Der Titel der Novelle Gottfried Kellers "Romeo und Julia auf dem Dorfe" verweist auf William Shakespeares Drama "Romeo und Julia" und deutet zugleich die Umgestaltung an, die Keller vorgenommen hat. Mit dem Drama Shakespeares hat die Novelle Kellers nur das Motiv nicht aber den Stoff gemeinsam. Beide Werke behandeln ein Urmotiv, das im normalen Leben und Beziehungen immer wieder vorkommen kann.
An die Stelle der beiden Veroneser Adelsgeschlechter in Shakespeares Drama treten in Kellers Novelle zwei Schweizer Bauernfamilien; Keller verlegt die Handlung aus dem Mittelalter in die Gegenwart.
Vergleich der Werke anhand von bestimmten Situationen:
Aus der schicksalhaften und schuldhaften Feindseligkeit der Väter erwächst die Tragik des Geschehens sowohl bei Shakespeare als auch bei Keller. Deshalb widmen beide Dichter etwa ein Drittel ihrer Dichtungen dem Streit der beiden Familien.
Sowohl Romeo als auch Sali werden unter dem Zwang der Verhältnisse schuldig: Romeo tötet Tybalt, Sali bringt Vrenchens Vater durch einen Steinschlag um den Verstand.
Sowohl Romeo und Julia als auch Sali und Vrenchen sind sich der Tragik ihres Liebesbundes bewusst und fürchten sein baldiges Ende.
Romeo und Julia gehen an einem Irrtum zugrunde: Romeo hält die scheintote Julia für tot und nimmt sich na ihrer Seite das Leben; als die Erwachende ihn tot neben sich findet, ersticht sie sich. Sali und Vrenchen hingegen gehen in der Erkenntnis der Ausweglosigkeit ihrer Lage aus eigenem Entschluss freiwillig und gemeinsam in den Tod. Der Höhepunkt ihres Lebens, ihre Hochzeitsnacht, ist auch zugleich das Ende.
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