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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Untergang und neues leben


1. Drama
2. Liebe

Das 1943 geschriebene Stück "Untergang und neues Leben", zählt zu den kürzesten Werken Friedrich Dürrenmatts. Diese "Weltuntergangskomödie" wurde von Dürrenmatt mehrmals bearbeitet und umgeschrieben. Er blieb aber immer bei seiner Kernaussage, auf die später noch eingegangen wird .
Niemand in diesem Stück trägt einen Namen, die Personen werden als "Der Fremde", "Der Soldat", etc. bezeichnet.
Die Sprache des Stückes ist trocken, knapp und ekstatisch zugleich. Dürrenmatt setzt viele Lieder ein, um das Gesagte zu unterstreichen.

Beschrieben wird "Der Fremde", der einem Soldaten ohne Arme und Beine begegnet. Er trifft auf einen Gehängten, an dem er hochklettert. Die beiden beginnen ein Gespräch und die Leiche holt dem Fremden den Mond herunter, der ebenfalls tot ist.
DER FREMDE Mond! [...] Pfui, Freund meiner Melancholie, ist dein Feuer so
kalt? Bist auch du gestorben? [...]
Er begegnet einer Hure, die ihn bittet, ihr den Gnadenschuss zu geben. Der Fremde trifft auf einen General, der die Weltuntergangsmaschine bewacht. Dieser wird am elektrischen Stuhl hingerichtet, auf dem normalerweise Eier gebraten werden. Aber nach dem Tod des Generals macht sich die Maschine selbstständig und das Schicksal nimmt seinen Lauf.

Zu Beginn trifft der Fremde auf den Soldaten ohne Arme und Beine. Im Hintergrund hört man Menschen, die ein Lied singen:
Der Tod hat ein Maul,

Das klappt auf und zu,
Er beißt dir den Kopf ab

Und still wirst du.
Dieses Lied erinnert an jene Reime, die Kinder auf der Straße singen, um dabei zum Beispiel Schnur zu springen. Das Paradoxe dabei ist, dass es in dem Lied um den Tod geht. Vermutlich wurde diese Verfremdung von Friedrich Dürrenmatt absichtlich eingebaut, um, ähnlich wie bei Brecht, eine Distanz zum Publikum aufzubauen.

Der Fremde sieht an der Laterne etwas baumeln und der Soldat sagt ihm, dass das einer sei, der sich aufgehängt hat. Der Fremde klettert an ihm hoch und spricht mit der Leiche:
DER GEHÄNGTE Berühre mich nicht mit deinen Händen, sie sind
kälter denn Eis.
Das Paradoxe an dieser Aussage ist, dass eine Leiche, normalerweise nach einiger Zeit in das Stadium der Leichenstarre übergeht. Das Herz schlägt nicht mehr daher wird auch kein Blut durch die Arterien gepumpt. Aus diesem Grunde kühlt der Körper aus, wird starr und kalt. Nun mokiert sich aber die Leiche in diesem Stück, dass der Fremde so kalte Finger hat, nicht nur, dass sie sprechen kann, nein sie dürfte auch an der Kälte leiden.

Ein Betrunkener kommt des Weges und singt ebenfalls ein Lied:
DER BETRUNKENE Unser Herrgott hat uns lieb,

Wunderschön, wunderschön,
Ach, er hat uns alle lieb,

Wunderschön!
Interessant dabei ist, dass diese Erkenntnis von einem Betrunkenen stammt. Vielleicht möchte Dürrenmatt damit sagen, dass nur Betrunkene oder angeheiterte Menschen zu Gott eine wirklich nahe Beziehung haben, da ihre Rationalität verdrängt ist. Andererseits könnte es auch bedeuten, dass nur Betrunkene so gutgläubig sind zu glauben, Gott liebe uns alle. Doch sollte dieses Lied nicht allzu überbewertet werden, da betrunkene Personen oft gar nicht wissen wovon sie sprechen oder in diesem Fall singen.
Der Betrunkene läuft davon, um die Erde, wie er selber sagt, bis er seinen Hintern vor sich sieht wie einen Kometen.

Eine Hure singt ein Lied über ihr Leben. Der Fremde will mit ihr schlafen, doch sie willigt nur ein, wenn er sie dafür tötet. Nach seiner Tat trifft der Fremde auf den Lustmörder Nabelpfiff, der meint, sie hätten vieles gemeinsam. Sie beide waren im Krieg und mussten Menschen töten. Doch der Fremde tat es, weil er musste, während Nabelpfiff es so wollte.
Keine Person, außer sie ist wie Nabelpfiff ein Lustmörder, tötet freiwillig einen Menschen. Um dies zu tun muss die betreffende Person in eine extreme Notsituation geraten. Nabelpfiff jedoch setzt voraus, dass alle Menschen wie er denken und handeln, ergo setzt er auch voraus, dass der Fremde wie er mit Lust gemordet hat.

