In \"Unzeitgemäße Betrachtungen\" gestand Nietzsche:\"Ich gehöre zu den Lesern Schopenhauers, welche, nachdem sie die erste Seite von ihm gelesen haben, mit Bestimmtheit wissen, dass sie alle Seiten lesen und auf jedes Wort hören werden, das er überhaupt gesagt hat.\" Was Nietzsche von der Sprache seines Lehrers rühmt, gilt auch für den eigenen Stil der frühen Schriften. Ein\"redliches, derbes, gutmütiges Aussprechen\" bezeugt das \"kräftige Wohlgefühl des Sprechenden\", dem eine \"rauhe und ein wenig bärenmässige Seele\" zu eigen ist. Diese Sprache ist imstande, \"das Tiefsinnige einfach, das Ergreifende ohne Rhetorik, das Streng-Wissenschaftliche ohne Pedanterie zu sagen.\" Bis zu seinem Buch \"Menschliches-Allzumenschliches\" schreibt Nietzsche die gleiche gediegene, an antiker Rhetorik geschulte Prosa. Er bevorzugt lange, sehr klar gebaute Satzperioden und verwendet auffallend wenig Fremdwörter.
Die Philologie hat ihn gelehrt, alles zu begründen und mit Zitaten zu belegen. Hin und wieder blitzt etwas von witziger Bosheit auf, wenn er zum Beispiel die \"Heiterlinge\" oder die \"Moral-Zärtlinge\"verspottet. Auch in diesem redlichen Grimm bleibt er der Schüler Schopenhauers. Weil Nietzsche häufig neue Worte gebrauchte und mehr noch vorhandene Ausdrücke umdeutete, hat man ihn auch einen \"Bildungsphilister\" genannt. Oft veränderte er Wörter, indem er auf die Grundbedeutung der Bestandteile zurückging: \"überreden\" verstand er in dem Sinne von über-reden, das heißt, so viel reden, dass der Partner nicht mehr zu Worte kommt. Überreden im Sinne von überrennen.
Nietzsche sprach auch von Vaterländerei, Schopenhauerei, Aufdringling, Düsterling, Kastralismus, Nicht-Gott, Immoralist, Antiesel oder er gebrauchte Pendantworte:Freitäter zu Freidenker, Vernunftbisse zu Gewissensbisse oder Korrekturworte: Christentümler statt Christen, Dysangelist statt Evangelist. Später wurden die Sätze kürzer und die Satzzeichen differenzierter. Die meisten Wörter sind Abstraktionen mit polemischer Spitze. Hier haben französische Gelehrte und Dichter oft Pate gestanden wie Montaigne, La Rochefaucould, La Bruyère, aber auch Lichtenberg und Heine. Charakteristisch für Nietzsches Aphorismen ist das Nebeneinander von prophetischem Ernst und Ironie. Wie in seinem Denken Metaphysik und Perspektivismus zusammenwirken, so in seiner Sprache Pathos und Spiel.
Wir finden bei Nietzsche keinen einheitlichen Sprachstil, aber souveräne Beherrschung der Sprache.
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