Die beiden Beziehungen sind in sehr unterschiedliche Zusammenhänge gestellt. In der Beziehung Faust / Margarethe ist sie Teil eines göttlichen Planes, Teil eines langen Erkenntnisweges Heinrich Fausts. Die Liebe zwischen den Beiden bezieht sehr stark religiöse und spirituelle Ebenen mit ein.
Um die Beziehung Werther / Lotte erfahren wir viel von gesellschaftlichen Strukturen, die Unterschiedlichkeit von den Ständen ,(Adel, Klerus, Bürgertum), überall wo Werther und Lotte sich in der Gesellschaft von Menschen bewegen, wird die soziale Ordnung sichtbar. Hiermit erscheint Werther wie der Prototyp der Sturm - und Drangbewegung in seiner seelischen Empfindsamkeit, seinem Künstlertum, gegen das Rationale und die kühle Vernunft.
In beiden Beziehungen dominiert die Persönlichkeit des Mannes. Diese wirkt schwierig und haltlos. Die Frauen hingegen verkörpern eine treue Liebe, die, wenn sie auch verschieden ist und Wandlungen durchmacht, (vor allem bei Lotte), einen stabilen, zuverlässigen Kern hat. Die Frauen scheinen die Eigenschaft zu besitzen, die die Männer schätzen und suchen. Margarethe als Mikrokosmos, die eine Körper, Geist und Seele integrierende Religiosität besitzt. Lotte, die Werthers Empfindsamkeit wertschätzt und ihn versteht und trotzdem in einer harmonischen Weise in ihrer Gesellschaft lebt. Dazu hat sie eine wunderbare Art die ihr anvertrauten Kinder zu erziehen, was Werther über alle Maßen schätzt und bewundert. Sie verkörpert in seinem Sinne die vollkommenste Harmonie, die ein Mensch je erlangen kann.
Trotzdem entwickeln sich beide Beziehungen für einen Partner so dramatisch, dass sie sterben.
Der Tod des einen Partners ist die markanteste Gemeinsamkeit in beiden Beziehungen. Wie kam es dazu?
Margarethe hat aus Liebe zu Faust die festen Grenzen ihres Identitätsgebäudes durchbrochen und verliert Mutter und Bruder. Den Tod der Familie hat allerdings Faust zu verantworten. Aber beides, Verlust der Ordnung ihres Lebens, Verlust der Familie sind so schwere traumatische Geschehnisse das Margarethe darüber wahnsinnig wird und stirbt. Man kann sich vorstellen das diese Geschehnisse die Existenz eines jeden Menschen schwer schädigen.
Bei der Beziehung Faust / Margarethe hat man den Eindruck der überlebende Partner Faust trägt einen großen Teil der Schuld am Tode Margarethes.
Bei Werther / Lotte hingegen wird die seelische Konstitution Werthers so beschrieben, dass selbst harmlose Unterhaltungen in Werther dramatische, seelische Erschütterungen hervorrufen können, da er sich grenzenlos hineinsteigert. (siehe Unterhaltung über die schlechte Laune). Sein Tod hat mehr mit seiner seelischen Verfassung zu tun als mit äußeren Geschehnissen. Er hätte mehr Möglichkeiten gehabt sein Schicksal zu wenden. Niemand hat ihn z.B. gezwungen an diesem Ort zu bleiben. Da er auch vorher oft den Wohnort wechselte, wäre es leicht gewesen sich dieser Qual zu entziehen. Aber irgendwas in seinem Innern trieb ihn zu dieser Selbstzerstörung.
Also die Verhältnisse für den Tod sind völlig andere als bei dem Tod von Margarethe.
In beiden Beziehungen hat die Kraft der Liebe allein für sich nicht zum Glück führen können. Beide Beziehungen halten uns vor Augen wie stark die Persönlichkeit mit all ihren guten und schlechten Seiten mitwirkt.
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