Das Jahr 1945 bildet auch für die Literatur einen tiefen Einschnitt; Man verlangte einen "Kahlschlag im literarischen Dickicht" (Wolfgang Weyrauch). 1945 galt es als das Jahr Null. Nach so viel Propaganda und geistigem Zwang war man voller Hoffnung auf eine vom Vorhergehenden ganz unabhängige Dichtung.
In der Trümmerliteratur der zweiten Hälfte der vierziger Jahre wurde versucht das Erlebte Ansatzweise zu verarbeiten. Beispiel für die folgende Nachkriegs- und Heimkehrerliteratur sind Plieviers sachgetreue "Stalingrad"-Reportage, E. Wiecherts "Jerominkinder" und das Drama von Wolfgang Borchert, "Draußen vor der Tür".
Textbeispiel: Trümmerliteratur
Wolfgang Borchers, "Draußen vor der Tür"
Das ist unser Manifest - Schluß
Unser Manifest ist die Liebe. Wir wollen die Steine in den
Städten lieben, unsere Steine, die die Sonne noch wärmt,
wieder wärmt nach der Schlacht -
Und wir wollen den großen Uuh-Wind wieder lieben,
unseren Wind, der immer noch singt in den Wäldern.
Und der auch die gestürzten Balken besingt -
Und die gelbwarmen Fenster mit den Rilkegedichten dahinter -
Und die rattigen Keller mit den lilagehungerten Kindern darin -
Und die Hütten aus Pappe und Holz, in denen die Menschen
noch essen, unsere Menschen, und noch schlafen.
Und manchmal noch singen
Und manchmal und manchmal noch lachen -
Denn das ist Deutschland. Und das wollen wir lieben, wir,
mit verrostetem Helm und verlorenem Herzen hier auf der Welt.
Doch, doch: Wir wollen in dieser wahn-witzigen Welt
noch lieben, immer wieder lieben !
Ein von Jean Paul Sartre und Franz Kafka ausgeprägtcr "Existentialismus" entstand: Der Mensch ist "ins Nichts geworfen". Er kommt in diese Welt nicht aus eigenem Willen, ist also nicht für sein Sein verantwortlich. Er findet eine Welt vor, die zwar Naturgesetze, aber nicht menschliche Gesetze von allgemeiner Verbindlichkeit hat. Er ist daher frei in seinen Entschlüssen wie auch in der Wahl, der Regeln die er sich selbst setzt.
Rasch verbreiteten sich die bislang kaum zugänglichen Werke der Emigranten und des Auslands (E. Hemingway, W. Faulkner, T. Wilder T S. Eliot: J. Giraudoux, J. Anouilh), daneben fand man Stücke von Berthold Brecht("Herr Puntila und sein Knecht Matti"), Max Frisch ("Nun singen sie wieder") und Günther Weisenborn. Manche nahezu Vergessene wie Ernst Barlach, R. Borchardt.
In der Lyrik traten besonders Zeitgedichte hervor (J. R. Becher, W. Bergengruen, R. Hagelstange, S. Hermlin, H. E. Holthusen, M. L. Kaschnitz, N. Sachs R. Schneider), auch Werke aus dem Nachlaß Verlolgter (A. Haushofers "Moabiter Sonette", G. Kolmar).
Textbeispiel: Lyrik Trümmerliteratur
Peter Huchel
Erwürgte Abendröte
stürzender Zeit!
Chauseen, Chauseen.
Kreuzwege der Flucht.
Wagenspuren über den Acker,
der mit den Augen
erschlagener Pferde
den brennenden Himmel sah.
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