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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Spielarten des bÜrgerlichen trauerspiels im sturm und drang


1. Drama
2. Liebe

In "Emilia Galotti" sind zwei Problemkreise verschränkt, ein politischer - Die Obrigkeit im absolutistischen Staat - und ein sozialer - die ständische Gesellschaftsordnung. In den Tragödien der Stürmer und Dränger sind diese getrennt oder berühren sich nur leicht. Erst am Schluß, bei "Kabale und Liebe", nähern sie sich wieder an.
Tyrannenhaß und Kritik an der Trennung der Stände stehen im Gegensatz zu einem subjektivistischen Kult der Individualität. Politische und soziale Gesichtspunkte, die von der damaligen Gesellschaftskritik entwickelt wurden, wirken nicht nur auf die Literaturkritik, sondern auch auf die Literatur selbst. Wohl erliegt der Sturm und Drang in seiner Reaktion auf die bestehende Gesellschaft nicht selten der Versuchung, im Namen der Entwicklung des Individuums gesellschaftliches Dasein als Hemmnis zu verwerfen und nur den Tatmenschen zu bewundern, ohne Rücksicht auf die Richtung seines Strebens. Dennoch nimmt die konkrete Kritik an spezifischen politischen und gesellschaftlichen Verhältnissen der Zeit einen breiten Raum im Sturm-und-Drang-Drama ein.
Wichtige sozialpolitische Themengruppen sind: Die Familie als soziales Problem, Ständeprobleme und der Kampf gegen die korrupte Staatsgewalt. Die Themenbehandlung erfolgt im Allgemeinen aggressiv, grell pointierend und tendenziös. Die verschwommene Gegenwärtigkeit des bisherigen bürgerlichen Trauerspiels wandelt sich zu einer krassen Aktualität. Dem entspricht auch die Theorie des Dramas, soweit sie im Sturm und Drang überhaupt vorhanden ist.
Der Standesgegensatz als gesellschaftlicher Defekt und die Kritik am Verhalten von Adel und Bürgertum sind die Hauptthemen des bürgerlichen Trauerspiels, während die Probleme der mangelhaft verwalteten absolutistischen Obrigkeit eher im normalen Drama behandelt wird. Die einzige Ausnahme davon ist "Kabale und Liebe". Ein Sonderfall in jeder Hinsicht ist Joseph August Graf Törrings "vaterländisches Trauerspiel" "Agnes Bernauerin" (1780). Das Motiv der heimlichen Eheschließung zwischen Adel und Bürgertum stellt sowohl das Thema der Standesschranken als auch das der absolutistischen Obrigkeit dar. Der Hauptgesichtspunkt ist hier aber die Erhaltung des Staatswesens in seiner bestehenden Form.
Spuren des bürgerlichen Trauerspiels findet man auch in Sturm-und-Drang-Dramen, die nicht als bürgerliche Trauerspiele zu behandeln sind, z.B. Friedrich Schillers "Die Räuber" und Johann Wolfgang von Goethes "Götz von Berlichingen". Auch im "Egmont" wird die Unfähigkeit der Bürger zum politischen Handeln und ihre Unentschlossenheit in der Verteidigung der politischen Freiheit gezeigt.
Eine interessante Variation des bürgerlichen Trauerspiels ist Goethes "Clavigio" (1774). Der sonst nur äußerlich dargestellte Standeskonflikt wird hier ins seelische verschoben. Clavigio, ein Emporkömmling aus einem niedrigen Stand, hat es geschafft, an den spanischen Hof zu kommen und schwankt nun zwischen der Heirat einer Bürgerlichen und dem Bleiben am Hof.
Das beliebteste Motiv des bürgerlichen Trauerspiels im Sturm und Drang ist die Liebesbeziehung über die Standesgrenzen hinweg, hauptsächlich zwischen Adel und Bürgertum, aber auch zwischen den verschiedenen Schichten innerhalb des Bürgertums. Ein Beispiel dafür ist Heinrich Leopold Wagners tragisches Schauspiel "Die Reue nach der Tat" (1775). Das Tragische ist das gesellschaftliche Vorurteil der bürgerlichen Justizrätin Langen gegen die kleinbürgerliche Geliebte ihres Sohnes. Ihre Machenschaften führen schließlich zum Tod beider Liebenden, ihre Einsicht kommt zu spät.
Im Gegensatz dazu wählt Wagner in der "Kindesmörderin" (1776) die Liebe des adeligen Offiziers zu einem kelinbürgerlichen Mädchen. Damit verbunden ist das Motiv des Kindsmords der Mutter. Die Schuld der verhängnisvollen Ereignisse wird einerseits dem standestypischen Verhalten zugeschrieben, andererseits wird die Katastrophe aber durch die Krankheit des längst reuigen Verführers herbeigeführt. Damit zeigt Wagner aber auch, daß man sich ideologisch über die Klassenschranken hinwegsetzen kann.
Darin unterscheidet er sich von Jakob Michael Reinhold Lenz, der die geistig-moralische Vorherbestimmung des Menschen durch seinen Stand am eindringlichsten vorführt. Bei ihm wird auch jeder in Erscheinung tretende Kreis, hauptsächlich der Mittelstand, kritisch beleuchtet und die Gesellschaft kritisch dargestellt. Da bei ihm aber auch der Charakter den Menschen bestimmt, gibt es positive und negative Adelige und Bürger. Trotz dieser Objektivität werden die Schattenseiten der Gesellschaft überbetont. Auch die Sozialkritik selbst ist nur negativ und nicht konstruktiv. Die konkreten Verbesserungsvorschläge wirken eher wie Ironie.
Die zwei wichtigsten bürgerlichen Trauerspiele von ihm sind "Der Hofmeister" (1774) und "Die Soldaten" (1776). Im ersten versucht ein bürgerlicher Privatlehrer in einem adeligen Haus die Konflikte, im zweiten eine Liebesbeziehung zwischen Adel und 3. Stand. Die Welt ist jedoch in der Komödie "Der Hofmeister" so ins lächerliche verzerrt, daß man nicht mehr von einem Trauerspiel sprechen kann. Dazu kommt auch noch die gewaltsame, fast parodistische Herbeiführung eines glücklichen Endes. Die ebenfalls als Komödie bezeichneten "Soldaten" dagegen sind viel ernster, sodaß die Bezeichnung Tragödie zutrifft.
"Kabale und Liebe" von Friedrich Schiller (1784) übersteigt alle andern bürgerlichen Trauerspiele. Die Ständetrennung ist nur noch eine stoffliche Veranschaulichung einer letztlich ins religiöse verweisenden Thematik. Außerdem lenkt Schiller vom Drama des Ständekonfliktes zur Tragödie der unbedingten Liebe ab. Neben der Deutung als politisches Stück, einerseits wegen des Protestes gegen die korrupte Obrigkeit, andererseits wegen der Verurteilung der Ständegesellschaft, ist es auch eine theologisch orientierte Tragödie des endlichen Menschen. Auch die Gesellschaftskritik ist religiös fundiert. Eine Modernisierung der Romeo-und-Julia-Thematik ist das Scheitern der Liebe in der Welt, zusätzlich verdeutlicht durch den Standesgegensatz. Die Erfahrung der Liebe bedeutet für die Hauptpersonen das religiöse Erleben des Paradieses, die Standesschranken zeigen die Kluft zwischen Paradies und Wirklichkeit.

 
 

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