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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Klara wächter alias claire zachanassian


1. Drama
2. Liebe

Klara (lat. clarus = hell, berühmt), die Tochter des Baumeisters Gottfried Wächter, hatte 45 Jahre vor der Gegenwart der Handlung des Stückes eine Liebesaffäre mit Alfred III. Sie wird schwanger und klagt ihn in einem Vaterschaftsprozeß, doch er entzieht sich seiner Verantwortung. Sie muß gedemütigt Güllen verlassen und verkommt zur Dirne in einem Hamburger Bordell. Dort fand sie der armenische Ölmilliardär Zachanassian und machte sie zu seiner Frau und Erbin. Anfangs sehen die Güllener in ihr eine Wohltäterin, die Spitäler, Kirchen und Kinderkrippen spendet, deren hilfreiche Millionen ihnen sicher sind, so sie nur alles geschickt und psychologisch inszenieren. Doch Zachanassian enttäuscht alle auf Egoismus und Eigennutz gebauten Illusionen; sie bringt nicht Güte, sie will Rache. In allen Komplimenten und Reden erkennt sie die Lüge sofort und stellt sie ungeniert, auch auf ihre Kosten, richtig. Nach Auto- und Flugzeugunfall verstümmelt, scheint sie nur noch aus Prothesen zu bestehen, was sie einem Kunstmenschen, einer gefühllosen Maschine ähnlich macht. Sie steht gewissermaßen über den Dingen und ist durch ihr Wirken fähig, andere Menschen zu Fall oder zur Erfüllung ihrer Wünsche zu bringen. Alfred Ill Er ist der Krämer der Stadt und anfangs ganz gleich im Wesen, wie seine Güllener Mitbürger. Durch seine einstige Beziehung zu Klara Wächter traut man ihm am ehesten zu, der Heimatstadt die Millionen zu holen. Seiner Schuld ist er sich nicht mehr bewußt; er glaubt, das Leben hätte sie von selbst getilgt. Anfangs überschätzt er sich maßlos, nimmt geschmeichelt das Lob der Freunde auf, und glaubt durch Verfälschen der Vergangenheit und Mitleidheischen für seine Existenz, von Zachanassian eine großzügige Spende für Güllen zu erhalten, die er dann als seinen alleinigen Verdienst hinstellen könnte. Doch er wird nur all zu bald von der Vergangenheit, die durch die Figur des anklagenden Oberrichter Hofers alias Butler Boby dargestellt wird, eingeholt. Das ist der Augenblick, von dem an, einer Gegenbewegung gleich, die Güllener in Unmoral versinken, während Alfred zum "Gewinn seiner Seele" aufsteigt. Als er sich, von wachsendem Mißtrauen beunruhigt, an die Mächtigen des Ortes wendet, beginnt bereits seine Isolation, denn er wird von jedem enttäuscht. Fast unmerklich schlägt die Jagd auf den entlaufenen Panther der Milliardärin, in eine Hatz auf ihn um. Als Alfred am Ende des 2. Aktes nach seinem zum Scheitern verurteilten Fluchtversuch zusammenbricht, erfährt sein Schicksal eine Wende. Tagelang von Angst gequält, erkennt er seine Schuld - und ist bereit seinen Tod als Sühne zu akzeptieren. Von da an läuft das Handeln der Güllener als auch jenes Alfreds unweigerlich auf diesen Endpunkt hin. Das Ergebnis ist zwar dasselbe, die Wege sind verschieden. Er lehnt den Selbstmord ab und erreicht durch die Gewißheit seines Todes Größe, denn gleichzeitig mit seiner physischen Vernichtung erreicht er eine moralische Persönlichkeit, die man dem Krämer nie zugetraut hätte. Sein Sterben ist "sinnvoll und sinnlos" zugleich meint Dürrenmatt, "sinnvoll im mythischen Reich, aber nicht in Güllen, nicht in der Gegenwart. Zwar stirbt der Krämer als tapferer Mensch, dennoch zeigt sich aber auch hier das Mißverhältnis zwischen begangener Schuld und zu leistender Sühne, das charakteristisch für die früheren Werke Dürrenmatts ist; denn Alfred hat durch sein elendes Leben, als seine im Stich gelassene Geliebte bereits Multimillionärin war, schon längst gebüßt. Ein Kritiker meinte dazu sinngemäß: "Die Verbindung zwischen dem sadistisch-rachsüchtigen Gott und der Gesellschaftskritik macht die Figur des Alfred Ill aus. Deshalb ist er die am schwersten zugängliche Gestalt."