Man sieht den General, auch er singt ein Lied. Der Fremde kommt zu ihm und sie unterhalten sich:
DER FREMDE Wer bist du, silberner Sekttrinker?
DER GENERAL Ich bin der General der großen Armee, die unter dem

Boden liegt. [...]
DER FREMDE Was machst du nun unter deinen Spinnweben?
DER GENERAL Was die Generäle immer machen, wenn sie vergessen
sind: Ich mache beim Sekt Erfindungen.

DER FREMDE Was hast du erfunden?
DER GENERAL Das Gähnen.
DER FREMDE Einer sollte dich noch einmal zeugen. Du bist ein
süperber General.
Diese Szene ist in der Hinsicht besonders interessant, da der General, erst nachdem er vergessen worden ist, dazu fähig ist Erfindungen zu machen. Auch, dass er sich dafür betrinken muss, zeigt, wie einige Szenen vorher beim Betrunkenen, dass er erst dann so richtig kreativ ist und er seine Rationalität verdrängen kann. Aber als der Fremde fragt, was er denn erfunden habe, antwortet er, das Gähnen. Daher dürfte die Aussage mit der Kreativität nicht stimmen, wenn er doch nur das Gähnen erfunden hat, was im Allgemeinen nicht allzu kreativ ist. Beim Gähnen holt man nur viel Luft, um den Sauerstoffmangel im Gehirn auszugleichen, was aber auch dazu führen könnte, dass man einen kreativen Einfall bekommt.
Der Fremde bemerkt einen Schatten im Hintergrund und fragt, was das sei:
DER GENERAL Das ist meine Bombe, meine Maschine!
DER FREMDE Warum hast du sie gemacht?
DER GENERAL Warum hat dein Vater dich gemacht? Wir tun alles aus
Langeweile.
Der General meint, die Menschen tun alles nur aus Langeweile. Mit der Aussage liegt er möglicherweise gar nicht so falsch. Viele Erfindungen und Erkenntnisse entstanden nur, da sich Menschen gelangweilt haben und eine Beschäftigung suchten. Doch dies ist nicht die Regel, da einige aus Neugier oder sogar aus purem Zufall entstanden sind.
Der General erläutert ihm, dass er mit dieser Maschine die Welt zerstören könne. Er wisse nur noch nicht, wann er das tun solle. Man könnte diese Frage nach dem richtigen Zeitpunkt in dem Sinne deuten, dass Friedrich Dürrenmatt damit einen Bezug zu dem "Kalten Krieg" herstellt, da die USA und die UdSSR beide ja auch nicht wussten, wann sie die erworbenen Waffen einsetzen sollen. Jedoch ist dieses Stück 1943 entstanden, also während des Zweiten Weltkrieges als das Wettrüsten der beiden Staaten noch nicht offiziell bekannt beziehungsweise noch gar nicht stattgefunden hat.

Menschen versammeln sich und ahnen, dass ihr Leben bald vorbei sein wird. Einer predigt:
Hundekerle! Sündenböcke! Huren! Tut Buße, meine geliebten Brüdern und Schwestern. Gleich springt die Welt in die Luft wie von der Tarantel gestochen und wir hintendrein. Ich bin ein Prophet! Ein zweiter Mohammed, Buddha, Napoleon. Alles in einer Person, wie Käs in der Schachtel. Ihr müsst an mich glauben. Was ist das: Glauben? Das ist, wenn ihr die Augen zutut und denkt, es sei wahr, was ich da rede, ihr Esel!
Bei dieser Predigt fällt auf, wie wankelmütig der Sprecher agiert. Zuerst beschimpft er die anwesenden Personen, danach bezeichnet er sie als ihre Brüder. Auch, dass er sich als Prophet bezeichnet und Napoleon als eine Glaubensfigur darstellt, ist sehr interessant, da Napoleon in politischer Hinsicht zwar für einige einen Art Propheten dargestellt haben könnte aber im Allgemeinen doch als Größenwahnsinnig galt.
Dürrenmatt zeigt damit, dass die Menschen immer etwas brauchen, an das sie glauben können und dass es ihnen egal ist, ob es nun ein religiöser Prophet ist oder ein größenwahnsinniger Mensch. In dieser Predigt erkennt man aber auch die Kritik daran, dass viele einfach alles so akzeptieren, wie es ist. Sie schließen die Augen und nehmen einfach alles so an, ohne etwas zu hinterfragen.
Ein Gemetzel bricht aus, der Platz, wo sich die Menschenmasse versammelt hat, ist bald mit Blut durchtränkt und mit Leichen überseht.
Einige Szenen später befindet man sich in einem Verlies. Der Henker befiehlt seinen Lehrling, der auf dem elektrischen Stuhl schläft, eine Pfanne zu holen, damit er sich Spiegeleier braten kann:
DER HENKER [...] Wenn ich Spiegeleier mache, was ist das, Schuft in

