In diesem Buch wird sehr gut das komplexe Verhältnis zwischen Täuschung und Realität, zwischen Schein und Sein unter gesellschaftskritischem Aspekt dargestellt. Der wandernde Schneider kommt durch seinen vornehmen Mantel und die melancholische Blässe seines Angesichts dem heimlichen Wunschbild der Kleinstädter entgegen. Einem Wunschbild, das es im ersten Teil der Erzählung den beiden jungen Leuten gestattet, sich dem romantischen Schein uneingeschränkt zu überlassen. Die unvermeidliche Entlarvung dieser Täuschung stürzt das Liebespaar in eine Verzweiflung, in der erst die befreiend-heitere Wende, der Aufbruch in eine wahre menschlichere Wirklichkeit erfolgen kann. In Nettchen, die sich, allen maskenhaften Täuschungen zum Trotz, tapfer zu Wenzel bekennt, kristallisiert sich Kellers Ideal praktischer Humanität: \"So feierte sie erst jetzt ihre rechte Verlobung aus tief entschlossener Seele, indem sie in süßer Leidenschaft ein Schicksal aus sich nahm und Treue hielt. \" Diese Erzählung gleicht einem Märchen mit anschließendem "Happy End".
Keller hat mit diesem Buch ein auch noch in der heutigen Zeit bestehendes Problem erfaßt. Man beurteilt einen Menschen auch noch heutzutage erst nach dem Aussehen und dem Auftreten, ohne das geringste über die inneren Werte des jenigen Menschen zu kennen. Dieses falsche Denken macht schon Jahrhunderte lang den armen Menschen unter der Bevölkerung ein Problem sich zu beweisen. Denn die Bekleidung spielt eine große Rolle, überhaupt bei der Jugend. Um in einer Gruppe akzeptiert zu werden, muß man sich auch mit der Kleidung anpassen. Da sind sogar einzelne Marken ausschlaggebend. Ohne Markenbekleidung wird man in gewissen Schichten einfach nicht akzeptiert. Die jeweilige Art und die inneren Werte eines Menschen stehen erst ganz hinten in der Liste der Kriterien, nach denen ein Mensch beurteilt wird. Diese Einstellung ist zwar absurd, aber sie besteht einfach in den Gehirnen der Menschen. An dieser doch etwas bedenklichen Einstellung wird sich such nicht so schnell etwas ändern. Denn diese Einstellung besteht schon sehr lange so. Keller hat mit dem Buch diese Problematik sehr gut zum Ausdruck gebracht.
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