Der Bürgermeister Er repräsentiert die Stadt und verfügt über eine unbestreitbare Autorität. Er gibt die Anweisungen für das Begrüßungszeremoniell; für dessen Untergehen im Lärm des abfahrenden Zuges kann er nichts. Wenige Fakten aus der Biographie Klara Wächters genügen ihm, um eine schönfärberische Rede zu halten. Daß er dabei die Tatsachen ins Gegenteil verkehrt und von der Milliardärin auch drauf hingewiesen wird stört den Selbstdarsteller herzlich wenig. Die Figur des Bürgermeisters ist ebensowenig böse, wie die der andern Güllener, doch auch sie ist schwach. An ihm vollzieht sich exemplarische eine Wandlung und Wendung. Als er am Ende des 1. Aktes pathetisch ausruft: "Lieber bleiben wir arm, denn blutbefleckt", meint er dies genauso ehrlich, wie er mit dem Vorschlag zum Selbstmord an Alfred herantritt. Bei der Inszenierung des Urteils über Alfred wirkt er als Moderator für die Presse; es gipfelt in der verlogenen Diagnose: "Todes aus Freude".

Der Polizist Den ausführenden Arm der Gesetze repräsentiert in Güllen der Polizist, in dessen Auftreten sich sowohl Anmaßung und Ergebenheit widerspiegeln. Einerseits versichert er der Milliardärin treuherzig, daß er manches Mal ein, wenn es sein müsse, auch zwei Augen zudrücke, andererseits erwartet Wachmeister Hahncke, daß die Mitbürger seine, ihm von der Uniform verliehene Autorität, anerkennen. Seinen großen Auftritt hat der Wachmeister, als ihn der verzweifelte Alfred aufsucht. Er tut aber die offensichtliche Anstiftung zum Mord als nebensächliche Schrulle ab, die jeder rationalen Begründung entbehrt; gleichzeitig zeigt sich aber auch bei ihm der neuerworbene Wohlstand in Form eines Goldzahnes und im Genuß Pilsener Bieres. Im Vergleich zum Bürgermeister steht er auf einer niedrigeren sozialen Stufe; das zeigt sich nicht zuletzt in seiner militärisch abgehackten Sprechweise und seinem Ausdruck ("Erheben Sie sich, Alfred Ill" ? "Steh auf, du Schwein."). Der Arzt Güllens Arzt, Doktor Nüßlin, besitzt das einzige Auto der Stadt. Sein Gesicht weist Mensurnarben auf; er selbst lehnte aus Verbundenheit zu seinem Heimatort einen Lehrauftrag an der Universität zu Erlangen ab. Zusammen mit dem Lehrer unternimmt er einen erfolglosen Versuch, die Milliardärin zum Einlenken zu bringen. Danach wird auch er zum Mittäter und trägt mit der Diagnose einer falschen Todesursache sein Scherflein zum Güllener Mordkollektiv bei. Der Pfarrer Für den Geistlichen stehen offensichtlich nichtssagende, religiöse Formeln im Vordergrund, nicht der Mensch zählt für ihn. Als der Bürgermeister von Zachanassian als einziger Hoffnung spricht, fügt er pflichtbewußt hinzu "außer Gott". Auch als Alfred voller Entsetzen in seiner Sakristei Schutz sucht, meint er nur: "Positiv, nur positiv, was Sie durchmachen.". Das Erklingen einer neuen Glocke macht klar, daß auch der Pfarrer seinen Teil vom in Aussicht stehenden Wohlstand in Anspruch genommen hat. Doch noch einmal flammt ein Funke echten Christentums auf ("Es tönt die Glocke des Verrats. Flieh, führe uns nicht in Versuchung, indem du bleibst"), ehe auch er sich den Mördern anschließt und dem Delinquenten kurz vor seiner Ermordung noch durch nichtssagende Phrasen Trost spenden will, den dieser freilich von ihm nicht mehr nötig hat.

Der Lehrer Der Direktor des Güllener Gymnasiums übertrifft mit seiner Präsenz die der anderen Würdenträger. Ähnlich wie der Arzt lehnte auch er eine bessere Stellung ab und nahm auch am Bestreben teil, die Meinung der Milliardärin zu ändern. Von ihm, einem Humanisten und Altsprachler, Verehrer Platons, stammen auch die Bezeichnungen der Medea und Moire Klotho für Zachanassian. Er widersteht der Versuchung des großen Geldes am längsten und versucht Alfred zu helfen, was Kritiker zu der Feststellung brachte, er sei der einzig gute Mensch in diesem Stück. Alkoholisiert, um sein schlechtes Gewissen zu beruhigen, hat er seinen großen Auftritt in Alfreds Laden: Fest entschlossen, der nahenden Presse die Wahrheit zu erzählen ("auch wenn die Armut ewig währen sollte."), muß er von den Kunden und selbst Alfreds Familie zurückgehalten werden. Wieder nüchtern bekennt er seine Seelennot und weiß, daß auch er am unvermeidlichen Mord nicht unschuldig sein wird. So ist es dann auch; vor den Kameras und Mikrophonen der Presse gibt er mit seiner blendenden Rhetorik dem Mord einen moralischen Untergrund, so hält er doch noch seine ihm zuvor verwehrte Rede - diesmal aber sarkastischerweise unter verkehrtem Vorzeichen.

 
 

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