Startseite   |  Site map   |  A-Z artikel   |  Artikel einreichen   |   Kontakt   |  
  


deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Wie begründen sich ethische modelle?


1. Drama
2. Liebe

I. Autonome Modelle auf der Basis der Menschenwürde



Hoher Respekt gebührt denen, die allein sich stützend auf die innere Würde des Menschen, mit aufrechtem Gang durch ihre letzte Lebensphase hindurchgehen. Autonome Modelle verdanken sich Autoren, die religiösen Vorstellungen persönlich fremd gegenüberstehen oder die solche Vorstellungen für ethische Begründungen grundsätzlich außer Acht lassen.



Für R. Peck ist die Entwicklung im höheren Lebensalter im wesentlichen bedingt durch die Art und Weise, wie die hier unweigerlich anfallenden Spannungen vom einzelnen bewältigt werden:



· die Spannung zwischen \"Ich-Differenzierung\" und \"Verhaftetbleiben" im Beruf. Beim Übertritt in den Ruhestand kann der Mensch zwischen menschliche Anerkennung nicht mehr von den gleichen Werten herleiten wie früher. Er muß für die innere Bejahung seines Ruhestandes neue tragfähige Werte finden.

· die Spannung zwischen \"Verhaftetsein an die Körperlichkeit\" und der Überschreitung der nun anhebenden körperlichen Alterung. Nur wer sich früh von überzogener Körperzentriertheit abzusetzen beginnt, vermag im Alter das Verhaftetsein an leibliche Schmerzen zu lockern und wenigstens die totale Zentrierung des eigenen Lebens und die totale Aufmerksamkeit der ganzen Umgebung auf sein Erleiden zu vermeiden.

· die Spannung zwischen Ich-Befangenheit und Ich-Transzendierung. Nur durch ein entschiedenes Engagement für das familiäre, karitative oder kulturelle Leben kann der alte Mensch sein eigenes Leben in einer Weise überschreiten, daß
\"die Aussicht auf den eigenen Tod ... weniger bedeutend empfunden wird als das sichere Wissen, für eine größere und weitere Zukunft gebaut zu haben, wie sie einem einzelhaften Menschen möglich ist\".
Nach R. Peck \"mag dies die einzig erkennbare Art von Selbstüberschreitung nach dem Tode sein\".



Im Unterschied zu Pecks altruistischem Konzept geht L. Rosenmayr eher von

der Identität des Menschen mit sich selbst aus und kommt damit zu seinem Dreistufen-Schema:



· das Sich-abfinden mit der traurigen Wirklichkeit im \"resignativen\" Altern,

· die Hinwendung zum anderen im \"abwägend-integrativen Altern\" und

· schließlich (im Anschluß an M. Scheler) die \"Kreativität\" des Alters aus dem \"Überschuß des Geistes über das Leben\" in einer vital freien Hingabe an den \"puren Gehalt der Sachen, der Werte, der Personen".



Niemand wird bestreiten, daß solches Ethos nur auf der Hochebene menschlicher Freiheit gedeihen kann. Es gibt mit ziemlicher Sicherheit alte Menschen, die hier angesiedelt sind, auch wenn niemand weiß, wie es letztlich um die Gemengelage ihrer Motivwelt bestellt ist. Aber es gibt auch Zeugnisse dafür, daß Menschen sich überfordert fühlen, wenn sie ihre Würde allein in sich selbst finden sollen. Ohne jeden auch noch den heimlichsten christlichen Triumphalismus lesen wir bei dem Philosophen A. Camus, es gebe in der Welt weder Ordnung noch Gesetz noch Ziel noch Sinn: \"Man wird geboren, man ißt und arbeitet, man mordet und stirbt - ohne daß es für all dieses Tun eine wahrhaft befriedigende Erklärung gibt. Es gibt nur ein ernstzunehmendes philosophisches Problem, den Selbstmord.\"



Und der 50jährige Max Frisch analysiert an seinem Manne namens \"Ganterbein\" doch nur sich selbst, wenn er die Rolle des Alterns durchspielt wenn er nichts ausläßt, was da dem Menschen geschieht - im Gesicht, an der Haut, den Augen, den Zähnen und den Haaren und auch im geistigen Umgang mit sich selbst und der Welt, und wenn er seine Analyse mit dem Satz schließt: \"Warum hat man sich nicht erhängt.\"



II. Der christliche \"Mehrwert\"



Der christlich Glaubende, der in einem christlichen Bildungswerk ausdrücklich anzusprechen ist, kennt hier keine Überheblichkeit. Aber er sieht auch keinen Grund, seine Dankbarkeit für die von ihm geglaubte Zusage des Heils zu verschweigen. Was damit (an tragenden Motiven) gemeint ist, kann nur noch in wenigen Glaubensthesen skizziert werden.



(1) Der Mensch ist von seinem Schöpfer in ein begrenztes Dasein hineingeschaffen.

