Rilke kam 1875 in Prag zur Welt. Nach dem Besuch der Militärschule holte er das Abitur nach, um in Prag 1894 Philosophie, Kunst- und Literaturgeschichte studieren zu können. 1894 begann er sein künstlerisches Schaffen. Kein Ort konnte ihn festhalten. Er reiste kreuz und quer durch Europa. 1901 heiratete er die Bildhauerin Clara Westhoff. 1919 landete er in der Schweiz, wo 1926 sein Leben endete.
Rilke möchte die Kunst aus der linearen Zeit reißen und zu etwas Unvergänglichem machen. Die Kunst hat Anspruch auf Ewigkeit. So schreibt Rilke im Jahre 1903:
\"Das Ding ist bestimmt, das Kunst-Ding muß noch bestimmter sein; von allem Zufall fortgenommen, jeder Unklarheit entrückt, der Zeit enthoben und dem Raum gegeben, ist es dauernd geworden, fähig zur Ewigkeit.\"
Rilke setzt sich in seiner Dichtung hauptsächlich mit der Schöpfung und dem Leben im Zusammenhang mit dem Tod auseinander. Der Tod ist der bittere Kern der süßen Frucht des Lebens. Der Sinn des Lebens ist der Tod. Eines kann ohne dem anderen nicht sein.
Der Tod der GeliebtenEr wußte nur vom Tod, was alle wissen:daß er uns nimmt und in das Stumme stößt.Als aber sie, nicht von ihm fortgerissen,nein, lies aus seinen Augen ausgelösthinüberglitt zu unbekannten Schatten,und als er fühlte, daß sie drüben nunwie einen Mond ihr Mädchenlächeln hatten und ihre Weise wohlzutun: da wurden ihm die Toten so bekannt,als wäre er durch sie mit einem jedenganz nah verwandt; er ließ die anderen redenund glaubte nicht und nannte jedes Landdas gutgelegene, das immersüß - und tastete es ab für ihre Füße.
Rilke setzt sich ebenfalls mit dem Großstadtleben auseinander. Im Chaos der Stadt erkannt er Parallelen zu seinem Inneren. In Die Aufzeichnungen des Malte Laurids Brigge (1910) tut er dies anhand eines Häuserabrisses:
Wird man es glauben, daß es solche Häuser gibt? Man sah in den verschiedenen Stockwerken Zimmerwände, an denen noch die Tapeten klebten, da und dort den Ansatz des Fußbodens oder der Decke. Neben den Zimmerwänden blieb die ganze Mauer entlang noch ein schmutzigweißer Raum, und durch diesen kroch in unsäglich widerlichen, wurmweichen, gleichsam verdauenden Bewegungen die offene, rostfleckige Rinne der Abortröhre. Von den Wegen, die das Leuchtgas gegangen war, waren graue, staubige Spuren am Rand der Decke geblieben, und sie bogen da und dort, ganz unerwartet, rund um und kamen in die farbige Wand hineingelaufen und in ein Loch hinein, das schwarz und rücksichtslos ausgerissen war. Am unvergeßlichsten aber waren die Wände selbst. Das zähe Leben dieser Zimmer hatte sich nicht zertreten lassen. Es war noch da, es hielt sich an den Nägeln, die geblieben waren, es stand auf dem handbreiten Rest der Fußböden, es war unter den Ansätzen der Ecken, wo es noch ein klein wenig Innenraum gab, zusammengekrochen. Man konnte sehen, daß es in der Farbe war, sie es langsam, Jahr um Jahr, verwandelt hatte: Blau in schimmliches Grün, Grün in Grau und Gelb in ein altes abgestandenes Weiß, das fault. ...
Impressionismus
Der Impressionismus ist eine Gegenströmung, die sich nur schwer von den anderen Gegenströmungen unterscheiden läßt. In der Wiener Moderne und dem Symbolismus sind jeweils impressionistische Züge enthalten. Die französische Malerei gilt als Ursprung des Impressionismus. Der Maler Claude Monet hebt die Konturen und die detaillierte Darstellung auf und läßt die Farben in einander übergehen. Er entsagt sich der subjektiven Anschauung. Dies ermöglicht ihm die augenblicklichen Wahrnehmungen und Impressionen eindrucksvoll abzubilden. Das Zeichnen von Details wird von der Fotografie abgelöst. Man konzentriert sich auf das Erfassen von Stimmungen und Gefühlen.
Das impressionistische Drama läßt Gefühle und Stimmungen zerfließen. Lyrische und epische Elemente kommen zum Vorschein, und die Grenzen zu anderen Gattungen werden undeutlich. Mit dieser Freizügigkeit gewinnt die Sprache an Schönheit und Melodie. Der eigentliche Sinn der Sprache ist die Übermittlung von Bedeutungen. Um sprachlich Bilder zu gestalten, lockern die Dichter Syntax und Semantik. \"Anatol\" von Hugo von Hofmannsthal:
Hohe Gitter, Taxushecken,Wappen nimmermehr vergoldet,Sphinixe, durch das Dickicht schimmernd...knarrend öffnen sich die Tore. - Mit verschlafenen KaskadenUnd verschlafenen Tritonen, Rokoko, verstaubt und lieblich,Seht... das Wien des Canaletto,Wie von siebzehnhundertsechzig...... Grüne, braune stille Teiche,Glatt und marmorweiß umrandet,.....
Die sprachlichen Ausdrücke werden durch Lautmalerei und Synästhesie verfeinert. Die so erzeugten Bilder haben keine genauen Absichten. Beim Impressionismus ist das Weglassen von Verben sehr typisch. Um ein Bild besser entstehen zu lassen, werden Handlungsabläufe gemieden. Die Anhäufung von Nomen und Adjektiven sollen die aneinandergereihten Eindrücke zur Geltung bringen.
Georg Heym \"Autumus\"
Der Schwäne Schneeweiß. Glanz der blauen Flut.
Des breiten Strandes Gelb, saß flach verläuft.
Gelärm der Badenden und Freunde laut
der braunen schlanken Leiber, die mit Zweigen
Sich peitschen blankes Wasser auf das Haupt.
Doch aufwärts steigt der Wald in blauen Farben
Des Nachmittags. Sein breites grünes Haupt
Ist sanft gerundet in den blassen Himmel,
Der zitternd ausstreut frühen Herbstes Licht.
Aus diesem Grund sind Formen wie Gedichte, Einakter, Essays, Skizzen und kleine Erzählungen sehr beliebt.
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