ist, sie untersuchen es nicht. Tuch drüber! Sie wollen es nicht wissen. Tuch drüber! Dass fortan sie einer bewirtet mit Mörderhänden, es stört sie nicht\" (S. 113). Der kollaborierende Peider erteilt letzte Instruktionen. Noch einmal versucht Barblin, die Andorraner zu passivem Widerstand zu bewegen, sie wird von den Soldaten weggeschleppt. Die Andorraner gehen schließlich nacheinander unter den kritischen Augen des Judenschauers über den Platz. Der Jemand wird als erster genauer inspiziert, darf aber dann weitergehen - mit Peiders Hilfe. Schließlich muss Andri sein Tuch abnehmen. Zum Beweis seiner richtigen Wahl kehrt der Judenschauer Andris Taschen um, Münzen fallen heraus. \"Judengeld\", kommentiert der Soldat. Die Beschwörungen des Lehrers und der Mutter, Andri sei Cans Sohn, helfen nichts mehr. Andri wird abgeführt, man reißt ihm den Finger ab, weil er den Ring der Senora nicht hergeben will, und tötet ihn. Die Szene endet ähnlich wie das Stück angefangen hat. Barblin, jetzt geschoren, weißelt das Haus ihres Vaters. \"Ich weißle, ich weißle, auf das wir ein weißes Andorra haben, ihr Mörder, ein schneeweißes Andorra, ich weißle euch alle - alle\" (S. 125). Can hat sich im Schulzimmer erhängt. Der Pater versucht vergeblich, auf Barblin einzureden, während die Andris Schuhe bewacht, die stehen geblieben sind. \"Rührt sie nicht an! Wenn er wiederkommt, das sind seine Schuhe.\"
Die Zeugenschranke Nach dem 1., 2., 3., 6., 7., 9. und 11. Bild treten die Andorraner im Vordergrund vor der Bühne vor eine Zeugenschranke. Diese Zwischenszenen spielen zeitlich lange nach dem eigentlichen Bühnengeschehen. Mit Ausnahme des Paters beteuern alle Andorraner ihre Unschuld am Ausgang der Geschichte. Einzig der Soldat gibt zu, dass er Andri nicht leiden konnte und er nach wie vor der Meinung sei, er sei ein Jude gewesen. Der Doktor, der vorgibt, sich kurz zu fassen, hält die längste Rechtfertigungsrede. Der Pater - nicht in der Zeugenschranke, sondern im Vordergrund kniend - sagt: \"Auch ich habe mir ein Bildnis gemacht von ihm, auch ich habe ihn gefesselt, auch ich habe ihn an den Pfahl gebracht\" (S. 65). Mit diesem \"auch\" drückt er neben seiner eigenen Schuld die Kollektivschuld der Andorraner aus.
|