Aber er ist da; er ist nicht im Nichts geblieben: Gott hat ihm eine geschichtliche Lebenszeit gewährt, damit er darin seine Chance wahrnehme, Vernunft, Freiheit und Solidarität in der Welt zu vermehren. Seine Würde ist eine geschenkte, und er vertraut darauf, daß der Schöpfer sie ihm wahren hilft. Geschenktes Dasein in Vernunft, Freiheit und Solidarität ist mehr als Nichtsein.



(2) Der Christ sucht das \"Einverständnis mit seiner Sterblichkeit\".

Damit kein Tag ihm mehr \"das Spiel verderbe\", versucht er den Tod in seinem Leben vorwegzunehmen. Weil das Enden für ihn konstitutiv ist, mag er sich schwer tun mit der biblischen Rede vom Tod als \"Folge\" der Sünde, als \"Strafe für die Sünde\" oder als \"Sold der Sünde\", aber als \"Gericht über die Sünde\" kann der Tod ein wichtiges Element des Alterns und des Sterbens enthüllen.

Das im Tod sich vollziehende \"Gericht\" ist nicht ein dem Menschen oktroiiertes äußeres Tribunal, sondern das Selbstgericht der vom Leib getrennten Menschperson, das endlich ganz zu sich selbst gekommene Gewissen. Dieses Gericht kann er voraus vollziehen in der Reue. Der Sinn der Reue liegt darin, daß der Mensch sich auf die Vergangenheit seines Lebens zurückneigt, daß er schuldhaftes Fehlverhalten mitsamt der verkehrten Grundeinstellung aus seinem personalen Lebenszentrum hinausstößt und sich in der Annahme der Vergebung zu einem freien und spontanen Neubeginn entscheidet. Es geht nicht um undefinierbare Trauerarbeit oder Vergangenheitsbewältigung, sondern um die redliche Revision des Lebens mit dem Durchbruch in jene Freisetzung, die allein aus der Vergebung kommt.



(3) Das wirksamste Motiv sollte für den alternden Christen die Hoffnung sein auf die Teilhabe an der Auferstehung Jesu. Der Glaube an die Auferstehung liegt im Dunkel, aber er sollte doch nicht unbedacht bleiben, weil er als nicht bedachter leicht dem Mißverständnis und der Verkümmerung anheimfällt. Leiblichkeit im Sinn des hebräischen \"basar\" ist natürlich zunächst als physiologisch-biologische Wirklichkeit zu verstehen, aber menschlichen Sinn gewinnt sie erst als Medium unserer Existenz in personalem Selbstsein, in sozialer Verbundenheit, in vitaler Eingründung in naturale Lebensgrundlagen und schließlich in konkreter lebensgeschichtlicher Erstreckung. In der Auferstehung wird dem Menschen diese vierdimensionale Lebenswirklichkeit (in Personalität, Sozialität, Naturalität und Geschichtlichkeit) nicht genommen; er wird nicht zur \"unsterblichen Seele\" ausgedünnt. Nur die irdisch-leibhafte Form seines Daseins wird gegen eine andere (die sog. verklärte) Daseinsform) ausgetauscht.



Der Mensch in seinem konkreten Sein bleibt: Vita mutatur, non tollitur (das Leben wird verändert., aber nicht genommen), heißt es in der Präfation der Totenmesse. Alles, was er sich in einer einmaligen konkreten Daseinsentfaltung an Geglücktem und Ungeglücktem einverleibt hat, wird ihm in der Auferstehung - von allen Unvollkommenheiten gereinigt und in allen, auch in seinen versäumten Möglichkeiten durch Gottes letzten Schöpfungsakt angereichert - als seine bleibende ganzheitlich-menschliche Verfaßtheit ganz persönlich und endgültig zugesprochen.



Menschen, die ohne solche Hoffnung sind haben es schwer mit dem Altem. Simone de Beauvoir, als -emphatische Atheistin gewiß ein Frau von ungewöhnlichem Rang, hat als etwa 60-jährige in ihren Memoiren ein erschütterndes Bekenntnis der Hoffnungslosigkeit niedergeschrieben. Obwohl Zukunft weder Form noch Inhalt habe, fühle sie sich von ihr belastet mit einem Gewicht, das ihr schier den Atem nehme. Und sie nennt genau den Grund ihrer Furcht:



\"Voller Melancholie denke ich an all die Bücher, die ich gelesen, an all die Orte, die ich besucht, an das Wissen, das sich aufgehäuft hat und das nicht mehr sein wird. Die ganze Musik, die ganze Malerei, die ganze Kultur, so viele menschliche Bindungen: plötzlich bleibt nichts mehr; nichts wird stattgefunden haben. Ich sehe noch die Haselstrauchhecke vor mir, durch die der Wind fuhr, und höre noch die Verheißungen, mit denen ich mein Herz berauschte, als ich - ein junges Mädchen damals - das Leben betrachtete, das vor mir lag. Sie wurden erfüllt. Aber wenn ich jetzt einen ungläubigen Blick auf jenes leichtlebige junge Mädchen (von damals) werfe, entdecke ich voller Bestürzung, wie sehr ich geprellt worden bin.\"



