In diesem Buch führen zehn Figuren zehn Dialoge und zehnmal findet sich ein Paar zu sexueller Vereinigung. Nach jeder Szene wird ein Partner ausgetauscht und dabei die gesellschaftliche Leiter auf- und abgestiegen. Der Liebesreigen nimmt seinen Anfang bei der Dirne und dem Soldaten, dreht sich weiter vom Soldaten und dem Stubenmädchen zum Stubenmädchen und dem jungen Herrn. , vom jungen Herrn und der jungen Frau zur Szene des Ehepaard junge Frau und Ehemann, und über den Ehemann und das süße Mädel, das süße Mädel und den Dichter, den Dichter und die Schauspielerin, die Schauspielerin und den Grafen zum Grafen und zur Dirne der ersten Szene; der Kreis ist geschlossen. Die Dialoge beschränken sich immer auf die Zeit vor und nach dem Geschlechtsverkehr. Das eigentliche Handlungsziel der Personen, ihre Triebbefriedigung wird nur oberflächlich angedeutet und schließlich durch eine Linie von Gedankenstrichen ersetzt. Im Sog der Begierde werden die Personen aber einander gleich wie der Kaiser und der Bettler vor dem Tod. Über die Struktur des Stückes, das Verhalten der Personen und ihrer Sprache vermittelt sich Schnitzlers kritische Sicht der tabuisierten Sexualsphäre. Im Kreislauf der Paare verwirklicht sich Schnitzlers These von einer Gesellschaft, die Sexualität an die "heilige" Institution der Ehe bindet, diese aber durch Doppelmoral und die allgemein praktizierte Trennung von Lust und Liebe unterläuft. Mit den gesellschaftlich repräsentativen Figuren fallen hohle Liebesideale. In der Redeweise der Figuren, in uneigentlichem Sprechen offenbart sich auch der unfreie Umgang mit der eigenen Sexualität (Die junge Frau: "Nein, nein, nicht, ich darf nicht zum Bewusstsein kommen... Sonst müsste ich vor Scham in die Erde sinken"). Ein weiteres Thema des Stücks sind die unterschiedlichen sexuellen Verhalten der Geschlechter. Die Beziehungen zwischen Mann und Frau verlaufen in einer gegenläufigen Gefühlskurve. Die Frau wechselt von spröder Ablehnung zu zärtlicher Anhänglichkeit, der Mann von sinnlicher Erregung zu kalter Abwendung.
Schnitzler, der sich ja intensiv mit der Psychoanalyse auseinandergesetzt hat, nimmt im Reigen eines der bestimmenden Themen im Wien der Jahrhundertwende auf. So erschienen in dieser Zeit eine Reihe von Büchern die den tiefenpsychologischen Aspekt sexuellen Verhaltens behandeln. Auch hob Sigmund Freud in einem Brief an Schnitzler die weitreichende Übereinstimmung in psychologischen Problemen hervor.
Das Stück selbst wurde im Winter 1896/97 geschrieben. Erstmals erschienen ist der Reigen im Jahre 1900 in Wien nur als Privatdruck (200 Exemplare), der an Freunde ging. Dem Dichter war die Skandalträchtigkeit seines Stückes von Anfang an bewusst, denn in seinem Vorwort schreibt er, dass ein Erscheinen der nachfolgenden Szenen vorläufig ausgeschlossen ist. Die erste öffentliche Ausgabe des Werkes im Jahre 1903, die der Wiener Verlag dennoch wagte, löste eine Woge der Empörung aus, die geltenden Bestimmungen der Sittlichkeitszensur im österreichischen Kaiserreich versperrten dem Werk die Bühne. Dennoch fand das Buch Verbreitung: Der "Reigen" wurde ein bekanntes unbekanntes Buch.
Zur Uraufführung des gesamten Werkes kam es fast zwei Jahrzehnte später, am 23.12.1920, am Max Reinhardts Berliner Kleinem Schauspielhaus. Die Aufführung wurde von Demonstrationen gestört und der preußische Kultusminister untersagte jede weitere Aufführung. Schließlich gab es noch einen Reigenprozess, in dem 2 Schauspieler wegen Unzucht und Erregung öffentlichen Ärgernisses angeklagt wurden, der jedoch mit einem Freispruch endete. Als es nach Aufführungen in Wien und in München zu organisierten Krawallen deutschnationaler, katholischer und antisemitischer Kreise kam, verbot Schnitzler jede weitere Aufführung. Erst 1982, nach dem Tod Schnitzlers Sohn und Erben Heinrich, gelangte das Werk wieder auf die Bühne.
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