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deutsch artikel (Interpretation und charakterisierung)

Johann nestroy – der talisman - wiener volkstheater


1. Drama
2. Liebe

Nestroy gilt als der Vollender des biedermeierlichen Altwiener Volkstheaters. Er wurde am 7. Dezember 1801 in Wien geboren als Johann Nepomuk Eduard Andreas Nestroy. Der Sohn eines Wiener Rechtsanwalts brach das Studium der Rechtswissenschaften nach einem Jahr ab und begann eine Sängerlaufbahn in Wien, die er zwischen 1822 und ’25 in Amsterdam fortsetzte. Unter den Rollen, die er dort spielte, überwogen die „seriösen“ (Sarastro in Mozarts Zauberflöte) bei weitem die komischen. Es folgten Engagements in der österreichischen Provinz, wobei er aufgrund eines Nachlassens der Tragfähigkeit seiner Stimme immer mehr als Schauspieler auftrat.

     Dabei zeigte er sich ebenfalls zuerst in ernsten Rollen des klassischen deutschen Repertoires (Gessler im „Tell“, Geist in Shakespeares „Hamlet“, Burleigh in „Maria Stuart“ von Schiller). Seine Leistungen auf diesem Gebiete wurden von der Kritik zwar anerkannt, verhalfen ihm aber nicht zu besonderen Erfolgen beim Publikum. Dagegen blühten ihm solche, wie er bald bemerken musste, in komischen Rollen. So sah er sich durch eine Macht, die stärker war als sein Wollen, unwiderstehlich zu den burleskkomischen Rollen abgedrängt, wie sie die Altwiener Volkskomödie in schier unübersehbarer Fülle aufwies und noch immer hervorbrachte. Aber es sollte sich bald zeigen, dass Nestroys Übertritt zum „komischen Fach“ mehr bedeutete als einen Wechsel im Repertoire eines beliebigen Schauspielers, denn die Altwiener Volkskomödie war weit mehr als eine vorübergehende Liebhaberei oder Spezialität: sie war in Wirklichkeit die volkstümliche Gestaltung einer Weltanschauung, an der Generationen gearbeitet hatten. Das entscheidende Merkmal der Altwiener Volkskomödie ist ihre tiefe Verwurzelung mit dem Wiener, ja dem österreichischen Volksleben überhaupt.

     Von Stranitzky, der ersten fassbaren Gestalt des Wiener Volkstheaters, fehlte es in Wien nie an einem repräsentativem Volkskomiker, für den fingerfertige, aber volksverbundene und genialische Librettisten Hunderte von Stücken schrieben. In ihnen kam es zu einer dramatischen Auseinandersetzung des Volksgeistes mit den Ideologien der Oberschicht. Auf der Höhe der Entwicklung mussten Raimund und Nestroy allerdings selbst zur Feder greifen. In einer theatralischen Abreaktion der Spannung zwischen „Bildung“ und volkstümlichem Empfinden bemüht sich die komische Figur, d.h. der „einfache Mann aus dem Volke“ um Anpassung an das jeweilig geltende Ideal und „versagt“ dabei in einer Art, dass dadurch gewisse Hohlheiten in dieser Ideologie gleichsam automatisch erkennbar werden.

     Das hat zur Folge, dass nicht nur die einfachen Leute, sondern auch die Vornehmen lachen müssen und beide sich im Lachen, d.h. im Menschlichen, finden. Obwohl die Gesellschaft damals kurz vor der Julirevolution von 1830 stand, war Nestroy kein Mensch des Vormärz mehr. Das Neue, aber auch Besondere an Nestroys Komik war seine oft erschreckende Aggressivität auf der Bühne. Seinen Rollen verlieh er oft einen Anflug von Hohn und einen Zusatz von Schärfe.

     Oft wurde ihm vorgeworfen, er mache sich über das Volk nur lustig. Das lag ihm ganz fern. Über die Menschen im allgemeinen machte er sich lustig, und einfache Leute aus dem Volke wählte er als Repräsentanten des Menschlichen nur deshalb, weil das eben zur Tradition der Volkskomödie gehörte, die Darstellung erleichterte, auch Zensurschwierigkeiten verringerte. Diese Eigenart Nestroys bewirkte eine grundsätzliche Veränderung des Altwiener Volksstückes, das auf eine fast hundertfünfzigjährige Vergangenheit zurückblickte.

 
 

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