Die christliche Botschaft macht ein Angebot: Nichts wird vergehen, alles wird bleiben. Alles wird gesammelt und verwahrt und beim Hinaustreten aus der geschichtlichen Lebenszeit dem Menschen neu und endgültig zugesprochen. Der Mensch tritt nicht als unsterbliche Seele vor Gott hin, sondern als konkreter Mensch mit der ganzen unverwechselbaren Geschichte seines Lebens. Der Bonner Theologe Wilhelm Breuning sagt es in einer Sprache, die der einfachste Mensch verstehen kann:



\"Gott liebt mehr als die Moleküle, die sich im Augenblick des Todes im Leib befinden. Er liebt einen Leib, der gezeichnet ist von der ganzen Mühsal, aber auch von der Sehnsucht einer Pilgerschaft, der im Lauf dieser Pilgerschaft viele Spuren in seiner Welt hinterlassen hat, die durch die Spuren menschlicher geworden ist - einen Leib, der sich an der mangelnden Schmiegsamkeit der Welt wundgestoßen und viele Narben davon zurückbehalten hat und der sich doch immer wieder zärtlichkeitsbedürftig dieser Welt entgegengestreckt hat. Auferweckung des Leibes heißt, daß von alledem Gott nichts verloren gegangen ist, weil er die Menschen liebt. Alle Tränen hat er gesammelt, und kein Lächeln ist ihm weggehuscht. Auferstehung des Leibes heißt, daß der Mensch bei Gott nicht nur seinen letzten Augenblick wiederfindet, sondern seine ganze Lebensgeschichte. \"



Natürlich kann sich dies niemand vorstellen. Aber ein Gott, der nur im Schilde fahrt, was menschliche Gehirne zu fassen vermögen, könnte nicht einmal unsere, geschweige denn seine eigene Würde als Gott wahren. Es lohnte nicht, auch nur den Kopf nach ihm umzudrehen. Glaubende sind sicher, daß er etwas vorhat, was alle unsere Vorstellungen übersteigt.




Mit ihm kann man alt werden. Mit ihm kann man alles wagen, was Altem ausmacht. Mit ihm kann man,



· erstens, die Chancen nutzen, die jeder neu gewährte Tag bringt; mit ihm kann man,

· zweitens, die Zumutungen annehmen, die uns immer dichter umstellen; mit ihm kann man

· drittens, erst recht auch die gelegentlich geschenkten Erfüllungen dankbar auskosten



- ja auch diese bedürfen unserer ausdrücklichen Zuwendung - genau wie sie Chancen und die Zumutungen, wenn Altern heil bestanden werden soll. Damit haben wir - zum Merken und zum Mitnehmen greifbar - eine programmatische Trias glückenden Alterns benannt:



· die Chancen nutzen,


· die Zumutungen annehmen,

· die Erfüllungen auskosten

 
 

Datenschutz
Top Themen / Analyse
Arrow LESSING: Fabeln - B. Schmid
Arrow Biografie, Ziele und Absichten Jostein Gaarders
Arrow "Transit" - Die Situation im Exil
Arrow Eine Handvoll Leben von Marlen Haushofer
Arrow LAN = (Local Area Network)
Arrow Mary Cullen
Arrow Das Geisterhaus ein Familienepos aus dem Chile von heute von Isabell Allende
Arrow Wolf Biermann
Arrow Komponenten der Willensfreiheit
Arrow Wie geraten Personen an Drogen?


Datenschutz
Zum selben thema
icon Grammatik
icon Charakteristik
icon Präsentation
icon Buchvorstellung
icon Untertan
icon Tragödie
icon Film
icon Theater
icon Legende
icon Erörterung
icon Problematik
icon Inhaltsangabe
icon Sprache
icon Textinterpretation
icon Struktur
icon Zusammenfassung
icon Textanalyse
icon Interpretation
icon Novelle
icon Analyse
icon Literatur
icon Definition
icon Erlebnisbericht
icon Aufsatz
icon Inhaltsangabe
icon Literaturarbeit
icon Komödie
icon Leben & Werke
icon Vergleich
icon Charakterisierung
icon Argumentation
icon Hintergründe
icon Szenenanalyse
icon Inhaltszusammenfassung
icon Buch
icon Rezension
icon Buchbesprechung
icon Inhalt
icon Gedicht
icon Biographie
icon Autor
A-Z deutsch artikel:
A B C D E F G H I J K L M N O P Q R S T U V W X Y Z #

Copyright © 2008 - : ARTIKEL32 | Alle rechte vorbehalten.
Vervielfältigung im Ganzen oder teilweise das Material auf dieser Website gegen das Urheberrecht und wird bestraft, nach dem Gesetz.
dsolution