der Ecke?
DER JUNGE Weiß nicht.
DER HENKER Weiß nicht! Was für eine blöde Antwort! [...] Das ist
Menschenliebe. Wenn ich die Platte nicht anwärme, kommen die Schurken mit kalten Hintern in die Hölle. [...]
Diese Szene weist einige paradoxe Züge auf. Der Henker kocht auf dem elektrischen Stuhl Spiegeleier. Und dies tut er, damit die hinzurichtenden Personen, an einer warmen Stelle sitzen können. Interessant ist auch, dass der Henker dies nur aus purer Menschenliebe macht, was auch sehr paradox ist, da es vermutlich nur weniger Henker auf der Welt gibt, die das Gefühl der Humanität verspüren.

Das Opfer dieser Hinrichtung soll der General sein:
DER GENERAL Nicht der Mühe wert, mich hinzurichten. Ich hatte auf

dem Weg zu dir einen Blutsturz.
DER HENKER Was denn! Was denn! Der Herr wird doch nicht vor

seinem Tode sterben wollen!
Hier wird deutlich gemacht, dass es dem Henker eine gewisse Freude bereitet, Menschen hinzurichten. Auch dass der General nicht vor seinem Tode sterben soll, zeigt von dem Paradoxem dieser Szene.
Man könnte diese Aussage auch so interpretieren, dass der Henker ein Pflichtbewusstsein verspürt und er dem General einen ehrwürdigen Tod verschaffen will, aber auch, dass er nur seine Pflicht ausführt, also das tut was ihm befohlen wurde.
Dürrenmatt kritisiert damit vermutlich aber auch, die vorgeschobene Menschlichkeit im Umgang mit Todeskandidaten. In den USA, einem Land, in dem die Todesstrafe noch immer vollzogen wird, wird diese Art der Strafe nur an einem gesunden Menschen durchgeführt. Ist der Häftling krank, hat zum Beispiel Fieber oder eine gebrochene Hand, so wird die Hinrichtung verschoben.

Kurz vor der Hinrichtung sagt der Henker noch einige Worte, damit der Tod stilvoller wird:
DER HENKER [...] Unser Leben ist Mühe und Arbeit. Doch danken wir
der Vorsehung für alle schönen Stunden, die dennoch vorhanden waren. In diesem Sinne wollen wir vom Leben Abschied nehmen: Viel Mist mit einigen Glasperlen darin.
Der Henker erkennt, dass das Leben viele schöne Seiten hat, doch ist es, wie er es formuliert, "viel Mist mit einigen Glasperlen darin". Das Leben strotzt nicht nur vor Friede und Freude, es ist sehr viel Unangenehmes und Trauriges dabei, das aber auch manchmal hilft, die wahre Schönheit des Lebens zu erkennen.. Der Henker drückt damit aber auch aus, dass die Menschen dazu neigen, nur das Hässliche, den Mist, zu sehen. Dürrenmatt hat diese Worte der richtigen Person in den Mund gelegt, denn nur einer, der täglich mit dem Tod konfrontiert wird, ihn sogar selber auslöst, kann zu so einer philosophischen Ansicht kommen.

Der Fremde und der Betrunkene treffen einander im Versteck des Generals. Sie beginnen sich zu unterhalten:
DER BETRUNKENE [...] Aber du, auf deinem Thron, was machst du?

DER FREMDE Ich regiere die Menschen.
DER BETRUNKENE Eine erbärmliche Tätigkeit. [...]
Dürrenmatt kritisiert damit, dass ein Volk nur sehr schwer zu regieren ist, einerseits, weil man es ihm nie recht machen kann und andererseits, weil das Volk selbst erbärmlich ist.
Diese Arbeit des Regierens ist aber auch erbärmlich, da sie zwar im Allgemeinen mit viel Achtung und Ehre verbunden ist, jedoch ist sie psychologisch gesehen relativ anstrengend, da man ständig in der Öffentlichkeit steht und immer darauf achten muss, was man tut oder sagt.

Plötzlich stürzen vier Personen herein und jubeln, dass die Maschine des Generals nicht funktioniert. Doch einer setzt sich auf den Tisch und löst so die Apparatur aus. Sie versuchen zu fliehen:
EIN WEITERER Ist das schön! Wie Sonn', die aufgeht, wie Stern, der
platzt am Himmel!
Diese Person erkennt erst in ihren letzten Lebenszügen die Schönheit der Welt und ihrer Natur. Das Paradoxe an dieser Situation ist, dass auch der Untergang ein ästhetischer Anblick sein kann. Vorher waren die Augen dieses Menschen verschlossen und er konnte nicht sehen, welche Wunder tagtäglich geschehen. Dürrenmatt stellt mit dieser Aussage dar, wie blind die Menschen doch manchmal sind.

 
 

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